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Als Laienkelch wird die Darreichung des konsekrierten eucharistischen Weines an Laien bezeichnet Dies wurde zum Thema nachdem eine Sonderentwicklung der lateinischen Westkirche im 13 Jahrhundert dazu gefuhrt hatte dass den Laien nur noch die konsekrierte Hostie ausgeteilt wurde Die Scholastik legitimierte diese Praxis durch die Lehre von der Konkomitanz Sowohl fur die hussitische Bewegung als auch fur die Reformation war die Austeilung von Brot und Wein an alle Kommunikanten eine Zentralforderung Abendmahl mit Laienkelch eine Kernforderung der Reformation Christoph Krause 1670 Altarbild der Sankt Nikolai Kirche Luckau Abendmahl in der Evangelischen Kirche der Bohmischen Bruder 2015 Der Begriff Laienkelch ist in der Systematischen Theologie und der Kirchengeschichte ublich Die moderne romisch katholische Liturgiewissenschaft behandelt die vom Zweiten Vatikanischen Konzil neu geschaffene Moglichkeit des Laienkelchs unter dem Stichwort Kelchkommunion Inhaltsverzeichnis 1 Alte Kirche 2 Mittelalter 2 1 Westkirchliche Sonderentwicklung 2 2 Hussitische Bewegung 3 Fruhe Neuzeit 3 1 Wittenberger Reformation 3 2 Katholische Reform 4 Literatur 5 AnmerkungenAlte Kirche BearbeitenDie Kommunion erfolgte in der christlichen Eucharistiefeier ursprunglich durch den Empfang des gebrochenen Brotes und des in einem Becher Kelch dargereichten Weines Leo der Grosse kritisierte die Manichaer weil sie bei der Kommunion den Kelch nicht nehmen wollten Gelasius I hielt es fur erforderlich sowohl Brot als auch Wein bei der Kommunion zu empfangen Schon in der Spatantike konnte allerdings bei der Kommunion in besonderen Situationen auf den Wein verzichtet werden beispielsweise auf Reisen bei der Krankenkommunion oder wahrend einer Christenverfolgung 1 Mittelalter BearbeitenWestkirchliche Sonderentwicklung Bearbeiten Die Praxis der Austeilung von Brot und Wein bei der eucharistischen Feier anderte sich im Verlauf des 13 Jahrhunderts in der lateinischen Westkirche Offenbar wirkten verschiedene Motive zusammen 1 Mangel an Wein in einigen europaischen Landern Angst vor dem Verschutten des konsekrierten Weins Abneigung einiger Laien gegen den gemeinsamen Kelch Seuchengefahr Thomas von Aquin kannte die daraus folgende Praxis den Laien nur noch Hostien auszuteilen als weit verbreiteten Brauch der aber nicht verbindlich war 1 Da nun die Menge des christlichen Volkes gewachsen ist und in ihr enthalten sind Greise und junge Leute und Kinder so kann leicht die notige Vorsicht beim Nehmen beiseite gelassen werden und deshalb ist mit gutem Rechte in manchen Kirchen es vorgeschrieben est multarum ecclesiarum usus dass nur die Gestalt des Brotes den Glaubigen gereicht wird und der Priester allein das Sakrament unter beiden Gestalten Leib und Blut nimmt 2 Der Klerus suchte die Kelchkommunion der Laien mehr und mehr zu vermeiden weil deren Andrang an den inzwischen nur wenigen Kommuniontagen des Jahres lebhaft und damit die Gefahr versehentlichen Verschuttens gegeben war Statt des konsekrierten Weines gaben die Priester den Laien vielerorts Ablutionswein zu trinken also gewohnlichen Wein den man nach dem Kommunionempfang zur schutzenden Bedeckung der heiligen Gestalten zu trinken pflegte damit keine Partikel der Hostie in den Mund zuruckgelangten Scholastische Theologen begrundeten diese Praxis durch die Lehre von der Konkomitanz nach der Christus in jeder der beiden Gestalten von Brot und Wein ganz gegenwartig sei und empfangen werde So wurde das Trinken aus dem Kelch im