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Karl Georg Kuhn 6 Marz 1906 in Thaleischweiler 15 September 1976 in Heidelberg war ein deutscher evangelischer Theologe Neutestamentler Religionswissenschaftler Orientalist sowie Hochschullehrer Zur Zeit des Nationalsozialismus galt er als Spezialist fur Judenfragen und betatigte sich aktiv antisemitisch Nach Kriegsende war er ein bedeutender Qumran Forscher Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Erste Jahre und Studium 1 2 NS Zeit und Antisemitismus 1 3 Nachkriegszeit und Professorentatigkeit 2 Schriften Auswahl 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenErste Jahre und Studium Bearbeiten Karl Georg Kuhn war der Sohn des pietistischen Predigers Georg Kuhn 1880 1941 und dessen Ehefrau Magdalene geborene Theisohn 1875 1939 Sein jungerer Bruder war der Germanist Hugo Kuhn 1 Ab 1916 besuchte er in Landau in der Pfalz das Gymnasium und nach dem Umzug seiner Familie ab 1923 in Breslau Nach bestandenem Abitur studierte er ab 1925 zunachst Theologie in Kirchlichen Hochschule Bethel und wechselte nach einem Semester an die Universitat Breslau wo er das Studium mit den Fachern evangelische Theologie und semitische Sprachen weiterfuhrte Dort besuchte er auch das Rabbinerseminar um bei Israel Rabin grundlegende Kenntnisse zur talmudischen Literatur zu erlangen 1928 setzte er sein Studium an der Universitat Tubingen fort In Tubingen wurde der Neutestamentler und Antisemit Gerhard Kittel sein akademischer Lehrmeister Von Anfang August 1928 bis Herbst 1932 wurde sein Studium durch die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft auf Anregung Kittels fur den er einen rabbinischen Text ubersetzte und kommentierte gefordert 2 Im April 1931 wurde er in Tubingen im Fach Orientalistik durch Enno Littmann zum Dr phil promoviert 3 Vom 1 Oktober 1932 bis 30 September 1934 war er wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei dem Bibliothekswissenschaftler Georg Leyh in Tubingen Fur Leyh sollte er ein Exemplar des Lexikons Arabicum Latinum aus dem Nachlass von Theodor Noldeke das mit Notizen versehen war auswerten Kuhn kam mit dieser Arbeit nur schleppend voran 4 NS Zeit und Antisemitismus Bearbeiten Kuhn war bereits vor der Machtubergabe an die Nationalsozialisten im Marz 1932 der NSDAP Mitgliedsnummer 1 340 672 und im April 1932 der SA beigetreten 5 Bei der Tubinger NSDAP Ortsgruppe betatigte er sich als Kreisredner und Kulturwart 6 Er gehorte ab 1938 auch den NS Organisationen NS Reichskriegerbund und der NSV an 5 Wahrend der NS Zeit tat sich Kuhn mit antisemitischen Aktivitaten hervor So gehorte er 1933 dem Ausschuss fur judische Greuelpropaganda an dem in Tubingen die Organisation des Judenboykotts oblag Kuhn hielt am 1 April 1933 auf dem Marktplatz in Tubingen die Boykottrede in der er unter anderen verlautbarte Das internationale Weltjudentum hat dem neuen Deutschland den Krieg erklart nicht mit Waffen sondern mit Worten 7 Kuhn habilitierte sich 1934 in Tubingen bei Littmann mit einer Schrift uber semitische Philologie unter besonderer Berucksichtigung des Judentums und erhielt die Lehrberechtigung fur Orientalische Sprachen sowie Geschichte 5 Im Dezember 1934 wurde er Privatdozent fur Orientalistik in Tubingen und bekannte sich in dem Zuge zum Ende seiner dortigen Antrittsrede als Antisemit 8 Ab 1936 gehorte Kuhn dem Beirat der Forschungsabteilung Judenfrage im Reichsinstitut fur Geschichte des neuen Deutschland an 9 Nach den Novemberpogromen 1938 rechtfertigte er in einer Rede diesen ersten Hohepunkt der NS Judenverfolgung die 1939 unter dem Titel Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem veroffentlicht wurde 8 In diesem antisemitischen Pamphlet bezeichnete er die Juden als parasitares Handlervolk das im Gegensatz zu anderen semitischen Volkern eine besondere Rassensubstanz aufweise 9 Nach dem Uberfall auf Polen beschlagnahmte er 1940 begleitet von einem SS Fuhrer im Warschauer Ghetto judische Archivalien 8 Gemeinsam mit Kittel gehorte Kuhn zu den aktivsten Judenforschern Der Altorientalist Viktor Christian wollte 1940 an der Universitat Wien eine ausserordentliche Professur fur Kunde des Judentums einrichten und warb fur diese Stelle erfolglos um Kuhn 10 Ab 1942 war er ausserordentlicher Professor fur das Studium der Judenfrage in Tubingen Eine Ende 1944 auf Initiative von dem Reichsminister Bernhard Rust und dem NS Ideologen Alfred Rosenberg geplante Einsetzung Kuhns auf einen Lehrstuhl fur