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Die Identitatstheorie geht im Wesentlichen auf die politische Philosophie von Jean Jacques Rousseau 1712 1778 zuruck Nach Rousseau darf der gesellschaftliche Wille kein anderer sein als der des naturlich freien Menschen es muss eine Identitat von Einzelwillen und Gemeinwillen bestehen Das Ziel einer idealen Gesellschaft sei darum die Vereinigung von Einzelinteressen zum Gemeinwillen Dadurch soll der Unterschied zwischen Herrschenden und Beherrschten Volk aufgehoben werden Rousseaus Intention ist die vollkommene Volkssouveranitat Volksherrschaft herzustellen Inhaltsverzeichnis 1 Ideengeschichte 2 Politische Rezeption 2 1 Beispiel linker Rezeption 2 2 Beispiel rechter Rezeption 2 3 Kritik und Kontroverse 3 Siehe auch 4 Einzelnachweise und Anmerkungen 5 LiteraturIdeengeschichte BearbeitenDie Identitatstheorie Rousseaus richtete sich gegen den Absolutismus und formuliert das Ideal freier und gleicher Burger die in Volksversammlungen uber die Belange der Gemeinschaft abstimmen ohne dieses Stimmrecht an reprasentative Vertretungskorperschaften zu delegieren Aus der volonte de tous die einfach die Summe der Einzelwillen darstellt sollen egoistische Interessen herausgefiltert werden So entsteht die volonte generale Gemeinwille von der alle Burger profitieren Rousseau selbst sah diese Form der Willensbildung an eng gefasste Voraussetzungen gebunden Eine identitare Gesellschaft konne nur in sehr kleinen Staaten funktionieren die von gesellschaftlicher Homogenitat gepragt seien und auf das Mittel einer bewussten Erziehung zur Staatsburgertugend Ruckgriff nahmen 1 Grosse Territorialstaaten hingegen seien fur diese Form der Regierung nicht geeignet hier schlagt Rousseau vor neben den nun doch notwendigen Vertretungskorperschaften in regelmassigen Abstanden wenigstens Plebiszite uber allgemeine Gesetze abzuhalten 2 Rousseau unterscheidet den Willen aller volonte de tous vom allgemeinen Willen volonte generale Ersterer ist die Summe aller Privatinteressen wie er sich in Wahlen ergibt wenn jeder die Partei wahlt die seinen Interessen entspricht Die gewinnende Partei siegt uber die Verlierer Der allgemeine Wille ergibt sich wenn die Stimmabgabe nicht durch Parteien gebundelt ist wenn es im Staate moglichst keine besonderen Gesellschaften Parteien geben und jeder Staatsburger nur fur seine eigene Uberzeugung eintreten soll Dies wurde man heute als Deliberative Demokratie bezeichnen Zieht man von diesen Willensmeinungen das Mehr oder Minder das sich gegenseitig aufhebt ab so bleibt als Differenzsumme der allgemeine Wille ubrig Contract Social 1762 II iii Auf die Frage wie man den immer noch partikularen Willen der volonte de tous vom allein richtigen Gesamtwillen der volonte generale uberzeugend abgrenzen konne haben sich Theorien entwickelt die nicht von einem objektiv vorgegebenen oder zu erreichenden Gesamtwillen ausgehen sondern den Zweck der staatlichen Gemeinschaft darin sehen Vielfalt in der Gesellschaft zu ermoglichen und politische Entscheidungen nicht durch Einheitlichkeit der Staatsburger sondern durch Konkurrenz Konkurrenzdemokratie und Mehrheitsentscheidung Mehrheitsprinzip zu finden Vordenker dieses Ansatzes sind u a Aristoteles John Locke oder Immanuel Kant Dort finden sich die Ursprunge zu modernen pluralistischen Ansatzen agree to disagree wie z B in den Federalist Papers oder bei Ernst Fraenkel Politische Rezeption BearbeitenIdentitatstheorien gingen in linkes wie rechtes Denken ein und wurden Anknupfungspunkt oder Rechtfertigung fur politische Bewegungen oder Systeme die ihren Machtanspruch diktatorisch durchzusetzen bereit waren Beispiel linker Rezeption Bearbeiten So verstand etwa Karl Marx den Endzustand des Kommunismus im Anspruch ausdrucklich als Assoziation worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung fur die freie Entwicklung aller ist MEW 4 S 482 also gerade nicht im Sinne einer einseitigen Unterordnung des Individuums unter die Gemeinschaft Parallel dazu ging Marx jedoch in der notwendigen Ubergangsphase hin zu diesem Endzustand von der Diktatur des Proletariats aus die im Gegensatz zur Bourgeoisie Kapitalistenklasse gegebenenfalls auch gewaltsam durchgesetzt werden musse Marx selbst nahm dabei noch an dass die Arbeiterklasse auch die zahlenmassige Mehrheit der Bevolkerung stelle 3 Verscharft wurde