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Dieser Artikel beschaftigt sich mit den fadenformigen Gebilden auf der Zelloberflache zu der gleichnamigen altagyptischen Insigne siehe Flagellum agyptische Mythologie Flagellen lateinisch flagellum oder Geisseln sind fadenformige Gebilde auf der Oberflache einzelner Zellen die der Fortbewegung dienen Sie sind bei Prokaryoten Lebewesen ohne Zellkern und bei Eukaryoten Lebewesen mit Zellkern hinsichtlich Struktur und Funktionsweise grundsatzlich verschieden Prokaryoten besitzen gewendelte Proteinfaden ausserhalb der Zellmembran die sich nicht aktiv verformen sondern an ihrem in der Zelle verankerten Ende durch einen Motor in Drehung versetzt werden und auf diese Weise ahnlich wie ein Propeller einen Schub oder Zug ausuben Eukaryoten dagegen besitzen fadige von der Zellmembran umschlossene Ausstulpungen der Zelle in deren Inneren sich ein Bundel von Mikrotubuli befindet und die durch aktive Formveranderung eine Bewegung bewirken Zelle von Escherichia coli mit Flagellen durch Praparation verformt Transmissions elektronen mikroskopie Diese beiden vollig unterschiedlichen Organelltypen werden jeweils sowohl als Flagellen als auch als Geisseln bezeichnet diese beiden Bezeichnungen werden also als Synonyme verwendet Um jedoch dem unterschiedlichen Aufbau und der verschiedenen Funktion von Pro und Eukaryotengeisseln nomenklatorisch Rechnung zu tragen ist von deutschsprachigen Autoren folgende Sprachregelung vorgeschlagen worden Die Geisseln der eukaryotischen Zellen haben einen sehr einheitlichen Aufbau Der Begriff Flagelle bleibt den ganz anders organisierten Fortbewegungsorganellen der Prokaryoten vorbehalten 1 Im vorliegenden Artikel wird diese eindeutige Zuordnung der Bezeichnungen also Flagellum fur Prokaryoten und Geissel fur Eukaryoten weitgehend berucksichtigt mit Ausnahme feststehender Begriffe wie Begeisselung Zu bemerken ist aber dass in anderen aktuellen Lehrbuchern diese Unterscheidung nicht gemacht wird 2 Inhaltsverzeichnis 1 Die Flagellen der Prokaryoten 1 1 Aufbau 1 2 Begeisselungstypen 1 3 Bewegungsweise 2 Die Geisseln der Eukaryoten 2 1 Aufbau 2 2 Bewegungsweise 2 3 Variationen Begeisselungstypen 3 Einzelnachweise 4 WeblinksDie Flagellen der Prokaryoten BearbeitenAufbau Bearbeiten nbsp Motorkomplex einer Flagelle eines gramnegativen Bakteriums Das eigentliche Flagellum ist in Wirklichkeit wendelformig Bakterielle Flagellen sind extrazellulare wendelformige Faden Filamente die uber einen Haken mit einem Motorkomplex in der Zellmembran bzw den Zellmembranen und der Zellwand verankert sind Die Flagellen einschliesslich Haken und Motorkomplex bestehen vollstandig aus Proteinen Der Durchmesser der Filamente betragt bei den meisten Flagellen etwa 15 20 nm und sie sind hohl Wegen ihres geringen Durchmessers sind sie nur mit Dunkelfeldmikroskopie und Elektronenmikroskopie sichtbar zu machen mit normaler Lichtmikroskopie nicht es gibt jedoch spezielle Farbeverfahren durch die sie so weit verdickt werden dass sie lichtmikroskopisch sichtbar werden Beim Aufbau der Filamente werden die Proteinmolekule Flagellin durch den Hohlkanal der Flagellen bis zum ausseren Ende transportiert und dort angebaut Falls ein ausreichend grosser Vorrat an Flagellin in der Zelle vorhanden ist kann der Aufbau eines Filaments sehr schnell geschehen