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Als Reich von Soissons teils auch Konigreich der Romer Regnum Romanorum oder Reich des Syagrius wird in Teilen der Forschung ein autonomer Herrschaftsbereich in Nordgallien bezeichnet der 461 durch Loslosung vom Westromischen Reich unter dem abtrunnigen romischen Befehlshaber Aegidius entstand Nach Aegidius Tod trat sein Sohn Syagrius die Nachfolge an der 486 87 vom Salfrankenkonig Chlodwig I besiegt wurde Details uber die inneren Vorgange oder die genaue Ausdehnung des Reiches sind nicht uberliefert In der modernen Forschung wird die Existenz eines regelrechten Reichs zudem sehr skeptisch gesehen stattdessen betrachtet man sowohl Aegidius als auch Syagrius eher als spatantike Warlords Mogliche Ausdehnung des Reiches von Soissons in dieser Form wohl ubertrieben Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Vorgeschichte 1 2 Unter Aegidius 1 3 Unter Syagrius 2 Quellenlage 3 Geographie 4 Armee 5 Literatur 6 AnmerkungenGeschichte BearbeitenVorgeschichte Bearbeiten In der Mitte des 5 Jahrhunderts befand sich das westromische Reich in einer schweren Krise Nachdem Sueben Alemannen Franken Goten Vandalen und Burgunder innerhalb der romischen Reichsgrenzen eigene Herrschaften gegrundet und sich mit diesen vom Kaiserhof in Ravenna losgesagt hatten siehe Volkerwanderung waren das reiche Nordafrika und die Iberische Halbinsel fur Rom verloren Machtigster Mann des Westromischen Reiches war seit 454 der Suebe Ricimer zunachst als comes ab 456 als magister militum Auf Ricimers Veranlassung wurde Kaiser Avitus 456 entthront und durch Majorian ersetzt Avitus selbst wurde zum Bischof von Piacenza ernannt und starb noch 457 458 ernannte Majorian Aegidius zum magister militum per Gallias d h zum obersten romischen Befehlshaber in Gallien Beide hatten gemeinsam unter Flavius Aetius in der Armee gedient und waren eng befreundet Unter Aegidius Bearbeiten Nachdem Majorians Feldzug gegen die Vandalen bereits im Ansatz gescheitert war was fur diesen mit einem enormen Prestigeverlust einherging liess Ricimer 461 den Kaiser in einem auf fingierten Anklagepunkten basierten Schauprozess zum Tode verurteilen und auf grausame Weise hinrichten Nach einem kurzen Interregnum wurde Libius Severus zum Nachfolger Majorians Infolgedessen sagte sich Aegidius der mit Majorian befreundet gewesen war von der von Ricimer kontrollierten westromischen Regierung los 1 die er anscheinend nicht mehr als legitim anerkannte Stattdessen machte er Teile Nordgalliens zu seinem eigenen Herrschaftsbereich Dass er von Soissons aus regierte ist durchaus moglich 2 gilt aber erst fur seinen Sohn Syagrius als gesichert Uber die territoriale Ausdehnung und die inneren Verhaltnisse von Aegidius Reich lassen sich aufgrund der dunnen Quellenlage fast nur Vermutungen anstellen 3 Nach dem Tode Majorians uberrannten Westgoten und Burgunder Sudgallien Hiedurch ging die Landverbindung zwischen Aegidius Herrschaftsgebiet und dem westromischen Reich verloren Agrippinus sowohl Vorganger als auch nach dessen Verrat Nachfolger des Aegidius als magister militum per Gallias und dessen erbitterter Feind ubergab 462 die Stadt Narbo den Westgoten Dem Bischof und Geschichtsschreiber Hydatius von Aquae Flaviae zufolge geschah dies kampflos und in der Absicht die Goten im Gegenzug zum Feldzug gegen Aegidius zu bewegen Hierbei ist zu beachten dass Hydatius stark zugunsten