abendlandischen Spatmittelalter zunehmend als Vorrecht der zelebrierenden Priester empfunden das sie besonders augenfallig von den Laien unterschied Alle Kleriker bis hinauf zum Subdiakon sowie alle bei der Feier nicht personlich amtierenden Diakone und Priester erhielten den Kelch ebenfalls nicht Hussitische Bewegung Bearbeiten nbsp Laienkelch auf der Fahne hussitischer Ritter unter Leitung von Jan Zizka Jenaer Kodex um 1500 Der alte Brauch des Laienkelchs hielt sich regional langer dies scheint besonders fur Bohmen kennzeichnend gewesen zu sein 1 In der fruhen hussitischen Bewegung fuhrte die Kritik an den herrschenden kirchlichen Gebrauchen auch zur Forderung nach Spendung der Kommunion unter beiderlei Gestalt communio sub utraque specie Jakobellus von Mies erklarte 1414 den Laienkelch mit Berufung auf Joh 6 fur notwendig Er begann an der St Michaels Kirche in der Prager Altstadt mit der Austeilung des Laienkelches und trat auf dem Konzil von Konstanz fur diese Praxis ein Jan Hus stimmte grundsatzlich zu hielt diese Frage aber fur weniger zentral Das Konzil erklarte die Spendung der Eucharistie unter einer Gestalt am 14 Juni 1415 zum Gesetz da es sich um einen von der Kirche und den heiligen Vatern aus guten Grunden eingefuhrten Brauch handle der schon sehr lange befolgt werde und verbot den Laienkelch 1 Nachdem Hus wahrend des Konzils hingerichtet worden war wurde der Laienkelch zu einem einigenden Symbol der hussitischen Bewegung An samtlichen Prager Pfarrkirchen wurde die Kelchkommunion eingefuhrt und die Vier Prager Artikel von 1420 forderten dass in allen Abendmahlsfeiern den Glaubigen Brot und Wein zu reichen seien Die als Kalixtiner oder Utraquisten bekannten gemassigten Hussiten erreichten 1433 durch die vom Konzil von Basel bestatigten Prager Kompaktaten die offizielle Anerkennung dieser Forderung Papst Pius II hob 1462 die Kompaktaten wieder auf weil in Bohmen keine politische Beruhigung eingetreten war 1 Die Kompaktaten blieben die Grundlage fur die rechtliche Anerkennung der altutraquistischen Kirche der bis zum Restitutionsedikt 1629 die Mehrheit der Bohmen angehorte 3 Fruhe Neuzeit BearbeitenWittenberger Reformation Bearbeiten Martin Luther ausserte 1519 im Sermon von dem hochwurdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Bruderschaften die Hoffnung dass ein kunftiges Konzil die Austeilung von Brot und Wein an die Kommunikanten wieder gestatten wurde nicht weil es notwendig sei beim Abendmahl Brot und Wein zu empfangen sondern wegen der Fulle des Zeichens Sondern dass es zimlich und feyn were szo des sacraments gestalt und forme odder zeychen nit stucklich eyns teyls sondern gantz geben wurden 4 In Leipzig wurde Luthers Sermon als fast hussitisch wahrgenommen und loste eine Reihe von Entgegnungen aus Der Leipziger Franziskaner Augustin von Alveldt brachte in einem 1520 gedruckten Traktat folgende Argumente gegen den Laienkelch vor Christus habe die Art der Sakramentenspendung der Kirche uberlassen sie sei eine Frage der kirchlichen Disziplin Den Emmausjungern habe Christus nur das Brot ausgeteilt und in der Apostelgeschichte werde die Eucharistie als Brotbrechen bezeichnet Wenn Christus beim Letzten Abendmahl den Aposteln den Kelch mit den Worten Trinket alle daraus reichte Mt 26 27 LUT so habe er sie damit zu Priestern bestellt Joh 6 53 54 LUT handle nicht vom Empfang der Eucharistie sondern von der geistigen Vereinigung mit Christus im Glauben 5 Luther antwortete auf Alveldts Traktat mit der Schrift Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche 