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Das Pogrom von 1096 in Worms ereignete sich im Mai 1096 als die Massen des Volkskreuzzugs einer ersten Welle des Ersten Kreuzzugs die Stadt Worms erreichten Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 2 Quellenlage 3 Ereignisse 3 1 Pogrom in der Stadt 3 2 Pogrom im Bischofshof 3 3 Opferzahlen 4 Folgezeit 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Anmerkungen 8 EinzelnachweiseAusgangslage BearbeitenPapst Urban II hatte den Beginn des Kreuzzugs fur den 15 August 1096 geplant Menschen vor allem aus verarmten Unterschichten aus Westeuropa sahen das als Chance eine Alternative aus ihrer hoffnungslosen Lebenssituation in einer seit 1090 anhaltenden Hungerperiode zu finden 1 Bereits im April 1096 bildete sich daraus ungeplant eine Massenbewegung die eigenstandig nach Jerusalem aufbrechen wollte sich zunachst aber mordend und plundernd gegen die judischen Gemeinden im Rheintal angrenzenden Gebieten und entlang der Donau wandte Hauptartikel Judenverfolgungen zur Zeit des Ersten KreuzzugsDiese Massenbewegung umfasste mehrere 10 000 Menschen Hauptartikel VolkskreuzzugIn den Stadten des Rheintals gab es eine ganze Reihe judischer Gemeinden so auch in Worms Hauptartikel Judische Gemeinde Worms Im Gegensatz zur Situation im Spatmittelalter gab es in Worms noch kein Ghetto die Einwohner judischen Glaubens lebten uber das Stadtgebiet verstreut 2 Sie standen unter dem Schutz des Konigs der damit ortlich den Bischof von Worms als Stadtherren beauftragt hatte Das war damals formal Bischof Adalbert II der aber als Gegner der deutschen Kaiser Heinrich IV und Heinrich V faktisch abgesetzt war und sich in Worms nicht aufhalten konnte 3 Wer die dem Bischof zustehenden Befugnisse als Stadtherr damals tatsachlich wahrnahm ist unbekannt Noch kurz vor dem Pogrom in der ersten Halfte der 1090er Jahre hatte Kaiser Heinrich IV der judischen Gemeinde in Worms umfassende Garantien ihres Status gegenuber der christlichen Mehrheit einen Ausschluss des Bischofs von Worms auf Hoheitsrechte gegenuber den Juden 4 und hohe Hemmschwellen gegen Konversion garantiert 5 Mitte Mai erreichte die Massenbewegung des Ersten Kreuzzugs auch Worms Quellenlage BearbeitenDas Pogrom in Worms ist fur ein Ereignis des Hochmittelalters ausserordentlich gut dokumentiert Das liegt vor allem an drei uberlieferten Berichten Chronik I III 6 aus den Jahrzehnten nach dem Ereignis Daruber hinaus gab es mindestens einen heute verlorenen in der wissenschaftlichen Literatur als Text F bezeichneten Bericht der sowohl in die Chronik I als auch in die Chronik II eingeflossen ist Er enthielt auch die Informationen zu den Ereignissen in Worms 7 Erhalten geblieben sind Die Chronik I Salomo bar Simson zugeschrieben Anm 1 abgefasst um 1140 jedenfalls vor dem Zweiten Kreuzzug 1146 8 entstand in Mainz 9 und beruht auch auf alteren zeitgenossischen Texten 10 Die alteste erhaltene Uberlieferung dieser Chronik befindet sich in einem zweibandigen Kodex der seit 1999 zur Sammlung des Jews College in London gehort eine Handschrift aus dem 15 Jahrhundert die im Bereich von Venedig entstand 11 Die Chronik nimmt dort die Seiten 151r 163r des zweiten Bandes ein 12 Die Chronik II von Elieser bar Nathan entstand ebenfalls in Mainz wo dem Autor dazu auch verschiedene schriftliche Berichte vorlagen 13 unter anderem der Text F und die Chronik III des anonymen Autors Elieser bar Nathan war als Kind Augenzeuge des Pogroms von 1096 14 Verfasst hat er seinen Bericht noch vor Beginn des Zweiten Kreuzzugs 1146 15 Von dieser Chronik sind acht Handschriften erhalten Diese entstanden in der Zeit von 1335 bis 1847 16 Die Chronik III