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Der Begriff der Resilienz von lateinisch resilire zuruckspringen abprallen nicht anhaften bezeichnet in der neueren Soziologie die Fahigkeit von Gesellschaften externe Storungen zu verkraften ohne dass sich ihre wesentlichen Systemfunktionen andern 1 Zudem wird das Konzept der Resilienz als Heuristik zur Analyse nichtlinearer sozialer und sozio historischer Prozesse genutzt 2 Im Gesellschaftsdiskurs hat sich Resilienz vor allem als Gegen bzw Komplementarbegriff zur Vulnerabilitat Verwundbarkeit etabliert Im Vordergrund steht dabei die Frage nach der Widerstands und Regenerationsfahigkeit von Gesellschaften angesichts komplexer und zunehmend unvorhersehbarer auch von Menschen verursachter Risiken 3 und nicht funktionierender staatlicher Interventionen Dabei wird davon ausgegangen dass Gesellschaften solche Risiken nicht nur bewaltigen sondern auch aus ihnen lernen sich an zukunftige Herausforderungen anpassen und sich so transformieren konnen Der Resilienzbegriff wird dabei ahnlich verwendet wie in der Okosystemforschung 4 und zunehmend auch in den Ingenieurwissenschaften und der politischen Risikoforschung Resilienzpolitik Er ist damit wie auch sein Gegenbegriff der Vulnerabilitat ein Beispiel fur die Ideenwanderung travels of ideas von Leitideen zum Funktionieren komplexer Systeme uber disziplinare Grenzen hinweg 5 6 Inhaltsverzeichnis 1 Definition und Theorien 2 Aktuelle Forschung zur Resilienz von Gesellschaften 3 Inter und transdisziplinare Ansatze 4 Resilienz von Stadten und Regionen 5 Resilienz historischer Gesellschaften 6 Resiliente Organisationen 7 Diskussion und Kritik 8 Literatur 9 Siehe auch 10 EinzelnachweiseDefinition und Theorien BearbeitenDer Begriff wurde zuerst 1967 von dem Anthropologen Roy A Rappaport auf Stammesgesellschaften der Papua bezogen 7 die nicht zuletzt durch ihre Rituale ihr Okosystem und damit ihre Ernahrungsgrundlage erfolgreich regulieren und stabilisieren Resilienz war fur die funktionalistische Ethnologie Anthropologie und Soziologie lange Zeit eine Kraft die das gesellschaftliche und okologische Gleichgewicht wahrte Neuere Ansatze gehen von der wiederholten Storung des Gleichgewichts als Normalfall aus Gunderson und Holling vom Stockholm Resilience Centre definieren die Resilienz eines sozialokologischen oder sozialen Systems bzw einer Gesellschaft als die grosstmogliche Storung die Magnitude der Storung die das System verkraften kann ohne dass sich wesentliche Strukturen und Kontrollprozesse verandern 8 Diese Definition ist eingebettet in ihre Theorie adaptiver Zyklen 9 die davon ausgeht dass soziale Systeme sich typischerweise in vier Phasen entwickeln Wachstumsphase growth oder exploitation In dieser fruhen Phase fliesst alle Energie in den Aufbau von Systemstrukturen und die Akkumulation von Kapital gemeint sind damit sowohl naturliche Ressourcen als auch soziales Netzwerke kulturelles Wissen oder finanzielles Kapital Die Vernetzung des Systems mit seiner Umwelt ist dabei intensiv Konsolidierungs und Konservierungsphase conservation Diese Phase ist durch Steigerung der Effizienz des Systems charakterisiert Redundanzen werden durch verstarkte Arbeitsteilung beseitigt die interne Engkopplung und das Ausmass der internen Integration steigen Die Energien fliessen in die Intensivierung der Systemprozesse Rigide Kontroll und Herrschaftsformen erhohen dabei zwar die Leistungsfahigkeit des Systems und ermoglichen teils monumentale Kulturleistungen ziehen aber Inflexibilitat nach sich Die Vernetzung mit der Umwelt lasst gleichzeitig nach Storung und nachfolgender Kollaps collapse bei geringer Resilienz Zu verschiedenen Zeitpunkten der Systementwicklung kann es zu extern verursachten Storungen kommen die das System bedrohen das akkumulierte Kapital vernichten und zum Zusammenbruch der