www.wikidata.de-de.nina.az
Gertrud Slottke 6 Oktober 1902 in Muhlenthal polnisch Mlynowo Landkreis Sensburg 17 Dezember 1971 in Stuttgart war eine deutsche Sekretarin und Kriegsverbrecherin Wahrend des Zweiten Weltkrieges war sie als Sachbearbeiterin im Judenreferat IV B 4 beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD BdS in Den Haag massgeblich in die Deportation von Juden aus den Niederlanden involviert Nach Kriegsende wurde sie wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord zu einer funfjahrigen Haftstrafe verurteilt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Zweiter Weltkrieg Tatigkeit im Judenreferat beim BdS in Den Haag 3 Nachkriegszeit 4 Prozess und Verurteilung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenGertrud Slottke Tochter eines Muhlenwerkfuhrers wuchs mit ihren drei jungeren Geschwistern an verschiedenen Orten in Westpreussen auf da ihr Vater mehrmals seine Arbeitsstelle wechselte Ab 1913 lebte die Familie in Danzig wo Slottkes Vater eine Anstellung als Betriebsleiter bei einer Mehlfabrik erhielt Nach dem Besuch der Volksschule und der Handelsschule arbeitete sie ab 1917 bei mehreren kaufmannischen Betrieben Reedereien und Speditionen und wurde nach einer kurzen Phase der Arbeitslosigkeit 1932 bei der Staatsbank der Freien Stadt Danzig angestellt 1 Bereits zum 1 Mai 1933 trat Slottke in die NSDAP ein obwohl sie nach Kriegsende angab aus einem sozialdemokratisch orientierten Elternhaus zu stammen Sie begrundete ihren Parteibeitritt spater mit Existenzsicherung aber auch Kontakten zu Danziger SA Mannern 1 Zweiter Weltkrieg Tatigkeit im Judenreferat beim BdS in Den Haag BearbeitenNach Beginn des Zweiten Weltkrieges und der Eingliederung der Freien Stadt Danzig in den Reichsgau Danzig Westpreussen war sie bei dem Reichsstatthalter Albert Forster in der Abteilung Arbeit und Wirtschaft tatig Slottke lebte zu dieser Zeit noch in ihrem Elternhaus und blieb bis zu ihrem Lebensende ledig 2 Slottke leistete ehrenamtlich Dienst beim Danziger Luftschutz 3 Im Fruhjahr 1941 wechselte Slottke im Rahmen einer Notdienstverpflichtung als Polizeiangestellte zur Sicherheitspolizei in die deutsch besetzten Niederlande Ihre Nachkriegsaussagen lassen vermuten dass sie sich beim Reichssicherheitshauptamt RSHA fur einen Auslandseinsatz beworben hatte Das RSHA suchte 1941 dringend weibliches Personal fur RSHA Dienststellen in den besetzten Landern 4 Mit Beginn des Jahres 1942 wurde sie zum Judenreferat IV B 4 beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD BdS Wilhelm Harster nach Den Haag versetzt Dort war Slottke mit der Ruckstellung bestimmter judischer Menschen z B Juden mit Staatsangehorigkeiten alliierter bzw neutraler Nationen judische Mischlinge Rustungsjuden etc in den Niederlanden befasst die noch von der Deportation in ein Konzentrations oder Vernichtungslager ausgenommen waren 2 Nachdem Slottke und ihr Vorgesetzter Wilhelm Zoepf in Zusammenarbeit mit dem Berliner Eichmannreferat im Fruhjahr 1943 die Ruckstellungen abzuarbeiten begannen wurde ein Grossteil der bisher verschonten Juden deportiert Sie beschwerte sich bei Zoepf mehrfach uber den Juristen Hans Calmeyer der beim Reichskommissariat fur die besetzten niederlandischen Gebiete die dortige Abteilung Innere Verwaltung leitete und