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Energiebilanz auch Energiehaushalt engl energy budget genannt ist in der Okologie und Okophysiologie die Bezeichnung fur die bilanzmassige Untersuchung und Darstellung der kontinuierlichen Energieumwandlungen Sie ist damit auch ein Teilgebiet der Bioenergetik Inhaltsverzeichnis 1 Energiebilanz und Energiefluss 2 Konzeptioneller Ansatz 3 Messmethoden und Beispielsgrosse 4 Okologische Bedeutung 5 Geschichte 6 EinzelnachweiseEnergiebilanz und Energiefluss BearbeitenEnergiebilanzen konnen fur einen einzelnen Organismus oder eine Population gemessen werden Wahrend bei grunen Pflanzen die fur Stoffwechsel und Wachstum benotigte Energie in Form von Strahlungsenergie aufgenommen wird wird sie bei Tieren als organisch gebundene Energie im Rahmen der Nahrungsaufnahme gewonnen Die Energieabgabe erfolgt in beiden Fallen uber Wachstum Nachkommenproduktion sekretorische Funktionen und weitere Energie benotigende Prozesse Die Weitergabe der in den Organismen gespeicherten Energie im Okosystem entlang einer Nahrungskette oder innerhalb eines Nahrungsnetzes wird als Energiefluss bezeichnet Konzeptioneller Ansatz BearbeitenEnergiebilanzen sind fur bestimmte Zeitspannen definiert z B fur eine Sekunde einen Tag oder ein Jahr oder auch uber die gesamte Lebenszeit des Individuums Statt von einer Energiebilanz sollte man korrekter von Leistungsbilanz sprechen Leistung Energie pro Zeitspanne Allerdings hat sich der Begriff der Leistungsbilanz in diesem Kontext nicht durchgesetzt wohl um die Verwechslung mit den analogen Begriffen in der Energietechnik bzw Volkswirtschaftslehre zu umgehen Die verwendeten energetischen Einheiten sind diejenigen der physikalischen Energie oder Arbeit bzw Leistung also z B J Joule oder kJ fur Energiebilanzen und z B J s Watt oder kJ d fur Leistungsbilanzen auch Raten genannt Eine vereinfachte Energie oder Leistungsbilanz fur Mensch und Tier kann wie folgt dargestellt werden C A E A P RHierbei gilt C Konsumptionsrate Ingestionsrate Fressrate A Assimilationsrate Absorptionsrate im Darmsystem P Produktionsrate Wachstumsrate der Gewebe und Produktionsrate von Eiern oder Embryos R Respirationsrate Atmungsrate E Egestionsrate Defakationsrate und Exkretionsrate Hinzu kommen gegebenenfalls je nach Tiergruppe noch weitere Messgrossen wie die an die Umwelt abgegebenen Energiegehalte die durch Hautungen z B bei Insekten und Schlangen verloren gehen Bei vielen Tieren kann man auch Defakation und Exkretion nicht ohne weiteres messtechnisch unterscheiden da die beiden Bestandteile vermischt abgegeben werden Vogel Insekten Messmethoden und Beispielsgrosse BearbeitenIn der Praxis werden vielfach nicht direkt Energieeinheiten gemessen sondern leichter bestimmbare Grossen wie Frischmasse Frischgewicht Nassgewicht Trockenmasse aschefreie Trockenmasse und Masse des organisch gebundenen Kohlenstoffs Insbesondere die Masse des organischen Kohlenstoffs in der Nahrung im Gewebe oder in den Ausscheidungsprodukten der mittels einer Verbrennungsapparatur Kalorimeter oder durch eine chemische Oxidationsreaktion leicht gemessen werden kann ist gut mit dem Energiegehalt der betreffenden Probe korreliert so dass er eine geeignete Ersatzgrosse darstellt Die Atmungsrate wird ublicherweise aus dem verbrauchten Sauerstoff oder dem produzierten Kohlendioxid abgeschatzt Messungen an Tieren und Pflanzen werden experimentell oder in kombiniert experimentell freilandanalytischen Analysen durchgefuhrt Beispiel Ein Mensch nimmt mit der Nahrung pro Tag eine Energie von 8 000 10 000 kJ auf die allerdings stark schwanken kann In den obigen Formeln entspricht dies der Konsumptionsrate C Sie ermoglicht eine Stoffwechselleistung von 100 W Temporar kann diese Grosse erheblich ansteigen z B