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Klassifikation nach ICD 10F41 0 Panikstorung episodisch paroxysmale Angst F40 01 Agoraphobie mit PanikstorungICD 10 online WHO Version 2019 Die Panikstorung auch Paniksyndrom genannt ist eine Form der Angststorung Die Betroffenen leiden dabei unter plotzlichen Angstanfallen ohne dass objektiv gesehen eine reale Gefahr besteht Diese Angstanfalle treten in Form von Panikattacken auf die eine extreme korperliche Angstreaktion Bereitstellungreaktion aus scheinbar heiterem Himmel darstellen und von den Betroffenen als extreme Bedrohung ihrer Gesundheit erlebt werden Inhaltsverzeichnis 1 Verbreitung 2 Symptome 3 Diagnose nach ICD 10 4 Differentialdiagnose 5 Entstehung und Ursachen 5 1 Vererbung 5 2 Ausloser 5 3 Verhaltenspsychologisches Modell 6 Behandlung 6 1 Psychotherapie 6 2 Psychopharmaka 7 Panikstorung in der Schwangerschaft 8 Siehe auch 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseVerbreitung BearbeitenDas Auftreten vereinzelter Panikattacken im Leben stellt an sich noch keine Erkrankung dar Erst wenn mehrere Panikattacken im Monat auftreten und sich vermehrt eine Angst vor der Angst die sogenannte Erwartungsangst entwickelt diese uber einen langeren Zeitraum anhalt mindestens einen Monat und zu Beeintrachtigungen im taglichen Leben fuhrt spricht man gemass den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO ICD 10 von einer Panikstorung Die Angst davor plotzlich eine Panikattacke zu erleben in einer Situation der man nicht schnell entfliehen kann oder in der keine Hilfe verfugbar ist fuhrt haufig dazu dass Betroffene beginnen enge Raume Menschenansammlungen oder weite Reisen zu vermeiden In schweren Fallen konnen sie die eigene Wohnung nicht mehr allein verlassen Etwa 3 5 Prozent Studie von 1994 bis 4 7 Prozent Studie von 2005 aller Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Panikstorung Die Storung bricht in der Regel zwischen dem 15 und 24 Lebensjahr aus kann sich jedoch insbesondere bei Frauen auch erst im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt herausbilden So sind Frauen auch haufiger von der Storung betroffen als Manner Wie eine Studie ergab nimmt die Pravalenz in jungeren Generationen zu 1 Die Angst aussert sich oft in Gedanken plotzlich zu sterben oder der Vorstellung verruckt zu werden Symptome BearbeitenKorperliche Reaktionen bei der Panikstorung sind unter anderem Hyperventilation Enge in der Brust mit Erstickungsgefuhlen Herzrasen oder stolpern gelegentlich auch Herzschmerzen Zittern Schweissausbruche Taubheitsgefuhle oder Kribbeln Ubelkeit und andere Beschwerden In der Regel bessern sich die Symptome analog zum Adrenalin Abbau nach etwa 15 bis 20 Minuten Psychische Symptome der Panikstorung sind Schwindelgefuhle Derealisation und Depersonalisation Angst vor Kontrollverlust verruckt zu werden oder auszuflippen und die Angst zu sterben Allgemeine Symptome sind Hitzegefuhle oder Kalteschauer mit Gansehaut Diagnose nach ICD 10 BearbeitenFur die Diagnose einer Panikstorung nach ICD 10 F41 0 mussen wiederholte Panikattacken vorliegen und eine organische Ursache medizinisch ausgeschlossen worden sein 2 3 Eine eindeutige Diagnose setzt voraus dass innerhalb eines Monats mehrmals ein schwerer vegetativer Angstanfall erfolgt ist Die Situationen in denen die Angstanfalle auftreten mussen frei von objektiven Gefahren sein Ebenso durfen die Angstanfalle sich nicht auf Situationen beziehen in denen bekannterweise oder vorhersagbar Angst auftritt