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Das Pogrom von 1096 in Mainz ereignete sich vom 27 bis zum 29 Mai 1096 als die Massen des Volkskreuzzugs einer ersten Welle des Ersten Kreuzzugs die Stadt Mainz erreichten Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 2 Quellenlage 3 Ereignisse 3 1 Vor dem Pogrom 3 2 Das Pogrom 3 2 1 27 Mai 1096 3 2 2 28 Mai 1096 3 2 3 29 Mai 1096 3 3 Folgen 4 Literatur 5 Anmerkungen 6 EinzelnachweiseAusgangslage Bearbeiten nbsp Konig Heinrich V links und Erzbischof Ruthard rechts 1 nbsp Heinrich IV Die judische Gemeinde in Mainz gehort zu den altesten in Deutschland Die altesten erhaltenen Zeugnisse belegen bereits in der zweiten Halfte des 10 Jahrhunderts eine bluhende Gemeinde 2 Schon 1012 wurde die Gemeinde durch Konig Heinrich II aus Mainz vertrieben 1084 kam es nach einem Stadtbrand zu einer weiteren Vertreibung bei der ein erheblicher Teil der Gemeinde nach Speyer floh 3 Papst Urban II hatte den Beginn des Kreuzzugs fur den 15 August 1096 geplant Menschen aus Westeuropa vor allem aus verarmten Unterschichten sahen das als Chance eine Alternative aus ihrer hoffnungslosen Lebenssituation in einer seit 1090 anhaltenden Hungerperiode zu finden 4 Bereits im April 1096 bildete sich daraus ungeplant eine Massenbewegung die eigenstandig nach Jerusalem aufbrechen wollte sich zunachst aber mordend und plundernd gegen die judischen Gemeinden im Rheintal angrenzenden Gebieten und entlang der Donau wandte Hauptartikel Judenverfolgungen zur Zeit des Ersten KreuzzugsDiese Massenbewegung umfasste mehrere 10 000 Menschen Hauptartikel Volkskreuzzug In den Stadten des Rheintals gab es eine ganze Reihe judischer Gemeinden so auch in Mainz Die Einwohner judischen Glaubens standen unter dem Schutz des Konigs damals Heinrich IV der damit ortlich den Erzbischof von Mainz als Stadtherren beauftragt hatte Das war 1096 Erzbischof Ruthard Eine Gruppe der Massenbewegung des Ersten Kreuzzugs unter der Fuhrung von Clarembald de Vendeuil Thomas de La Fere und Guillaume Le Charpienter Guillaume de Melun 5 hatte bereits in Speyer und Worms gewutet Hauptartikel Pogrom von 1096 in Speyer Hauptartikel Pogrom von 1096 in Worms Diese Gruppe zog von Suden kommend das Rheintal hinauf und erreichte als erste am 25 Mai 1096 Mainz Quellenlage BearbeitenDas Pogrom in Mainz ist fur ein Ereignis des Hochmittelalters ausserordentlich detailliert dokumentiert Das liegt vor allem an drei uberlieferten Berichten Chronik I III 6 aus den Jahren und Jahrzehnten nach dem Ereignis Daruber hinaus gab es mindestens einen heute verlorenen in der wissenschaftlichen Literatur als Text F bezeichneten Bericht der sowohl in die Chronik I als auch in die Chronik II eingeflossen ist 7 Erhalten geblieben sind Die Chronik I Salomo bar Simson zugeschrieben Anm 1 abgefasst um 1140 jedenfalls vor dem Zweiten Kreuzzug 1146 8 entstand in Mainz 9 und beruht auch auf alteren zeitgenossischen Texten 10 Die alteste erhaltene Uberlieferung dieser Chronik befindet sich in einem zweibandigen Kodex der seit 1999 zur Sammlung des Jews College in London gehort eine Handschrift aus dem 15 Jahrhundert die im Bereich von Venedig entstand 11 Die Chronik nimmt dort die Seiten 151r 163r des zweiten Bandes ein 12 Die Chronik II von Elieser bar Nathan entstand ebenfalls in Mainz wo dem Autor dazu auch verschiedene schriftliche Berichte vorlagen 13 unter anderem der Text F und die Chronik III eines anonymen Autors Elieser bar Nathan war als Kind Augenzeuge des Pogroms von 1096 14 Verfasst hat er seinen Bericht noch vor Beginn des Zweiten Kreuzzugs 1146 15 Von dieser Chronik sind acht Handschriften erhalten Diese entstanden in der Zeit von 1335 