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Die Euthycarcinoidea sind eine selten gefundene Gruppe ausgestorbener Gliederfusser von der Funde vom jungsten Kambrium bis zur mittleren Trias vorliegen Bisher sind 16 Arten beschrieben worden Obwohl einige Fossilien mit exzellenter Erhaltung vorhanden sind ist ihre genaue taxonomische Zuordnung bis heute ratselhaft vorgeschlagen wurde unter anderem eine Zugehorigkeit zur Stammgruppe der Tausendfusser zu den Krebstieren oder als Schwestergruppe der Hexapoda Wahrend die altesten bekannten Vertreter aus marinen Sedimenten stammen und wohl im Meer lebten stammen alle spateren Fossilien aus limnischen oder terrestrischen Ablagerungen Fossilierte Fussspuren Spuren oder Ichnofossilien aus dem spaten Kambrium und Ordovizium die der Gruppe zugeordnet werden gelten teilweise als die altesten unzweideutigen Nachweise fur Leben an Land EuthycarcinoideaEuthycarcinus kessleri Rekonstruktionszeichnung von Anton Handlirsch 1914 heutige Rekonstruktionen in zahlreichen Details abweichend Zeitliches AuftretenFurongium bis Anisium485 bis 247 Mio JahreFundorteEuropa Grossbritannien Frankreich Deutschland Nord und Sudamerika AustralienSystematikBilateriaUrmunder Protostomia Hautungstiere Ecdysozoa Gliederfusser Arthropoda MandibulataEuthycarcinoideaWissenschaftlicher NameEuthycarcinoideaGall amp Grauvogel 1964 Inhaltsverzeichnis 1 Korperbau 2 Lebensweise 3 Spurenfossilien 4 Verwandtschaft 5 Quellen 6 EinzelnachweiseKorperbau BearbeitenEs handelte sich um mittelgrosse abgeflachte Arthropoden Kleinste Art war Heterocrania rhyniensis mit ca 15 Millimeter Korperlange 1 Schramixerxes gerem aus Montceau les Mines erreichte 60 Millimeter Korperlange Grosste bisher beschriebene Art ist Mosineia macnaughtoni mit etwa 10 Zentimeter 2 Der Korper der Euthycarcinoidea war in drei gegeneinander abgesetzte Korperabschnitte Tagmata gegliedert Kopf Praabdomen manchmal auch Thorax oder Rumpf und Postabdomen Der Kopf besteht bei genauerer Betrachtung aus zwei Abschnitten Der vordere das Procephalon trug zwei lange einfache Gliederantennen und zwei halbkugelige spharoidale Fortsatze von denen fast alle Bearbeiter meinen dass es sich um Augen gehandelt hat obwohl bis 2019 niemals Facetten beobachtet worden sind Der hintere Gnathocephalon genannt trug die Mundgliedmassen Diese bestanden meist aus einem selten zwei Paar meist plattenformiger Strukturen bei denen es sich nach der gangigen Interpretation um Mandibeln gehandelt hat bei einigen Arten einer in der Kopfmitte unpaarig angeordneten Platte die nach Ansicht einiger Bearbeiter dem Labrum der Insekten homolog sein konnte Bei einigen Fossilien ist dies die einzige erkennbare Struktur Mandibeln fehlen dann ganz bei anderen Fossilien sind Mundwerkzeuge erhaltungsbedingt nicht erkennbar Der mittlere Abschnitt das Praabdomen war auf der Ober und Unterseite von Skleriten bedeckt Die oberen Tergite waren dabei erheblich breiter als die unteren Sternite und bedeckten die Beine von oben fast vollstandig Seitlich an jedem Sternit sass ein Beinpaar das vermutlich mit einem Apodem im Korper verankert war Die Anzahl der Sternite und damit der Beine und die der Tergite stimmte dabei nicht uberein pro Tergit waren zwei oder bei den hinteren Segmenten manchmal drei Beinpaare vorhanden haufig waren es elf Beinpaare Die Beine waren einastig uniram sie waren in zahlreiche bis zu 14 einfache untereinander gleichformige ringformige Segmente gegliedert die zur Spitze hin etwas kleiner wurden und endeten in einem Endstachel Bei einigen Arten trugen sie feine lange Borsten Kottyxerxes gloriosus 3 oder je einen kurzen stachelartigen Fortsatz 1 Der hintere Korperabschnitt das Postabdomen war schmaler als das Praabdomen und bestand meist aus funf manchmal aus vier oder sechs Segmenten ohne Beine oder andere Anhange und einem oft Telson genannten langen Endstachel variabler Lange Bei den Gattungen Sottyxerxes und Pieckoxerxes gefunden im Karbon der Lagerstatten Montceau les Mines Frankreich und Mazon Creek USA war das Praabdomen langgestreckt relativ schmal und trug 14 