internen Netzwerke fuhren konnen Dieser Desintegrationsprozess muss nicht schlagartig eintreten und auch nicht gewaltsam oder katastrophisch enden er kann sich uber langere Zeit hinziehen wenn die Resilienz des Systems gross genug ist Reorganisation reorganisation Hierbei kommt es zu einer Erholung und Reorganisation des Systems oft auf niedriger Stufenleiter der internen Integration und mit geringerer Komplexitat und Leistungsfahigkeit aber hoherer Flexibilitat und Kreativitat Die Aussenkontakte werden wieder intensiviert es stromen Innovationen von aussen zu Zur Charakterisierung der dritten Phase nutzen die Autoren den von Schumpeter entlehnten Begriff der creative destruction 10 um zu verdeutlichen dass durch den Zusammenbruch Raum fur Neues geschaffen wird Sie machen aber auch Anleihen bei der Theorie der langen Zyklen Kondratjew der Theorie komplexer Systeme sowie den Modellen des inkrementalen bzw transformativen Lernens Parallelen gibt es auch zu Charles Perrows Begriff der Entkopplung also der Lockerung oder Auflosung eng gekoppelter Systemzusammenhange Auch fur soziale Systeme ist lose Kopplung ein Resilienzfaktor wie Perrow ihn fur technische Systeme definiert Insgesamt zeichnen sich diese Phasen durch ein wechselseitiges Zusammenspiel von Bewaltigungs Anpassungs und Transformationsprozessen aus 11 12 Eingebettet sind die adaptive Zyklen in eine panarchische Perspektive welche die Mehrebenenverknupfungen verschiedener Systeme betont 13 Das 4 R Modell von Charlie Edwards soll beschreiben welche Faktoren die Resilienz einer Gesellschaft gegenuber Naturkatastrophen oder terroristischen Anschlagen steigern Kernelemente einer resilienten Gesellschaft nach Edwards sind Robustheit robustness d h die Fahigkeit eines Systems Belastungen standzuhalten Redundanz redundancy also die Existenz alternativer Moglichkeiten zur Erfullung lebenswichtiger Aufgaben eines Systems Einfallsreichtum resourcefulness im Sinne der Fahigkeit eines Systems zur kreativen Reaktion auf ein Schadenereignis Schnelligkeit rapidity d h die rasche Reaktions und Regenerationsfahigkeit eines Systems im Katastrophenfall Robustheit und Redundanz gehoren zu den Faktoren der Schadensbegrenzung und Vorsorge wahrend Einfallsreichtum und Schnelligkeit den Phasen der Krisenreaktion und der Erholung zugeordnet werden 14 Die Evolutionsokonomik sieht vor allem in der gesellschaftlichen und okonomischen Diversitat Soziologie einen Faktor der Redundanz schafft und die Resilienz erhoht da sie der Selektion unterworfen ist Redman und Kinzig heben hervor dass nicht alle Resilienz begunstigenden Faktoren in allen Phasen des adaptiven Zyklus gleichmassig wirken Im Gegenteil konnen sie sich in verschiedenen Phasen teils stabilisierend teils krisenverscharfend auswirken So kann der Resilienzfaktor Redundanz hohe Systemressourcen verschlingen zu grosse Robustheit kann zu mangelnder Flexibilitat fuhren Vertrauen gilt als resilienzfordernder Faktor zu grosses Vertrauen macht anfallig fur das Unerwartete Auch auf unterschiedlichen Aggregrationsniveaus des sozialen Zusammenlebens z B Haushalt Dorf Stamm oder Gesellschaft konnen Resilienzfaktoren unterschiedlich wirken Ein Faktor der die Resilienz von Familien starkt kann die eines Stammes schwachen 15 So erscheint Resilienz ambivalent namlich sowohl als ein den Wandel beschleunigender als auch ein die systemische Tragheit begunstigender Faktor der den gesellschaftlichen Wandel verlangsamt und die Adaption an veranderte Umwelten behindert bis plotzliche Kipppunkten eintreten 16 Darin liegt die prinzipielle Unscharfe des Konzepts begrundet Aktuelle Forschung zur Resilienz von Gesellschaften BearbeitenDer Diskurs um die resiliente Gesellschaft knupft an die bis in die 1970er Jahre zuruckgehenden Forschungen zur Vulnerabilitat und Interdependenz von Gesellschaften an wie sie von der