bis 1847 16 Die Chronik III schrieb ein heute unbekannter Autor der vermutlich aus Mainz stammte und sie dort verfasste sogenannter Mainzer Anonymus 17 Sie ist die alteste der drei Chroniken aber der Zeitpunkt ihres Entstehens ist nur schwer einzugrenzen Vermutet wird dass das bald nach 1097 geschah 18 Uberliefert ist der Text der Chronik III aber nur in einer Kopie deren ursprungliches Ende schon dem Kopisten nicht mehr vorlag 19 Die Handschrift befindet sich heute in der Universitats und Landesbibliothek Darmstadt 20 Der dort eingefugte Bericht uber den Vorwurf der Christen die Juden hatten die Brunnen vergiftet den nur diese Chronik III enthalt ist anachronistisch und vermutlich im 14 Jahrhundert eingefugt 21 Ereignisse BearbeitenVor dem Pogrom Bearbeiten Die Mainzer judische Gemeinde wusste bereits was auf sie zukam nachdem die Nachrichten uber das Pogrom in Speyer das am 3 Mai 1096 begonnen hatte 22 und das in Worms das vom 18 bis zum 20 Mai 1096 stattgefunden hatte die Stadt erreichten 23 Die judische Gemeinde wandte sich an die Mainzer Obrigkeit den Erzbischof und seine Ministerialen die ihnen rieten ihre Wertgegenstande bei ihnen einzulagern und sich dann in den Bischofshof in Sicherheit zu bringen Mangels Alternativen befolgten sie den Rat bezahlten die Obrigkeit auch fur den Schutz 24 und flohen in den Bischofshof 25 und in den Hof des Mainzer Burggrafen 26 Der Bischof erhielt mindestens 300 Mark Silber 27 Anm 2 insgesamt sollen etwa 400 Mark Silber gezahlt worden sein 28 Anm 3 Auch an Gottfried von Bouillon soll Geld geflossen sein 29 und an Emicho von Flonheim Fuhrer des Volkskreuzzugs sieben Pfund Gold 30 Anm 4 Retrospektiv wurde das Vorgehen der Obrigkeit auch als eine Falle gedeutet 31 Andererseits gehen auch die zeitgenossischen Quellen davon aus dass der Erzbischof zunachst ernsthaft gewillt war die Juden zu schutzen 32 und nach dem Empfang des Schutzgeldes seine zunachst bestehende Absicht aufgab sich aus der Stadt in deren Umland zuruckzuziehen 33 Rabbiner der Mainzer Gemeinde war damals Kalonymos ben Meschullam Er benachrichtigte noch Kaiser Heinrich IV der sich damals jahrelang in Italien aufhielt von der drohenden Gefahr Der Kaiser kehrte erst 1097 nach Deutschland zuruck 34 Zentrales Argument fur den Angriff auf die Juden war der Vorwurf des Gottesmordes 35 Am Schabbat dem 24 Mai 1096 fand der letzte Gottesdienst in der Mainzer Synagoge statt Am nachsten Tag erreichte die erste Gruppe von Kreuzzuglern von Worms kommend Mainz Die Mainzer verschlossen zunachst die Stadt 36 Das Pogrom Bearbeiten 27 Mai 1096 Bearbeiten Die Stadt blieb fur zwei Tage verschlossen Am 27 Mai 1096 erreichte eine weitere Gruppe von Kreuzzuglern unter Emicho von Flonheim die Stadt 37 die ihnen am Mittag des gleichen Tages 38 dann doch geoffnet wurde warum daruber sagen die Quellen nichts aus 39 Die Volkskreuzzugler ruckten in die Stadt ein ermordeten die Juden die sich nicht hatten in Sicherheit bringen konnen und sich nicht der Zwangstaufe unterwarfen Dann belagerten sie den Bischofshof 40 Inzwischen hatten sich die Stadter mit den Volkskreuzzuglern solidarisiert 41 Die judische Gemeinde verfugte uber Waffen und der Rabbiner Kalonymos ben Meschullam setzte sich an die Spitze der Verteidiger 42 Am Tor des Bischofshofes kam es zum bewaffneten Kampf in dem die Juden aber den zahlenmassig weit uberlegenen Volkskreuzzuglern weichen mussten 43 die in den Hof der Bischofsresidenz eindrangen 44 Der Erzbischof und seine Bewaffneten flohen aus dem Bischofshof Die Eindringlinge massakrierten alle Juden derer sie habhaft werden konnten 45 ein Teil der Juden beging Suizid 46 auch als Kiddusch HaSchem bekannt um der