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Die Kunstanstalt fur Glasmalerei Ferdinand Muller 1 zahlte im ausgehenden 19 und fruhen 20 Jahrhundert zu den bedeutendsten evangelischen Glasmalereiwerkstatten nicht nur in Mitteldeutschland 2 Erhaltene Bauten der Kunstanstalt im Gernroder Weg 3 in Quedlinburg sind im Quedlinburger Denkmalverzeichnis eingetragen Briefkopf mit Abbildung der Werksgebaude um 1900Belegschaft 1908 Inhaltsverzeichnis 1 Unternehmensgrunder 2 Wirkungskreis der Manufaktur 3 Unternehmensgeschichte 4 Werke 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseUnternehmensgrunder BearbeitenFerdinand Muller wurde am 17 September 1848 in Quedlinburg geboren Nach dem Besuch der Knabenschule etwa 1854 bis 1860 absolvierte er eine dreijahrige Lehre zum Glaser Mit dem Abschluss seiner Ausbildung begab er sich als Handwerksgeselle auf Wanderschaft und bereiste die Schweiz Italien und Suddeutschland Am 28 November 1880 heiratete er Marie Johanna geborene Hermann 1847 1922 Das Ehepaar Muller hatte funf Kinder drei Sohne und zwei Tochter Nach dem Tod Ferdinand Mullers im Jahr 1916 ubernahmen die Sohne Walther 1883 1966 und Erwin 1890 1960 das Unternehmen Wirkungskreis der Manufaktur BearbeitenDie Firma Ferd Muller die den Titel Hoflieferant fuhren durfte zahlte um 1900 mit ca 70 Angestellten und einem Auftragsvolumen von jahrlich ca 70 Verglasungsobjekten des uberwiegend evangelischen Kirchenbaus zu den grossten zeitgenossischen deutschen Werkstatten fur Glasmalerei Ihr Wirkungskreis war vor allem auf die Landgemeinden der preussischen Provinzen ausgerichtet Eine Sonderrolle nimmt die Provinz Sachsen ein in der die Firma Ferd Muller eine marktbeherrschende Position besass Ausgehend von einem handwerklichen Kleinbetrieb in den 1880er Jahren gelang es dem Grunder Ferdinand Muller innerhalb von zwei Jahrzehnten seine Firma zu einem industriellen Grossbetrieb fur Mittel und Norddeutschland auszubauen Unternehmensgeschichte Bearbeiten nbsp umgebautes Fabrikgebaude Gernroder Weg 3 2011 nbsp 2013 nbsp Wohnhaus Gernroder Weg 3Zunachst eroffnete Ferdinand Muller im Jahre 1876 am Stieg 12 in Quedlinburg eine Kunst und Bauglaserei mit Bildereinrahmung Dieser gliederte er 1879 80 eine Glasmalerei an Aufgrund der Geschaftstuchtigkeit Mullers und der bestandigen Nachfrage nach Glasmalereien fur sakrale und profane Gebaude gelangte die Firma bald zu einem grosseren regionalen uberregionalen und internationalen Bekanntheitsgrad Ein zeitgenossischer Bericht zur Quedlinburger Industrie aus dem Jahre 1902 geht in verschiedenen Facetten auf die Werkstatt Muller ein Zur wirtschaftlichen Entwicklung finden sich die folgenden Bemerkungen In den letzten drei Jahren lieferte die Firma Muller fur 221 Kirchen gemalte oder buntverglaste z T sehr wertvolle Fenster Vom Auslande besonders aus Russland und Norwegen laufen stets zahlreiche Bestellungen ein Im vorigen Jahre sind auch drei Fenster nach Ostafrika und zwei nach Samoa gesandt worden 3 Die internationalen Absatzgebiete erweiterten sich dabei fortlaufend Um die Jahrhundertwende fuhrte die Firma Ferd Muller neben den bisher genannten Landern noch zahlreiche Auftragsarbeiten fur Schweden Nordamerika Sudafrika Palastina Indien