schrieb ein heute unbekannter Autor der vermutlich aus Mainz stammte und sie dort verfasste sogenannter Mainzer Anonymus 17 Sie ist die alteste der drei Chroniken aber der Zeitpunkt der Entstehung ist nur schwer einzugrenzen Vermutet wird dass das bald nach 1097 geschah 18 Uberliefert ist der Text der Chronik III aber nur in einer Kopie deren ursprungliches Ende schon dem Kopisten nicht mehr vorlag 19 Die Handschrift befindet sich heute in der Universitats und Landesbibliothek Darmstadt 20 Der dort eingefugte Bericht uber den Vorwurf der Christen die Juden hatten die Brunnen vergiftet den nur diese Chronik III enthalt ist anachronistisch und vermutlich im 14 Jahrhundert eingefugt 21 Ereignisse BearbeitenPogrom in der Stadt Bearbeiten Die Wormser judische Gemeinde wusste bereits was auf sie zukam nachdem die Nachrichten uber das Pogrom in Speyer das am 3 Mai 1096 begonnen hatte 22 nach Worms gelangten 23 Hauptartikel Pogrom von 1096 in Speyer Am Sonntag den 18 Mai 1096 Anm 2 begann das Pogrom in Worms Der grossere Teil der judischen Einwohner floh in den Bischofshof 24 andere verbarrikadierten sich in ihren Hausern 25 Diese wurden als Erstes angegriffen geplundert und zerstort Tora Rollen geschandet 26 Dabei machten die Burger von Worms gemeinsame Sache mit den Kreuzfahrern 27 Soweit die Angegriffenen dabei nicht ermordet wurden einen Suizid vollzogen auch als Kiddusch HaSchem bekannt oder sich gegenseitig umbrachten um der Zwangstaufe zu entgehen 28 wurden die wenigen die diese erste Phase des Pogroms uberlebten zwangsgetauft 29 Die Leichen wurden geplundert 30 Simcha ha Cohen Sohn des Isaak haCohen 31 war einer derjenigen die gefangen genommen worden waren und der zu einer Zwangstaufe in eine Kirche gebracht wurde Dort zog er ein Messer aus seinem Armel und erstach einen Neffen oder Enkel des Bischofs 32 Anm 3 und zwei weitere Umstehende bevor er selbst getotet wurde 33 Pogrom im Bischofshof Bearbeiten Der Teil der Gemeinde der in den Bischofshof geflohen war war zunachst noch soweit handlungsfahig dass er den Opfern in der Stadt in begrenztem Umfang Hilfe zukommen lassen konnte Aber am 20 Mai sturmten die Kreuzzugler zusammen mit Wormser Einwohnern auch den Bischofshof 34 Einige Juden toteten ihre Kinder und begingen Suizid Insbesondere die Chronik III enthalt einige im Detail dargestellte Szenen mit den Namen der Opfer 35 Opferzahlen Bearbeiten Die Zahl der Getoteten soll nach dem Bericht des Elieser bar Nathan 800 betragen haben 36 Im Memorbuch sind 400 Tote namentlich aufgefuhrt 37 Die Differenz ergibt sich wahrscheinlich daraus dass im Vorfeld des Pogroms viele Juden aus dem Umland in die Stadt geflohen waren das Memorbuch aber nur die auflistet die zur Gemeinde Worms gehorten 38 Folgezeit Bearbeiten1097 gestattet Kaiser Heinrich IV allen Zwangsgetauften die Ruckkehr zum judischen Glauben Die judische Gemeinde scheint sich trotz des Pogroms schnell wieder konstituiert zu haben und erlebte im 12 Jahrhundert einen erheblichen Entwicklungsschub Es entstand 1174 1175 eine neue Synagoge und 1185 1186 die Mikwe 39 Fur 1201 ist belegt dass die mannliche Bevolkerung judischen Glaubens in die Stadtverteidigung integriert und bewaffnet war 40 Andererseits kam es in der Folge immer wieder zu gewalttatigen Ausschreitungen gegen die judische Gemeinde in Worms so 1146 im Vorfeld des Zweiten Kreuzzuges als die judische Gemeinde aus der Stadt floh 41 zu Jahresanfang 1188 wiederholte sich das 42 und am 15 November 1196 wurden Frau und Kinder des Wormser Rabbiners Eleasar ben Juda ben Kalonymos ermordet 43 Siehe auch BearbeitenPogrom von 1096 in Mainz Pogrom von 1096 in SpeyerLiteratur BearbeitenIsmar Elbogen u a Hg