versuchte im Rahmen seines Ermessensspielraums moglichst viele Juden unklarer Abstammung zu retten 5 Diese Callmeyerjuden stellten nach Slottke einen derartig hervorstechenden galizischen Typ dar dass der Verdacht bestatigt wurde dass diese Juden die Abstammungserklarung nur laufen haben um noch eine gewisse Zeit vom Arbeitseinsatz freigestellt zu sein 6 Im Sommer 1943 wurde ihr offiziell die Zustandigkeit fur die Abteilung IV B 4e zugewiesen in welcher die Ruckstellungen behandelt wurden Zeitweilig arbeiteten unter ihrer Leitung zwei hollandische Sekretarinnen und zwei deutsche Kriegsversehrte der Waffen SS Slottkes Vorgesetzter Zoepf dem sie als rechte Hand zuarbeitete liess diese weitestgehend selbststandig in ihrem Ressort gewahren so dass sie eigenmachtig uber die Deportation von Juden oder eben deren Ruckstellung entscheiden konnte In ihrer Funktion suchte Slottke mehrmals das Durchgangslager Westerbork auf zur Abwicklung der Transporte in die Vernichtungslager Auch im Sternenlager des KZ Bergen Belsen hielt sie sich ofter auf und konferierte dort mit Angehorigen des RSHA und des Auswartigen Amtes uber die dort inhaftierten niederlandischen Austauschjuden 7 Sie erhielt 1943 das Kriegsverdienstkreuz II Klasse 3 Slottke gehorte dem Judenreferat beim BdS in Den Haag bis zum Kriegsende an Nach der alliierten Landung in der Normandie im Juni 1944 wurde ihre Dienststelle an die Reichsgrenze auf deutsches Gebiet verlegt und zuletzt in das KZ Ravensbruck Slottke hielt sich noch bis Kriegsende mehrmals in Den Haag auf bis sie in kanadische Internierung geriet und in das Internierungslager Hilversum verbracht wurde 8 Nachkriegszeit BearbeitenSlottke wurde noch im Mai 1945 aus der Internierung entlassen und zog im Juni 1945 zu ihrer Schwester nach Waiblingen Im Rahmen eines im Januar 1948 eingestellten Spruchkammerverfahrens wurde Slottke als Mitlauferin entnazifiziert Slottke arbeitete bereits 1945 wieder aushilfsweise als Sekretarin und ubernahm noch im selben Jahr die Geschaftsfuhrung beim Bund der Vertriebenen Ab 1949 war sie beim Raiffeisenverband angestellt und ab 1953 beim Sudwestdeutschen Pflanzenzuchterverband der Landwirtschaftlichen Hochschule Stuttgart Hohenheim Slottke ging 1965 in den vorzeitigen Ruhestand war aber weiterhin bei ihrer letzten Arbeitsstelle als geringfugig Beschaftigte tatig In der Nachkriegszeit engagierte sie sich in Vertriebenenorganisationen So ubernahm sie die Landesleitung des Danziger Frauenwerks in Baden Wurttemberg gehorte dem baden wurttembergischen Landesvorstand des Bundes der Danziger an und war Landesreferentin fur Frauenarbeit im Verband der Landsmannschaften einer Vorgangerorganisation des Bundes der Vertriebenen 9 Prozess und Verurteilung BearbeitenAb 1959 wurde zum Tatkomplex Deportationen von Juden aus den Niederlanden ermittelt Zunachst wurde Zoepf ausfindig gemacht dann Slottke und schliesslich auch Harster in die Ermittlungen einbezogen 10 Zwischen dem 23 Januar und 24 Februar 1967 fand vor dem Schwurgericht beim Landgericht Munchen II die Hauptverhandlung gegen Wilhelm Harster und andere statt Die Schreibtischtater Harster Zoepf und Slottke wurden der Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord beschuldigt Harster in 82 856 Zoepf in 55 382 und Slottke in 54 982 Fallen Die