Angstfreie Zeitintervalle zwischen den Panikattacken gehoren ebenfalls zu den diagnostischen Leitlinien wobei hier die haufig auftretende Angst vor der nachsten Panikattacke berucksichtigt werden muss 4 Eine Panikattacke wird definiert als einzelne Episode von intensiver Angst oder Unbehagen die abrupt beginnt innerhalb weniger Minuten ein Maximum erreicht mindestens einige Minuten dauert und von mindestens vier aus einer Liste von vierzehn Angstsymptomen begleitet wird Mindestens ein Symptom davon muss vegetativer Art sein Herzklopfen rasen Schweissausbruche Zittern oder Mundtrockenheit Die Panikstorung wird haufig in Zusammenhang mit einer Agoraphobie diagnostiziert und dann unter F40 01 Agoraphobie mit Panikstorung klassifiziert Differentialdiagnose BearbeitenBevor die Diagnose einer Panikstorung im Sinne einer psychischen Storung gestellt werden kann mussen korperliche Ursachen wie bspw endokrinologische neuropsychiatrische kardiologische oder onkologische Erkrankungen medizinisch ausgeschlossen werden 5 Panik kann als Symptom im Rahmen zahlreicher korperlicher Erkrankungen auftreten Es handelt sich dann nicht um eine psychische Storung sondern um ein neuropsychiatrisches Symptom einer korperlichen Storung Insbesondere gilt dies fur endokrinologische Erkrankungen sowie Erkrankungen des zentralen Nervensystems der Schilddruse des Herzens der Nebennieren sowie bei zahlreichen Tumorerkrankungen wie z B dem Phaochromozytom Diesen Erkrankungen ist gemeinsam dass sie auf verschiedenen Wegen zu Veranderungen der Aktivitat des Sympathikus und oder einer veranderten Ausschuttung von Adrenalin Noradrenalin und oder Cortisol fuhren die auch labortechnisch nachweisbar sind und die Paniksymptome verursachen 6 7 Bei Vorliegen von organischen Ursachen handelt es sich diagnostisch um eine organische Angststorung ICD 10 F06 4 Die Therapie organisch bedingter Paniksymptome erfolgt medizinisch durch die Beseitigung der verursachenden Erkrankung 8 9 Diagnostisch abzugrenzen sind im nachsten Schritt auch Panikattacken die im Zusammenhang mit Phobien oder im Kontext einer depressiven Storung auftreten Entstehung und Ursachen BearbeitenVererbung Bearbeiten Zwillingsstudien zeigen eine familiare Haufung wobei eine spezifische genetische Weitergabe des Paniksyndroms bisher nicht nachgewiesen wurde Es wird eher davon ausgegangen dass eine unspezifische genetische Vulnerabilitat fur neurotische Storungen vererbt wird deren Ausformung durch Umweltfaktoren bestimmt wird Als physiologische Disposition wird auch eine erhohte Sensitivitat der a2 adrenergen Rezeptoren und der zentralen Chemorezeptoren angenommen 10 Ausloser Bearbeiten Die erste Panikattacke kann oft als Folge von stressbehafteten Erlebnissen wie dem Verlust einer nahestehenden Person Beendigung einer wichtigen Beziehung Arbeitsplatzverlust oder krimineller Viktimisierung auftreten 11 Haufige Ausloser fur Panikattacken konnen sein Zug Schiff und Autofahrten sowie Fluge Die Betroffenen erleben ein Gefuhl der Enge und es fehlt an Fluchtmoglichkeiten bzw besteht die latente Angst nicht schnell genug medizinische Hilfe erreichen zu konnen 12 Aversive Lernerfahrungen konnen zum Aufbau einer Angst vor den eigenen Angstsymptomen auch Angstsensitivitat fuhren die als bedeutender Risikofaktor fur die Entwicklung einer Panikstorung gilt 13 Verhaltenspsychologisches Modell Bearbeiten Verschiedene Forscher entwickelten psychologische psychophysiologische bzw kognitive Modelle zur Erklarung des Paniksyndroms Panik