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Die Hirsauer Bauschule ist eine als Hypothese angenommene Bautradition der deutschen Romanik basierend auf der Hirsauer Reform die Abt Wilhelm von Hirsau in der zweiten Halfte des 11 Jahrhunderts in Kloster Hirsau einfuhrte Spatere Bauten waren bewusst in den Formen der Hirsauer Klosterkirche gebaut worden um den Geist der Kirchen und Klosterreform baulich auszudrucken 1091 wurde die heute ruinose Abteikirche St Peter und Paul geweiht die vorbildlich fur zahlreiche Kloster und Stiftskirchen in Deutschland wurde Als spatestes Beispiel gilt Kloster Schwarzach in der Gemeinde Rheinmunster Als typische Bauten der Hirsauer Bauschule werden ausserdem etwa angefuhrt das Munster in Schaffhausen die Klosterkirche Alpirsbach die Klosterkirche Paulinzella die Klosterkirche Hamersleben die Klosterkirche Thalburgel die Klosterkirche Breitenau die Klosterkirche Peter und Paul auf dem Petersberg Erfurt die Stadt Klosterkirche in Gengenbach Inhaltsverzeichnis 1 Voraussetzungen 2 Hirsauer Nase 3 Forschungsgeschichte 4 Literatur 5 EinzelnachweiseVoraussetzungen BearbeitenSt Peter und Paul als Prototyp der Hirsauer Bauschule war eine dreischiffige flach gedeckte Saulen Basilika mit Querhaus und Staffelchor Die Vierung war durch Schwibbogen auf allen vier Seiten gegenuber Langhaus den Querschiffarmen und dem Chor geschieden das ostlichste Joch des Langhauses durch einen ahnlichen Bogen als kleiner Chorraum chorus minor abgeteilt Der Hauptchor und die beiden Nebenchore in der Flucht der Seitenschiffe waren rechteckig geschlossen Die Ostwand des Hauptchores wurde in drei die der Nebenchore in zwei Altarnischen gegliedert Die Ostwand der Querhausarme war an der Ostseite jeweils durch eine Apsis erweitert An das Langhaus schloss westlich ein Atrium an Die Westfassade wurde von zwei Turmen flankiert Der Verzicht auf Emporen und eine Krypta der Hirsauer Kirche gelten ebenfalls als spater ubernommene typische Elemente Die strenge und einfache Form einer Saulenbasilika und der zuruckhaltend verwendete oft geradezu karge Bauschmuck mit Bevorzugung von Wurfelkapitellen wurden als Ausdruck der strengen Gesinnung der Reformkloster gewertet die sich so moglicherweise bewusst von prunkvollen kaiserlichen Bauten wie Speyer absetzen wollten nbsp Kloster Alpirsbach KapitellOb und welche Vorbildfunktion die Abteikirche Cluny II fur Hirsau hatte ist in der Forschung umstritten Diese unterschiedlichen Thesen sind nur zum Teil ein Widerspruch Grundlage fur die Cluniazenser Architektur war die veranderte Liturgie die zur Ausbildung von Staffelchoren fuhrte Der Chordienst wurde in Cluny seit dem 10 Jahrhundert immer mehr ausgeweitet und beschrankte sich schliesslich nicht nur auf den gesamten Tag sondern umfasste auch viele Stunden der Nacht Die differenzierte Architektur eines Staffelchors bot Raum fur die zahlreichen Priestermonche der grossen Kloster und die Aufstellung mehrerer Altare so dass die Mitglieder des Ordens den liturgischen Vorschriften nachkommen konnten die nur eine Messe an einem Altar an einem Tag erlaubten In jedem Fall war Hirsau wesentlich grosser als Cluny II Cluny II hatte eine Gesamtlange von rund 60 Metern das Langhaus in Hirsau hatte eine Lange von 110 Metern Als weitere mogliche Vorbilder fur Hirsau werden aber auch die Klosterkirche in Limburg an der Haardt und die ursprunglichen Bauten der Munster in Konstanz und Strassburg angefuhrt was auf eher lokale Traditionen verweisen wurde 1 Die unter der Bauherrschaft von Abt Majolus 981 vollendete Kirche Cluny II ist der fruheste bekannte