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Als enterohepatischer Kreislauf oder auch Darm Leber Kreislauf wird das Zirkulieren bestimmter Substanzen im Korper von Saugetieren zwischen Darm Leber und Gallenblase bezeichnet Dies betrifft neben korpereigenen Substanzen wie beispielsweise den Gallensauren auch eine Reihe von Arzneistoffen und Giften Der enterohepatische Kreislauf ist keine eigenstandige anatomische Struktur des Korpers mit spezifischer Aufgabe wie beispielsweise das Stromungssystem des Blutkreislaufs sondern beschreibt das Verhalten bestimmter Stoffe im Korper das sich aus ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften ergibt Schema des Enterohepatischen KreislaufsEin Phanomen mit gegenteiliger Wirkung auf die Bioverfugbarkeit ist der First Pass Effekt Inhaltsverzeichnis 1 Prinzip 2 Physiologische Bedeutung 3 Pharmakologische Relevanz 4 Toxikologische Aspekte 5 Literatur 6 EinzelnachweisePrinzip BearbeitenUber die Nahrung aufgenommene Stoffe gelangen nach der Passage durch den Magen vom Darm durch Resorption in den Blutkreislauf und uber die Vena portae in die Leber Dort unterliegen sie zum Teil einer biochemischen Umwandlung das heisst sie werden durch Enzyme sowohl gespalten als auch mit bestimmten chemischen Gruppen versehen Bei letzteren Reaktionen entstehen sogenannte Konjugate Die Gesamtheit dient der Entgiftung sowie der Erhohung der Wasserloslichkeit Hydrophilie und damit der Ausscheidung dieser Stoffe Dieser Prozess wird auch als Biotransformation bezeichnet Von der Leber werden sie dann mit der Galle uber die Gallenblase und den Gallengang in den Darm abgegeben von wo sie dann in Abhangigkeit von ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften durch Resorption erneut in den Blutkreislauf und damit in die Leber gelangen konnen Da es sich beim enterohepatischen Kreislauf nicht um eine spezifische anatomische Struktur mit spezieller Aufgabe sondern um eine Eigenschaft einiger Substanzen handelt besitzt er hinsichtlich korperfremder Substanzen auch keine bestimmte Funktion fur den Korper Er kann fur die Wirkung von Medikamenten und anderen Fremdstoffen sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben Physiologische Bedeutung BearbeitenEine Reihe von korpereigenen Stoffen und von Substanzen die der Korper zur Aufrechterhaltung seiner Funktionen benotigt sind durch einen enterohepatischen Kreislauf gekennzeichnet Er verringert fur diese Stoffe die Menge die neu gebildet oder neu aufgenommen werden muss Der enterohepatische Kreislauf der Gallensauren wurde erstmals in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts von Moritz Schiff beschrieben Gallensauren unterliegen zu 85 bis 95 Prozent einem enterohepatischen Kreislauf und werden vor allem im hinteren Dunndarm resorbiert Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Gallensaurepool Dieser umfasst eine Menge von drei bis vier Gramm und zirkuliert pro Tag etwa vier bis zwolfmal zwischen Leber und Darm wodurch der Bedarf an Neusynthese von Gallensauren in der Leber mit 200 bis 600 Milligramm pro Tag nur ein Bruchteil der Menge betragt die ohne einen solchen zirkulierenden Pool neu gebildet werden musste Auch fur den Gallenfarbstoff Bilirubin ist der enterohepatische Kreislauf mit einer Ruckresorptionsrate von 15 bis 20 Prozent von Bedeutung ebenso fur Cholesterin Eine weitere physiologisch relevante Substanz mit einem ausgepragten enterohepatischen Kreislauf ist Vitamin B12 Cobalamin Auf Grund dessen kommt es vorwiegend in der Leber zu einer Speicherung von Vitamin B12 mit einer Gesamtmenge von zwei bis funf Milligramm 1 2 Die tagliche Ausscheidung und damit der Bedarf an Neuaufnahme liegt durch die Zirkulation im Bereich von nur ein bis drei Mikrogramm Entsprechende Mangelerscheinungen treten deshalb erst nach mehreren Jahren Vitamin B12 freier Ernahrung auf Pharmakologische Relevanz BearbeitenWie stark Arzneistoffe