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Die sogenannte Prasenzflotte engl fleet in being ist ein strategisches Konzept im Seekrieg Die Prasenzflotte ist eine Flotte die durch blosse Existenz ohne den Hafen verlassen zu mussen das Kriegsgeschehen beeinflusst die Flotte existiert agiert aber nicht Die blosse Moglichkeit des Auslaufens dieser Flotte zwingt den Gegner ausreichend Streitkrafte bereitzuhalten um die Prasenzflotte im Fall eines Einsatzes bekampfen zu konnen Ein Gefecht mit feindlichen Streitkraften soll bei diesem Konzept vermieden werden sofern der feindliche Verband nicht erheblich schwacher ist da die entstehenden Verluste die von der Prasenzflotte dargestellte Bedrohung verringern oder gar beenden konnten Dieses Konzept ist daher fur Situationen gedacht in denen die notwendigen Vorkehrungen gegen ein Auslaufen der Flotte dem Gegner mehr Schaden zufugen als die Flotte in einer Schlacht dem Gegner zufugen konnte Eine Prasenzflotte kann zwar dem Gegner die Seeherrschaft verweigern sie jedoch nicht erringen Inhaltsverzeichnis 1 Wirkungsweise 2 Geschichte 2 1 Pfalzischer Erbfolgekrieg 2 2 Erster Weltkrieg 2 3 Finnisch Sowjetischer Winterkrieg 2 4 Zweiter Weltkrieg 2 5 Historische Einordnung 3 Belegstellen 4 Literatur 5 WeblinksWirkungsweise BearbeitenEine Prasenzflotte beeinflusst den Gegner auf zwei Arten Einschrankung der Seeverbindungen Durch die Moglichkeit eines Angriffs auf die gegnerischen Seeverbindungen werden diese eingeschrankt Um Angriffe auf seine Handels und Transportschiffe zu vermeiden muss der Gegner entweder den Seeverkehr seiner Schiffe einstellen oder diese mit seinen eigenen Kriegsschiffen schutzen Da dies fur einzelne Schiffe zu aufwandig ware muss er seine Schiffe in Konvois zusammenfassen Der Einsatz von Konvois reduziert jedoch die zur Verfugung stehenden Transportkapazitaten da die Schiffe jetzt langer brauchen um ihre Zielhafen zu erreichen Anstatt dass jedes Schiff die direkte Route vom Start zum Zielhafen mit seiner eigenen bestmoglichen Geschwindigkeit befahrt muss es jetzt erst zum Sammelpunkt des Konvois am Rande des gefahrdeten Seegebiets fahren oft ein Umweg und dort auf die restlichen Schiffe warten Dann fahrt es im Konvoi mit der Geschwindigkeit des langsamsten Schiffes durch das gefahrdete Gebiet bis der Konvoi an dessen Ende aufgelost wird Von dort aus fahrt das Schiff dann wieder alleine weiter Wird der Konvoi in der Nahe des Zielhafens aufgelost und steuern mehrere Schiffe des Konvois den gleichen Hafen an konnen zusatzliche Wartezeiten auftreten wenn die Kapazitaten des Hafens fur so viele gleichzeitig eintreffende Schiffe nicht ausreichen Bindung der Flottenkrafte Um seine Konvois zu schutzen muss der Gegner eigene Flottenkrafte bereitstellen die damit fur andere Aufgaben nicht zur Verfugung stehen Diese Flottenkrafte mussen mindestens so stark sein dass sie die Prasenzflotte im Falle eines tatsachlichen Auslaufens mit Aussicht auf Erfolg bekampfen konnen Wie gross diese Sicherungsflotte im Vergleich zur Starke der Prasenzflotte sein muss ist von verschiedenen Faktoren abhangig So bedrohte z B die italienische Flotte im Zweiten Weltkrieg die Hauptnachschublinie fur die britischen Truppen in Nordafrika von Gibraltar nach Alexandria von ihren zentral im Mittelmeer gelegenen Basen Von Italien konnte sie jederzeit sowohl Gibraltar im Westen und Alexandria im Osten angreifen Die Briten hingegen konnten von ihren beiden am Rande gelegenen Stutzpunkten jeweils nur eine Halfte des Mittelmeers abdecken Dies zwang sie dazu an beiden Standorten starke Kampfverbande zu stationieren von denen jeder stark genug sein musste es alleine mit der italienischen Flotte aufzunehmen Auf diese Art kann eine Prasenzflotte feindliche Krafte binden die ein Vielfaches der eigenen Starke haben Geschichte BearbeitenPfalzischer Erbfolgekrieg Bearbeiten Im Pfalzischen Erbfolgekrieg stand 1690 die britische Kanalflotte unter Lord Torrington einer ihr uberlegenen franzosischen Flotte gegenuber Er schlug seinem Vorgesetzten deshalb vor ausser in ausserst gunstigen Situationen Gefechte zu vermeiden bis Verstarkung verfugbar war Bis dahin sollten seine Einheiten als fleet in being die Franzosen daran hindern ihre Schiffe woanders einzusetzen Dies ist die erste bekannte Erwahnung des Begriffs fleet in being Erster Weltkrieg Bearbeiten Im Verlauf des Ersten Weltkrieges standen sich Einheiten der britischen Grand Fleet und der deutschen Hochseeflotte gegenuber Da die zahlenmassig uberlegene britische Marine schwere Einheiten zur Bekampfung des deutschen Kreuzerkrieges in Ubersee abzog herrschte in Gewassern der Nordsee ein annaherndes Kraftegleichgewicht Die deutsche Hochseeflotte befand sich dabei im durch umfangreiche Minenfelder