www.wikidata.de-de.nina.az
Fritz Eichholtz 15 August 1889 in Lippstadt 29 Dezember 1967 in Heidelberg war ein deutscher Pharmakologe Er war von 1928 bis 1932 Lehrstuhlinhaber seines Fachs in Konigsberg und von 1932 bis 1958 in Heidelberg Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Forschung 3 Lehre 4 Schuler 5 Ehrungen 6 Literatur 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenEichholtz Eltern waren der Oberlandmesser Thilo Eichholtz und dessen Frau Auguste geb Menzel Nach dem Abitur in Lippstadt studierte Fritz von 1910 bis 1914 an den Universitaten von Lausanne und Bonn Medizin Er arbeitete dann als Assistent in Bonn am Physiologischen Institut und der Universitats Frauenklinik Im Ersten Weltkrieg war er U Boot Offizier 1919 legte er das medizinische Staatsexamen ab 1920 wurde er zum Dr med promoviert Es folgten Assistentenjahre bei dem Pharmakologen Paul Trendelenburg von 1920 bis 1923 an der Universitat Rostock und 1923 an der Albert Ludwigs Universitat Freiburg wo er sich 1923 habilitierte 1922 heiratete er Ellen Maria geb Gaeng verwitwete Pagenstecher Das Paar blieb kinderlos 1924 und 1925 war Eichholtz Stipendiat der Rockefeller Stiftung bei Ernest Starling am University College London 1925 ubernahm er die Leitung des Pharmakologischen Laboratoriums der I G Farbenindustrie AG in Elberfeld 1 1928 wurde er Nachfolger von Felix Haffner 1886 1953 auf dem Lehrstuhl fur Pharmakologie der Albertus Universitat Konigsberg 1932 Nachfolger von Wolfgang Heubner auf dem Lehrstuhl fur Pharmakologie der Ruprecht Karls Universitat Heidelberg Nach der Machtubergabe an die Nationalsozialisten trat er zum 1 Mai 1933 der NSDAP bei Mitgliedsnummer 3 171 407 2 3 1958 wurde er in Heidelberg emeritiert Sein Nachfolger wurde Oskar Eichler Forschung BearbeitenNoch in Rostock bei Trendelenburg bestatigte Eichholtz die enge Verwandtschaft zwischen dem Nebennierenmark und den postganglionaren sympathischen Nervenzellen Die chromaffinen Zellen der Nebennieren sind den sympathischen Nervenzellen in genetischer nnd morphologischer Hinsicht nahe verwandt Durch die vorliegenden Untersuchungen wird festgestellt dass die beiden Zellenarten sich auch pharmakologisch nahe stehen 4 In Konigsberg und Heidelberg erforschte er die Pharmakologie von Konvulsiva 5 also Substanzen die Krampfanfalle auslosten eine gefurchtete unerwunschte Wirkung zum Beispiel der Lokalanasthetika 6 7 8 Manche meinte er wirkten durch Verengerung der Blutgefasse des Gehirns eine heute verlassene Ansicht 9 Bei der I G Farbenindustrie nahm er an der Entwicklung der Antimon Verbindung Neostibosan zur parenteralen Therapie der Leishmaniose und der Filariosen teil 1927 klarte er die Pharmakologie des von ihm und Otto Butzengeiger seit 1926 10 als rektales Narkotikum angewandten Tribromethanols Handelsname Avertin 11 Im selben Jahr fuhrte der Elberfelder Chirurg Otto Butzengeiger 1885 1968 12 Avertin als Mittel zur Erzeugung einer Narkose mittels rektaler Applikation also Instillation in den Mastdarm in die Klinik ein 13 Meist diente es nicht als einziges Narkosemittel sondern als rektale Basisnarkose die dem Patienten die Gasinhalation aus dem Narkosegerat bei vollem Bewusstsein ersparte Nach dem Einschlafen schloss sich eine Inhalationsnarkose an Haufige unerwunschte Wirkung war eine Entzundung der Darmschleimhaut Berichte uber Todesfalle nach Tribromethanol Narkosen fasste Eichholtz 1930 zusammen 14 Heute ist die Basisnarkose mit Tribromethanol Medizingeschichte 15 Sie wurde nachdem Martin Kirschner es noch 1929 mit Erfolg intravenos 16 angewendet hatte 1932 durch die intravenose Narkose mit Hexobarbital abgelost 17 Ein Interessenschwerpunkt von Eichholtz waren die Pharmakologie der Ernahrung und die Lebensmitteltoxikologie 1941 schrieb er nach Vorarbeiten 18 