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Die Standeklausel ist ein dramenpoetisches Prinzip das haufig mit dem Namen Johann Christoph Gottscheds verbunden wird der die Prinzipien der franzosischen Klassik auf das deutsche Theater zu ubertragen versuchte In der Tragodie sollten demnach nur die Schicksale von Konigen Fursten und anderen hohen Standespersonen dargestellt werden Die Lebensweisen burgerlicher Personen sollten demgegenuber nur in Komodien auf die Buhne gebracht werden Begrundet wurde das Prinzip damit dass es dem Leben der Burgerlichen an Grosse und Bedeutung fehle und der dramatischen Darstellung ihrer Personen an der Fallhohe Nicht nur die Personen auf der Buhne sondern auch das Publikum unterschieden sich im Zusammenhang mit der Standeklausel Dies zeigte sich in den Privilegien der Theater im 18 und 19 Jahrhundert Die Hoftheater waren berechtigt Tragodien zu denen auch ernste Opern und Ballette gehorten aufzufuhren wahrend die sich vermehrenden Volkstheater nur Komodien zu denen die komischen Opern und Pantomimen gerechnet wurden auffuhren durften Inhaltsverzeichnis 1 Einfache Erklarung 2 Verweis auf die Fallhohe 3 Geschichte 4 Auswirkungen 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksEinfache Erklarung BearbeitenDie einfachste Erklarung nach dem deutschen Duden lautet Auflage Festsetzung dass in einer Tragodie die Hauptpersonen nur von hohem in der Komodie nur von niederem Stand sein durfen 1 Eine andere Erklarung lautet Im 17 und 18 Jahrhundert u a von J C Gottsched angewendetes Regelwerk wonach in klassischen Dramen nur Adelige die Hauptpersonen spielen durften fur Rollen in der Komodie dagegen die niederen Stande vorgesehen waren 2 Verweis auf die Fallhohe BearbeitenDer Begriff Fallhohe wurde vom franzosischen Asthetiker Charles Batteux Les Beaux Arts reduits a un meme principe 1746 gepragt und auch viel spater noch von Gelehrten aufgegriffen so von Arthur Schopenhauer in seinem Werk Die Welt als Wille und Vorstellung 1819 1844 Dort wird erklart dass Motive wie Ausweglosigkeit und tragisches Scheitern in der Tragodie nur sinnvoll dargestellt werden konnten wenn die Hauptperson eine hohere etwa eine furstliche Stellung hatte Anhand von Schicksalen burgerlicher Personen konne all das nicht zum Ausdruck gebracht werden da Burgerliche nur in Situationen gerieten aus denen ihnen leicht herausgeholfen werden konne Geschichte BearbeitenDie Standeklausel geht wenn uberhaupt nur indirekt auf Aristoteles zuruck Eine ausdruckliche Standeklausel im Sinne Gottscheds wird von Aristoteles nicht gefordert Dieser hatte in seiner Poetik nach dem Prinzip der Kalokagathie die Tragodie den Konflikten der guten oder schonen Menschen vorbehalten wahrend die Angelegenheiten der schlechten oder hasslichen Menschen in der Komodie dargestellt werden sollten Diese sehr allgemeine Aussage die eine Erkennbarkeit und Verstandlichkeit der Charaktere im Auge hatte wie sie heute fur Comics oder Melodramen gilt wurde seit dem 16 Jahrhundert sozial interpretiert Um den Stand der dargestellten Personen nicht zu gefahrden wurde nach der Darstellung Peter von Matts das Element der Weltversohnung eingefuhrt Horaz war der erste der Aristoteles sozial interpretierte Epistola ad pisones bekannt als Ars poetica ab 13 v Chr Sowohl Julius Caesar Scaliger in den 1561 posthum erschienenen Poetices libri septem als auch Martin Opitz greifen seine Unterscheidung auf Der gute Mensch nach Aristoteles ist der Adlige der schlechtere Mensch der Burger Opitz erklart etwa dass die Tragodie es nicht leide wenn man geringen standes personen vnd schlechte sachen einfuhre und umgekehrt diejenigen Komodienschreiber geirrt hatten die Keyser vnd Potentaten eingefuhret weil solches den regeln der Comedien schnurstracks zuewieder laufft Von der Deutschen Poeterey 1624 Kapitel 5 Im Ruckgriff auf den aristotelischen Begriff der Mimesis die nun nicht mehr das Sein nachahmt sondern dessen