Die Flagellen der Archaeen auch Archaellen im Singular Archaellum genannt sind funktionell ahnlich aufgebaut wie die der Bakterien bestehen jedoch aus anderen Proteinen und einem unterschiedlichen Motorkomplex der mit ATP angetrieben wird Beispiele finden sich bei Haloarcula marismortui und Sulfolobus acidocaldarius Pyrococcus furiosus und Methanocaldococcus villosus 3 Begeisselungstypen Bearbeiten nbsp Vibrio cholerae mit monotricher Begeisselung links Vibrio parahaemolyticus mit einer monotrichen und mehreren peritrichen Flagellen rechts nbsp Anordnung der Flagellen polar begeisselter Bakterien nbsp Anordnung der Flagellen peritrich begeisselter Bakterien bei Fortbewegung und TaumelnNach Anordnung und Anzahl der Flagellen werden verschiedene Begeisselungstypen unterschieden in der Reihenfolge absteigender Schwimmgeschwindigkeit holotrich Zahlreiche Flagellen sind gleichmassig uber die gesamte Zelloberflache verteilt und umfassen die gesamte Korperoberflache peritrich Viele Flagellen sind gleichmassig uber die Zelloberflache verstreut polytrich bipolar Die Flagellen stehen in zwei gegenuberliegenden Gruppen an den Zellpolen auch als amphitrich bezeichnet polytrich monopolar Die Flagellen stehen in einer Gruppe an einem der Zellpole auch als lophotrich bezeichnet monotrich Die Zelle hat nur eine einzige Flagelle polar Das Flagellum bzw die Flagellen stehen an einem oder beiden Polen der Zelle lateral seitliche Begeisselung Flagellen stehen seitlich nicht an den Polen der Zelle Die laterale Begeisselung ist oft nicht mit hoher Schwimmgeschwindigkeit verbunden sie bietet aber den Vorteil dass sich das Bakterium leichter in Hindernisse wie hochviskose Flussigkeiten oder Lucken zwischen Feststoffen zwangen kann Bewegungsweise Bearbeiten Die Flagellen wirken durch ihre Wendelung ahnlich wie ein Propeller Der Motorkomplex setzt einen Konzentrationsunterschied an Protonen zwischen den beiden Seiten der inneren Zellmembran in eine Drehbewegung des auf einem gekrummten Haken sitzenden gewendelten Filaments um und folgt damit einem ahnlichen Bauprinzip wie die ATP Synthase Die Flagellenmechanik stellt das bisher einzig bekannte echt rotierende Gelenk in der gesamten Biologie dar Die Drehfrequenz liegt um 40 50 Hz Die Richtung der durch den Motor bewirkten Flagellen Drehung in Kombination mit der Windungsrichtung der Flagellen Wendel bestimmt ob ein Schub oder ein Zug auf den Bakterienkorper ausgeubt wird Die Richtung der durch den Motor bewirkten Drehung kann in sehr kurzer Zeit umgekehrt werden so dass Schub und Zug schnell wechseln konnen In der Regel ist die Drehrichtung der Flagellen so dass sie schieben Das bedeutet dass sie sich bei monopolar begeisselten Bakterien am Hinterende befinden Der Bakterienkorper dreht sich dabei langsamer in entgegengesetzter Richtung Erhaltung des Drehimpulses Bei bipolar begeisselten Bakterien drehen sich die Flagellen der beiden Enden gegensinnig Dadurch wirken die Flagellen des Hinterendes schiebend die Flagellen des Vorderendes sind nach hinten gebogen und drehen sich um das Vorderende des Bakterienkorpers und verstarken so den Schub Wird die Drehrichtung der Flagellen umgekehrt klappen die Filamente um das Hinterende des Bakteriums wird zum Vorderende und das Vorderende zum Hinterende das Bakterium schwimmt in die Gegenrichtung Die Flagellen peritrich