Ethnologie Sozialgeographie 17 und Humanokologie 18 betrieben wurde Die Soziologie hat den Resilienzbegriff aufgenommen und auf ganze Gruppierungen Samtschaften und Gesellschaften ausgeweitet Doch ist im Vergleich zur individuellen und organisationalen Resilienzforschung die Erforschung gesellschaftlicher Resilienz noch vergleichsweise wenig entwickelt wobei diese Systemebene weitaus komplexer und vielschichtiger ist Sie betrifft Umweltveranderungen und katastrophen aber auch menschenverursachte Sicherheitsrisiken wie z B Terrorismus 19 Aus politik und sozialwissenschaftlicher Sicht ruckt seit einigen Jahren die Resilienz autoritarer Regime gegenuber zivilen Revolutionen in den Mittelpunkt des Interesses 20 aber auch die Resilienz von Demokratien gegenuber externen Beeinflussungs und informationellen Manipulationsversuchen wird zum Thema 21 Aus politikwissenschaftlicher Sicht ruckt seit 2001 die Resilienz von Gesellschaften gegenuber Terrorismus und Kriminalitat oder die Resistenz autoritarer Regime gegenuber zivilen Revolutionen in den Mittelpunkt des Interesses Auch die Resilienz des seit der Finanzkrise 2008 teilweise delegitimierten neoliberalen Wirtschaftssystems gegenuber erstarkten linken und rechten populistischen und protektionistischen Stromungen in Lateinamerika und Osteuropa z B in Chile Estland teilweise auch in Polen wurde zum Untersuchungsgegenstand Aldo Madariaga fand mehrere Mechanismen die neoliberale Wirtschaftsprinzipen vor Eingriffen schutzen gezielte Privatisierungen zugunsten von Finanzeliten und internationalen Investoren die verfassungsmassige Verankerung einer monetaristischen Politik die Behinderung der gewerkschaftlichen Opposition sowie Wahlgesetze und Vetomechanismen die die Reprasentation und Beteiligung von Gruppen einschranken die eine alternative Politik fordern z B in Estland durch Nutzung der ethnischen Spaltung 22 In der Katastrophensoziologie wird Resilienz als robuste Widerstandskraft ganzer Gesellschaften gegen flachendeckende Verheerungen verstanden und vor allem im Bereich der sozialen Voraussetzungen eines wirksamen Selbstschutzes behandelt 23 Insbesondere im angelsachsischen Bereich werden die Parallelen zwischen Okosystemen und sozialen Systemen hervorgehoben was oft zu einer biologistisch evolutionistischen Betrachtungsweise fuhrt Hingegen gehen deutsche Umweltwissenschaftler und Geographen meist von einem unmittelbaren Austausch von Mensch und Natur bzw von spontanen Anpassungsleistungen aus der ebenfalls gesellschaftliche Aspekte ignoriert 24 Die Analyse von Resilienzdimensionen konzentriert sich in der Regel auf harte Faktoren Weiche Faktoren wie z B der Einfluss resilienzfordernder Kultur sowie die Frage nach der kollektiven Wahrnehmung von Bedrohung wurden bisher vergleichsweise wenig berucksichtigt 25 Der thematische Fokus der Forschung liegt einerseits auf der Entwicklung einer nichtlinearen Theorie sozialer Prozesse die Bruchstellen und Kipppunkte herausarbeitet und andererseits auf der Erarbeitung von Orientierungswissen und anwendungsbezogenen Fragestellungen fur Politik und Planung im Umgang mit Umweltveranderungen z B Klimawandel und Naturkatastrophen 26 In dem Masse in dem staatliche Interventionen sich als unzureichend erweisen ganzlich fehlschlagen oder sogar Unsicherheit verscharfen verschiebt sich der Fokus des Betrachtung weg von den Institutionen hin zu den unteren gesellschaftlichen Ebenen und deren Fahigkeit zur Selbstorganisation Inter und transdisziplinare Ansatze BearbeitenVereinzelt finden sich auch interdisziplinare 27 und transdisziplinare Beitrage in der Diskussion um resiliente Gesellschaften Zu den transdisziplinaren Ansatzen die von der Thermodynamik bis zur Soziologie und Psychologie Erkenntnisse zahlreicher Wissenschaften kreativ verbinden gehort die um 2010 im franzosischen Sprachraum entwickelte