Staffelchor Der Typus verbreitete sich dank des Erfolgs der Cluniazensischen Reform schnell in Frankreich und gelangte auch nach Deutschland Dabei wurde der Staffelchor im Laufe der Jahrzehnte verandert und weiterentwickelt 2 nbsp Paulinzella Klosterkirche Kapitelle Langhaus mit Hirsauer NasenHirsauer Nase Bearbeiten nbsp Maulbronn Kloster Kapitell mit NaseAls Hirsauer Nase wird das kleine Eck am Ende des Schildbogens des Kapitells bezeichnet In vielen romanischen Klosterkirchen die auf die Hirsauer Reform zuruckgehen findet man diese Details wieder Das einfache Wurfelkapitell und der halbrunde ubereinandergeblendete doppelte Schildbogen das Schachbrettornament und die Hirsauer Nase auf dem Saulenkapitell an der Schnittstelle von Schildbogen und Deckplatte gehoren zum Hirsauer Formenschatz Die Hirsauer Nase ist ein untrugliches Kennzeichen der Hirsauer Peter und Paulskirche 3 Forschungsgeschichte BearbeitenDen Begriff Bauschule kann man fur das Mittelalter grundsatzlich nicht in der gleichen Weise anwenden wie fur die Neuzeit In der Romanik darf man nicht von Schulern bzw Studenten ausgehen die von einem bestimmten Lehrer oder einer Gruppe von Lehrern den Beruf des Architekten an einer Hochschule lernten und dabei im Sinne einer bestimmten Stils gepragt wurden Der Begriff Schule wird in der bauhistorischen Forschung fur das Mittelalter verwendet um zu zeigen dass bestimmte Prototypen wie in diesem Fall Cluny II und Hirsau zahlreiche andere Sakralbauten beeinflusst haben 4 Der Terminus Hirsauer Bauschule wurde von Georg Dehio 1892 in die Wissenschaft eingefuhrt 5 Fur die Verbreitung des Bautyps dessen Vorbild er in Burgund sieht waren nach seiner Auffassung die bauhandwerklich tatigen Laienbruder verantwortlich 1919 prazisiert Dehio seine Gedanken 6 Nach wie vor sieht er St Peter und Paul als Musterbau der Hirsauer Schule schliesst aber jetzt den burgundischen Einfluss weitgehend aus und bezeichnet die Kirche als durchaus deutsch Dehios Thesen waren allgemein anerkannt bis Manfred Eimer sie 1937 in Frage stellte 7 Er bezweifelte eine Hirsauer Bauschule die durch Laienbruder verbreitet wurde und bezeichnete die damit in Zusammenhang gebrachte Architektursprache als Allgemeingut des 11 Jahrhunderts Diese extreme Meinung erwies sich allerdings nicht als konsensfahig Bereits 1939 konstatierte Edgar Lehmann dass es selbstverstandlich eine reformerische Bautatigkeit des Klosters Hirsau gegeben habe 8 Die von Dehio ins Spiel gebrachten Bautrupps die von Kloster zu Kloster zogen um dort zu arbeiten wies er aber zuruck Massgeblich ist bis heute die 1950 erschienene Dissertation von Wolfbernhard Hoffmann 9 Seitdem werden die wandernden Hirsauer Bautrupps nicht mehr ernsthaft diskutiert Allerdings zweifelt auch niemand mehr daran dass von Hirsau wichtige Impulse fur die Sakralarchitektur ausgegangen sind Stefan Kummer fasst den Forschungsstand 2006 zusammen und folgert in nachvollziehbarer Weise Freilich erschopft sich die Nachfolge welche die Hirsauer Klosterkirchen fanden nicht in der Wiederholung der Hirsauer Eigentumlichkeiten vielmehr ist zu beobachten dass die Kirchenbauten der Kloster welche von Hirsau gegrundet oder reformiert wurden wesentliche Zuge der Gesamterscheinung des Charakters und des Geistes der Hirsauer Kirchen wiederzugeben bestrebt sind An der Vermittlung waren mit Sicherheit Hirsauer Monche beteiligt auf welche Weise dies geschah muss freilich offen bleiben 10 Die Rezeption der Hirsauer Abteikirche verlief ahnlich wie die von Cluny II Pragende Elemente dieser innovativen Sakralarchitektur wurden innerhalb aber