Zwangstaufe zu entgehen 47 Um fur den Suizid Zeit zu gewinnen warfen Frauen Munzen und Silber in den Hof um die Angreifer erst einmal mit dem Aufsammeln zu beschaftigen 48 Nachdem die Eindringlinge die Turen aufgebrochen hatten plunderten sie die Leichen der dort Vorgefundenen 49 In einem befestigten Gemach verteidigten sich einige Juden noch bis zum Abend bevor auch sie wegen der aussichtslosen Lage Suizid begingen 50 Auch in den Hof des Burggrafen wo sich ebenfalls Juden in Sicherheit zu bringen versucht hatten drang die Menge ein und massakrierte viele 51 Andere Juden versuchten sich im Gebaude zu verschanzen die Kampfe erstreckten sich schliesslich bis aufs Dach des Gebaudes 52 28 Mai 1096 Bearbeiten 53 53 60 54 oder 63 55 Juden konnten durch das Gemach des Erzbischofs aus dem Bischofshof fliehen darunter auch der Rabbiner Kalonymos ben Meschullam 56 und retteten sich in die Sakristei 57 auch als Schatzkammer bezeichnet des Doms 58 wo sie sich in dem Chaos zunachst verbergen konnten bis die Dunkelheit hereinbrach 59 Die Kleriker erpressten dann dort weitere 10 Mark Silber Anm 5 von den Eingeschlossenen fur etwas Trinkwasser Erzbischof Ruthard war ins rechtsrheinische Rudesheim geflohen und schickte in der Nacht einen 300 Mann starken Erkundungstrupp in die Stadt der Kalonymos ben Meschullam und die die bei ihm waren nach Rudesheim evakuierte 60 Dort aber eroffnete ihnen der Erzbischof dass er nichts mehr fur sie tun konne Anm 6 Kalonymos ben Meschullam totete daraufhin seinen Sohn und beging Suizid Nach einer alternativen Erzahlung uber die Ereignisse versuchte er vorher noch vergeblich den Erzbischof zu ermorden und wurde bei diesem Versuch getotet Auch die anderen starben entweder durch Suizid oder wurden von Einwohnern der rechtsrheinischen Dorfer in einem Wald ermordet in den sie sich zuruckgezogen hatten 61 29 Mai 1096 Bearbeiten Einige zwangsgetaufte Juden uberlebten das Pogrom Anm 7 Einem oder zwei von ihnen Anm 8 gelang es am 29 Mai 1096 die Synagoge anzustecken um sie der Profanierung zu entziehen und sich darin selbst zu verbrennen 62 Folgen Bearbeiten Die Chroniken geben die Zahl der ermordeten Juden mit 1100 63 oder 1300 64 an Andere schatzen die Opferzahl auf 600 65 und das Nurnberger Memorbuch zahlt 400 Opfer namentlich auf erfasst dabei aber nur die Erwachsenen 66 Die Leichen der in der Stadt getoteten Juden wurden in neun Massengrabern beigesetzt 67 Fur Erzbischof Ruthard hatte sein Versagen beim Judenschutz wahrend des Pogroms politisch massive Folgen 1097 kehrte Kaiser Heinrich IV aus Italien zuruck und versuchte die Verantwortlichen fur das Massaker auszumachen und auf die zuzugreifen die sich in dem Pogrom bereichert hatten Nach Darstellung des Chronisten Burchard von Ursberg wurden 1098 im Rahmen der Untersuchung auch Blutsverwandte des Erzbischofs beschuldigt Ruthard floh letztendlich mit seinen Angehorigen nach Thuringen wo die Adelsopposition stark war um sich dort in Sicherheit zu bringen 68 Sein zuvor gutes Verhaltnis zum Kaiser war von nun an zerruttet Bisher konigstreu hatte er den vom Kaiser eingesetzten Gegenpapst Clemens III gestutzt Dafur hatte ihn Urban II gebannt Nun wechselte er die Seiten und unterstutzte Papst Urban II Der Gegenpapst Clemens verurteilte Erzbischof Ruthard verbot allen Angehorigen der Mainzer Kirche bei Androhung des Anathemas den Umgang mit Ruthard hob die Gehorsamspflicht auf und befahl die Wahl eines neuen Erzbischofs Dazu kam es allerdings nicht Urban II hob den Bann auf Im thuringischen Teil des Erzbistums amtierte Ruthard weiter als Erzbischof 1105 unterstutzte er die Rebellion Heinrichs V und war massgeblich am Sturz Heinrichs IV beteiligt In der