ein Buch Sauerkraut und ahnliche Garerzeugnisse mit historischen physiologisch chemischen und ernahrungskundlichen Kapiteln 19 Keineswegs sei das Sauerkraut Symbol des Althergebrachten des Urwuchsigen und Urdeutschen eine deutsche Erfindung wie Ludwig Uhlands Metzelsuppenlied behaupte Schon Plinius der Altere habe es beschrieben Der Militararzt im Lager des Prinzen Eugen Johann Georg Heinrich Kramer 1742 habe erstmals uber seine Heilwirkung beim Skorbut berichtet Aufsehen erregte Eichholtz mit dem spateren Buch Die toxische Gesamtsituation auf dem Gebiet der menschlichen Ernahrung Umrisse einer unbekannten Wissenschaft 20 Die Schrift richte sich gegen fragwurdige oder gar bedrohliche Leistungen des Menschengeistes auf dem Gebiet der Ernahrung Der Verwegenheit gewisser Kreise der Lebensmitteltechnik musse mit Argumenten aus der elementaren Gewissheit ewiger Naturkrafte entgegengetreten werden Die Lebensmittelindustrie handele zweifellos guten Glaubens doch mussten sich alle wohlmeinenden Krafte unserer Volkswirtschaft bewusst werden dass schon die einfachsten und meistverwendeten Stoffe wie Benzoesaure und Zitronensaure bedenklich seien und das Heer der chemischen Zusatzstoffe im Hinblick auf Gesundheitsschaden in der nun einmal gegebenen toxischen Gesamtsituation lt eine gt unbekannte Wissenschaft Nach Geschichtlichem behandelt das Buch Allgemeines zur Chemie und Technik Auf 63 Seiten wird ein Dokument der US amerikanischen Food and Drug Administration Procedures for the appraisal of the toxicity of chemicals in foods drugs and cosmetics Verfahren fur die Bewertung der Toxicitat von Chemikalien in Nahrungsmitteln Arzneistoffen und Cosmetica ubersetzt Es folgen Ausfuhrungen uber Zusatzstoff Kombinationen In unseren Flussen gehen die Fische zugrunde selten aber ist eine einzige Giftsubstanz daran schuld es ist vielmehr gewohnlich nicht das einzelne Gift sondern die Gesamtheit der Gifte die die Fische zugrunde richtet Bei den einzelnen Konservierungsmitteln Sussstoffen Insektiziden und Hormonen kommt Eichholtz zu Warnungen die bis heute 2013 aktuell sind etwa der Warnung dass Antibiotika zu Antibiotikaresistenz fuhren konnten Penicillin resistente Epidemien werden immer haufiger und das gleiche trifft fur die meisten ubrigen Antibiotica im Prinzip zu Bagatellisierungsversuche werden analysiert so die allergefahrlichste Bagatellisierung durch wissenschaftliche Gutachten die sich auf Einzelsubstanzen beschrankten weil bisher eine Wissenschaft von der toxikologischen Gesamtsituation und von der Einordnung der Toxicitat des einzelnen Stoffes in diese toxikologische Gesamtsituation noch nicht vorhanden sei Eichholtz schliesst mit Folgerungen wie der Notwendigkeit einer prinzipiellen Deklarierungspflicht fur Zusatzstoffe einer Erinnerung an die heute noch unaufgeklarte Katastrophe von Pont Saint Esprit vom August 1951 eine Massenvergiftung durch Brotmehl und der Wiederholung menschliche Satzungen mussten sich den strengen ewigen Gesetzen der Natur anpassen Bei der der Veroffentlichung folgenden Tagung der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft 1957 in Freiburg im Breisgau wurde das Buch von dem Wurzburger Toxikologen Wilhelm Neumann heftig angegriffen 21 Eichholtz blieb bei seiner Ablehnung von Lebensmittelzusatzen uber das technisch Unvermeidbare hinaus 22 Ist es nicht ganz unabhangig von der Frage der Toxicitat eine ganz vernunftige Forderung dass man seine Lebensmittel in moglichst naturlicher Form zu sich nehmen sollte wie man das seit Jahrtausenden tat oder um in der einpragsamen Form des Pharmakologen Joachimoglu zu sprechen moglichst so wie der liebe Gott sie fur uns geschaffen hat Etwa zehn Jahre spater nannte der Vorsitzende der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft Heribert Konzett