wird hier als besonders intensive Form der Angst gesehen die im Rahmen eines Teufelskreises aufgeschaukelt wird 14 Korperliche oder psychische Veranderung z B Veranderung der Herzrate Schwindel Konzentrationsprobleme infolge interner oder externer Stressoren z B Hitze Koffein Wahrnehmung dieser Veranderung Assoziation mit Gefahr infolge von interozeptiver Konditionierung Typ B Konditionierung 15 oder kognitiven Bewertungsprozessen z B Ich bekomme einen Herzinfarkt Angst Panik Die Angstreaktion geht wiederum mit korperlichen und psychischen Veranderungen einher siehe Punkt 1 die wahrgenommen werden usw Dadurch kommt es schnell zu einem Aufschaukelungsprozess positiver Ruckkoppelungsprozess mit Zunahme der Panik Dieser Kreislauf kann mehrmals durchlaufen werden und lauft in der Regel sehr schnell ab Er kann unterbrochen werden durch negative Ruckkoppelungsprozesse z B Habituation Ermudung respiratorischer Reflex bei Hyperventilation Bewaltigungsstrategien Hilfesuchendes Verhalten Vermeidungsverhalten flaches Atmen Ablenkung auf externe Reize Reattribution von KorperempfindungenDer Prozess kann auch bei Punkt 2 Wahrnehmung beginnen z B wenn der Betroffene sich hinlegt und dadurch den eigenen Herzschlag besser wahrnimmt ohne dass dieser sich verandert hat Behandlung BearbeitenPsychotherapie Bearbeiten Die psychogene Panikstorung lasst sich in der Regel sehr gut psychotherapeutisch behandeln vor allem kognitiv verhaltenstherapeutische Behandlungsmethoden haben sich als wirksam erwiesen Der Patient muss aufgeklart werden dass die Angstanfalle eigengesetzlich verlaufen und nach einiger Zeit von allein wieder abklingen und dass er zu keinem Zeitpunkt wahrend der Angstattacke ernstlich gefahrdet ist Er wird nicht umfallen nicht den Verstand verlieren das Herz wird nicht stehen bleiben es wird nichts dergleichen passieren Diese Voraussage seines Therapeuten Arztes muss er sich wahrend der Attacke immer wieder in Erinnerung rufen Das langfristige Ziel der Therapie ist dass Betroffene wieder lernen ihrem Korper zu vertrauen Sie lernen die Aufmerksamkeit weg von der standigen Selbstbeobachtung auf aussere Ereignisse zu lenken aber auch die Korperreaktionen nicht gleich als Anzeichen beispielsweise eines Herzinfarkts zu bewerten Daneben lernen Betroffene ihren Korper bewusst durch Atmung und Entspannungsverfahren zu entspannen Das mit der Erwartungsangst haufig verbundene Vermeidungsverhalten wird in diesem Rahmen mit einer sogenannten Expositions bzw Konfrontationstherapie in der Regel erfolgreich behandelt siehe Interozeptive Konditionierung Psychopharmaka Bearbeiten Parallel zur Verhaltenstherapie wird meistens ein Antidepressivum verschrieben da es die ubermassige Angst unterdruckt bis der Patient in der Lage ist die Panikstorung als solche zu erkennen und der Angst mit psychotherapeutischen Methoden effektiv zu begegnen Es gibt verschiedene Arten bzw Klassen an Antidepressiva Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer SSRI und Serotonin Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer SNRI sind fur die Behandlung der Panikstorung am besten untersucht und nachweislich am wirkungsvollsten 16 Beispiele fur Medikamente SSRIs Paroxetin Citalopram Escitalopram Fluvoxamin Fluoxetin Sertralin SNRI Venlafaxin Ausserdem werden Trizyklika verschrieben 17 Nach dem Absetzen der Medikamente ist die Wahrscheinlichkeit eines Ruckfalles im Allgemeinen hoch 17 Bei einer schweren Panikstorung konnen vorubergehend auch Anxiolytika angstlosende