Folge konnte er nach Mainz zuruckkehren 69 Kaiser Heinrich IV gestattete 1097 die Ruckkehr der Zwangsgetauften zu ihrem angestammten Glauben Entgegen dem Eindruck den die uberlieferten Quellen zu erwecken versuchen hatte wohl eine erhebliche Zahl ihr Leben gerettet indem sie sich taufen liess Die judische Gemeinde bestand so in Mainz weiter 70 Literatur BearbeitenRolf Dorrlamm Magenza Die Geschichte des judischen Mainz Hermann Schmidt Mainz 1995 ISBN 3 87439 366 6 Eva Haverkamp Hg Hebraische Berichte uber Judenverfolgungen wahrend des Ersten Kreuzzuges Monumenta Germaniae Historica Hebraische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland 1 Hebraische Berichte uber die Judenverfolgungen wahrend des Ersten Kreuzzugs Hahnsche Buchhandlung Hannover 2005 ISBN 3 7752 1301 5 Friedrich Schutz Magenza das judische Mainz In Franz Dumont Ferdinand Scherf und Friedrich Schutz Mainz Die Geschichte der Stadt Zabern Mainz 1998 ISBN 3 8053 2000 0 S 679 702 Anmerkungen Bearbeiten Aufgrund einer ausserst ungewohnlichen Platzierung des Kolophons mitten im Text ist umstritten ob Salomo bar Simson Autor der gesamten Chronik ist oder nur einen Abschnitt davon verfasst hat und wenn ja welchen Sicher ist dass er kein Augenzeuge war sondern der nachfolgenden Generation angehorte und die Ereignisse zumindest teilweise durch die Alten mundlich erfahren hat Er ist also auch nicht identisch mit dem gleichnamigen Wormser Gelehrten der bei dem Pogrom 1096 ermordet wurde Haverkamp S 55 Das entspricht etwa 70 kg Das entspricht etwa 90 kg Das entspricht etwa 3 3 kg Das entspricht etwa 2 3 kg Was diese 180 Grad Wendung des Erzbischofs veranlasste dazu geben die Quellen keine Auskunft In welchem Umfang es zu Zwangstaufen kam ist aus den Quellen nicht wirklich auszumachen da diese sich auf diejenigen fokussierten die sich dem entzogen oder entziehen konnten Die Quellen weichen in den Einzelheiten voneinander ab Einzelnachweise Bearbeiten Anonyme Kaiserchronik fur Heinrich V 1112 1114 Cambridge Corpus Christi College The Parker Library Ms 373 fol 83r Schutz S 679 Schutz S 681 Haverkamp S 4 Haberkorn S 262 Anm 3 Bei Haverkamp S 221 399 612 15 578 49 555 72 550 77 531 96 518 109 hebraisch und deutschsprachig ediert Haverkamp S 59 Haverkamp S 62f Haverkamp S 56 62 Haverkamp S 49 54 Haverkamp S 56 Haverkamp S 143f Haverkamp S 61 Haverkamp S 63 Haverkamp S 64 Haverkamp S 163 230 Haverkamp S 64ff Haverkamp S 70 Haverkamp S 137 Haverkamp S 153 Signatur Cod or 25 Haverkamp S 161 Haverkamp S 262f Anm 2 Haverkamp S 290 Haverkamp S 292 Haverkamp S 304 308 Haverkamp S 307 Anm 10 S 308 Haverkamp S 308 Haverkamp S 310 Haverkamp S 296 Haverkamp S 310 Haverkamp S 292 Haverkamp S 294 Haverkamp S 304 Haverkamp S 294ff Haverkamp S 296ff Haverkamp S 300 Haverkamp S 262 Anm 3 315f Anm 23 Haverkamp S 312 Haverkamp S 314 Haverkamp S 316 Haverkamp S 318 Haverkamp S 316ff Haverkamp S 318 Haverkamp S 322 Haverkamp S 328ff Haverkamp S 324 330ff In den Quellen werden einige der Einzelschicksale detailliert beschrieben Haverkamp S 366ff Haverkamp S 350 Haverkamp S 352 Haverkamp S 352ff Haverkamp S 362ff Haverkamp S 364 Haverkamp S 320 Haverkamp S 390 Haverkamp S 346 Anm 84 Die Angaben weichen in den einzelnen Quellen voneinander ab Haverkamp S 320 Haverkamp S 320 Haverkamp S 346 390 Haverkamp S 390 Haverkamp S 392 Haverkamp S 394 Haverkamp S 375 Haverkamp S 388 Haverkamp S 338 Anm 54 Dorrlamm Schutz S 682 Haverkamp S 388 Johann Wolf Geschichte des ehemaligen Klosters Steine bei Norten Johann Georg Rosenbusch s Wittwe Gottingen 1800 S 9 Schutz S 682 Schutz S 682 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pogrom von 1096 in Mainz amp oldid 237904571