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Die Menschenwurde ist in Art 7 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft normiert Sie stellt sowohl ein einklagbares Grundrecht als auch einen Verfassungsgrundsatz dar der die gesamte Rechtsordnung durchdringt und den alle Staatsgewalt verwirklichen muss Inhaltsverzeichnis 1 Rechtsquellen 2 Funktion 3 Schutzbereich 3 1 Schutzobjekt 3 2 Geschutzte Anspruche 4 Einschrankung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseRechtsquellen BearbeitenArt 7 MenschenwurdeDie Wurde des Menschen ist zu achten und zu schutzen Art 7 der Bundesverfassung BV verankert die Menschenwurde Erst seit der Verfassung von 1999 wird die Menschenwurde als Grundrecht anerkannt Auch verschiedene Kantonsverfassungen beispielsweise Art 9 Berner Kantonsverfassung garantieren die Menschenwurde als eigenstandiges Recht 1 Die Menschenwurde ist in verschiedenen volkerrechtlichen Vertragen enthalten wird aber daruber hinaus als Volkergewohnheitsrecht anerkannt und gilt als zwingendes Volkerrecht Wegweisend fur die Entwicklung der Menschenwurde im volkerrechtlichen Kontext waren die UN Charta und die Allgemeine Erklarung der Menschenrechte AEMR Die UNO Pakte I und II wiederholen in ihren Praambeln die Formulierung der AEMR wonach die Wurde des Menschen angeboren sei und allen Menschen gleichermassen zukomme In rechtlich verbindlicher Form findet sich die Menschenwurde in Art 3 der allen vier Genfer Konventionen gleich ist Auch das Romische Statut des Internationalen Gerichtshof anerkennt die Verletzung der Menschenwurde von Zivilpersonen als eigenstandiges Kriegsverbrechen an 2 Funktion BearbeitenMit der Garantie der Menschenwurde wird das Individuum als Subjekt anerkannt dem schon alleine wegen seines Menschseins eine gewisse Wurde zusteht Diese Idee ist fundamental fur jeden Rechtsstaat Daher fuhrte das Bundesgericht aus Die Bestimmung Art 7 BV hat allgemein die Bedeutung eines Leitgrundsatzes fur jegliche Staatstatigkeit bildet als innerster Kern zugleich die Grundlage der Freiheitsrechte dient deren Auslegung und Konkretisierung und ist Auffanggrundrecht Fur besonders gelagerte Konstellationen kann der Menschenwurde ein eigenstandiger Gehalt zukommen Der offene Normgehalt kann nicht abschliessend positiv festgelegt werden Er betrifft das letztlich nicht fassbare Eigentliche des Menschen und der Menschen und ist unter Mitbeachtung kollektiver Anschauungen ausgerichtet auf Anerkennung des Einzelnen in seiner eigenen Werthaftigkeit und individuellen Einzig und allfalligen Andersartigkeit BGE 132 I 49 E 5 1 Aus objektiv rechtlicher Sicht bildet die Menschenwurde damit das oberste Konstitutionsprinzip des Staates Sie ist ein Zielwert an dem sich die gesamte Rechtsordnung auszurichten hat und dessen Erreichung das Ziel aller staatlichen Gewalt sein muss Die Menschenwurde bildet daher den Ausgangspunkt fur die Konkretisierung der ubrigen Grundrechte insbesondere deren Kerngehalte Auf subjektiv rechtlicher Ebene stellt sie ein selbststandiges Grundrecht dar dessen Verletzung geltend gemacht werden kann 3 Schutzbereich BearbeitenSchutzobjekt Bearbeiten Die Menschenwurde schutzt die Subjektqualitat des Menschen Sie schutzt die Gleichwertigkeit aller Menschen ungeachtet der individuellen Unterschiede Gleichzeitig schutzt sie die menschliche Individualitat indem der Einzelne vor Massnahmen bewahrt werden muss die seine menschliche Identitat zerstoren und seiner korperlichen und geistigen Integritat schaden wollen wie das bei Folter oder Gehirnwasche der Fall ist Das Bundesgericht hielt jedoch fest dass eine abschliessende Eingrenzung der Menschenwurde nicht moglich sei und sie sich einer Definition entziehe Der Verfassungsgeber hat vielmehr auch deshalb auf eine Definition der Menschenwurde verzichtet weil eine verfassungsrechtliche Bestimmung dessen was die Wurde und den Wert eines Menschen ausmacht grundsatzlich problematisch ware Wird mit einer Festlegung der Menschenwurde ein bestimmtes Menschenbild fur achtens und schutzenswert erklart so besteht die Gefahr dass dadurch Menschen in ihrer