Collapsologie Kollapswissenschaft welche die Resilienz gesellschaftlicher Systeme und mogliche Szenarien fur gesellschaftliche Transformationen angesichts einer Vielzahl von Faktoren etwa der Abhangigkeit von fossilen Brennstoffen der Uberbevolkerung dem Verlust von Biodiversitat und der Instabilitat des Finanzsystems diskutiert Geschaffen wurde der umstrittene Begriff von Pablo Servigne einem Agraringenieur der mit Raphael Stevens das Buch Comment tout peut s effondrer wortlich ubersetzt Wie alles zusammenbrechen kann verfasste 28 Wissenschaftlerinnen des Leibniz Instituts fur Resilienzforschung weisen auch auf individuelle und kollektive Risiken einer ubertriebenen Optimierungsgesellschaft hin 29 Resilienz von Stadten und Regionen BearbeitenInsgesamt haben sich stadtische Strukturen in den letzten Jahrhunderten als uberaus resilient erwiesen vor allem wegen ihrer dezentralen und redundanten Strukturen Fur die Bewaltigung von Ernahrungskrisen grosser Stadte hat sich z B das Urban Farming als relevant erwiesen So ist die bemerkenswerte Resilienz der Stadt Konstantinopel mit ihrem grossen Lebensmittelbedarf und ihrem notorischen Brennstoffmangel bei Belagerungen in Kriegen und Hungerkrisen u a auf die landwirtschaftliche Nutzung stadtischer Flachen zuruckzufuhren 30 Kennzeichnend fur die seit den Anschlagen von 2001 verstarkt gefuhrte Diskussion uber urbane Resilienz ist dass sie nie nur im technischen oder infrastrukturellen Kontext betrachtet wurden Vielmehr versucht die Stadtforschung soziale Resilienzfaktoren zu identifizieren die die Erholungsfahigkeit von Stadten im Fall von Naturkatastrophen Kriegen oder terroristischen Angriffen verbessern 31 oder dem Verfall von Stadtquartieren und der Verbreitung von Unsicherheit Kriminalitat und Chaos entgegenwirken 32 Die in diesem Zusammenhang haufig genutzten Erklarungsmodelle wie z B die Broken Windows Theorie die besagt dass Leerstande Graffiti und zerbrochene Fensterscheiben objektive Indikatoren fur Kriminalitat seien und weitere Kriminalitat nach sich zogen ignorieren jedoch die notwendige Unterscheidung der Ebenen von Imagination Zuschreibung Identitat Statusbildung usw da sie die subjektive Sichtweisen Widerstandsfahigkeit und Handeln der Betroffenen nicht einbeziehen Der Landschafts und Sozialgeograph Gerhard Hard spricht in diesem Zusammenhang von der Konstruktion ontologischer Slums 33 Forscher des Stockholm Resilience Centre weisen darauf hin dass urbane Resilienz keinesfalls mit okologischer Nachhaltigkeit verwechselt werden darf So ist eine Stadt mit extremer Siedlungsdichte vermutlich energieeffizient jedoch hochgradig vulnerabel Umgekehrt ist Redundanz ein Prinzip das die Resilienz erhoht aber die Effizienz senkt Der Versuch Stadte resilienter zu machen sei sehr ressourcenintensiv 34 Die evolutionare Wirtschaftsgeographie untersucht die Resilienz von Wirtschaftsregionen z B klassischer Industrieregionen nach Krisen und Umstrukturierungen 35 Resilient ist eine Region wenn sie z B nach einer anhaltenden Phase des Niedergangs oder nach Schockeffekten neues endogenes Wachstum generieren kann Dafur sind komplexe Lernprozesse erforderlich die nicht nur funktionierende Markte und Netzwerke sondern viel mehr noch gut funktionierende offentliche Institutionen voraussetzen 36 z B Schulen und Hochschulen Anhand von Beispielszenarien wird auch die wechselseitige Abhangigkeit von Elementen der Infrastruktur untersucht deren Ausfall Kaskadenrisiken nach sich ziehen konnten 37 In jungster Zeit hat die Resilienz bei der Bewaltigung der Folgen eines veranderten Klimas an Stellenwert gewonnen Einen methodischen Ansatz zum Test urbaner Resilienz Stresstest lieferte 2018 das Bundesinstitut fur Bau Stadt und Raumforschung BBSR im Auftrag des Bundesministeriums fur Umwelt Naturschutz Bau und Reaktorsicherheit BMUB am Beispiel der