Judenkunde in Frankfurt kam wahrscheinlich kriegsbedingt nicht mehr zustande 9 Nachkriegszeit und Professorentatigkeit Bearbeiten Nach Kriegsende wurde Kuhn am 5 Juli 1945 aus dem Hochschulamt entlassen konnte jedoch am 18 Oktober 1945 auf seinen Lehrstuhl zuruckkehren Anfang 1946 verfugte die franzosische Militaradministration endgultig seine Amtsenthebung und zusatzlich ein zeitlich begrenztes Aufenthaltsverbot in Tubingen Er nahm danach seinen Wohnsitz in Biberach an der Riss Von Juli 1946 bis zum Ende dieses Jahres machte er sein theologisches Examen nach und bestritt einige Zeit spater vorubergehend seinen Lebensunterhalt als Religionslehrer in Tubingen Nach zwei Spruchkammerverfahren in Stuttgart und Tubingen wurde er 1948 als entlastet entnazifiziert 11 Ab 1949 vertrat er zunachst den Lehrstuhl fur Neues Testament an der Universitat Gottingen und wurde dort spater zum Professor ernannt 5 Zusatzlich vertrat er vom 1 Oktober 1950 bis 30 September 1951 an der Universitat Mainz den Lehrstuhl fur Neues Testament 12 Ab 1954 war er ordentlicher Professor in Heidelberg wo er ab 1957 auch die Qumran Forschungsstelle leitete Ab 1964 gehorte er der Heidelberger Akademie der Wissenschaften an Kuhn wurde 1971 emeritiert 5 Im selben Jahr erschien eine Festgabe zu seinem Geburtstag mit dem Titel Tradition und Glaube Das fruhe Christentum in seiner Umwelt mit Beitragen seiner Schuler und Freunde darunter Hans Bardtke Carsten Colpe Lienhard Delekat Martin Hengel Joachim Jeremias Heinz Wolfgang Kuhn Otto Michel Eberhard Otto Johannes van der Ploeg Rudolf Schnackenburg Eduard Schweizer Hartmut Stegemann Hartwig Thyen Anton Vogtle und Claus Westermann Kuhn war Verfasser vieler Beitrage in Worterbuchern zur Theologie und in Fachzeitschriften 9 Er distanzierte sich 1951 von der Schrift Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem zur Rechtfertigung der Novemberpogrome war 1968 jedoch dazu in Bezug auf seine anderen antisemitischen Publikationen nicht bereit Kuhns Ansicht nach basierten seine Arbeiten auf wissenschaftlicher Forschung Bis in die Gegenwart hinein berufen sich teils Neonazis auf seine Arbeiten 8 Gerd Theissen schatzte Kuhns Forschungen 2011 folgermassen ein In der Tat wollte er den Antisemitismus objektiv und wissenschaftlich begrunden Dazu gehorte fur ihn auch dass er nicht ohne Mut falschen Vorurteilen gegenuber Juden im Dritten Reich widersprochen hat Seine Einstellung erinnert an antike Judenfeindschaft Juden hatten in der Diaspora die feindselige Haltung gegenuber anderen Volkern auf ihre unmittelbaren Nachbarn ubertragen und seien daher voll Feindseligkeit gegenuber anderen Meine Untersuchung macht wahrscheinlich dass K G Kuhn in der Weimarer Republik als Philosemit begann Er hatte am Breslauer Rabbinerseminar den Talmud studiert Seine ersten Schriften sind frei von Antisemitismus Karl Georg Kuhn gehort zu den wenigen die eine offene Auseinandersetzung zu ihrem Verhalten in der NS Zeit geaussert haben aber er hatte nicht durch einen Ehrendoktor der Gottinger Theologischen Fakultat 1955 oder durch Aufnahme in die Akademie 1964 geehrt werden durfen 13 In der Sowjetischen Besatzungszone wurden seine Schriften Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem 1939 und Der Talmud das Gesetzbuch der Juden 1941 auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt 14 15 Schriften Auswahl BearbeitenDer tannaitische Midrasch Sifre zu Numeri unter Verwendg e Ubers von Prof Dr Jakob Winter u mit Beitragen von Prof Dr Gerhard Kittel Prof Dr A Marmorstein u Prof D Hans Windisch bearb u erkl 1 Halfte Stuttgart Berlin 1934 zugl Phil Dissertation an der Universitat Tubingen vollstandig Tannaitische Midraschim Bd 2 Rabbinische Texte Reihe 2 Die alteste Textgestalt der Psalmen Salomons insbes auf Grund d syr Ubers Kohlhammer Stuttgart 1937 In Beitrage zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament H 21 Der ganzen Sammlung H 73 Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem Hanseat Verl Anst Hamburg 1939 In Schriften des Reichsinstitutes fur Geschichte des neuen Deutschlands Der Talmud Das Gesetzbuch der Juden In Robert Wetzel Hermann Hoffmann Hgg Wissenschaftliche Akademie Tubingen des NSD Dozentenbundes Band 1 1937 1938 1939 Tubingen Mohr 1940 S 226 233 Ursprung und Wesen der talmudischen Einstellung zum Nichtjuden In Forschungen zur Judenfrage Bd 3 2 Auflage Hamburg Hanseatische Verlagsanstalt 1943 S 211 246 Achtzehngebet und Vaterunser und der Reim Mohr Tubingen 