begeisselter Bakterien drehen gleichsinnig und zwar in der Regel so dass sie schieben Dabei vereinigen sie sich zu einem nach hinten gerichteten gewendelten Bundel auch als Geisselzopf bezeichnet welches das Bakterium vorwarts schiebt Wird die Drehrichtung der Flagellen peritrich begeisselter Bakterien umgekehrt richten sich die einzelnen Flagellen radial vom Bakterienkorper abstehend und ihre Zugwirkung auf den Bakterienkorper hebt sich im Mittel auf wodurch das Bakterium in zufalliger Bewegung an einem Ort taumelt Die Umkehrung der Flagellen Drehrichtung und die damit verbundene Anderung der Bewegungsrichtung spielt bei Taxien eine bedeutende Rolle siehe beispielsweise Chemotaxis Die Geisseln der Eukaryoten BearbeitenAufbau Bearbeiten nbsp Querschnitt durch Axoneme der Geisseln von Chlamydomonas rheinhardtii Chlorophyta Transmissionselektronenmikroskopie nbsp Langsschnitt durch die Basis einer Geissel von Chlamydomonas rheinhardtii Transmissionselektronenmikroskopie nbsp Schema einer Eukaryoten Geissel 1 Axonem 2 Zellmembran 3 Stofftransport innerhalb der Geissel 4 Basalapparat 5 Querschnitt durch die Geissel ausserhalb der Zelle 6 Querschnitt durch den Basalapparat innerhalb der Zelle nbsp Schema eines Querschnitts durch eine Eukaryoten Geissel 1A 1B Doppelmikrotubuli an der Peripherie 2 zwei einfache Mikrotubuli in der Mitte 3 Dyneinarme 4 Speichen 5 Nexin Verbindungen 6 ZellmembranDie Geisseln der Eukaryoten sind fadenformige Gebilde die vom Korper nach aussen in das umgebende Medium ragen sie sind von der Zellmembran umgeben und von Zellplasma erfullt In ihrem Inneren liegen Mikrotubuli in einer speziellen Anordnung der sogenannten 9 2 2 Neun doppelte Mikrotubuli bilden im Querschnitt einen Kreis in dessen Mitte zwei einzelne Mikrotubuli liegen Die doppelten Mikrotubuli bestehen aus je einem vollstandigen Mikrotubulus A Tubulus und einem unvollstandigen Mikrotubulus B Tubulus Am A Tubulus befinden sich in gleichem Hohenabstand etwa alle 20 nm Paare von Protein Armen die als Dyneinarme bezeichnet werden Das gesamte Mikrotubuli Bundel wird als Axonem bezeichnet Diese Struktur wird von verschiedenen Bruckenproteinen stabilisiert vor allem Nexin An der Basis der Geissel wo sie in den Zellkorper ubergeht befindet sich ein Basalapparat dieser wird als Blepharoplast oder Kinetosom bezeichnet oft allerdings auch als Centriol da er strukturell einem solchen gleicht Er besteht aus neun dreifachen Mikrotubuli in einem Kreis 9 3 Struktur der quer zu einer zweiten gleich strukturierten 9 3 Struktur liegt An ihrem freien Ende sind Eukaryoten Geisseln zugespitzt Ihr Durchmesser betragt etwa 250 300 nm ihre Lange wenige Mikrometer bis mehr als 150 µm Ein anschauliches Beispiel fur geisseltragende Zellen stellen Spermatozoen dar Bei ihnen geht die Bewegung in einer Welle mit gleichbleibender Amplitude von der Basis zur Spitze der Geissel Gemeinsam mit den Zilien bezeichnet man die Geisseln der Eukaryoten auch als Undulipodien Bewegungsweise Bearbeiten Die zur hydrodynamischen Wirksamkeit erforderliche Formveranderung kommt nach dem bisherigen Wissensstand durch gegeneinander gerichtetes Gleiten der Doppelfibrillen zustande Die Energie dafur soll von den Dyneinarmen bereitgestellt werden und zwar durch hydrolytische Abspaltung von Phosphat aus ATP Das die Dyneinarme bildende Protein