des Aegidius voreingenommen war Der Grund hierfur ist religioser Natur Aegidius wie auch Hydatius waren Katholiken wahrend Ricimer ebenso wie die Westgoten dem Arianismus anhingen Gemeinsam mit den Salfranken so jedenfalls die gangige Interpretation moglicherweise agierten Aegidius und der Salfrankenkonig Childerich I aber auch als Rivalen besiegte Aegidius 463 die vom romischen Reich mobilisierten Westgoten in der Schlacht bei Orleans Infolge dieser Schlacht konnte sich Aegidius in Nordgallien militarisch behaupten Glaubt man Gregor von Tours der wichtigsten Quelle fur Gallien in diesem Zeitraum beherrschte er sogar die Salfranken wahrend der Verbannung ihres Konigs Childerich I was aber eher ins Reich der Legende zu verweisen ist und moglicherweise auf die besondere Stellung des Aegidius im Verhaltnis zu den Franken hindeutet 4 Im Liber Historiae Francorum wird berichtet die Franken hatten die von Aegidius beherrschte Stadt Koln erobert und im Anschluss darauf viele Anhanger des Aegidius massakriert Aegidius habe die Stadt fluchtartig verlassen und sei kurz danach verstorben Infolgedessen sei auch Trier von den Franken eingenommen worden 5 Des Weiteren berichtet Hydatius von Aquae Flaviae Aegidius habe im Mai des Jahres 465 uber das Meer Gesandte zum Vandalenkonig Geiserich geschickt Diese seien im September wieder zuruckgekehrt Es wird vermutet dies sei geschehen um eine Allianz gegen Ricimer zu schmieden Ob dies zutrifft oder nicht Aegidius starb kurz darauf und konnte nicht mehr offensiv gegen Ricimer vorgehen Unter Syagrius Bearbeiten Hydatius berichtet nach dem Tode des Aegidius im Jahre 465 seien die Westgoten in Teile der Gebiete eingefallen die dieser bis dahin fur Rom gehalten hatte Vermutlich ubernahm Syagrius nach dem Tode seines Vaters das Kommando uber dessen Truppen Dem Liber Historiae Francorum zufolge verlegte Syagrius nach dem Tode seines Vaters seine Residenz nach Soissons 6 Gregor von Tours berichtet Syagrius habe in Soissons seinen Sitz gehabt und Aegidius hatte diese zuvor beherrscht 7 Ob dies so zu verstehen ist dass Aegidius laut Gregor bereits dort residiert hat ist in der Forschung umstritten Gregor bezeichnet Syagrius als rex Romanorum Konig der Romer bei Pseudo Fredegar wird er als patricius bezeichnet was sicher nicht zutreffend ist Da die romische Oberschicht seit Beginn der Republik und noch in der Kaiserzeit eine Abneigung gegen den Begriff rex hegte geht die Mehrheit der heutigen Historiker Godefroid Kurth folgend nicht davon aus dass Syagrius diesen Titel selbst fuhrte Gregor selbst erwahnt nie ein Reich von Soissons und der Titel rex war in der Volkerwanderungszeit ohnehin nicht sehr eindeutig Stattdessen bezeichnet man in der Forschung Aegidius und seinen Sohn auch als Warlords 8 Es wird gemutmasst dass nach dem Tod des Aegidius der Romer Paulus im Auftrag des Syagrius gehandelt habe konkrete Belege hierfur fehlen jedoch Ob eine 476 bei Candidus erwahnte Gesandtschaft der Gallier aus dem Westen die gegen Odoaker rebellierten 9 zum Hof des ostromischen Kaisers Zenon von Syagrius entsandt wurde ist unklar 10 Es wurde in der Forschung ausserdem erwogen dieses Reich als moderne Phantomkonstruktion zu betrachten Syagrius hatte zwar seinen Sitz in Soissons aber dass er uber ein grosseres Gebiet herrschte wird nie explizit erwahnt 11 Die Quellen berichten jedenfalls faktisch nichts uber dieses Reich Die Beziehungen