1950 In Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 1 Tannaitische Midraschim Kohlhammer Stuttgart In Rabbinische Texte diverse Beitrage zu dem mehrbandigen Werk zwischen 1954 und 1959 Phylakterien aus Hohle 4 von Qumran Winter Heidelberg 1957 Rucklaufiges hebraisches Worterbuch Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1958 Mitarbeit und Herausgeberschaft Konkordanz zu den Qumrantexten Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1958 Mitarbeit und Herausgeberschaft Literatur BearbeitenMario Daniels Geschichtswissenschaft im 20 Jahrhundert Institutionalisierungsprozesse und Entwicklung des Personenverbandes an der Universitat Tubingen 1918 1964 Reihe Contubernium Tubinger Beitrage zur Universitats und Wissenschaftsgeschichte Franz Steiner Verlag Stuttgart 2009 ISBN 978 3515092845 Horst Junginger Von der philologischen zur volkischen Religionswissenschaft Das Fach Religionswissenschaft an der Universitat Tubingen von der Mitte des 19 Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches Contubernium Band 51 Steiner Stuttgart 1999 ISBN 3 515 07432 5 Berndt Schaller Christlich akademische Judentumsforschung im Dienst der NS Rassenideologie und Politik Der Fall des Karl Georg Kuhn Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2021 Judische Religion Geschichte und Kultur 31 ISBN 978 3 525 50355 3 Gerd Theissen Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945 Karl Georg Kuhn und Gunther Bornkamm Universitatsverlag C Winter Heidelberg 2009 ISBN 978 3825356309 Gerd Theissen Von Jesus zur urchristlichen Zeichenwelt Neutestamentliche Grenzgange im Dialog Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2011 ISBN 3525550235 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Karl Georg Kuhn im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Karl Georg Kuhn auf den Seiten von http www leo bw de Einzelnachweise Bearbeiten Norbert H Ott Kuhn Hugo In Neue Deutsche Biographie NDB Band 13 Duncker amp Humblot Berlin 1982 ISBN 3 428 00194 X S 261 263 Digitalisat Dr Karl Georg Kuhn bei GEPRIS Historisch Deutsche Forschungsgemeinschaft abgerufen am 1 Juni 2021 deutsch Gerd Theissen Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945 Karl Georg Kuhn und Gunther Bornkamm Heidelberg 2009 S 17 Manfred Ullmann Worterbuch der Klassischen Arabischen Sprache Band II 40 Lieferung Wiesbaden 2009 S 2478 a b c d e Mario Daniels Geschichtswissenschaft im 20 Jahrhundert Institutionalisierungsprozesse und Entwicklung des Personenverbandes an der Universitat Tubingen 1918 1964 Reihe Contubernium Tubinger Beitrage zur Universitats und Wissenschaftsgeschichte Franz Steiner Verlag Stuttgart 2009 S 170 Gerd Theissen Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945 Karl Georg Kuhn und Gunther Bornkamm Heidelberg 2009 S 19 Zitiert bei Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt am Main 2007 S 350 a b c d Gerd Theissen Von Jesus zur urchristlichen Zeichenwelt Neutestamentliche Grenzgange im Dialog Gottingen 2011 S 60 a b c d Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt am Main 2007 S 350 Dirk Rupnow Bruche und Kontinuitaten Von der NS Judenforschung zur Nachkriegsjudaistik In Mitchell Ash Wolfram Niess Ramon Pils Hrsg Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus Das Beispiel der Universitat Wien Vienna University Press bei V amp R unipress Gottingen 2010 ISBN 978 3 89971 568 2 S 89f Gerd Theissen Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945 Karl Georg Kuhn und Gunther Bornkamm Heidelberg 2009 S 45 Gerd Theissen Neutestamentliche Wissenschaft vor und nach 1945 Karl Georg Kuhn und Gunther Bornkamm Heidelberg 2009 S 51 Zitiert bei Gerd Theissen Von Jesus zur urchristlichen Zeichenwelt Neutestamentliche Grenzgange im Dialog Gottingen 2011 S 60f Deutsche Verwaltung fur Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone Liste der auszusondernden Literatur 1946 S 230 239 Deutsche Verwaltung fur Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone Liste der auszusondernden Literatur 1948 S 143 170 Normdaten Person GND 11856790X lobid OGND AKS LCCN nr96023729 VIAF 27863405 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kuhn Karl GeorgALTERNATIVNAMEN Kuhn Karl Georg Kuhn GeorgKURZBESCHREIBUNG deutscher Theologe Orientalist und HochschullehrerGEBURTSDATUM 6 Marz 1906GEBURTSORT ThaleischweilerSTERBEDATUM 15 September 1976STERBEORT Heidelberg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Karl Georg Kuhn amp oldid 239196351