diese Vorstellung der Diktatur des Proletariats dann durch Revolutionare wie Lenin die das bei Marx noch vorhandene Element der partizipativen Freiwilligkeit durch das Vorbild einer elitaren Kaderpartei ersetzten die als Fuhrerin des Proletariats dessen Diktatur uber andere Klassen durch eine Erziehungsdiktatur auch uber das Proletariat selbst herzustellen versuchte 4 Beispiel rechter Rezeption Bearbeiten Auf der rechten Seite rechtfertigte etwa Carl Schmitt die Diktatur als Ausdruck des wahren nicht mehr von Partikularinteressen behinderten Volkswillen der sich durch Akklamation durch das Fuhrerprinzip ausdrucke den Staat von Behinderungen durch Einzelinteressen befreie und damit erst wirklich demokratisiere In jeder abweichenden politischen oder gesellschaftlichen Organisationsform liege bereits der latente Burgerkrieg und der beginnende Staatszerfall vor Der Gesamtwille hat sich bei Schmitt damit vollkommen von der Partizipation der Einzelwillen der Menschen gelost die nun allein durch ihre Intensitat in der Unterstutzungsbereitschaft an der volonte generale teilhaben Von dort war der Weg den auch Schmitt beschritt in die Rechtfertigung des totalitaren Systems des Nationalsozialismus nicht mehr weit Kritik und Kontroverse Bearbeiten Aufgrund ihres radikalen Potentials waren Identitatstheorien seit ihrem Bestehen immer auch Gegenstand heftiger politischer Kontroversen Kritisch mit den Risiken von Identitatstheorien hat sich die Totalitarismustheorie sowie der liberale Philosoph Karl Popper auseinandergesetzt Eine Politik die anstrebt die Identitat zwischen Regierten und Regierenden herzustellen besitze so Popper in seinem Werk Die offene Gesellschaft und ihre Feinde die Tendenz im Extremfall zu einer totalitaren Herrschaft Totalitarismus zu fuhren Popper macht dabei keinen wesentlichen Unterschied zwischen der gleichgeschalteten Volksgemeinschaft des Faschismus und den an der Idee der Emanzipation des Individuums ausgerichteten Utopien der politischen Linken Unter anderem aufgrund dieses Vergleichs linker und rechter Gesellschaftsentwurfe ist die Totalitarismustheorie selbst Gegenstand heftiger Kontroversen innerhalb der Geschichts und Politikwissenschaft nbsp Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Das Beispiel der Schweiz zeigt dass sich Freiheit und das Streben nach Identitat und Konsens nicht ausschliessen mussen Das politische System der Schweiz ist stark durch die Theorien von Rousseau gepragt und versteht sich bewusst als direkte Demokratie Im politischen Alltag werden von den reprasentativen Organen Entscheidungen durch Konsensbildungsprozesse Konsensdemokratie Konkordanzdemokratie getroffen Siehe auch BearbeitenBasisdemokratie Identitatspolitik RadikaldemokratieEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Rainer Olaf Schultze Identitare Demokratie in Dieter Nohlen Rainer Olaf Schultze Hrsg Lexikon der Politikwissenschaft Bd 1 A M C H Beck Munchen 2005 S 359 Alexander Schwan Politische Theorien des Rationalismus und der Aufklarung in Hans Joachim Lieber Hrsg Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart Bonn 1991 S 227 Gerhard Gohler Ansgar Klein Politische Theorien des 19 Jahrhunderts in Hans Joachim Lieber Hrsg Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart Bonn 1991 S 537 Ahnlich wie Rousseau ging Marx nicht auf das Problem ein wie ein Gegensatz zwischen volonte generale und volonte de tous auszuschliessen sei bzw wie man empirisch uberhaupt zwischen beiden den Unterschied feststellen konne vgl ebd S 540 Vgl Klaus Roth Kommunismus in Dieter Nohlen Hrsg Lexikon der Politik Bd 1 Politische Theorien C H Beck Munchen 1995 S 614 Literatur BearbeitenKarl Dietrich Bracher Zeit der Ideologien Eine Geschichte politischen Denkens im 20 Jahrhundert Dtv Munchen 1985 ISBN 3 423 04429 2 Karl Popper Die offene Gesellschaft und ihre Feinde Mohr Siebeck Tubingen 2003 Bd 1 Der Zauber Platons ISBN 3 16 147801 0 Gesammelte Werke Bd 5 Bd 2 Falsche Propheten Hegel Marx und die Folgen ISBN 3 16 147802 9 Gesammelte Werke Bd 6 Stephan Eisel Minimalkonsens und freiheitliche Demokratie Eine Studie zur Akzeptanz der Grundlagen demokratischer Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland Schoningh Paderborn 1986 ISBN 3 506 79310 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Identitatstheorie Politische Theorie amp oldid 237907800