Stadt Koln 38 Auf Epidemien wurde dabei nicht naher eingegangen Resilienz historischer Gesellschaften BearbeitenAus archaologischer Perspektive liegt eine zunehmende Zahl von Untersuchungen zur Resilienz vor und fruhgeschichtlicher Gesellschaften und Kulturen vor so zur fruhen Geschichte Mesopotamiens und der prakolumbischen Hohokam Kultur im Sudwesten der USA 39 oder zur Geschichte der Siedlungen der rheinischen Bandkeramiker 40 Robin Peters interpretiert anhand von 25 Hausgenerationen im alteren Neolithikum des Rheinlands die an der demographischen Entwicklung ablesbaren Storungen als mogliche Folge von angesichts einer Bevolkerungsvermehrung einsetzenden Landkonflikten und zunehmenden Territorialverhaltens Gegen Ende des adaptiven Zyklus setzten offenbar flexiblere Risikobewaltigungsstrategien ein Mit der Resilienz verschiedener historischer Gesellschaften in existenzgefahrdenden Umbruchphasen befasst sich auch eine Forschungsgruppe aus Soziologie und Mediavistik an der Universitat Trier Resilienz wird dabei als Konzept gesellschaftlicher Selbstbeobachtung verstanden bei dessen Analyse Deutungs und Konstruktionsprozesse im Vordergrund stehen 41 42 Besonders betont wird hierbei das Zusammenspiel von Kontinuitaten und Diskontinuitaten im Rahmen sozio historischer Prozesse Resiliente Organisationen BearbeitenSeit etwa Ende der 1990er Jahre wird der Resilienzbegriff auch auf Unternehmenskontexte angewandt Seitdem wird bis heute in den USA und Europa mit wachsendem Interesse der Frage nachgegangen Welche Kriterien muss eine Organisation erfullen um so robust zu sein unvorhersagbare Krisensituationen z B Technologiesprunge Wirtschaftskrisen Marktentwicklungen etc auszuhalten Zu den bekanntesten Studien gehoren die Beitrage von Karl E Weick und Kathleen M Sutcliffe 43 sie gelten als die Pioniere und von Annette Gebauer und Ursula Kiel Dixon 44 beide brachten das Resilienzkonzept in den 2000er Jahren nach Deutschland Beide Teams erforschten die Organisationsstrukturen sogenannter High Reliability Organizations HRO d h Organisationen die in einem unklaren und wechselnden krisenhaften Umfeld operieren wie z B Militar oder Feuerwehr Eines von vielen wichtigen Kriterien von HROs ist eine Fehlerkultur die sich nicht auf Schuldzuweisungen beschrankt sondern aktiv nach Fehlerquellen sucht um aus ihnen fur die Zukunft zu lernen Ein anderes Kriterium ist die Vermeidung uberflussiger Komplexitat Nach BS Standard BS65000 2014 bezeichnet Resilienz die Fahigkeit eines Unternehmens in einem komplexen und dynamischen Umfeld den Wandel vorauszusehen zu uberleben und sogar zu wachsen Organisatorische Resilienz So wurde u a die Sicherstellung der Kontinuitat der Geschaftstatigkeit von Unternehmen im Stor oder Katastrophenfall zum Gegenstand der Resilienzforschung Standards fur entsprechende Vorkehrungen sind in der Norm ISO 22316 2017 2017 Security and resilience Organizational resilience Principles and attributes 45 definiert Allerdings verschwimmt bei einer Reihe derartiger Definitionen die Abgrenzung des Resilienz gegenuber dem Resistenzbegriff Bei Resilienz geht es nicht nur um die aktuelle Erhaltung der Organisation sondern auch um die Reorganisation nach einer Krise und kunftiges Wachstum durch Innovation Immer mehr Unternehmen interessieren sich heute auch fur die Frage welche Ressourcen Fuhrungskrafte und Mitarbeiter in psychischer Hinsicht resilienter machen und ihre Gesundheit fordern um dem zunehmenden Burn out Trend vorzubeugen 46 Diskussion und Kritik BearbeitenSomit haben sich unterschiedliche Disziplinen die Begriffe Resilienz und Vulnerabilitat angeeignet und konzentrieren sich in ihren Untersuchungen auf unterschiedliche Resilienzdimensionen Allerdings nutze die Forschung so Burkner oft nur metaphorische Redeweisen und alltagskulturelle und empiristische Pseudo Typologien die von