des Aegidius zu den Salfranken sollen angeblich gut gewesen sein doch ist ebenso ein Konkurrenzverhaltnis moglich 12 Nach dem Tod Childerichs I vermutlich im Jahre 481 entstanden offensichtliche Spannungen Childerichs Sohn Chlodwig I bekriegte Syagrius bis er ihn entweder 486 oder 487 in der Schlacht bei Soissons endgultig besiegte Damit ging das Reich von Soissons unter Gregor von Tours schreibt nach dieser Schlacht hatten Chlodwigs damals noch heidnische Krieger viele Kirchen und Kloster geplundert 13 Syagrius floh nach Toulouse an den Hof des Westgotenkonigs Alarichs II in der Hoffnung auf Asyl Als Chlodwig mit Krieg drohte lieferte Alarich Syagrius jedoch aus Wann genau dies geschah und wann genau Syagrius von Chlodwig hingerichtet wurde ist nicht bekannt Quellenlage BearbeitenDa samtliche Geschichtsschreiber des 5 Jahrhunderts Romer waren tauchen die Herrscher des Reichs von Soissons ausschliesslich dann in zeitgenossischen Quellen auf wenn sie mit dem romischen Reich sowohl dessen West als auch dessen Osthalfte interagierten Dies ist bei Aegidius haufiger der Fall da er vor 461 als Reprasentant nach 461 als Feind des westromischen Reiches in Gallien handelte Daher sind wir uber wichtige Ereignisse aus der Fruhzeit des Reiches von Soissons wie etwa die Schlacht von Orleans 463 und uber die diplomatischen Unternehmungen des Aegidius vergleichsweise gut unterrichtet Das Wenige was wir uber die Beziehungen zwischen dem Reich des Syagrius und seinen germanischen Nachbarreichen wissen ist ausschliesslich in spateren Quellen bezeugt Uber diesen liegt der Mantel der mundlichen Uberlieferung und legendenhaften Ausschmuckung Syagrius selbst wird ohnehin nur in zwei Quellen erwahnt Mit einem einzigen Satz in der sogenannten frankischen Volkertafel in der es heisst Egegius Aegidius zeugte Siagrius mit dem die Romer ihr Konigreich verloren 14 und ausfuhrlicher bei Gregor von Tours der sich in seinen Historien auf gute inzwischen verlorengegangene lokale Quellen stutzen konnte wie die sogenannten Annalen von Angers Fredegars Bericht uber Syagrius stimmt fast vollstandig mit dem Gregors uberein der hier offenbar als Vorlage gedient hat Das Verhaltnis zwischen der frankischen Volkertafel und den beiden anderen erwahnten Quellen ist unklar Einerseits widerspricht sie in wesentlichen Punkten Gregor und dem von Gregor weitgehend abhangigen Fredegar zum Beispiel bezeichnet sie Aetius als Vater des Aegidius andererseits hat ihr Verfasser moglicherweise auf Fredegar als Quelle zuruckgegriffen denn bei Fredegar wie auch in der Volkertafel taucht die ungewohnliche Schreibweise Egegius fur Aegidius auf Geographie BearbeitenDie einzige Aussage zur Geographie des Reiches von Soissons uber die unter heutigen Historikern Konsens besteht ist dass es die Stadt Soissons enthielt denn Gregor von Tours schreibt Aegidius habe diese beherrscht und Syagrius habe dort residiert Ansonsten lassen sich aufgrund der Sparlichkeit der Quellen nur Mutmassungen uber die Ausdehnung des Regnum Romanorum anstellen Wahrend man fruher meist annahm der grosste Teil Nordgalliens habe sich bis 486 487 unter der Kontrolle des Syagrius befunden geht die Mehrheit der heutigen Forscher eher von einem kleineren Herrschaftsgebiet aus wenn Syagrius nicht gar vollstandig auf Soissons begrenzt wird denn in keiner einzigen Quelle wird behauptet Syagrius habe auch uber andere Stadte geherrscht 15 Edward