Jordanien und Indonesien aus Dies erforderte eine Vergrosserung der Glasmalereianstalt Muller verkaufte um 1900 sein Haus am Stieg 12 und zog in den Gernroder Weg 3 um Auf dem neuen Gelande entstand nach den Planen des Quedlinburger Architekten und Stadtbaumeisters Hans Baranke ein Werkstattkomplex mit Lagerhausern und einem angegliederten Wohnhaus Besonders markant ist der erhaltene in den Jahren 1899 1900 vom Architekten Max Schneck erbaute Industriebau Die Fassade wurde im Jugendstil mit gotisierenden Elementen ausgefuhrt Sowohl die Treppenhauser als auch die Windfange wurden mit Glasgestaltungen versehen Eindrucksvoll und in dieser Form einmalig ist das monumental gestaltete von einer Reliefumrahmung umfasste Atelierfenster 4 Das Werk bestand aus einer Kunstglaserei der Glasschleiferei dem Glaslager einer Tischlerei und der Schlosserei Zum Glaslager fuhrt der Bericht des Pestalozzivereins aus In gewaltigen Lagerraumen reiht sich Fach an Fach neben und ubereinander Jedes ist nummeriert und enthalt bunte Glastafeln von etwa m Lange und bis 1 m Breite Etwa 1000 verschiedenartige Sorten und Farben sind in dem Lager vertreten und wir mussen staunen uber die gewaltigen Glasmengen uber die vielen Farben und Abstufungen die heute einem leistungsfahigen Glasmaler zu Gebote stehen 5 Aufgrund des grossen Glaslagers bezogen die Quedlinburger Bauglasereien und der ortsansassige Glasmalereibetrieb L W Schneemelcher preisgunstig ihr Glassortiment von Muller Teilweise liessen die Bauglasereien auch von ihm Glasmalereien ausfuhren und setzten sie dann nur noch bei ihren Kunden ein Fur den Transport des Glases verfugte das Werk Mullers uber einen eigenen Eisenbahnanschluss Eine weitere Besonderheit war ein uber drei Geschosse reichendes Atelierfenster das zur Ausstellung von reprasentativen Glasgemalden wie auch zu deren Anfertigung diente Samtliche Skizzen Entwurfe und Kartons wurden im Unternehmensarchiv alphabetisch geordnet und katalogisiert Als Sammler und wissenschaftlich interessierter Fachmann besass Muller eine umfangreiche Bibliothek die er standig durch Neuerscheinungen entsprechender Fachliteratur erweiterte Zur Bibliothek gehorte auch ein Zeitungsarchiv und ein Archiv uber bedeutende nationale und internationale Glaswerkstatten deren Kunstler und die von ihnen ausgefuhrten Auftrage Um auf nationale geografische und kulturelle Besonderheiten Rucksicht nehmen zu konnen sammelte er in diesem Bereich alles was fur ihn von literarischer Bedeutung war So verfugte er uber ein umfangreiches Kartenmaterial Informationen zu Sehenswurdigkeiten Brauchtum und religiosen Besonderheiten 6 Aus einer Festrede zum 25 jahrigen Geschaftsjubilaum der Firma Ferd Muller geht hervor dass sie 1904 insgesamt 76 Angestellte besass 7 Hierzu zahlten z T akademisch ausgebildete Glasmaler und Zeichner sowie Glasschneider Kunstglaser Kartonzeichner Verbleier Tischler und Schlosser Im Jahre 1916 starb Ferdinand Muller Die Glasmalereianstalt blieb im Besitz der Familie Walther Muller der Sohn Ferdinand Mullers verkaufte das Unternehmen im Jahr 1965 an die Hochschule fur industrielle Formgestaltung Halle Burg Giebichenstein in Halle Saale Man errichtete hier eine Aussenstelle fur Glasmalerei und bildete