1520 Wahrend Luthers Aufenthalt auf der Wartburg 1521 leitete Karlstadt in Wittenberg Abendmahlsgottesdienste bei denen Brot Hostien und Wein an alle Kommunikanten ausgeteilt wurden Seitdem war der Laienkelch beim Abendmahl ein Hauptanliegen und Kennzeichen der Wittenberger Reformation Darin druckte sich ein von der Tradition abweichendes Verstandnis der biblischen Aufforderung Christi Trinket alle daraus aus Die westkirchliche Tradition nahm an Christus habe diese Aufforderung nur an die Junger gerichtet und sie mit diesen Worten zu Priestern geweiht 6 Die Reformatoren interpretierten 1 Kor 11 23 26 LUT so dass in der urchristlichen Eucharistiefeier Brot und Wein an alle Mahlteilnehmer gereicht worden seien Beim Augsburger Reichstag von 1530 war der Laienkelch eines der Hauptthemen der Verhandlungen die den Religionskonflikt beilegen sollten Die Confessio Augustana nennt in Artikel 22 den Entzug des Laienkelchs als erste der Fehlentwicklungen die durch die Reformation korrigiert worden seien Philipp Melanchthon begrundete in einem kirchengeschichtlichen Durchgang dass der Laienkelch Jahrhunderte lang in der Kirche gewahrt worden sei und erst durch das Konstanzer Konzil verboten wurde Die altglaubigen Confutatoren verwarfen den Artikel 22 ganzlich konnten aber die alte Praxis des Laienkelchs nicht leugnen Stattdessen stellten sie Belege dafur zusammen dass schon fruh in besonderen Situationen nur das Brot ausgeteilt worden sei Man habe aus praktischen Grunden auf die Austeilung des Kelchs verzichten konnen weil Christus auch in der Hostie ganz gegenwartig sei Konkomitanzlehre Erst als Haretiker die Heilsnotwendigkeit der zweiten Gestalt des eucharistischen Weins gelehrt hatten habe die Kirche verboten was vorher freigestellt gewesen sei 7 In den Vermittlungsgesprachen des Reichstags zogerten die altglaubigen Teilnehmer den Laienkelch zu gestatten Es musse gewahrleistet sein dass die Gemeinde gut unterrichtet wurde und wisse dass auch unter der Gestalt des Brotes der ganze Christus empfangen werde auch durfen Laien nicht unter Druck gesetzt werden den Kelch zu empfangen wenn sie Bedenken hatten 7 Auch die neuglaubigen Teilnehmer der Vermittlungsgesprache zogerten auf den Gesprachspartner zuzugehen und die Konkomitanzlehre die sie an sich nicht bestritten klar zu bejahen Vielmehr erklarten sie der Laienkelch sei unverzichtbar Die Feier des Abendmahls musse der Einsetzung Christi entsprechen In der Apologie der Confessio Augustana zieht Melanchthon dann aus der Abendmahlspraxis Konsequenzen fur die Lehre von der Kirche So nu Christus fur die gantze kirchen das ganze Sacrament hat eingesetzt warumb nemen sie denn der kirchen die eine gestalt Und ich halt wol es sey die grost und furnemst ursach warumb sie heutigs tags so fest halten damit der Pfaffenstand heiliger scheine gegen dem Leienstand 8 Das Augsburger Interim von 1548 gestand den Protestanten bis zur Entscheidung des bereits tagenden Konzils neben dem Bestandsschutz fur Priesterehen den Laienkelch zu Katholische Reform Bearbeiten Das Konzil von Trient verabschiedete in seiner dritten Tagungsperiode am 16 Juli 1562 ein Dekret wonach der Empfang der Eucharistie unter einer Gestalt fur das Heil ausreichend sei und die Kirche die Vollmacht habe den Laienkelch zu versagen Die Kirche habe das Recht die Weise der Sakramentenspendung zu regeln Pius IV erliess auf Wunsch des Kaisers und des Herzogs Albrecht V von Bayern am 16 April 1564 ein Indult fur einige deutschsprachige Kirchenprovinzen Metropolien von Mainz Koln Trier