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Kinnor auch kinor hebraisch כ נ ו ר maskuliner Plural kinnorim femininer Plural kinnoroth ist ein altes israelitisches vorislamisches Zupfinstrument das mit der griechischen kithara verglichen oder gleichgesetzt und zu den Leiern Jochlauten gezahlt wird Die verbreitete Zuschreibung als Davidsharfe des biblischen Konigs David entspricht nicht dem andersartigen Instrumententyp der Leier zu welchem der kinnor nach archaologischen Erkenntnissen zweifelsfrei gehorte Die wichtigste Bildquelle zur Form des Kinnor ist ein Relief aus Ninive Einwohner der judaischen Stadt Lachisch werden im Jahr 701 v Chr in die Deportation gefuhrt und mussen dazu auf dem Kinnor spielen British Museum 1 Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Funde 3 Kinnor in der biblischen und arabischen Tradition 4 Kinnor in der judischen Tradition 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEtymologie BearbeitenKinnor kommt 42 mal im Alten Testament vor Den Namen fur ein Musikinstrument und unterschiedliche Formen von Leiern gab es jedoch bereits lange vorher Der alteste bekannte Text zu Musik stammt aus Ebla und wird auf etwa 2500 v Chr datiert Die grosse Tontafel enthalt in Keilschrift eine lexikalische Liste von Musikinstrumenten und anderen musikalischen Begriffen darunter findet sich auch der semitische Name ki na ru Ahnliche kleinere Tafeln aus dem 26 Jahrhundert v Chr sind aus den mesopotamischen Orten Suruppak Fara und Abu Ṣalabiḫ bekannt 2 Variationen des Wortes sind auf weiteren Tontafeln aus Ebla bis um 2300 v Chr zu lesen Eine kinaru Pl kinaratim genannte Leier wurde auf Tontafeln aus dem 18 Jahrhundert v Chr erwahnt die im Palastarchiv von Mari entdeckt wurden Im 14 13 Jahrhundert v Chr scheint das Instrument in Ugarit als heilig verehrt worden zu sein 3 Die Konsonantenschreibung knr kommt sechsmal in ugaritischen Texten vor als Gottheit und als Saiteninstrument Die Namensgleichheit verweist auf die Verbindung von Opferkult und der Musik eines Instruments dessen Ton fur die Stimme Gottes gehalten wurde 4 Auf dieselbe Wurzel knr geht der Name Kinyras des mythischen Konigs von Zypern zuruck Das Wort kinnor findet sich ferner in den Namen von phonizischen und kanaanaischen Gottern Herrschern und Ortsnamen Kinyras Kinnyras Kuthar Kinnaras oder Kinnaret der See Genezareth wobei kinnor auch von Sanskrit kinnara tonen abgeleitet wurde 5 Kunar die Bezeichnung fur Lotosholz geht auf die agyptische 18 19 Dynastie zuruck als das semitische Fremdwort knwrw eine Leier bezeichnete 6 Die Leier wird in arabischen Texten aus fruhislamischer Zeit uberliefert ab dem 9 Jahrhundert als al kinnara oder kinnira erwahnt 7 war aber kaum verbreitet 8 Funde BearbeitenNach Siegelfunden war im alten Israel zu Beginn des 1 Jahrtausends v Chr eine Leier im Gebrauch die einen rechteckigen Korpus mit symmetrisch abgehenden Jocharmen besass Ende des 8 Jahrhunderts wurde eine Bauform beliebt deren sechs oder mehr parallele Saiten zwischen asymmetrischen Armen verliefen Ob es sich bei den Abbildungen um kinnorim oder andere Leiern handelt kann im Einzelfall strittig sein Im Zusammenhang mit Blasinstrumenten sind Leiern nur ausserst selten dargestellt 9 Ein Siegel von unbekannter Herkunft von Nahman Avigad in das 7 Jahrhundert v Chr datiert war laut hebraischer Inschrift Eigentum der Konigstochter Maadanah 10 wird aber mittlerweile anhand zahlreicher Ungereimtheiten von einer Mehrzahl der Forscher fur eine moderne Falschung gehalten siehe auch Siegel der Maadana Kinnorim sind auch auf Munzen des Bar Kochba Aufstandes abgebildet Kinnor in der biblischen und arabischen Tradition Bearbeiten nbsp Konig David aus dem Egbert Psalter mit einer Leier Buchmalerei um 980Die Leier wird unter anderem in Gen 4 21 EU erwahnt Dort stammt der alttestamentliche Lamech in funfter Generation von Kain ab Der Sohn Lamechs mit seiner Frau Zilla hiess Tubal Kain er gilt nach biblischer und arabischer Tradition als der erste Schmied Ein weiterer Sohn namens Jubal soll den kinnor erfunden haben Naama war die Tochter der beiden Uber sie schreibt der Gelehrte Gregorius Bar Hebraeus im 13 Jahrhundert dass sie die anderen Frauen Singen Tanzen und sich schon herzurichten gelehrt habe Dies sind die besonderen Fahigkeiten der weiblichen Nachfahren Kains vom nomadischen Stamm der Keniter In ihren Lagern wurde Wein getrunken mit Floten Leiern und Trommeln Musik gemacht und frohlich getanzt Ganz anders die Nachfahren von Seth dem dritten Sohn von Adam und Eva Sie fuhrten auf dem heiligen Berg sitzend fur sich ein gottgefalliges Leben und beklagten die Unzucht und Schamlosigkeit die bei den Kenitern herrschte Es soll deren verfuhrerischen Frauen durch das Spiel auf dem kinnor sogar gelungen sein die Sohne Seths anzulocken Die Geschichte findet sich als Verfuhrung des Teufels Talbis Iblis auch in der islamischen Tradition Dort gilt Zilla arabisch Ḍilal bei al Mas udi