bis zum Jahr 1990 Studenten im Studiengang Glasgestaltung aus Charles Crodel schuf von 1950 bis 1973 in Quedlinburg seine Farbglasfenster fur Kirchen in Bernterode Delitzsch Erfurt Halberstadt Merseburg Sangerhausen Schmalkalden Seit dem Jahr 2000 wird das Werksgelande von der Eigentumergemeinschaft Gernroder Weg den Nachfahren Ferdinand Mullers verwaltet Werke Bearbeiten nbsp Stifterfenster in Oberkirch Gaisbach nbsp Blindenheilung in St Nikolai zu Quedlinburg nbsp Bergpredigt in St Bartholomaus zu Liebemuhl nbsp Martyrium des Hl Adalbert Philadelphia nbsp Wappenfenster im Rathaus Quedlinburg nbsp Rathausfenster in Blomberg nbsp Ornamentfenster im Gymnasium Leopoldinum Detmold nbsp Chorfenster Martin Luther Kirche Detmold nbsp Wappenfenster Marineschule Murwik 1910 nbsp Buntglasfenster in St Gertrud Neugattersleben Weitere erhaltene Glasfenster befinden sich unter anderem in folgenden Gebauden St Peter und Paul in Barleben Breslauer Dom Oberlandesgericht Celle Martin Luther Kirche in Detmold St Petri in Forderstedt Pfarrkirche Maria Rosenkranzkonigin in Genthin St Trinitatis in Gommern Dom zu Halberstadt St Stephani Kirche in Helmstedt St Marien Kirche in Jarmen 8 1912 Dorfkirche Luderitz St Elisabeth in Mieste ab 1958 Klosterkirche Oldenstadt 1909 Johanniskirche Quedlinburg 9 Pfarrkirche St Laurentius in Schonberg 1911 Dorfkirche in Schonwalde Altmark Christuskirche Steinheim 1907 Stabkirche Stiege 1905 Herz Jesu Kirche in Thale Kapelle St Pantaleon und St Anna von Schloss Wernigerode Stadtkirche St Crucis in Ziesar Martinskirche in Apolda 1926 Evangelische Kirche in Bad Buchau 1894 Hauptgebaude der Technischen Universitat Clausthal 1922 Dreifaltigkeitskirche in Oldenburg OsternburgIn der Protestations Gedachtniskirche in Speyer war Muller eine von neun beteiligten Firmen Er schuf die Glasfenster Wappenfenster der Adligen vom Eichsfeld Fenster Nr 2 und Nr 13 sowie vier Ornamentfenster mit Portrats in den Sakristeiraumen Nr 24 I und II 30 I und II Dabei verstand er es auch renommierte suddeutsche Glasmaler zu ubertreffen Glasmaler Muller aus Quedlinburg gibt folgendes zum besten Es liesse sich ja allerdings fur solch ein Geld gemeint sind die in Aussicht gestellten 10 000 Mark fur eine Rosette fur die eine Munchner Glasmalerei vorgesehen sei d Verf schon etwas ganz horrendes liefern Man kann aber auch schon fur bedeutend billigeres Geld sehr schone Sachen herstellen amp erbiete ich mich gern gratis eine farbige Zeichnung anzufertigen glaube mit meinen Leistungen nicht hinter die Munchner zurucktreten zu mussen bezuglich der Bezahlung wurde ich in jeder Art und Weise Ihnen entgegen kommen Magisterarbeit Beck 1 S 66 Dabei war er sich seiner Lage durchaus bewusst Wohl samtliche Glasmalereien Munchens sind streng katholisch amp konnte es wohl auch im Interesse der Gemeinde sein wenn Sie die Genugthuung hatten dass der bessere Schmuck der Kirche auch einer evangelischen Anstalt entstammt Magisterarbeit Beck 1 S 70 Literatur BearbeitenFalko Grubitzsch in Ute Bednarz Folkhard Cremer u a Bearb Dehio Handbuch der deutschen Kunstdenkmaler Sachsen Anhalt Band 1 Regierungsbezirk Magdeburg Deutscher Kunstverlag Munchen Berlin 2002 ISBN 3 422 03069 7 Seite 762 Landesamt fur