Medikamente wie beispielsweise Benzodiazepine zum Einsatz kommen Da es durch eine regelmassige Einnahme von Benzodiazepinen zur Entwicklung einer Abhangigkeit kommen kann ist deren Anwendung auf die Akuttherapie fur eine Dauer von maximal vier bis sechs Wochen beschrankt Panikstorung in der Schwangerschaft BearbeitenEs kann bei Patientinnen die vorher nur wenig ausgepragte Angste hatten in der Schwangerschaft zu einer massiven Haufung von schweren Panikattacken kommen 18 Siehe auch BearbeitenAngstsensitivitat Flashback Psychologie Phobische StorungLiteratur BearbeitenJurgen Margraf Silvia Schneider Paniksyndrom und Agoraphobie In J Margraf Lehrbuch der Verhaltenstherapie Band 2 2 Auflage 2005 ISBN 3 540 66440 8 S 1 27 Cord Benecke Affekt Reprasentanz Interaktion und Symptombelastung bei Panikstorungen Tectum Verlag Marburg 2006 ISBN 3 8288 9180 2 Weblinks BearbeitenInformationen zu Krankheitsbild und Forschung beim bundesweiten Forschungsverbund Panik Netz BMBF Spezialambulanz der Charite Berlin fur Angsterkrankungen Diagnostik und Behandlung von PanikstorungEinzelnachweise Bearbeiten James N Butcher Susan Mineka Jill M Hooley Klinische Psychologie Pearson Studium 2009 S 243 Nina Heinrichs Georg W Alpers Alexander L Gerlach Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie der Panikstorung und Agoraphobie Hogrefe Verlag Gottingen 2009 S 22ff Panikstorung PDF 136 kB gehirn und geist de abgerufen am 20 Juni 2014 H Dilling W Mombour M H Schmidt Hrsg WHO Internationale Klassifikation psychischer Storungen ICD 10 Kapitel V F 4 Auflage Verlag Hans Huber 2000 ISBN 3 456 83526 4 S 160 f Jurgen Margraf Silvia Schneider Lehrbuch der Verhaltenstherapie Band 1 Grundlagen Diagnostik Verfahren Rahmenbedingungen 3 Auflage Springer Verlag Heidelberg 2009 Kapitel 26 3 S 453 Hans Peter Volz Siegfried Kasper Psychiatrie und Psychotherapie compact Das gesamte Facharztwissen Thieme Verlag Stuttgart 2008 Endspurt Klinik Skript 4 Innere und Chirurgie Endokrines System Stoffwechsel Niere Wasser Elektrolyte Georg Thieme Verlag 2013 Hans Reinecker Lehrbuch der Klinischen Psychologie und Psychotherapie Modelle psychischer Storungen Hogrefe Verlag 2003 Hans Peter Volz Siegfried Kasper Psychiatrie und Psychotherapie compact Das gesamte Facharztwissen Georg Thieme Verlag 2008 J Margraf S Schneider Paniksyndrom und Agoraphobie 2005 S 11 James N Butcher Susan Mineka Jill M Hooley Klinische Psychologie Pearson Studium 2009 S 244 245 K Muller Autofahren ohne Angst 2 Auflage Hogrefe Bern 2021 S 108 ff auch autofahrenohneangst com N B Schmidt M J Zvolensky Maner JK Anxiety sensitivity Prospective prediction of panic attacks and Axis I pathology In Journal of Psychiatric Research Band 40 Nr 8 2006 S 691 699 J Margraf S Schneider Paniksyndrom und Agoraphobie 2005 S 9 ff Sigrun Schmidt Traub Tina P Lex Angst und Depression Kognitive Verhaltenstherapie bei Angststorungen und unipolarer Depression Hogrefe Verlag 2005 ISBN 978 3 8409 1906 0 S 49 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche N Kern A Strohle Psychopharmakotherapie bei Angsterkrankungen In Psychotherapie Ausgabe 8 2003 S 104 113 a b James N Butcher Susan Mineka Jill M Hooley Klinische Psychologie Pearson Studium 2009 S 251 Anke Rohde Almut Dorn Gynakologische Psychosomatik und Gynakopsychiatrie Das Lehrbuch Schattauer 2007 S 152 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4400193 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index 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