um 895 957 als Erfinderin der Saiteninstrumente Zu Kain entsprechend arabisch qain aus der Konsonantenwurzel q y n gehort die weibliche Form qaina Pl qiyan Qaina war von vorislamischer Zeit uber das islamische Mittelalter bis ins 20 Jahrhundert ein Singmadchen das auf Feiern vor den Gasten sang musizierte und trinkfest aber nicht prude sein durfte Die Nachfahren Kains stellen eine mythologische Verbindung von Schmieden und Musik dar 11 Insgesamt erweist sich der kinnor im Alten Testament und in den nachbiblischen Traditionen als das Symbol professioneller Musiker und Sangerpoeten die bei Festen Gelagen und magischen Ritualen auftraten Gleichzeitig besass der kinnor eine rituelle Funktion beim Tempeldienst und der Uberfuhrung der israelitischen Bundeslade 12 Kinnor in der judischen Tradition Bearbeiten nbsp Konig David als Orpheus Mosaik aus der spatantiken Synagoge von Gaza Leviten spielten den kinnor beim musikalischen Vortrag von Psalmen im Jerusalemer Tempel In der Bibel wird der kinnor 22 mal zusammen mit dem nevel einer anderen wohl etwas grosseren Leier erwahnt Der nevel soll zwolf dicke Darmsaiten gehabt haben und wurde ab dem Ende des 6 Jahrhunderts v Chr im Jerusalemer Tempel eingesetzt Der kinnor besass nach unterschiedlichen nachbiblischen Angaben der Mischna sechs oder zehn in jedem Fall weniger und dunnere aus Vogeldarmen bestehende Saiten als der nevel Die Musiker schlugen den kinnor mit einem Plektrum an und den nevel mit den Handen Beides waren in der judischen Musiktradition Instrumente der Leviten die als offizielle Tempelmusiker angestellt waren 13 Das im Tempel gespielte Instrument fertigte man nach dem judischen Historiker des 1 Jahrhunderts n Chr Flavius Josephus aus Elektron womit vermutlich eine Legierung aus Gold und Silber gemeint war Andererseits liess Konig Salomo nach dem 2 Buch der Chronik Musikinstrumente aus wohlriechendem Sandelholz anfertigen das aus dem sagenhaften Land Ophir stammen sollte Vielleicht diente das Metall zur Dekoration Bei der Festveranstaltungen traten laut der Mischna mindestens zwolf Sanger und zwolf Instrumentalisten auf von denen neun kinnor und zwei nevel Spieler sein mussten Bei noch grosseren Festen waren es sechs nevel und beliebig weitere kinnor Spieler Josephus gibt tausend Jahre spater stolze Zahlen fur die Musiker an In den Tempel sollen demnach 200 000 Sanger 40 000 kinnor 40 000 Sistren und 200 000 Trompeten und ihre Musiker gepasst haben 14 Die Bezeichnung Davidsharfe geht auf eine Legende zuruck wonach Konig David der niemals mit einem anderen Attribut als dem kinnor in den Handen abgebildet ist ein solches Instrument als eine Art Windharfe uber seinem Bett befestigt hatte Jedes Mal um Mitternacht begann der Nordwind zu wehen und strich uber die Saiten worauf der Konig von einem wundersamen Gerausch erwachte um bis zum Morgengrauen die Tora zu studieren 15 Literatur BearbeitenJoachim Braun Biblische Musikinstrumente In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Sachteil Band 1 Barenreiter Kassel und Metzler Stuttgart 1994 Sp 1503 1537 hier Sp 1516fEinzelnachweise Bearbeiten Thomas Staubli Musik in biblischer Zeit Hrsg Bibel Orient Museum Fribourg 2007 S 20 Richard Dumbrill MS 2340 IC200710 12 Memento vom 30 Mai 2012 im Internet Archive Icobase Leiern In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Sachteil 5 1996 Sp 1016 Pieter W Van Der Horst Karel Van Der Toorn Bob Becking Dictionary of Deities and Demons in the Bible Brill Leiden 1999 S 488 Friedrich Nork Vollstandiges Hebraisch Chaldaisch Rabbinisches Worterbuch uber das Alte Testament die Thargumim Midraschim und den Talmud Grimma 1842 S 325 Joachim Braun Die Musikkultur Altisraels Palastinas Studien zu archaologischen schriftlichen und vergleichenden Quellen Veroffentlichungen des Max Planck Instituts fur Geschichte Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1999 S 39f ISBN 978 3 525 53664 3 Christian Poche Kinnarat In Laurence Libin Hrsg The Grove Dictionary of Musical Instruments Bd 3 Oxford University Press Oxford New York 2014 S 165 Hans Hickmann Die Musik des Arabisch Islamischen Bereichs In Bertold Spuler Hrsg Handbuch der Orientalistik 1 Abt Der Nahe und der Mittlere Osten Erganzungsband IV Orientalische Musik E J Brill Leiden Koln 1970 S 64 Joachim Braun S 127 Philip J King Amos Hosea Micah An Archaeological Commentary Westminster Press London 1988 S 155 ISBN 978 0 664 24077 6 Hans Engel Die Stellung des Musikers im arabisch islamischen Raum Verlag fur systematische Musikwissenschaft Bonn 1987 S 234 236 Joachim Braun S 40 Joachim Braun S 40 45 August Wilhelm Ambros Geschichte der Musik Erster Band Erstes Buch Die Anfange der Tonkunst F E C Leuckart Breslau 1862 S 208 f Amnon Shiloah Jewish Musical Traditions Jewish Folklore amp Anthropology Wayne State University Press Detroit 1995 S 43 63 f ISBN 978 0 8143 2235 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kinnor amp oldid 223981947