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Das Gorlitzer Programm war das auf dem Gorlitzer Parteitag von 1921 angenommene Programm der SPD Es loste das Erfurter Programm von 1891 ab und wurde seinerseits bereits 1925 vom Heidelberger Programm ersetzt Inhaltsverzeichnis 1 Parteitag und Programm 2 Politische und gesellschaftliche Grenzen 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseParteitag und Programm BearbeitenDer Gorlitzer Parteitag fand vom 18 bis 24 September 1921 in der Stadthalle Gorlitz mit 376 stimmberechtigten Teilnehmern statt Vorsitzende des Parteitages waren Otto Wels und Paul Taubadel 1 Auf der Tagesordnung standen die Auswirkungen des Versailler Vertrages auf die Innen und Aussenpolitik Deutschlands Referent Hermann Muller und die Debatte um ein neues Parteiprogramm Referent Hermann Molkenbuhr Das neue Programm das in wesentlichen Teilen von Eduard Bernstein erarbeitet worden war wurde mit nur funf Gegenstimmen angenommen Es war ausgesprochen revisionistisch ausgerichtet Allerdings verliess es nicht grundsatzlich die alten marxistischen Grundlagen Das Ziel der neuen Programmatik war Wahler auch ausserhalb der bisherigen proletarischen Stammwahlerschaft anzusprechen Die SPD wollte nunmehr Partei des arbeitenden Volkes in Stadt und Land sein 2 Diese Hoffnung war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg kein volliges Wunschdenken Immerhin organisierte der AfA Bund Allgemeiner freier Angestelltenbund eine grosse Zahl von Angestellten und der gerade gegrundete ADB Allgemeiner Deutscher Beamtenbund organisierte einen nicht unbetrachtlichen Teil von meist kleineren Beamten Auch der DBB Deutscher Beamtenbund stand der gemassigten Sozialdemokratie zeitweise recht nah Ausserdem gelang es den freien Gewerkschaften nach der Revolution sogar die Landarbeiter im Osten Deutschlands zu organisieren Fehlte im ursprunglichen Konzept von Bernstein jeder Hinweis auf den Klassenkampf kam dieser Aspekt im Lauf der Diskussion wieder ins Programm hinein Durchaus marxistisch mutet es daher an dass die SPD weiterhin am Klassenkampf fur die Befreiung des Proletariats festhalten wollte 2 Allerdings trug das Programm vor allem in seinem zweiten stark reformistisch gepragten Teil der seit der Novemberrevolution gestarkten Uberzeugung Rechnung dass das eigene politische Handeln den Rahmen der gegebenen Legalitat zu beachten habe Vor allem aber bekannte sich die Partei zur Republik von Weimar Sie betrachtet die demokratische Republik als die durch die geschichtliche Entwicklung unwiderruflich gegebene Staatsform jeden Angriff auf sie als ein Attentat auf das Lebensrecht des Volkes 2 Dieser Kurswechsel war auch als eine bewusste Abgrenzung von der linken Konkurrenz durch USPD und KPD gedacht Dies machten auch die weiteren Diskussionen des Parteitags deutlich Eine Hauptdifferenz zu den Unabhangigen sah die Partei in der Frage ob man mit den burgerlichen Parteien eine Koalition eingehen konne Philipp Scheidemann betonte dass unter allen Umstanden die Republik mit allen Kraften zu verteidigen sei Wir lassen uns an Liebe zu unserem Vaterland und zu unserem Volke von niemanden ubertreffen 3 Der Parteitag stimmte mit grosser Mehrheit Koalitionen mit burgerlichen Parteien zu sofern diese sich ebenfalls zur Republik bekannten und bestimmte soziale Grundforderungen unterstutzten Ausserdem forderte der Parteitag Land und Reichstagsfraktionen auf endlich energisch gegen die Symbole der Monarchie vorzugehen und forderte die Parteimitglieder auf sich durch entsprechende Abzeichen offentlich zur Republik zu bekennen Daneben wurde die Reichsregierung und fraktion aufgefordert die Auflosung der Freikorps sowie die Schaffung einer wahrhaft republikanischen Wehrmacht voranzutreiben Ausserdem sollten der 1 Mai und der 9 November gesetzliche Feiertage werden Weitere Themen war die Revision des Versailler Vertrages die Schaffung einer republikanischen Justiz die Schulformfrage Weiterbildung Jugendschutz Steuerpolitik und andere Fragen Als Parteivorsitzende