Denkmalpflege Sachsen Anhalt Hrsg Denkmalverzeichnis Sachsen Anhalt Band 7 Falko Grubitzsch unter Mitwirkung von Alois Bursy Mathias Kohler Winfried Korf Sabine Oszmer Peter Seyfried und Mario Titze Landkreis Quedlinburg Teilband 1 Stadt Quedlinburg Fliegenkopf Halle 1998 ISBN 3 910147 67 4 Seite 114 Frank Laska Die Glasmalereianstalt Ferdinand Muller in Quedlinburg Lieferant von Kirchenverglasungen in Westfalen und Lippe In Jahrbuch fur Westfalische Kirchengeschichte Band 106 2010 S 197 240 Frank Laska Die Glasmalereianstalt Ferdinand Muller in Quedlinburg von ihrer Grundung bis zum Jahr 1914 Dissertation Universitat Halle an der Saale 2008 Quedlinburg 2009 ISBN 978 3 938579 20 6 Frank Laska Die Glasmalereianstalt Ferdinand Muller Quedlinburg In Das Munster Zeitschrift fur christliche Kunst und Kunstwissenschaft 62 Jahrgang 2009 S 123 131 Frank Laska Die Glasmalereianstalt F Muller Eine internationale Erfolgsgeschichte aus Quedlinburg In Sachsen Anhalt Journal fur Natur und Heimatfreunde 18 Jahrgang 2008 S 26 f Frank Laska Kunden in aller Welt Glasmalereianstalt F Muller Quedlinburg In Kultur Report Vierteljahresheft des Mitteldeutschen Kulturrates Heft 55 56 2008 S 34 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Glasmalereianstalt Ferdinand Muller Sammlung von Bildern Internetseite der ehemaligen GlaswerkstattenEinzelnachweise Bearbeiten a b c Monika Beck Die Glasfenster der Gedachtniskirche zu Speyer Meisterwerke der Glasmalerei und protestantischen Ikonographie in nazarenischem Stil um 1900 Magisterarbeit In Universitat Heidelberg 17 Marz 2004 abgerufen am 2 Februar 2009 Angelika Klause Frank Martin Glasmalereien des 19 Jahrhunderts Berlin Brandenburg Leipzig 2003 S 240 Reinhard Kuhl Glasmalereien des 19 Jahrhunderts Mecklenburg Vorpommern Leipzig 2001 S 237 Pestalozziverein der Provinz Sachsen Hrsg Die Provinz Sachsen in Wort und Bild Band 2 Die Quedlinburger Industrie Wie unsere bunten Kirchenfenster hergestellt werden Leipzig 1902 S 202 207 hier S 207 Landesamt fur Denkmalpflege und Archaologie Sachsen Anhalt Hrsg Denkmalverzeichnis Sachsen Anhalt Band 7 Falko Grubitzsch unter Mitwirkung von Alois Bursy Mathias Kohler Winfried Korf Sabine Oszmer Peter Seyfried und Mario Titze Landkreis Quedlinburg Teilband 1 Stadt Quedlinburg Fliegenkopf Halle 1998 ISBN 3 910147 67 4 Seite 114 Pestalozziverein der Provinz Sachsen Hrsg Die Provinz Sachsen in Wort und Bild Band 2 Die Quedlinburger Industrie Wie unsere bunten Kirchenfenster hergestellt werden Leipzig 1902 S 202 207 hier S 204 In Auszugen erhalten Vgl Archiv des Schlossmuseums Quedlinburg Unterlagen Muller Karton Fa Muller Topografie A Z Festrede vom 31 Dezember 1904 gehalten vom Prokuristen Nemitz zum 25 jahrigen Geschaftsjubilaum der Fa Muller Die Rede befindet sich in einer Abschrift im Privatbesitz von Lilott Muller Munster i Westf http www kirche mv de Jarmen 5745 0 html Archivlink Memento vom 4 Marz 2016 im Internet Archive zuletzt abgerufen am 13 September 201251 780656 11 144155 Koordinaten 51 46 50 4 N 11 8 39 O Normdaten Korperschaft GND 7681133 5 lobid OGND AKS LCCN n2011067834 VIAF 174772275 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Glasmalereianstalt Ferdinand Muller amp oldid 238821677