Anklage wurde durch den Oberstaatsanwalt Benedikt Huber vertreten 11 Robert Kempner vertrat als Nebenklager die Familien der im KZ Bergen Belsen an Fleckfieber oder an Typhus gestorbenen Anne Frank und der im KZ Auschwitz Birkenau ermordeten Edith Stein Harster und Zoepf wurden durch Eugen Leer und Slottke von Rudolf Aschenauer verteidigt 12 Die Hauptlast der im Judenreferat des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Den Haag angefallenen umfangreichen Arbeiten erledigte die Angeschuldigte als die einzige auf diesem Teilgebiet des Entjudungsprogramms von Anfang an und von Grund auf eingearbeitete Kraft der Sicherheitspolizei in den Niederlanden Die Angeschuldigte richtete ihr ganzes Interesse auf den Dienst und bemuhte sich stets fur die Entjudung ein Ubermass zu leisten Teilweise wendete sie gegen die Verfolgten strengere als die vom Reichssicherheitshauptamt gesetzten Massstabe an Aus der Anklageschrift gegen Gertrud Slottke 13 Von den Angeklagten zeigte sich Harster gestandig und Zoepf teilweise nur Slottke leugnete ihre Mitverantwortung fur die Vernichtung der Juden in den Niederlanden 12 Slottke bestritt Antisemitin zu sein und rechtfertigte sich folgendermassen vor Gericht Ich habe nur nach Diktat gearbeitet Ich befolgte nur die Anordnungen die aus Berlin kamen Sie habe sich Gedanken uber die Transporte nach Auschwitz gemacht aber eine Totung der Juden konnte ich mir gar nicht vorstellen ich habe geglaubt es gibt auch im Osten fur die deportierten Juden Reservate fur den Lebensabend Des Weiteren rechtfertigte sie sich Ich bin nicht untergetaucht und habe keinen fremden Namen angenommen 13 Am 24 Februar 1967 wurden Harster zu funfzehn Zoepf zu neun und Slottke zu funf Jahren Zuchthaus verurteilt Dem Urteil zufolge hatten ideologische und antisemitische Motive nur eine geringe Bedeutung fur Slottkes Handeln das von einem auf eine reibungslose Durchfuhrung der Deportationen ausgerichteten Diensteifer gepragt gewesen sei 14 Der Prozess wurde von der niederlandischen Offentlichkeit aufmerksam verfolgt Sonderberichterstatter berichteten in den niederlandischen Medien ausfuhrlich uber den Prozess 12 Dem Prozessbeobachter Heiner Lichtenstein zufolge ausserte Slottke im Verfahren kein Wort der Reue oder Scham Slottke selbst bezeichnete ihre Verurteilung als Justizirrtum 14 Ab Juli 1968 verbusste Slottke ihre Haftstrafe in der Frauenhaftanstalt Gotteszell in Schwabisch Gmund Diverse Gesuche auf vorzeitige Haftentlassung Slottkes wurden abschlagig entschieden Krankheitsbedingt befand sich Slottke jedoch seit Herbst 1970 in einem Stuttgarter Krankenhaus ihre Reststrafe wurde aus diesem Grund im Mai 1971 durch das Bayrische Justizministerium zur Bewahrung ausgesetzt Am 17 Dezember 1971 starb Slottke in einem Krankenhaus in Stuttgart auf Grund einer neurologischen Erkrankung 15 Literatur BearbeitenElisabeth Kohlhaas Gertrud Slottke Angestellte im niederlandischen Judenreferat der Sicherheitspolizei In Klaus Michael Mallmann amp Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien WBG Darmstadt 2004 ISBN 3 534 16654 X Elisabeth Kohlhaas Slottke Gertrud In Fred Ludwig Septainter Hrsg Baden Wurttembergische Biographien Band V Kohlhammer Stuttgart 2013 ISBN 978 3 17 024863 2 S 413 416 Joachim Castan Thomas F Schneider Hrsg Hans