das Buch einen Akt mutigen Bekennens und biologischer Weitsicht 23 Im Nachruf schrieb das Heidelberger Tageblatt 24 Eine besondere Wurdigung verdient sein selbstloser Kampf um die Reform der Lebensmittel Gesetzgebung So hat er als erster 1955 56 dem unkontrollierten Zusatz von Konservierungsmitteln und Verschonerungsstoffen zur taglichen Nahrung in temperamentvollen Schriften und Vortragen den Krieg erklart und so den entscheidenden Anstoss fur die dringend notige Revision der Lebensmittel Gesetzgebung in der Bundesrepublik geliefert So blieben heftige Gegenreaktionen von seiten machtiger Interessenverbande nicht aus Inzwischen hat jedoch alle Welt erkannt welch entscheidend wichtige Pionierarbeit Eichholtz in diesen Jahren geleistet hat Lehre Bearbeiten1939 erschien erstmals Eichholtz Lehrbuch der Pharmakologie 25 Es loste den Meyer Gottlieb ab das von Hans Horst Meyer und Rudolf Gottlieb begrundete bis dahin massgebliche deutschsprachige Lehrbuch das 1938 erlosch weil der Wiener Pharmakologe Ernst Peter Pick der es nach dem Tode der Grunder bearbeitete 1938 als Nicht Arier aus Osterreich vertrieben wurde Eichholtz Werk erlebte bis 1957 neun Auflagen und wurde seinerseits durch ein 1964 erstmals veroffentlichtes Lehrbuch von Gustav Kuschinsky und Heinz Lullmann ersetzt Schuler BearbeitenBei Eichholtz habilitierten sich Jahr der Habilitation Werner Keil 1932 26 der spater in Heidelberg die Chemie und Pharmakologie vergorener Nahrungsmittel untersuchte 27 Willi Reichert 1942 Albrecht Fleckenstein spater Ordinarius fur Physiologie in Freiburg im Breisgau Roland Taugner 1956 Ehrungen Bearbeiten1935 wurde Eichholtz zum ordentlichen Mitglied der mathematisch naturwissenschaftlichen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gewahlt 1964 erhielt er das Grosse Bundesverdienstkreuz Literatur BearbeitenMarie Luise Back Die Entwicklung des Freiburger Pharmakologischen Instituts 1907 1972 Medizinische Dissertation Freiburg 1986 S 84 85 Dagmar Drull Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933 1986 S 175 176 Springer Verlag Berlin 2009 ISBN 978 3 540 88835 2 Eberhard Hackenthal Stefan Offermanns Gunter Schultz Pharmakologisches Institut Medizinische Fakultat der Ruprecht Karls Universitat Heidelberg In Athineos Philippu Hrsg Geschichte und Wirken der pharmakologischen klinisch pharmakologischen und toxikologischen Institute im deutschsprachigen Raum Berenkamp Verlag Innsbruck 2004 ISBN 3 85093 180 3 S 329 336 H Konzett Eroffnungsansprache In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 263 Jahrgang 1969 S 1 10 hier S 3 4 doi 10 1007 BF00549433 Jurgen Lindner Heinz Lullmann Pharmakologische Institute und Biographien ihrer Leiter Editio Cantor Aulendorf 1996 ISBN 3 87193 172 1 Harry Scholz Paul Schroeder Pharmakologisches Institut Medizinische Fakultat der Albertus Universitat zu Konigsberg Pr In Athineos Philippu Hrsg Geschichte und Wirken der pharmakologischen klinisch pharmakologischen und toxikologischen Institute im deutschsprachigen Raum Band 3 Erganzung Berenkamp Verlag Innsbruck 2011 ISBN 978 3 85093 281 3 S 190 192 Einzelnachweise Bearbeiten Klaus Dorner Karsten Linne Angelika Ebbinghaus Der Nurnberger Arzteprozess 1946 47 Erschliessungsband S 91 Saur Munchen 1999 ISBN 3 598 32020 5 Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 7501481 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt am Main 2007 S 129 Uber den Einfluss von Nikotin und nikotinartig wirkenden Substanzen auf die Adrenalinsekretion In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 99 Jahrgang 1923 S 172 184 doi 10 1007 BF01860313 T J Feuerstein Antikonvulsiva Konvulsiva Pharmakotherapie der Epilepsien In K Aktories U Forstermann F Hofmann K Starke Hrsg Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie 