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Das Regeldrama auch bekannt unter dem Ausdruck Doctrine classique klassische Lehrmeinung ist eine Theater Norm fur den Aufbau von Dramen die zur Zeit der franzosischen Klassik im 17 Jahrhundert entstand und bis ins 19 Jahrhundert nachwirkte Inhaltsverzeichnis 1 Aristoteles und Horaz 2 Akteinteilung 3 Franzosische Klassik 4 Gottsched 5 Sturm und Drang 6 19 Jahrhundert 7 LiteraturAristoteles und Horaz BearbeitenIn der Poetik des Philosophen Aristoteles werden sechs wesentliche Elemente des Dramas genannt mythos Handlung ethos Charaktere lexis Rede dianoia Gedanke Absicht opsis Schau Szenerie und melopoiia Gesang Musik Ferner empfiehlt er einen Verzicht auf Nebenhandlungen und die zeitliche Beschrankung auf einen Sonnenlauf Der romische Dichter und Kritiker Horaz hat in seiner Epistula ad Pisones zudem eine Gliederung des Dramas in funf Akte gefordert V 189 Der Chor war fur ihn ein notwendiger Bestandteil des Dramas Auch diese Regeln wurden in der Neuzeit oft ubernommen Doch seine Ausfuhrungen sind als Polemik gegen die romische Literatur seiner Zeit gemeint in der das Drama keinen hohen Stellenwert mehr hatte Auf viele der klassischen attischen Tragodien treffen seine Feststellungen nicht zu Akteinteilung BearbeitenAus dem Kommentar des Aelius Donatus 320 380 zu den Komodien des Terenz ca 195 158 v Chr schlossen einige Autoren der Renaissance siehe Accademia Romana auf ein Schema dem der Aufbau eines Dramas gehorchen solle obwohl die fragmentarischen Ausserungen sich nur auf die Komodien dieses Autors bezogen Donatus Ausfuhrungen gehen uber Aristoteles und Horaz hinaus und wurden deshalb fur eine praktische Anleitung gehalten Dieses mit Vorsicht zu verwendende Schema weder konnte es sich verallgemeinernd auf die Antike berufen noch als Norm auftreten findet sich in vielen Varianten zwischen Martin Opitz und Gustav Freytag nbsp Akteinteilung des Dramas nach Gustav FreytagExposition Einleitung Protase Die handelnden Personen werden eingefuhrt der dramatische Konflikt kundigt sich an Komplikation Steigerung Epitase Steigende Handlung mit erregendem Moment Katastase Die Situation verscharft sich Peripetie Umkehr der Glucksumstande des Helden Die Handlung erreicht ihren Hohepunkt Klimax Retardation Verlangsamung Fallende Handlung mit retardierenden aufschiebenden hinhaltenden verlangsamenden Momenten Die Handlung verlangsamt sich um in einer Phase der hochsten Spannung auf die bevorstehende Katastrophe hinzuarbeiten Katastrophe oder Lysis Denouement a Es kommt zur Katastrophe die Handelnden Protagonisten sind verurteilt verdammt z B Hamlet sein Tod Massensterben b Alle Konflikte werden gelost die Handelnden sittlich gereinigt gelautert Katharsis z B Nathan der Weise alle sind verwandt und glucklich Massenumarmung Franzosische Klassik BearbeitenIn der Zeit der Renaissance und der franzosischen Klassik wurde Horaz zum antiken Lehrmeister gemacht etwa von Martin Opitz Von der Deutschen Poeterey 1624 und Nicolas Boileau L art poetique 1674 Weitere Theatertheoretiker oder Theaterkritiker der franzosischen Klassik waren etwa Jean Chapelain Madeleine de Scudery und Francois Hedelin Im klassizistischen Regeldrama vor allem der Autoren Pierre Corneille und Jean Racine galt ungefahr Folgendes als Gesetz Einheiten von Handlung Ort und Zeit Drei Aristotelische Einheiten Imitation vor allem der antiken Vorbilder Wahrscheinlichkeit vraisemblance Sittlichkeit bienseance d h alles Anstossige durfte nicht gezeigt sondern nur berichtet werden Standeklausel Einheitlichkeit des Redestils Personenverteilung Dreipersonenregel Gesetz der Personenkette Verbot neuer Personen nach dem 1 AktAuch dem Komodiendichter Moliere waren diese Regeln wohlbekannt Er zitiert sie ironisch in seinem Einakter Die Kritik der Schule der Frauen 1663 als Erwiderung auf die kritischen Einwande gegen seine Komodie Die Schule der Frauen 1662 und bricht sie bewusst in seiner Komodie Tartuffe 1664 in welcher der