und Sandbanke gesicherten Gewasser der deutschen Bucht massgeblich der Elbmundung und dem Jadebusen Die englische Grand Fleet beschrankte sich auf eine Fernblockade und hatte ihren Standort vor den Orkney Inseln bei Scapa Flow Beide Flotten erlagen einem strategischen Patt so konnten die Briten die Grand Fleet aufgrund der anwesenden deutschen Hochseeflotte nicht anderweitig einsetzen ebenso war der deutschen Hochseeflotte eine defensive Position auferlegt da sie durch die Grand Fleet an umfangreichen Operationen ausserhalb der Nordsee bzw dem fur den kontinentalen englischen Truppennachschub strategisch wichtigem Armelkanal gehindert wurde Weiter war seitens des deutschen Heeres gewollt dass die defensiv zuruckgehaltene Flotte vor Landungen an der Kuste abschrecken sollte und es gab Uberlegungen die Flotte als Trumpf fur Friedensverhandlungen aufzusparen 1 Ein offener Schlagabtausch beider Flotten sollte vermieden werden da fur England ein Verlust der Seeherrschaft aufgrund der Insellage konkret existenzgefahrdend gewesen ware ferner wog die Furcht vor etwaigem Verlust von Grosskampfschiffen schwer aufgrund der langen Bauzeit und aufwendigen sowie kostenreichen Produktion Nur selten im Verlauf des Krieges wurde das beidseitige defensive Konzept durchbrochen so im Gefecht auf der Doggerbank und der Skagerrakschlacht Finnisch Sowjetischer Winterkrieg Bearbeiten Wahrend des Winterkrieges wurde die uberlegene sowjetische Baltische Rotbannerflotte durch die beiden finnischen Kustenpanzerschiffe Ilmarinen und Vainamoinen an jeder Landungsoperation gehindert Zweiter Weltkrieg Bearbeiten Wahrend des Zweiten Weltkrieges bedrohte die italienische Flotte die britischen Seewege im Mittelmeer verweigerte sich aber einer mehrfach von den Briten gesuchten Entscheidungsschlacht was die Briten zur Stationierung starker Seestreitkrafte im Mittelmeer notigte Mit dem uberraschenden Angriff auf Tarent am 12 November 1940 dezimierten die Briten die einsatzbereiten italienischen Schlachtschiffe und konnten die Bedrohung vermindern Im selben Krieg bedrohte die deutsche Kriegsmarine durch in Norwegen stationierte Schlachtschiffe und Schwere Kreuzer insbesondere das Schlachtschiff Tirpitz die alliierten Konvois im Nordmeer Dies zwang die Briten diese Konvois ihrerseits mit starken Kraften zu schutzen obwohl die deutschen Schiffe selten ausliefen und die wenigen tatsachlich durchgefuhrten Angriffe Schlacht in der Barentssee Seegefecht vor dem Nordkap mit schweren deutschen Verlusten scheiterten Historische Einordnung Bearbeiten Voraussetzung fur die Existenz einer Prasenzflotte ist eine sichere Basis von der aus die Flotte operieren kann in der sie aber gleichzeitig vor einer uberlegenen Feindflotte sicher ist Dies konnte ursprunglich durch die Prasenz starker Kustenbatterien erreicht werden welche einen Angriff auf den Stutzpunkt verhinderten Bei den Angriffen auf Tarent und Pearl Harbor zeigte sich jedoch dass ein Hafen keinen sicheren Schutz gegen die Luftstreitkrafte einer uberlegenen Feindflotte bieten kann Nur eine ausreichende Entfernung vom Kampfgebiet kann noch den benotigten Schutz bieten jedoch macht diese Entfernung es gleichzeitig unmoglich eine reale Bedrohung fur den Gegner darzustellen Damit ist das Prasenzflotten Konzept heute kaum noch anwendbar Der Begriff Prasenzflotte ist beschrankt auf den Seekrieg das dahinterliegende Konzept kann aber grundsatzlich auch im Landkrieg angewendet werden Eine belagerte Festung kann praktisch als Army in being feindliche Krafte binden indem sie eine Bedrohung fur die Nachschublinien darstellt Ein Beispiel dafur ist die britische Festung Tobruk im Afrikafeldzug welche 1941 von den Achsenmachten umgangen und abgeschnitten wurde Um zu verhindern dass die in der Festung stationierten Truppen die von See aus versorgt werden konnten einen Ausfall machten mussten starke Krafte um die Festung herum stationiert werden Eine Fortsetzung der Offensive der Achsenmachte wurde unmoglich solange Tobruk nicht erobert war Belegstellen Bearbeiten David Stevenson Der Erste Weltkrieg 1914 1918 Artemis und Winkler Dusseldorf 2006 ISBN 3 538 07214 0 S 115 Literatur BearbeitenDavid Brown Die Tirpitz Bernard amp Graefe Verlag Bonn 1998 ISBN 3 7637 5987 5 Schwerpunkt Die versteckte Drohung S 23 ff David Stevenson Der Erste Weltkrieg 1914 1918 Artemis und Winkler Dusseldorf 2006 ISBN 3 538 07214 0 Schwerpunkt Scheitern des Bewegungskrieges S 113 ff Paul Virilio Speed and Politics An Essay on Dromology Semiotext e New York 1986 ISBN 0 936756 33 0 Weblinks BearbeitenFleet in being auf globalsecurity org englisch Michael Paul Die Flottenrustung der Volksrepublik China PDF 460 kB Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Prasenzflotte amp oldid 238409170