auf uber 200 W bei mittelschnellem Gehen oder beim Ziehen eines leichten Wagens und kurzfristig auf uber 1000 W bei maximaler Korperanstrengung 1 Diese hohe Energiemenge wird in Form der geleisteten mechanischen Arbeit durch die Skelettmuskulatur die Kreislaufmuskulatur und die Atembewegungen verausgabt ferner durch die zellularen Aufwendungen fur Osmoregulation und molekulare Transportprozesse Bei allen diesen Aktivitaten wird automatisch auch immer Warmeenergie freigesetzt die eine Begleiterscheinung aller Energiewandelprozesse ist Die Summe der geleisteten mechanischen zellularen und thermischen Energie wird methodisch als Respirationsenergie R erfasst eine Einzelaufschlusselung der einzelnen Energiekomponenten ist vielfach schwierig Okologische Bedeutung BearbeitenDie Messung von Energiebilanzen erlaubt grundsatzliche Einsichten in die Energieflusse im Okosystem und damit in das Verstandnis seines Energie und auch Stoffhaushaltes Auch im Rahmen der Verhaltens und Evolutionsbiologie bilden Energiebilanzen wichtige Grundlagen fur die Theorienbildung da jeder Organismus seine Energieaufnahme gleichsam entweder in mehr Wachstum oder Fortpflanzung oder Bewegungsaktivitat usw zu Lasten der jeweils anderen energiebedurftigen Aktivitaten stecken kann Hier haben sich in der Evolution unterschiedliche Strategien ausgebildet Rauberisch lebende Saugetiere und Vogel verbrauchen verhaltnismassig viel Energie fur ihren Beutefang wahrend Krokodile durch das Prinzip des Auflauerns mit vergleichsweise geringerem Energieaufwand auskommen und dadurch auch langere Hungerphasen ertragen konnen Erkenntnisse uber Energiebilanzen und ihre Optimierung bilden auch die theoretische Grundlage der Produktionsberechnung in der Landwirtschaft Viehwirtschaft und Aquakultur Sie bilden ferner wichtige Grundlagen fur die Kalkulation irdischer Stoffbilanzen So geben Rinder gut 6 ihrer uber die Nahrung aufgenommenen Energie rund 300 Liter pro Tag in Form von Methan wieder uber die Atemluft ab was nicht nur die Energiebilanz dieser Wiederkauer belastet sondern auch den irdischen Treibhauseffekt beeinflusst Die Energiebilanz ganzer Okosysteme wird als Energiefluss bezeichnet und berechnet Energiebilanzen und Energieflusse sind eng mit den Stoffbilanzen gekoppelt siehe hierzu auch Stoff und Energiewechsel Geschichte BearbeitenDie theoretischen Vorarbeiten gehen auf Arbeiten von L von Bertalanffy 2 G G Winberg und andere zuruck S Brody M Kleiber 3 und weitere fokussierten stark auf Untersuchungen an Haustieren Erste detaillierte empirische Bilanzen freilebender Tierarten wurden an Susswasserorganismen erarbeitet so an Daphnien als Bilanzen auf Individuenebene ab 1958 4 und an Susswasserschnecken der Gattungen Ferrissia und Ancylus als Bilanzen auf Individuen und Populationsebene ab 1971 5 6 Ab etwa 1980 wurden vermehrt molekulare Aspekte biologischer Energieflusse im Rahmen der Bioenergetik 7 untersucht Einzelnachweise Bearbeiten W Muller S Frings Tier und Humanphysiologie 3 A Springer Berlin 2007 Ludwig von Bertalanffy 1957 Quantitative laws in metabolism and growth Quart Rev Biol 32 217 231 Max Kleiber 1961 The fire of life An introduction to animal energetics Wiley New York S Richman 1958 The transformation of energy byDaphnia pulex Ecol Monogr 28 273 291 Albert J Burky 1971 Biomass turnover respiration and interpopulation variation in the stream limpetFerrissia rivularis SAY Ecol Monogr 41 235 251 Bruno Streit 1976 Energy flow in four different field populations ofAncylus fluviatilis Gastropoda Basommatophora Oecologia 22 261 273 Albert L Lehninger 1982 Bioenergetik Molekulare Grundlagen der biologischen Energieumwandlungen G Thieme Stuttgart Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Energiebilanz Okologie amp oldid 234508849