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Klassifikation nach ICD 10A81 2 Progressive multifokale LeukenzephalopathieICD 10 online WHO Version 2019 Die progressive multifokale Leukenzephalopathie PML ist eine Erkrankung des Zentralen Nervensystems ZNS die durch das zur Gattung der Polyomaviren gehorende JC Virus verursacht wird Der Name des Virus leitet sich von den Initialen des Patienten ab bei dem es erstmals isoliert wurde 1 Die Erkrankung kommt fast ausschliesslich bei schwer abwehrgeschwachten Personen vor Es handelt sich um eine akute progrediente fortschreitende Krankheit bei der zahlreiche funktionelle Veranderungen des Nervensystems beispielsweise motorische und kognitive Storungen auftreten konnen Inhaltsverzeichnis 1 Epidemiologie 2 Pathogenese und Pathologie 3 Symptome 4 Diagnose 5 Differentialdiagnose 6 Therapie 7 Prognose 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseEpidemiologie BearbeitenDie PML tritt selten und dann fast ausschliesslich bei abwehrgeschwachten Personen auf die einen erheblichen Defekt der T Zell Immunitat aufweisen Immunkompetente Personen oder Personen bei denen lediglich Defizite im humoralen Abwehrsystem Antikorper und Komplementsystem bestehen erkranken in der Regel nicht an PML 2 3 Menschen mit relevanter T Zell Immunschwache leiden entweder an Erkrankungen des Immunsystems oder wurden aufgrund einer anderen Erkrankung immunsuppressiv behandelt Die Immunsuppression kann als Nebenwirkung so etwa bei der Chemotherapie von Tumoren oder als gewunschte Wirkung von Medikamenten nach Organtransplantationen oder zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten auftreten Gehauft tritt eine PML nach Knochenmarktransplantationen auf Der uberwiegende Teil der PML Falle tritt im Rahmen des erworbenen Immundefektsyndroms AIDS im Stadium C3 auf etwa 80 90 der PML Patienten sind auch an AIDS erkrankt 4 Im Jahr 1980 betrug die Pravalenz der PML unter AIDS Patienten noch uber 5 5 scheint aber seitdem kontinuierlich zu sinken was hauptsachlich darauf zuruckgefuhrt wird dass die hochaktive antiretrovirale Therapie HAART inzwischen weitverbreitet ist 6 Nach der Klassifikation der Centers for Disease Control and Prevention ist die PML eine der AIDS definierenden Erkrankungen Selten tritt die Erkrankung im Rahmen von Tumoren des lymphoretikularen Systems vor allem beim Morbus Hodgkin sowie bei chronisch entzundlichen Erkrankungen nach Organtransplantationen und als unerwunschte Wirkung von immunsuppressiven Medikamenten auf vor allem bei Natalizumab aber auch selten bei Rituximab Efalizumab Fingolimod und Dimethylfumarat 7 die zunehmend eingesetzt werden 8 Die Einnahme von Fumarsaureester kann moglicherweise die Entwicklung einer PML begunstigen wie vier Fallberichte im New England Journal of Medicine 2013 368 1657 1661 zeigen In einer Stellungnahme seitens zweier Dermatologen im Dt Arzteblatt wird dies jedoch infrage gestellt 9 Pathogenese und Pathologie Bearbeiten nbsp Immunhistochemischer Nachweis von JC Virusprotein braun angefarbt in einer HirnbiopsieEs handelt sich bei der Erkrankung um eine Reinfektion durch Reaktivierung des JC Virus Die Erst oder Primarinfektion mit dem Virus verlauft asymptomatisch Die Durchseuchung beginnt bereits im Kindesalter und erreicht bei Erwachsenen eine Durchseuchungsrate von 40 60 Der Erreger persistiert lebenslang 2 3 Das JC Virus gelangt bei T Zell Immungeschwachten wahrscheinlich vom Ort seiner Persistenz moglicherweise Nierengewebe und oder Knochenmark uber Leukozyten in das zentrale Nervensystem und repliziert in der weissen Substanz im Grosshirn im Hirnstamm im Kleinhirn Zerebellum und im Ruckenmark Es handelt sich um eine Entmarkungskrankheit