Dynein hat ATPase Aktivitat Das Mikrotubuli Gleiten hat eine Formveranderung der Geissel zur Folge Die Formveranderungen der Geisseln sind je nach Geisseltyp verschieden Sie konnen in einer uber die Geissel fortlaufenden Welle Undulation in einer Ebene oder in Form einer Wendel mit kreis bis ellipsenformigen Bewegungen bestehen sie konnen auch in einem Geisselschlag bestehen wobei die Geissel sich in der einen Richtung krummt und gewissermassen das Medium unterwandert und in der Gegenrichtung ausgestreckt schlagt und damit eine Kraft ausubt Geisseln die sich in der zuletzt geschilderten Weise bewegen werden Zilien genannt Sie sind meistens kurzer als andere Geisseln und in grosserer Dichte auf der Oberflache der Zellen und Gewebe angeordnet Die Folge der Geisselbewegung kann eine Fortbewegung des Individuums sein sie kann jedoch auch bei ruhendem Individuum eine Bewegung des angrenzenden Mediums oder in der Nahe befindlicher Partikel zur Folge haben Beispiele fur die Fortbewegung des Individuums sind frei bewegliche Ciliaten Flagellaten und Spermatozoen Beispiele fur die Fortbewegung des angrenzenden Mediums oder von Partikeln sind festsitzende Ciliaten und das Flimmerepithel in der Luftrohre von Tieren Variationen Begeisselungstypen Bearbeiten Bei einigen einzelligen Algen und Protozoen sind die Geisseln mit vielen seitlichen kurzen Filamenten sogenannten Mastigonemen oder Flimmern besetzt und werden als Flimmergeisseln bezeichnet Die Mastigonemen konnen in einer Reihe stichonematisch oder in zwei Reihen pantonematisch auftreten Tragt eine Zelle mehrere gleichartige Geisseln so spricht man von einer isokonten Begeisselung so zum Beispiel bei Grunalgen 4 Verschiedenartig begeisselte Zellen werden als heterokont oder anisokont bezeichnet wobei meist eine lange nach vorne gerichtete Flimmergeissel als Zuggeissel dient und eine kurze glatte Schleppgeissel nach hinten gerichtet ist so zum Beispiel bei den Heterokontae 5 Zellen ohne Geissel werden in Abgrenzung zu den begeisselten Formen als akont bezeichnet 6 Nach dem Insertionsort der Geissel unterscheidet man akrokont am Vorderende Zuggeissel pleurokont seitlich und opisthokont am Hinterende Schubgeissel Einzelnachweise Bearbeiten Kleinig Maier Zellbiologie 4 Auflage 1999 S 151 So wird z B in der deutschen Ubersetzung der 3 Auflage von Alberts Essential Cell Biology 2005 das englische Original flagella mit Flagellen Geisseln ubersetzt und aufgrund dieser Gleichsetzung die Geisseln der Eukaryoten im Folgetext als Flagellen bezeichnet vgl ebd S 625 ff Biologists Investigate Smallest Propeller on Earth Used by One of the Fastest Organisms on the Planet Auf SciTechDaily vom 12 Februar 2022 Quelle University of Exeter Isokont im Springer Lexikon der Biologie Heterokont im Springer Lexikon der Biologie Akont im Springer Lexikon der BiologieWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Flagellum Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Protonic NanoMachine Project Zur Evolution des Bakterienmotors Die Entstehung bakterieller Flagellen ist erklarbar Die bakterielle Flagelle Hinweise zu molekularem Aufbau Diversitat und Evolution Die Evolution des bakteriellen Motors aktueller Stand der Forschung zur EvolutionNormdaten Sachbegriff GND 4156348 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Flagellum amp oldid 236480534