Salzburg und Gran das jedoch kaum zum Tragen kam Mittlerweile galt der Laienkelch als konfessionelles Merkmal der Protestanten und wurde von der katholischen Bevolkerung weitgehend abgelehnt Albrecht V nahm schon 1571 die Bewilligung des Laienkelchs zuruck und Papst Gregor XIII suspendierte 1584 die Erlaubnis des Laienkelchs 9 Bis weit in die Neuzeit blieb der Laienkelch ein Privileg der romisch deutschen Kaiser und der franzosischen Konige Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Kelchkommunion der Glaubigen bei romisch katholischen Messfeiern wieder zulassig so etwa bei den Neugeweihten in der Messe ihrer heiligen Weihe den Ordensleuten in der Messe bei ihrer Ordensprofess und den Neugetauften in der Messe die auf die Taufe folgt SC 55 Die darauf fussende Grundordnung des Romischen Messbuchs halt die Kelchkommunion auch in weiteren Fallen fur wunschenswert etwa bei Exerzitien oder in Gruppenmessen Die Deutsche Bischofskonferenz hat es 1971 in das Ermessen des zelebrierenden Priesters gestellt die Kelchkommunion zu praktizieren wo es angebracht ist 10 Literatur BearbeitenKlaus Ganzer Laienkelch I Historisch theologisch In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 6 Herder Freiburg im Breisgau 1997 Sp 600 f Dusan Coufal Sub utraque specie Die Theologie des Laienkelchs bei Jacobell von Mies 1429 und den fruhen Utraquisten In Archa verbi 14 2017 S 157 201 Eugene Honnee Die theologische Diskussion uber den Laienkelch auf dem Augsburger Reichstag 1530 Versuch einer historischen Rekonstruktion In Nederlands archief voor kerkgeschiedenis 53 1972 S 1 96 Eugene Honnee Die romische Kurie und der 22 Artikel der Confessio Augustana Kardinal Lorenzo Campeggios Verhalten zur protestantischen Forderung des Laienkelches wahrend des Augsburger Reichstages 1530 In Nederlands archief voor kerkgeschiedenis 50 1970 S 140 196 Ernst Wilhelm Kohls Der Laienkelch in Hoch und Spatmittelalter In Jahrbuch fur Liturgik und Hymnologie 12 1967 S 101 f Anmerkungen Bearbeiten a b c d e f Klaus Ganzer Laienkelch I Historisch theologisch In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 6 Herder Freiburg im Breisgau 1997 Sp 600 f Summa theologica III 80 12 Online BKV Marcus Wust Utraquisten In Online Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im ostlichen Europa abgerufen am 12 November 2010 Weimarer Ausgabe Band 2 S 742 Online Erwin Iserloh Abendmahl III 3 2 In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 1 de Gruyter Berlin New York 1977 ISBN 3 11 006944 X S 123 124 Helmut Hoping Mein Leib fur euch gegeben Geschichte und Theologie der Eucharistie Herder 2 erw Auflage Freiburg im Breisgau 2015 S 243 f a b Erwin Iserloh Vilmos Vajta Die Sakramente Taufe und Abendmahl In Harding Meyer Heinz Schutte Hrsg Confessio Augustana Bekenntnis des einen Glaubens Gemeinsame Untersuchung lutherischer und katholischer Theologen Bonifacius Druckerei Paderborn und Lembeck Frankfurt am Main 1980 S 198 227 hier S 221 f Die Bekenntnisschriften der Evangelisch Lutherischen Kirche Vollstandige Neuedition hrsg von Irene Dingel Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2014 S 580 und 584 Erwin Iserloh Abendmahl III 3 2 In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 1 de Gruyter Berlin New York 1977 ISBN 3 11 006944 X S 128 Grundordnung des Romischen Messbuchs Vorabpublikation zum Deutschen Messbuch 3 Auflage hrsg vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Bonn 2007 Nr 85 und 283 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Laienkelch amp oldid 228330169