Demyelinisierungskrankheit das heisst die Nervenscheiden Myelinscheiden der Oligodendrozyten welche die Nervenfortsatze Axone der Neurone umhullen werden befallen und degenerieren Da die graue Substanz hauptsachlich aus Nervenzellkorpern besteht und nur zu einem geringen Anteil aus Axonen ist sie von der Infektion fast nicht betroffen Histologisch handelt es sich um eine entzundliche Entmarkung mit perivaskularer Leukozyteninfiltration Insbesondere die ausgepragte Polymorphie der infizierten Gliazellen ist typisch Die neuropathologische Diagnose wird durch den Nachweis von JC Virus Protein in der Immunhistochemie oder den Nachweis von JC Virus Genom in der In situ Hybridisierung bestatigt Symptome BearbeitenDie Symptome der PML richten sich nach der Lokalisation der Entmarkungsherde im zentralen Nervensystem Wenn diese beispielsweise im Sprachzentrum liegen kommt es zu Sprachstorungen Aphasie wenn die sensiblen Bahnen betroffen sind zu Gefuhlsstorungen sind die motorischen Bahnen betroffen kommt es zu motorischen Ausfallen in Form von feinmotorischen Storungen oder Lahmungen Bei einem Befall der Sehbahn kommt es zu Gesichtsfeldausfallen zum Beispiel Hemianopsie Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann es zu kognitiven Storungen Konzentrationsstorungen Verwirrtheit bis zur Demenz kommen Auch epileptische Anfalle konnen im Krankheitsverlauf auftreten Diagnose Bearbeiten nbsp MRT Bild in T2 GewichtungEine relativ sichere Diagnose ist nur durch den Nachweis der JC Virus DNA im Liquor cerebrospinalis mittels Polymerasekettenreaktion PCR moglich Der Nachweis des Virus im Urin lasst keinen Zusammenhang mit der Erkrankung zu da etwa 20 der Bevolkerung das Virus dauerhaft ausscheiden Die relativ unspezifischen Demyelinisierungsherde die mit einer Magnetresonanztomografie MRT Kernspintomografie nachgewiesen werden konnen konnen einen Beitrag zur Verdachtsdiagnose leisten Die Herde stellen sich bei T1 Gewichtung hypointens in der T2 und Flair Sequenz hyperintens dar und nehmen kein Kontrastmittel auf Typisch sind flachig konfluierende und symmetrische Signalveranderungen unter Aussparung der Hirnrinde Diese liegen oft parietal Eine Differenzierung zu anderen Veranderungen gleichen Aussehens zum Beispiel bei der Multipler Sklerose MS oder dem Posterioren reversiblen Enzephalopathiesyndrom PRES ist ohne Krankengeschichte aufgrund der MRT Befunde allein nicht moglich Das Virus kann auch elektronenmikroskopisch in Hirngewebe nachgewiesen werden Differentialdiagnose BearbeitenVor dem Verdacht einer PML im Rahmen von AIDS mussen zunachst die haufigeren Enzephalitiden durch eine Toxoplasmose oder Kryptokokkose ein ZNS Lymphom eine HIV Enzephalopathie aber auch Leukodystrophien und bei Kindern die Subakute sklerosierende Panenzephalitis SSPE ausgeschlossen werden Bei Verdacht auf eine PML unter der Behandlung einer Multiplen Sklerose mit Natalizumab stellt ein MS Schub die wichtigste Differentialdiagnose dar Therapie BearbeitenDie momentan effektivste Behandlung der PML sind Massnahmen zur Wiederherstellung der Immunkompetenz Bei AIDS Patienten konnte die Sterblichkeit und die Schwere der Erkrankung durch eine hochaktive antiretrovirale Therapie HAART reduziert werden da die Zahl der T Zellen im Zuge einer solchen Behandlung wieder steigt 10 Bei Patienten die eine immunsuppressive Therapie erhalten sollte diese Behandlung ausgesetzt werden Bei Arzneimitteln mit langer biologischer Wirkung werden Massnahmen zur Entfernung des Arzneimittels empfohlen 11 Bei Patienten die aufgrund einer Organtransplantation mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt werden muss unter Umstanden das transplantierte Organ entfernt werden Eine kausale Behandlung der