James zufolge regierte Syagrius bestenfalls uber ein sehr kleines Gebiet um Soissons Nur ausgehend vom Titel rex den Gregor Syagrius verlieh und von dem es unsicher ist ob dieser ihn wirklich trug kann man keinen ausgedehnten Herrschaftsbereich unterstellen Nimmt man den Titel rex aus der Gleichung erscheint Syagrius nicht bedeutender als etwa Arbogast der Jungere der um 475 in Trier herrschte 16 Armee BearbeitenAls Aegidius 458 magister militum per Gallias wurde ubernahm er das Kommando uber die verbliebenen romischen Truppen in Gallien Nach der Ablosung des Aegidius konnte dieser zumindest Teile der Truppen an sich binden als er nach Nordgallien auswich Syagrius verfugte offenbar uber eigene Truppen die Reste der Truppen seines Vaters umfassten doch sind keine genauen Angaben bekannt Chlodwig ubernahm wohl die ubriggebliebenen Leibtruppen bucellarii des Syagrius Prokopios von Caesarea zufolge liefen die in Gallien stationierten romischen Grenztruppen moglicherweise die des Syagrius zu den Germanen wahrscheinlich Franken und den Arborychi wahrscheinlich keltische Bewohner Aremoricas uber Noch in der Zeit Prokops hatten die Nachfahren dieser Soldaten innerhalb des frankischen Heeresaufgebots in separaten Einheiten gedient in denen die romische Tradition und Kleidung bis hin zum Schuhwerk bewahrt worden sei 17 Literatur BearbeitenDavid Frye Aegidius Childeric Odovacer and Paul In Nottingham Medieval Studies 36 1992 ISSN 0078 2122 S 1 14 Reinhold Kaiser Das romische Erbe und das Merowingerreich 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Oldenbourg Munchen 2004 ISBN 3 486 56722 5 Enzyklopadie deutscher Geschichte 26 Penny MacGeorge Late Roman Warlords Oxford University Press Oxford u a 2002 ISBN 0 19 925244 0 Oxford classical monographs Anmerkungen Bearbeiten Penny MacGeorge Late Roman Warlords Oxford u a 2002 S 71 ff vgl auch Henning Borm Westrom 2 Auflage Stuttgart 2018 S 141 Gregor von Tours Historiae 2 27 vgl auch etwa Dirk Henning Periclitans res Publica Kaisertum und Eliten in der Krise des westromischen Reiches 454 5 493 Stuttgart 1999 S 297 Anmerkung 82 Vgl Edward James The Franks Oxford 1988 S 67 ff Vgl etwa Matthias Becher Chlodwig I Der Aufstieg der Merowinger und das Ende der antiken Welt Munchen 2011 S 124 127 Liber Historiae Francorum VIII Liber Historiae Francorum VIII Gregor von Tours Historiae 2 27 Vgl Penny MacGeorge Late Roman Warlords Oxford u a 2002 und David Jager Plundern in Gallien 451 592 Eine Studie zu der Relevanz einer Praktik fur das Organisieren von Folgeleistungen Berlin Boston 2017 S 180 ff Candidus Text und englische Ubersetzung bei Roger C Blockley Hrsg Ubers The Fragmentary Classicising Historians of the Later Roman Empire Band 2 Liverpool 1983 S 468 f Vgl Penny MacGeorge Late Roman Warlords Oxford u a 2002 S 116 Vgl Edward James The Franks Oxford 1988 S 70 f David Frye Aegidius Childeric Odovacer and Paul In Nottingham Medieval Studies 36 1992 S 1 14 Gregor von Tours Historiae II 27 Item dem regibus romanorum Frankische Volkertafel Egegius genuit Siagrium per quem Romani regnum perditerunt Einige Handschriften schreiben Fadiru statt Siagrium was nicht erklarlich ist Vgl ausfuhrlich Penny MacGeorge Late Roman Warlords Oxford u a 2002 S 111 ff Vgl Edward James The Franks Oxford 1988 S 70 f Prokop Historien 5 12 12 19 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Reich von Soissons amp oldid 213368074