einem Kontext in den anderen ubertragen werden vor allem die Raumplanung Humanokologie und Stadtforschung zeichneten sich durch eine Untertheoretisierung aus 47 Bisher liegt die Aufmerksamkeit sozialwissenschaftlicher Resilienzforschung in der Regel auf harten Einflussfaktoren weiche Faktoren wurden vergleichsweise wenig berucksichtigt Diese weichen Faktoren wie z B Einflusse von Religion oder Sozialisation waren bisher eine Domane der psychologischen Vulnerabilitats und Resilienzforschung In deren Fokus stehen das Individuum und seine Widerstandskraft bzw Verwundbarkeit angesichts von Risikofaktoren und drohender Traumatisierung siehe Resilienz Psychologie Kritiker werfen dem Resilienzdiskurs in der Umwelt und Entwicklungspolitik vor dass er von der Notwendigkeit einer konsequenten Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen ablenke Viele Analysen griffen zu kurz da sie sich nur auf die Starkung personaler Schutzfaktoren gegenuber gesellschaftlichen Risiken beschranken Umgekehrt konne die von vielen Staaten betriebene gezielte Steigerung der Resilienz gegenuber Katastrophen und terroristischen Anschlagen im Rahmen der Sicherheitspolitik Resilienzpolitik zu dauerndem Alarmismus zur Militarisierung des Alltags 48 und permanenten Notfallubungen wie zur Zeit des Kalten Krieges fuhren was den Resilienzfaktor Vertrauen nicht notwendig erhohen muss sondern ihn auch untergraben kann Umgekehrt kann eine nur symbolische Resilienzpolitik ungerechtfertigtes Vertrauen in Systemleistungen erzeugen 49 50 Wenn das Konzept nicht uberdehnt wird und nicht zur vollstandigen Verschiebung der Verantwortung fur die Bewaltigung von Krisen verschiedener Art auf die Individuen fuhrt Resilienz als Allheilmittel 51 erscheint es jedoch als ein fruchtbares theoretisches Paradigma die die interdisziplinare Verknupfung von soziologischen kulturhistorischen und okologischen Forschungen ermoglicht Literatur BearbeitenKlaus J Beckmann Jetzt auch noch resilient Anforderungen an die Krisenfestigkeit der Stadte difu Impulse 4 Deutsches Institut fur Urbanistik Berlin 2013 Dorothee Brantz Avi Sharma Hg Urban Resilience in a Global Context Actors Narratives and Temporalities transcript Bielefeld 2020 ISBN 978 3 8376 5018 1 Download PDF 7 MB S Kere Wellensiek Handbuch Resilienztraining Widerstandskraft und Flexibilitat fur Unternehmen und Mitarbeiter Beltz Weinheim 2020 Siehe auch BearbeitenResilienz Psychologie Resilienz Okosystem Katastrophensoziologie Sozialer Prozess Sozialer WandelEinzelnachweise Bearbeiten Sabine Blum Martin Endress Stefan Kaufmann Benjamin Rampp Soziologische Perspektiven In Rudiger Wink Hrsg Multidisziplinare Perspektiven der Resilienzforschung Springer VS Wiesbaden 2016 ISBN 978 3 658 09623 6 S 151 177 Martin Endress Benjamin Rampp Resilienz als Perspektive auf gesellschaftliche Prozesse Auf dem Weg zu einer soziologischen Theorie In Martin Endress Andrea Maurer Hrsg Resilienz im Sozialen Theoretische und empirische Analysen Springer VS Wiesbaden 2015 ISBN 978 3 658 05999 6 S 33 55 J Birkmann Measuring Vulnerability to Natural Hazards Towards Disaster Resilient Societies United Nations Univ Pr 2006 B Walker D Salt Resilience Thinking Sustaining Ecosystems and People in a Changing World 2006 ISBN 1 59726 093 2 S 1 Barbara Czarniawska Barbara Bernward Joerges Travels of ideas In Dies Guje Sevon Hrsg Translating organizational change Berlin de Gruyter 1996 S 13 48 Stefan Kaufmann Sabine Blum Vulnerabilitat und Resilienz Zum Wandern von Ideen in der Umwelt und Sicherheitsdiskussion In Roderich von Detten Fenn Faber Martin Bemmann Hrsg Unberechenbare Umwelt Zum Umgang mit Unsicherheit und Nicht Wissen Springer VS Wiesbaden 2013 ISBN 978 3 531 94223 0 S 91 120 R A Rappaport Pigs for the Ancestors New Haven 1967 L H Gunderson C S 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