Germania Judaica 1 Von den altesten Zeiten bis 1238 Mohr Tubingen 1963 Eva Haverkamp Hg Hebraische Berichte uber Judenverfolgungen wahrend des Ersten Kreuzzuges Monumenta Germaniae Historica Hebraische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland 1 Hebraische Berichte uber die Judenverfolgungen wahrend des Ersten Kreuzzugs Hahnsche Buchhandlung Hannover 2005 ISBN 3 7752 1301 5Anmerkungen Bearbeiten Aufgrund einer ausserst ungewohnlichen Platzierung des Kolophons mitten im Text ist umstritten ob Salomo bar Simson Autor der gesamten Chronik ist oder nur einen Abschnitt davon verfasst hat und wenn ja welchen Sicher ist dass er kein Augenzeuge war sondern der nachfolgenden Generation angehorte und die Ereignisse zumindest teilweise durch die Alten mundlich erfahren hat Er ist also auch nicht identisch mit dem gleichnamigen Wormser Gelehrten der bei dem Pogrom 1096 ermordet wurde Haverkamp S 55 Die in den drei Chroniken angegebenen Daten weichen zum Teil leicht voneinander ab vgl Haverkamp S 268 Anm 1 Bischof Adalbert II stammte aus der Familie derer von Idstein Eppstein Bei dem Neffen konnte es sich also um einen Sohn seines Bruders Udalrich von Idstein gehandelt haben in der Chronik III findet das Geschehen im Gemach des Bischofs statt Haverkamp S 286f Einzelnachweise Bearbeiten Haverkamp S 4 Guido Kisch Die Rechtsstellung der Wormser Juden im Mittelalter In Ernst Roth Festschrift zur Wiedereinweihung der Alten Synagoge zu Worms Ner Tamid Verlag Frankfurt am Main 1961 S 173 181 177ff Haverkamp S 34 Anm 5 Fritz Reuter Warmasia 1000 Jahre Juden in Worms 3 Auflage Worms 2009 S 57 Adolf Kober Die deutschen Kaiser und die Wormser Juden In Ernst Roth Festschrift zur Wiedereinweihung der Alten Synagoge zu Worms Ner Tamid Verlag Frankfurt am Main 1961 S 182 198 S 183 dort auch eine deutschsprachige Wiedergabe des Urkundeninhalts Bei Haverkamp S 269 289 612 15 558 69 554 73 536 91 530 97 hebraisch und deutschsprachig ediert Haverkamp S 59 Haverkamp S 62f Haverkamp S 56 62 Haverkamp S 49 54 Haverkamp S 56 Haverkamp S 143f Haverkamp S 61 Haverkamp S 63 Haverkamp S 64 Haverkamp S 163 230 Haverkamp S 64ff Haverkamp S 70 Haverkamp S 137 Haverkamp S 153 Signatur Cod or 25 Haverkamp S 161 Haverkamp S 262f Anm 2 Haverkamp S 280f Haverkamp S 284f Haverkamp S 268f 280f Haverkamp S 268f 282f Haverkamp S 280f Haverkamp S 272ff Haverkamp S 270f Haverkamp S 274f 282f Haverkamp S 286f Haverkamp S 276f 286f Haverkamp S 286f Haverkamp S 284f Haverkamp S 284ff Haverkamp S 276f Siegmund Salfeld Das Martyrologium des Nurnberger Memorbuches Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland 3 Simion Berlin 1898 Digitalisat S 107 Haverkamp S 20 Anm 89 Fritz Reuter Warmasia das judische Worms Von den Anfangen bis zum judischen Museum des Isidor Kiefer 1924 In Gerold Bonnen Hg im Auftrag der Stadt Worms Geschichte der Stadt Worms Theiss Stuttgart 2005 ISBN 3 8062 1679 7 S 664 690 667 Adolf Kober Die deutschen Kaiser und die Wormser Juden In Ernst Roth Festschrift zur Wiedereinweihung der Alten Synagoge zu Worms Ner Tamid Verlag Frankfurt am Main 1961 S 184 Reuter in Bonnen Hg Warmasia S 669 Elbogen S 441 Bericht des Elasar bar Juda In A dolf Neubauer und M oritz Stern Hebraische Berichte uber die Judenverfolgung wahrend der Kreuzzuge Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland 2 Berlin 1892 S 77 216 Elbogen S 441f Max Dienemann Die Geschichte der Einzelgemeinde als Spiegel der Gesamtgeschichte ND in Ernst Roth Festschrift zur Wiedereinweihung der Alten Synagoge zu Worms Ner Tamid Verlag Frankfurt am Main 1961 S 168 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pogrom von 1096 in Worms amp oldid 237627676