und ihre Abbauprodukte Metabolite einem solchen Kreislauf unterliegen hangt neben anderen Faktoren vor allem von deren Konzentration im Darm und im Blut ab Daruber hinaus konnen die in der Leber zur Erhohung der Hydrophilie gebildeten Konjugate durch Darmbakterien gespalten werden wodurch ihre Fettloslichkeit Lipophilie und damit ihre Resorbierbarkeit erneut ansteigt Ein ausgepragtes Zirkulieren eines Arzneistoffes im enterohepatischen Kreislauf fuhrt zu einem spateren Wirkeintritt sowie einer Verlangerung der Halbwertszeit und damit der Verweildauer des Stoffes im Korper Dies muss bei wiederholter Gabe eines Medikaments berucksichtigt werden um eine Uberdosierung und eine Uberlastung der Entgiftungskapazitat der Leber sowie Leberschaden zu vermeiden Der enterohepatische Kreislauf ist fur Arzneistoffe nur bei Arzneiformen relevant die im Darm resorbiert werden beispielsweise Tabletten Kapseln Dragees und peroral eingenommene Losungen Er kann deshalb bei einigen Arzneistoffen umgangen werden indem wenn moglich eine Arzneiform ohne Magen Darm Passage gewahlt wird wie zum Beispiel eine Sublingualtablette ein Nasenspray oder eine intravenose beziehungsweise intramuskulare Injektion Auch durch chemische Veranderung der Eigenschaften eines Wirkstoffes ist es moglich das Ausmass des Eintritts in einen enterohepatischen Kreislauf gezielt zu beeinflussen Der enterohepatische Kreislauf ist bei einigen Medikamenten auch ein Grund dafur dass das versehentliche oder irrtumliche Verschlucken einer Sublingualtablette zu Veranderungen im Wirkprofil fuhren kann neben den bereits genannten Auswirkungen auf den Wirkeintritt und die Wirkdauer unter anderem auch zu Nebenwirkungen an der Leber Auch ein Wirkverlust ist in diesem Fall moglich wenn der Arzneistoff durch das Zirkulieren im enterohepatischen Kreislauf seinen vorgesehenen Wirkort nur in unzureichenden Konzentrationen erreicht Arzneistoffe mit einem fur die Therapie relevanten enterohepatischen Kreislauf sind beispielsweise Digitoxin Tamoxifen Rifampicin Carbamazepin Barbiturate und viele trizyklische Antidepressiva Toxikologische Aspekte BearbeitenAuch einige Giftstoffe wie zum Beispiel Colchicin das Gift der Herbstzeitlosen weisen einen enterohepatischen Kreislauf auf Gleiches gilt fur die Amatoxine die Haupttoxine des Grunen Knollenblatterpilzes Insbesondere die Verlangerung der Halbwertszeit durch die Zirkulation zwischen Leber und Darm hat bei Giften negative Auswirkungen Analog zum enterohepatischen Kreislauf bei Arzneistoffen kommt zu einer Verzogerung des Wirkeintritts einer Verstarkung ihrer Wirkung und einer Verlangerung der Vergiftungsdauer Eine Vergiftung mit Knollenblatterpilzen ist beispielsweise durch eine symptomfreie Phase von acht bis zwolf Stunden Dauer und einen oft mehrtagigen Verlauf gekennzeichnet Eine Beschleunigung der Ausscheidung von Giftstoffen mit enterohepatischem Kreislauf oder von entsprechenden Arzneistoffen im Fall einer Uberdosierung ist durch Gabe von Aktivkohle moglich Durch diese werden die betreffenden Stoffe gebunden aus der Zirkulation zwischen Leber und Darm entzogen und mit der Kohle ausgeschieden Literatur BearbeitenErnst Mutschler Gerd Geisslinger Heyo K Kroemer Monika Schafer Korting Arzneimittelwirkungen Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie Achte Auflage Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2001 ISBN 3 80 471763 2 Gerhard Thews Ernst Mutschler Peter Vaupel Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen Funfte Auflage Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 1999 ISBN 3 80 471616 4Einzelnachweise Bearbeiten Alexandra Scheck Ernahrungslehre Kompakt Dritte Auflage UZV Sulzbach im Taunus 2009 ISBN 978 3 930007 22 6 S 138 Florian Horn Biochemie des Menschen Thieme Stuttgart 2005 ISBN 3 13 130883 4 S 482 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Enterohepatischer Kreislauf amp oldid 233149022