wurden Hermann Muller 320 Stimmen und Otto Wels 300 gewahlt Politische und gesellschaftliche Grenzen BearbeitenDie von der Partei ausgemachten sozialen Gruppen jenseits der Arbeiterbevolkerung reagierten auf das Programm bestenfalls zuruckhaltend Bei der kritischen linken Offentlichkeit stiess es auf unverhohlenen Spott und Ablehnung Kurt Tucholsky schrieb unter seinem Pseudonym Theobald Tiger ein langes Gedicht mit dem Titel Sozialdemokratischer Parteitag zum Parteitag in der Weltbuhne Es endete mit den Versen Herr Weismann grinst und alle Englein lachen Wir sehen nicht was sie da mit uns machen nicht die Gefahren all Skatbruder sind wir die den Marx gelesen Wir sind noch nie soweit entfernt gewesen von jener Bahn die uns gefuhrt Lassall Sozialdemokratischer Parteitag In Die Weltbuhne 29 09 1921 Nr 39 S 312 wieder in Mit 5 PS auch u d T Gefuhlskritik Das beschlossene Programm wurde 1925 bereits durch das Heidelberger Programm abgelost das deutlich starker in der Tradition des marxistischen gepragten Erfurter Programms stand Der Hauptgrund dafur war dass inzwischen ein Teil der USPD sich wieder der MSPD angeschlossen hatte Der linke Flugel wurde damit gestarkt Daher wurde vor allem der praktische Teil des Gorlitzer Programms bereits ein Jahr spater wieder revidiert Hinzu kamen aber auch die Erfahrungen wahrend der Hochinflationsphase und der wirtschaftlichen Stabilisierung Nicht die Gewerkschaften wie in den ersten Jahren der Republik sondern die Unternehmen pragten nunmehr die Wirtschafts und Sozialpolitik Das Gorlitzer Programm das als eine erste Annaherung an volksparteiliche Konzepte gedeutet werden kann blieb eine Episode und die SPD blieb im Kern auf die Arbeiterwahler angewiesen Allerdings vollzog die Partei damit auch den inzwischen eingetretenen Veranderungen Rechnung hatten sich doch Landarbeiter Angestellte und Beamte zu einem Grossteil auch unter dem Eindruck der Inflation die man mit der staatstragenden SPD verband wieder deutlich nach rechts bewegt Literatur BearbeitenHermann Scholer Das Gorlitzer Programm der SPD Ein kritischer Kommentar von H Sch Detmold 1922 Helga Grebing Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Ein Uberblick Munchen 1966 S 178 Franz Osterroth Dieter Schuster Chronik der deutschen Sozialdemokratie Bd II Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des zweiten Weltkrieges Berlin Bonn 1975 S 87 91 Heinrich August Winkler Klassenbewegung oder Volkspartei Zur sozialdemokratischen Programmdebatte 1920 1925 In Geschichte und Gesellschaft Heft 1 1982 S 9 54 Detlef Lehnert Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848 bis 1983 Frankfurt 1983 ISBN 3 518 11248 1 S 133f S 138f Heinrich August Winkler Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie Munchen 1993 ISBN 3 7632 4233 3 S 163ff Weblinks BearbeitenDas Gorlitzer Programm 1921 In marxists org 15 Oktober 2003 abgerufen am 25 November 2019 Robert Sowa Programmdiskussionen Das Gorlitzer Programm Das Heidelberger Programm Das Kieler Agrarprogramm 1989 Rudolf Hilferings Werk Das Finanzkapital Friedrich Ebert Stiftung Juli 1997 archiviert vom Original am 21 September 2003 abgerufen am 25 November 2019 Franz Osterroth Dieter Schuster Chronik der deutschen Sozialdemokratie Stichtag 18 24 Sept 1921 Friedrich Ebert Stiftung Juni 2001 abgerufen am 25 November 2019 Einzelnachweise Bearbeiten Protokoll uber die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands abgehalten in Gorlitz vom 18 bis 24 September 1921 J H W Dietz Nachfolger Buchhandlung Vorwarts Berlin 1921 fes de PDF 36 3 MB abgerufen am 20 Marz 2017 a b c Das Gorlitzer Programm 1921 In marxists org 15 Oktober 2003 abgerufen am 25 November 2019 Chronik Bd 2 S 88 Grundsatzprogramme der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Eisenacher Programm SDAP Gothaer Programm Erfurter Programm Gorlitzer Programm Heidelberger Programm Godesberger Programm Berliner Programm Hamburger Programm Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gorlitzer Programm amp oldid 217062228