soziale Erscheinungsformen gewinnt die Tragodie so auch eine hohere suggestive Wirkung auf das Publikum Dies wird bei Opitz ausdrucklich mit Zugestandnissen an die christliche Moral verbunden Eine weitherum als verbindlich betrachtete Form fand die Standeklausel in der franzosischen Klassik Nicolas Boileau berief sich in L Art poetique 1674 ebenfalls auf Horaz und hatte dabei das hofische Theater seiner Zeit im Auge Noch in Gottscheds Zeiten die stark vom franzosischen Absolutismus gepragt waren hielt man an dieser Grundregel fest wie es Gottscheds Versuch einer critischen Dichtkunst 1730 zeigt Die Wende kam mit Lessing der sich an Denis Diderots Schrift De la poesie dramatique 1758 und seinen burgerlichen Musterdramen orientierte Lessing lieferte die Grundlagen fur ein burgerliches Trauerspiel in deutscher Sprache in dem die Burger mit ihren Problemkonstellationen dargestellt werden durften zuerst in Miss Sara Sampson 1755 Von manchen Aristokraten wie Friedrich dem Grossen wurde dies demonstrativ nicht zur Kenntnis genommen Friedrich duldete lediglich dass Adlige in Komodien erschienen aber keineswegs die Burger in der Tragodie De la litterature allemande 1780 Auswirkungen BearbeitenNoch im Theater des 19 Jahrhunderts spielten die Ruckkehr zur Standeklausel siehe Grand opera oder im Gegenteil die demonstrative Uberwindung der Standeklausel eine erhebliche Rolle Dies schlagt sich etwa in der Anwendung der Rollenfacher nieder Es gab nach wie vor Schauspieler die auf die gesellschaftlich hoher stehenden ernsten Rollen und solche die auf die niederen komischen Rollen spezialisiert waren Charlotte Birch Pfeiffer stellt ihrem Lustspiel Steffen Langer aus Glogau Berlin 1842 die Anweisung voran Die Rolle des Steffen ein Seilergeselle ist nicht vom ersten Komiker sondern vom ersten Liebhaber der zugleich Naturbursche spielt zu besetzen Ebenso wunsche ich Klarchen Tochter des Seilermeisters in den Handen der ersten Liebhaberin 3 Am Ende des Vorspiels gehen die beiden gravitatisch sich bei der Hand haltend aber so weit als moglich auseinander ab 4 Das entsprach dem Verhaltenskodex der noblen Figuren der hier zitiert und parodiert wird weil das schlichte Verhalten zum gesellschaftlichen Ideal geworden war Das Publikum erwartete und schatzte die Aufwertung der burgerlichen Figuren die von den hoherrangigen Schauspielern dargestellt werden sollten Nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich schliesslich das Bewusstsein die Adelsherrschaft uberwunden zu haben Eine zaghafte Aufwertung der burgerlichen Figuren war nicht mehr notig Das mehrheitlich burgerliche Publikum durfte sich nun den adligen Figuren auf der Buhne uberlegen fuhlen was eine Umkehr der Situation in den Hoftheatern des 17 18 Jahrhunderts bedeutete wo die Adligen noch die burgerlichen komischen Figuren verlacht hatten Gustaf Grundgens der selten als Komiker auftrat hielt es fur politisch nicht unangebracht 1932 in Eduard Kunnekes Operette Liselott einen lacherlichen Herzog zu geben In dem mit Hilde Hildebrand gesungenen Duett O Gott wie sind wir vornehm karikierte er die verfeinerten Sitten des Adels gegenuber der Tumbheit dieser Deutschen Literatur BearbeitenAlain Muzelle Standeklausel S 945 946 Bernard Poloni Fallhohe S 375 376 In Manfred Brauneck Gerard Schneilin Hrsg Theaterlexikon Bd 1 Rowohlt Reinbek 5 Auflage 2007 ISBN 978 3 499 55673 9 Einzelnachweise Bearbeiten Standeklausel In www duden de Abgerufen am 12 Mai 2015 Standeklausel In www wissen de Abgerufen am 12 Mai 2015 Charlotte Birch Pfeiffer Steffen Langer aus Glogau oder Der hollandische Kamin Ulrich Zurich 1842 Charlotte Birch Pfeiffer Steffen Langer aus Glogau oder Der hollandische Kamin Ulrich Zurich 1842 S 9Weblinks BearbeitenAndreas Gipper Standeklausel In Basislexikon Literaturwissenschaft Bochum Archiv Standeklausel In KinderundJugendmedien de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Standeklausel amp oldid 223381560