11 Auflage Elsevier GmbH Munchen 2013 ISBN 978 3 437 42523 3 S 269 279 F Eichholtz G Hoppe Die Krampfwirkung der Lokalanasthetika ihre Beeinflussung durch Mineralsalze und Adrenalin In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 173 Jahrgang 1933 S 687 696 doi 10 1007 BF01860941 F Eichholtz Th Kirsch Uber den Einfluss blutdrucksenkender Stoffe auf den Cocainkrampf In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 184 Jahrgang 1937 S 674 679 doi 10 1007 BF01861972 F Eichholtz H Veigel J Seeman Der Antagonismus von convulsiven und spasmolytischen Substanzen In Archives internationales de Pharmacodynamie et de Therapie 77 Jahrgang 1948 S 127 140 F Hahn Analeptics In Pharmacological Reviews 1960 12 447 530 H Orth I Kis Schmerzbekampfung und Narkose In Franz Xaver Sailer Friedrich Wilhelm Gierhake Hrsg Chirurgie historisch gesehen Anfang Entwicklung Differenzierung Dustri Verlag Deisenhofen bei Munchen 1973 ISBN 3 87185 021 7 S 1 32 hier S 16 Fritz Eichholtz Uber rektale Narkose mit Avertin E 107 In Deutsche Medizinische Wochenschrift 53 Jahrgang 1927 S 710 712 doi 10 1055 s 0028 1165256 M Goerig J Schulte am Esch Hellmut Weese Der Versuch einer Wurdigung seiner Bedeutung fur die deutschsprachige Anasthesie In AINS Anasthesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie 32 Jahrgang 1997 S 678 685 doi 10 1055 s 2007 995135 O Butzengeiger Klinische Erfahrungen mit Avertin E 107 In Deutsche Medizinische Wochenschrift 53 Jahrgang 1927 S 712 713 doi 10 1055 s 0028 1165257 F Eichholtz Avertin Todesfalle In Sammlung von Vergiftungsfallen 1 Jahrgang 1930 S C7 C18 doi 10 1007 BF02456507 A Ranft E Kochs Rektale Pramedikation von Kindern In Der Chirurg 75 Jahrgang 2004 S 1224 1228 doi 10 1007 s00104 004 0959 9 H Orth I Kis Schmerzbekampfung und Narkose 1973 S 16 Hellmut Weese Walter Scharpff Evipan ein neuartiges Einschlafmittel In Deutsche Medizinische Wochenschrift 58 Jahrgang 1932 S 1205 1207 doi 10 1055 s 0028 1123566 Fritz Eichholtz Karlheinz Brehm Presssaftsilage Ein Beitrag zur volkischen Wirtschaft Ernahrung und Gesundheit In Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Mathematisch naturwissenschaftliche Klasse Jahrgang 1935 9 Abhandlung Fritz Eichholtz Sauerkraut und ahnliche Garerzeugnisse Geschichte Biologie und Bedeutung fur die Ernahrung von Mensch und Tier Vieweg Verlag Braunschweig 1941 140 Seiten Fritz Eichholtz Die toxische Gesamtsituation auf dem Gebiet der menschlichen Ernahrung Umrisse einer unbekannten Wissenschaft Springer Verlag Berlin 1956 178 Seiten W Neumann Gegenwartsprobleme der Toxikologie In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 232 Jahrgang 1957 S 12 31 doi 10 1007 BF00259832 Fritz Eichholtz Vom Streit der Gelehrten G Braun Verlag Karlsruhe 1958 Eine zweite erweiterte Auflage Fritz Eichholtz Biologische Existenz des Menschen in der Hochzivilisation G Braun Verlag Karlsruhe 1959 Konzett 1969 Adam Fleckenstein In memoriam Fritz Eichholtz Heidelberger Tageblatt vom 2 Januar 1968 Fritz Eichholtz Lehrbuch der Pharmakologie im Rahmen einer allgemeinen Krankheitslehre fur praktische Arzte und Studierende Julius Springer Berlin 1939 Neuausgabe ebenda 1955 und 1957 Lindner und Lullmann 1996 S 96 Werner Keil Ernst Kurz Zur Chemie und Pharmakologie vergorener Nahrungsmittel II In Naunyn Schmiedebergs Archiv fur experimentelle Pathologie und Pharmakologie 177 Jahrgang 1934 S 25 28 doi 10 1007 BF01858545 Normdaten Person GND 131808117 lobid OGND AKS LCCN no2011183761 VIAF 39746383 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Eichholtz FritzKURZBESCHREIBUNG deutscher PharmakologeGEBURTSDATUM 15 August 1889GEBURTSORT LippstadtSTERBEDATUM 29 Dezember 1967STERBEORT Heidelberg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fritz Eichholtz amp oldid 233285052