PML existiert nicht Zur Wirkung einiger Medikamente wurden Einzelfallberichte oder kleine Fallserien publiziert zum Beispiel Foscarnet Cytarabin Cidofovir Interferon Cortison deren Uberprufung an grosseren Patientenkollektiven aber enttauschend verlief 11 Ein Fallbericht von 2010 beschreibt eine erfolgreiche Behandlung mit Mefloquin einem Malariamittel welches sich auf das JC Virus hemmend auszuwirken scheint Eine Elimination der Viruspartikel aus dem Korper des Patienten sowie eine verhinderte Progression der PML wurden berichtet 12 In einem weiteren Fallbericht von 2014 wurde von einer erfolgreichen Behandlung mit Maraviroc einem Virustatikum welches bei HIV Infektion eingesetzt wird berichtet 13 14 Prognose BearbeitenDie Prognose ist gegenwartig schlecht Wenn es nicht gelingt die Funktion des Immunsystems adaquat zu verbessern fuhrt die PML innerhalb von durchschnittlich 3 bis 20 Monaten zum Tod Literatur BearbeitenW Hacke Neurologie 13 Auflage Springer Verlag 2010 ISBN 978 3 642 12381 8 S 480 C S Tan I J Koralnik Progressive multifocal leukoencephalopathy and other disorders caused by JC virus clinical features and pathogenesis In The Lancet Neurology 2010 9 S 425 437 PMID 20298966 doi 10 1016 S1474 4422 10 70040 5 Weblinks BearbeitenPML Information bei HIV amp moreEinzelnachweise Bearbeiten B L Padgett D L Walker G M Zu Rhein u a Cultivation of papova like virus from human brain with progressive multifocal leucoencephalopathy In The Lancet 1971 1 S 1257 1260 PMID 4104715 a b J M Kean S Rao u a Seroepidemiology of human polyomaviruses In PLoS pathogens Band 5 Nummer 3 Marz 2009 S e1000363 doi 10 1371 journal ppat 1000363 PMID 19325891 PMC 2655709 freier Volltext a b A Egli L Infanti u a Prevalence of polyomavirus BK and JC infection and replication in 400 healthy blood donors In The Journal of Infectious Diseases Band 199 Nummer 6 Marz 2009 S 837 846 PMID 19434930 I J Koralnik u a Case records of the Massachusetts General Hospital Weekly clinicopathological exercises Case 14 2004 A 66 year old man with progressive neurologic deficits In N Engl J Med 2004 350 S 1882 1893 PMID 15115835 J R Berger u a Progressive multifocal leukoencephalopathy associated with human immunodeficiency virus infection A review of the literature with a report of sixteen cases In Ann Intern Med 1987 107 S 78 87 PMID 3296901 N Sacktor The epidemiology of human immunodeficiency virus associated neurological disease in the era of highly active antiretroviral therapy In J Neurovirol 2002 8 Suppl 2 S 115 121 PMID 12491162 FDA Drug Safety Communication K R Carson D Focosi E O Major u a Monoclonal antibody associated progressive multifocal leucoencephalopathy in patients treated with rituximab natalizumab and efalizumab a Review from the Research on Adverse Drug Events and Reports RADAR Project In Lancet Oncol 2009 10 S 816 824 PMID 19647202 Fumarsaureester PML in der Psoriasis Behandlung In Dt Arzteblatt 26 April 2013 abgerufen am 18 Juli 2013 H Albrecht C Hoffmann O Degen u a Highly active antiretroviral therapy significantly improves the prognosis of patients with HIV associated progressive multifocal leukoencephalopathy AIDS 1998 12 S 1149 1154 PMID 9677163 a b O Stuve C M Marra P D Cravens u a Potential risk of progressive multifocal leukoencephalopathy with natalizumab therapy possible interventions In Arch Neurol 2007 64 S 169 176 PMID 17296831 T E Gofton A Al Khotani B O Farrell L C Ang R S McLachlan Mefloquine in the treatment of progressive multifocal leukoencephalopathy In Journal of Neurology Neurosurgery and Psychiatry Band 82 Nummer 4 April 2011 S 452 455 ISSN 1468 330X doi 10 1136 jnnp 2009 190652 PMID 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