Wurde beeintrachtigt werden die den Wert des Menschseins anders verstehen Man kann dies als Paradox der Menschenwurdegarantie bezeichnen Je klarer ihre Konturen sind und je besser demnach Achtung und Schutz gelingen desto grosser ist das Risiko der Ein und Ausgrenzung von Menschen Die Gefahr dass ein rechtlich definiertes Menschenbild einengend oder ausschliessend wirkt ist einer der Grunde dafur dass ein Teil der vorwiegend angelsachsischen Lehre die Menschenwurde als eigenstandiges Grundrecht ablehnt Was den Inhalt der Menschenwurde ausmacht muss in einer liberalen Gesellschaft letztlich offenbleiben BGE 143 IV 77 E 4 1 Diese Auffassung wird von der Staatsrechtslehre uberwiegend geteilt 4 denn zur Wurde des Menschen gehort es eben auch selbst uber die Ausgestaltung der eigenen Wurde entscheiden zu konnen 5 Geschutzte Anspruche Bearbeiten Artikel 7 BV vermittelt dem Einzelnen einen justiziablen Anspruch dass seine Wurde geachtet und geschutzt wird Da wie oben ausgefuhrt die Menschenwurdegarantie sehr offen ist und auch sein muss sind die einzelnen Anspruche aus Art 7 noch kaum konkretisiert 6 In der Regel zeigt sich der Gehalt der Menschenwurde uber die spezielleren d h konkreteren Grundrechte insbesondere deren Kerngehalte Im Vordergrund stehen das Verbot grausamer und unmenschlicher Behandlung und Bestrafung Art 10 Abs 3 BV das Diskriminierungsverbot Art 8 Abs 2 und 3 BV das Willkurverbot Art 9 BV sowie das Recht auf Hilfe in Notlagen Art 12 BV 7 Ausserdem spielt die Menschenwurde eine wichtige Rolle bei der Konkretisierung anderer grundrechtlicher Schutzbereiche Sie wird immer wieder herbeigezogen bei der Ermittlung des Schutzbereichs der Bestimmung von Kerngehalten der Schwere eines Grundrechtseingriffs und bei der Prufung der Verhaltnismassigkeit 8 Daruber hinaus dient sie als Auffanggrundrecht Sie hat also in gewissen Konstellationen subjektiv rechtliche Gehalte begrundet also ein eigenstandig einklagbares Grundrecht 9 Einschrankung BearbeitenDie Menschenwurde kann nicht eingeschrankt werden Ihr subjektiv rechtlicher Gehalt stellt in sich einen Kerngehalt dar die nach Art 36 BV nicht angetastet werden durfen jede Einschrankung stellt eine Verletzung von Art 7 BV dar 10 Literatur BearbeitenRegina Kiener Walter Kalin Judith Wyttenbach Grundrechte 3 Auflage Stampfli Bern 2018 ISBN 978 3 7272 2037 1 Rainer J Schweizer Christoph A Spente Art 7 In Ehrenzeller Egli et al Hrsg Die schweizerische Bundesverfassung St Galler Kommentar 4 Auflage Band 1 Schulthess Dike 2023 Eva Maria Belser Eva Molinari Art 7 In Bernhard Waldmann Eva Maria Belser Astrid Epiney Hrsg Basler Kommentar zur Bundesverfassung 1 Auflage Helbing Lichtenhan Basel 2015 ISBN 978 3 7190 3318 7 Philip Laternser Der Gehalt von Art 7 BV zur Begrundung der bundesgerichtlichen Menschenwurdekonkretisierung Zurcher Studien zur Rechts und Staatsphilosophie Schulthess Zurich 2016 ISBN 978 3 7255 7485 8 Dissertation Einzelnachweise Bearbeiten Kiener Kalin Wyttenbach Grundrechte 3 Auflage 2018 S 126 Schweizer Spente Art 7 In St Galler Kommentar 4 Auflage 2023 S 329 f Kiener Kalin Wyttenbach Grundrechte 3 Auflage 2018 S 127 Biaggini BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 2017 S 141 Schweizer Spente Art 7 In St Galler Kommentar 2023 S 340 Kiener Kalin Wyttenbach Grundrechte 2018 S 129 Wyttenbach Menschenwurde In Verfassungsrecht der Schweiz Hrsg Diggelmann Hertig Randall Schindler 2020 Band II S 1368 Kiener Kalin Wyttenbach Grundrechte 3 Auflage 2018 S 129 Kiener Kalin Wyttenbach Grundrechte 3 Auflage 2018 S 129 Kiener Kalin Wyttenbach Grundrechte 3 Auflage 2018 S 129 Giovanni Biaggini BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Orell Fussli Kommentar OFK 2 Auflage Orell Fussli Verlag Zurich 2017 ISBN 978 3 280 07320 9 S 143 Giovanni Biaggini BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Orell Fussli Kommentar OFK 2 Auflage Orell Fussli Verlag Zurich 2017 ISBN 978 3 280 07320 9 S 142 Kiener Kalin Wyttenbach Grundrechte 3 Auflage 2018 S 131 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Menschenwurde Schweiz amp oldid 238886908