Protagonist erst im dritten Akt auftritt Ein grosser Bruch dieses Dramen Modells mit dem aristotelischen Drama war der ausserhalb der Oper meist ganz aufgegebene Chor Gottsched BearbeitenAnknupfend an die klassizistische Regel und Normenpoetik der franzosischen Sprache entwarf Johann Christoph Gottsched 1700 1766 in seinem Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Teutschen 1730 das Programm einer vernunftigen Literatur Wichtig waren ihm die Klarheit des Stils Geschmack und Witz und der moralische Nutzen Gottscheds Regeln hatten den Charakter einer Gebrauchsanweisung zur Gestaltung von Tragodien Gottsched wollte die Qualitat des Theaterlebens verbessern indem er dem noch unterentwickelten deutschen Sprachgebiet die bewunderten Errungenschaften des franzosischen Hoflebens nahebrachte Er kampfte fur ein literarisches Drama und gegen das improvisierte Stegreiftheater Inzwischen regte sich aber schon Widerstand gegen den fremden franzosischen Einfluss Auch in Frankreich waren die Gesetze des Regeldramas seit der Querelle des Anciens et des Modernes und vor allem seit dem Tod des Sonnenkonigs 1715 zunehmend ins Wanken geraten Sturm und Drang BearbeitenGotthold Ephraim Lessing hatte sich in der Hamburgischen Dramaturgie 1767 gegen Gottsched und die Regeldramatik gestellt und damit einige Beachtung gefunden weil damit eine Emanzipation der Burger vom Adel und der Deutschen von den Franzosen verbunden wurde die sich in der Idee des Nationaltheaters ausserte Solche Freiheitsbestrebungen ebneten der Bewegung des Sturm und Drang den Weg Johann Wolfgang Goethe schrieb in bewusster Abweichung vom Regeldrama sein Stuck Gotz von Berlichingen Urauffuhrung 1774 in volkstumlicher Prosa und loste alle Bindungen an die Einheiten von Handlung Zeit und Ort auf Seit der Darstellung von Volker Klotz Geschlossene und offene Form im Drama 1960 wird ein solches Theaterstuck haufig als offenes Drama bezeichnet gegenuber dem geschlossenen Regeldrama Goethe tat damit was er bereits 1771 in seiner Rede Zum Shakespeares Tag ausgefuhrt hatte in der er dem klassizistischen Theater entsagt hatte von dessen Regelwerk er sich in seinem Schaffen eingeengt fuhlte Nur durch Befreiung von diesen willkurlich geschaffenen Reglements konne sich seiner Meinung nach das Genie in seiner ganzen Kraft und Grosse entfalten Goethe kritisierte scharf die franzosischen Dichter welche die Regeln der griechischen Dramatik ubernommen hatten Die franzosischen Trauerspiele bezeichnet Goethe despektierlich als Parodien ihrer selbst als einander ahnlich wie Schuhe langweilig Shakespeare als ruhmendes Beispiel voranstellend propagierte er seine Idealvorstellung von einer Dichtung die frei aus sich selbst heraus beschrieben sei frei von jeglichen Regeln Goethe konnte damit sowohl die Burger gewinnen denen die adligen Hofregeln fremd waren als auch manche deutsche Adlige die das deutsche Drama gegenuber der insbesondere von Gottsched betriebenen Franzosierung des Dramas aufgewertet wissen wollten Im deutschen Nationalismus des 19 Jahrhunderts wurden solche Ausserungen oft als antifranzosische Polemik ausgelegt Das Regeldrama wurde zur gleichen Zeit auf ahnliche Art auch in Frankreich angegriffen siehe Denis Diderots De la poesie dramatique 1756 19 Jahrhundert BearbeitenDie Idee des Regeldramas gewann im 19 Jahrhundert wieder einige Anziehung Durch Gustav Freytags Technik des Dramas 1863 wurde das Schema der funf Akte noch weiter vereinfacht Die Anziehungskraft solcher Vereinfachungen stand im Zusammenhang mit der kommerziellen Dramenproduktion im 18 und 19 Jahrhundert Die funfaktige Gliederung war die renommierteste im Schauspiel ebenso wie in der Oper und es erschien attraktiv solche Dramen gleichsam nach Kochrezept anfertigen zu konnen Literatur BearbeitenHans Jorg Neuschafer Hrsg La pratique du theatre und andere Schriften zur Doctrine classique 3 Bde Michigan Slatkine reprints 2007 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Regeldrama amp oldid 198430902