Tergite und 28 Laufbeinpaare die Tiere ahnelten dadurch rezenten Tausendfussern Bei den ubrigen Gattungen war es wesentlich breiter als das Postabdomen manchmal so bei den Gattungen Euthycarcinus und Heterocrania seitlich hinten zahnformig vorgezogen Meist waren funf Tergite erkennbar bei manchen Gattungen Mosineia bis zu sieben auch die Zahl der Beinpaare war variabel Lebensweise BearbeitenDer Korperbau und die Fundumstande deuten darauf hin dass die Euthycarcinoidea bodenlebende benthische Organismen waren die in der flachen Uferzone von Gewassern lebten Die Arten mit fein beborsteten Beinen waren moglicherweise auch schwimmfahig Nach der Begleitflora und fauna waren die besiedelten Gewasser in fast allen Fallen Susswasser oder Brackwasser Lebensraume Bei der Art Apankura machu aus dem Kambrium Argentiniens 4 und den in Quebec gefundenen Arten 2 also gerade bei den fruhesten bekannten Vertretern der Gruppe ist aber unzweifelhaft von einem marinen Lebensraum auszugehen Die Gruppe stammt also ursprunglich aus dem Meer und scheint sich spater in limnische Habitate zuruckgezogen zu haben Bei Tieren der Art Heterocrania rhyniensis aus dem Windyfeld Chert in Schottland ganz nahe der beruhmten Fossillagerstatte Rhynie wurde ein fossilierter Darminhalt gefunden Dieser besteht aus faserigem Material unzweifelhaft pflanzlicher Herkunft Aufgrund der Dornfortsatze der Beine wird aber auch uber eine mogliche rauberische Ernahrung spekuliert Fur andere Arten wird aufgrund der feinen Haarborsten an den Beinen eine filtrierende Ernahrung erwogen 1 Spurenfossilien BearbeitenIn fossil erhaltenen Boden von marinem Gezeitenwatt zum Beispiel aus Kanada und Australien sind Spurenfossilien bekannt die aus seitlichen Abdrucken zahlreicher Beinpaare und einer zentralen Schleifspur bestehen Diese sind als Parataxa je nach Auspragung mit zahlreichen Namen versehen worden Cruziana Didymaulichus Diplichnites Protichnites Diese konnen in vielen Fallen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Euthycarcinoidea bezogen werden 5 6 7 Obwohl es nicht mit Sicherheit moglich ist Spurenfossilien in sehr flachem Wasser von solchen an Land zu unterscheiden ist die verbreitetste Interpretation diejenige dass die Tiere das Wasser verlassen haben entweder um Algenwatten abzuweiden oder um von einem flachen Gezeitentumpel zum nachsten zu wandern Zu diesem Zeitpunkt liegen sonst keine Fossilien oder Spurenfossilien von landlebenden Tieren vor Moglicherweise waren die Euthycarcinoidea daher die ersten Tiere die das Wasser der Ozeane verlassen haben um zumindest kurze Ausfluge an Land zu unternehmen Zumindest bei zwei Arten Synaustrus brookvalensis und Kottyxerxes gerem wurden aber auch einfache tracheenartige Strukturen beschrieben die auf Luftatmung hindeuten konnten Aus dem Buntsandstein Deutschlands sind Ruhespuren von Arthropoden auf der Sedimentoberflache als Tripartichnus triassicus beschrieben worden Obwohl es naturgemass nicht eindeutig moglich ist den Spurenerzeuger zu identifizieren sprechen die Indizien auch hier fur einen Vertreter der Gruppe moglicherweise Euthycarcinus kessleri 8 Verwandtschaft BearbeitenAls Anton Handlirsch den ersten Vertreter der Gruppe Euthycarcinus kessleri aus dem Buntsandstein aus der Nahe von Saarbrucken beschrieb nahm er an dass er zu einer ausgestorbenen Ordnung der Krebstiere mit Beziehung zu den Ruderfusskrebsen gehorte 9 Gall und Grauvogel beschrieben diese Art neu nun als Vertreter einer eigenen Ordnung der Krebstiere fur die sie den Namen Euthycarcinoidea einfuhrten Spatere Bearbeiter vermuteten Beziehungen zu den Merostomata Pfeilschwanzkrebse und Seeskorpione die zu den Spinnentieren gehoren andere sahen sie unter anderem wieder als Krebstiere 10 oder als urtumliche Verwandte und mogliche Schwestergruppe der Hexapoda 3 Eine phylogenetische Analyse anhand morphologischer Merkmale 4 ergab eine Position basal innerhalb der Mandibulata mit Krebstieren Tausendfussern und Sechsfussern gemeinsam als Schwestergruppe Ihre tatsachliche Position ist aber unklar und hangt in kritischer Weise vor allem von