Calmeyer und die Judenrettung in den Niederlanden Katalog zur gleichnamigen Ausstellung Gottingen V amp R unipress 2003 ISBN 3 89971 122 X Edith Stein und Anne Frank Zwei von Hunderttausend Die Enthullungen uber die NS Verbrechen in Holland vor dem Schwurgericht in Munchen Veroffentlicht von Robert M W Kempner Freiburg i Br 1968 Harald Fuhner Nachspiel Die niederlandische Politik und die Verfolgung von Kollaborateuren und NS Verbrechern 1945 1989 Niederlandische Studien Band 35 Waxmann Munster 2005 ISBN 3 8309 1464 4 GoogleBooks Kathrin Kompisch Taterinnen Frauen im Nationalsozialismus Bohlau Verlag Koln 2008 ISBN 978 3 412 20188 3 S 86 f Christian Ritz Schreibtischtater vor Gericht das Verfahren vor dem Munchner Landgericht wegen der Deportation der niederlandischen Juden 1959 1967 Paderborn Schoningh 2012 ISBN 978 3 506 77418 7 Marburg Univ Diss 2011Einzelnachweise Bearbeiten a b Elisabeth Kohlhaas Gertrud Slottke Angestellte im niederlandischen Judenreferat der Sicherheitspolizei In Klaus Michael Mallmann amp Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 S 208 a b Kathrin Kompisch Taterinnen Frauen im Nationalsozialismus Koln 2008 S 86 f a b Dietrich Strothmann Eine Angeklagte und ihre Opfer In Die Zeit Nr 7 1967 vom 17 Februar 1967 Elisabeth Kohlhaas Slottke Gertrud Stuttgart 2013 S 414 Joachim Castan Thomas F Schneider Hrsg Hans Calmeyer und die Judenrettung in den Niederlanden Gottingen 2003 S 51 Slottke nach einer Razzia in Amsterdam uber Juden im Mai 1943 Zitiert bei Elisabeth Kohlhaas Gertrud Slottke Angestellte im niederlandischen Judenreferat der Sicherheitspolizei In Klaus Michael Mallmann amp Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 S 213 f Elisabeth Kohlhaas Gertrud Slottke Angestellte im niederlandischen Judenreferat der Sicherheitspolizei In Klaus Michael Mallmann amp Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 S 210 f Elisabeth Kohlhaas Gertrud Slottke Angestellte im niederlandischen Judenreferat der Sicherheitspolizei In Klaus Michael Mallmann amp Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 S 209 Elisabeth Kohlhaas Slottke Gertrud Stuttgart 2013 S 414 f Harald Fuhner Nachspiel Die niederlandische Politik und die Verfolgung von Kollaborateuren und NS Verbrechern 1945 1989 Munster 2005 S 220 Dietrich Strothmann Die Sache Harster und andere In Die Zeit Nr 4 1967 a b c Harald Fuhner Nachspiel Die niederlandische Politik und die Verfolgung von Kollaborateuren und NS Verbrechern 1945 1989 Munster 2005 S 221f a b Zitiert bei Dietrich Strothmann Eine Angeklagte und ihre Opfer In Die Zeit Nr 7 1967 vom 17 Februar 1967 a b Elisabeth Kohlhaas Slottke Gertrud Stuttgart 2013 S 415 Elisabeth Kohlhaas Gertrud Slottke Angestellte im niederlandischen Judenreferat der Sicherheitspolizei In Klaus Michael Mallmann amp Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 S 210 Normdaten Person GND 128951141 lobid OGND AKS LCCN no2017135843 VIAF 28136915 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Slottke GertrudKURZBESCHREIBUNG deutsche Sekretarin und Sachbearbeiterin im Judenreferat Den HaagGEBURTSDATUM 6 Oktober 1902GEBURTSORT Muhlenthal Landkreis SensburgSTERBEDATUM 17 Dezember 1971STERBEORT Stuttgart Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gertrud Slottke amp oldid 218187781