auch ausserhalb der Ordensgemeinschaft ubernommen aber meistens mit Elementen der jeweils landschaftstypischen Architektur verbunden Einen nationalen Hirsauer Stil oder gar einen internationalen Cluniazenser Stil hat es niemals gegeben 11 Man kann in St Peter und Paul einen Gegenentwurf zum Kaiserdom in Speyer sehen der rund ein halbes Jahrhundert zuvor unter der Bauherrschaft der salischen Dynastie begonnen wurde 12 Im Hinblick auf den Investiturstreit in der Wilhelm von Hirsau eine klare Position bezog hatte die Architektur dann eine eindeutige politische Aussage Als St Peter und Paul 1082 begonnen wurde liess Heinrich IV das Mittelschiff in Speyer erhohen und mit gewaltigen Kreuzgratgewolben uberspannen Wilhelm von Hirsaus Entscheidung fur eine Flachdecke vermittelt nicht nur einen vollig anderen und zwar kastenartigen Raumeindruck sondern steht auch in einer langen Tradition die sich bis zu den fruhchristlichen Basiliken in Rom zuruckverfolgen lasst Stefan Kummer meint In der Wahl dieses Typus zeigt sich zweifellos das Streben nach einer geistigen und geistlichen Kontinuitat die vielleicht als gefahrdet angesehen wurde 13 Literatur BearbeitenUlrich Coenen Die Abteikirche Schwarzach als spatestes Beispiel der Hirsauer Bauschule In Martin Walter Hrsg Munster und Kloster Schwarzach Geschichte Architektur und Gegenwart Sonderveroffentlichung des Kreisarchivs Rastatt Band 12 Rastatt 2016 S 163 182 Georg Dehio Gustav von Bezold Die kirchliche Baukunst des Abendlandes Band 1 Stuttgart 1892 Georg Dehio Geschichte der deutschen Kunst Band 1 Berlin 1919 Manfred Eimer Uber die sogenannte Hirsauer Bauschule In Blatter fur wurttembergische Kirchengeschichte Band 41 1937 S 1 56 Wolfbernhard Hoffmann Hirsau und die Hirsauer Bauschule Munchen 1950 Edgar Lehmann Deutsche hochromanische Baukunst In Zeitschrift fur Kunstgeschichte Band 8 1939 S 223 227 Stefan Kummer Kloster Hirsau und die sogenannte Hirsauer Bauschule In Canossa 1077 Erschutterung der Welt Paderborn 2006 S 359 370 Einzelnachweise Bearbeiten Peter Kurmann Zur Sakralbaukunst Schwabens im Hochmittelalter Romanik oder more romano Vortrage und Forschungen Konstanzer Arbeitskreis fur Mittelalterliche Geschichte 52 9 23 doi 10 11588 vuf 2001 0 17401 Ulrich Coenen Die Abteikirche Schwarzach als spatestes Beispiel der Hirsauer Bauschule In Martin Walter Hrsg Munster und Kloster Schwarzach Geschichte Architektur und Gegenwart Sonderveroffentlichung des Kreisarchivs Rastatt Band 12 Rastatt 2016 S 163 182 Ehrenfried Kluckert Romanik in Baden Wurttemberg Byzantinische Bildmuster Hirsauer Schule Monster und Damonen Heilige und Monche Staufer und Zahringer Stadtebau Burgentypologie Baustilkunde Donzelli Kluckert 2000 S 60f Coenen S 170 Georg Dehio Gustav von Bezold Die kirchliche Baukunst des Abendlandes Bd 1 Stuttgart 1892 Georg Dehio Geschichte der deutschen Kunst Bd 1 Berlin 1919 Manfred Eimer Uber die sogenannte Hirsauer Bauschule In Blatter fur wurttembergische Kirchengeschichte 41 1937 S 1 56 Edgar Lehmann Deutsche hochromanische Baukunst In Zeitschrift fur Kunstgeschichte 8 1939 S 223 227 Wolfbernhard Hoffmann Hirsau und die Hirsauer Bauschule Munchen 1950 Stefan Kummer Kloster Hirsau und die sogenannte Hirsauer Bauschule In Canossa 1077 Erschutterung der Welt Paderborn 2006 S 366 Coenen S 171 Coenen S 171 Edgar Lehmann Uber die Bedeutung des Investiturstreites fur die deutsche hochromanische Architektur In Zeitschrift des deutschen Vereins fur Kunstwissenschaft 7 1940 S 75 88 Kummer S 368 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hirsauer Bauschule amp oldid 236800604