der Interpretation des Kopfs mit seinen Anhangen ab Sie sind daher dieser Analyse zufolge als Arthropoda incertae sedis vermutlich zu den Mandibulata gehorig zu betrachten Eine Arbeitsgruppe um Gregory D Edgecombe vom Londoner Natural History Museum hat 2019 Heterocrania rhyniensis aus dem Schottischen Rhynie Chert neu untersucht Sie fanden bisher ubersehene morphologische Merkmale So besass die Art eindeutig Facettenaugen Am Kopf waren neben den Mandibeln als einzigen echten Mundwerkzeugen und dem Hypopharynx paarige Fortsatze die als Superlinguae anzusprechen sind Auswuchsen des Sternums des Mandibelsegments bei Tausendfussern und primitiven Hexapoda Im Kopfinneren wurden Teile des Tentoriums einer Struktur der Kopfinnenskeletts nachgewiesen Einen weiteren Sklerit interpretieren sie als mogliches Labrum Auf Basis der neuen Erkenntnisse favorisieren die Autoren ein Schwestergruppen Verhaltnis der Euthycarcinoidea mit den Myriapoda oder Tausendfussern Eine Zugehorigkeit zur Stammgruppe der Tausendfusser hatte wichtige Konsequenzen zu unserer Kenntnis von deren Evolution Damit ware nicht nur die Existenz dieser Klade bis ins Kambrium erstmals klar nachgewiesen sondern auch die lange gesuchte marine aquatische Stammgruppe der Myriapoda eingegrenzt 11 Quellen BearbeitenJavier Ortega Hernandez David A Legg Jonathan Tremewan Simon J Braddy 2010 Euthycarcinoids Fossils explained 59 Geology Today Vol 26 No 5 195 198 Patrick R Racheboeuf Jean Vannier Frederick R Schram Dominique Chabard Daniel Sotty 2008 The euthycarcinoid arthropods from Montceau les Mines France functional morphology and affinities Earth and Environmental Science Transactions of the Royal Society of Edinburgh 99 11 25 doi 10 1017 S1755691008006130Einzelnachweise Bearbeiten a b c Lyall I Anderson amp Nigel H Trewin 2003 An Early Devonian arthropod fauna from the Windyfield cherts Aberdeenshire Scotland Palaeontology Volume 46 Number 3 467 509 a b Joseph H Collette Three Dimensionally Preserved Arthropods from the Cambrian Furongian of Quebec and Wisconsin Systematics Phylogeny Ichnology and Taphonomy Masters Thesis 1896 February 2014 Paper 322 download a b Frederick R Schram amp W D Ian Rolfe 1982 New Euthycarcinoid Arthropods from the Upper Pennsylvanian of France and Illinois Journal of Paleontology Vol 56 No 6 1434 1450 a b N E Vaccari G D Edgecombe C Escudero 2004 Cambrian origins and affinities of an enigmatic fossil group of arthropods Nature vol 430 554 557 Gregory J Retallack 2008 Cambrian Ordovician non marine fossils from South Australia Alcheringa 33 4 355 391 doi 10 1080 03115510903271066 Joseph H Collette James W Hagadorn Mario A Lacelle 2010 Dead in their tracks Cambrian arthropods and their traces from intertidal sandstones of Quebec and Wisconsin Palaios 25 475 486 doi 10 2110 palo 2009 p09 134r Joseph H Collette Kenneth C Gass James W Hagadorn 2012 Protichnites eremita Unshelled Experimental Model Based Neoichnology and New Evidence for A Euthycarcinoid Affinity for This Ichnospecies Journal of Paleontology vol 86 442 454 doi 10 1666 11 056 1 Lothar H Vallon amp Martin Roper 2008 Spuren lesen Vom Abdruck zum Erzeuger Fossilien 2008 230 234 download Memento des Originals vom 19 Oktober 2014 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www palges de Anton Handlirsch 1914 Eine interessante Crustaeeenform aus der Trias der Vogesen Verhandlungen der Zoologisch Botanischen Gesellschaft in Wien 64 1 8 PDF Jean Claude Gall amp Lea Grauvogel Stamm 2005 The early Middle Triassic Gres a Voltzia Formation of eastern France a model of environmental refugium Comptes Rendus Palevol 4 637 652 doi 10 1016 j crpv 2005 04 007 Gregory D Edgecombe Christine Strullu Derrien Tomasz Goral Alexander J Hetherington Christine Thompson Markus Koch 2020 Aquatic stem group myriapods close a gap between molecular divergence dates and the terrestrial fossil record PNAS Proceedings of the National Academy of Sciences USA 117 16 8966 8972 doi 10 1073 pnas 1920733117 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Euthycarcinoidea amp oldid 223401649