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Die Flussmutzenschnecke Ancylus fluviatilis auch Flussnapfschnecke genannt ist die bekannteste und in Mitteleuropa einzige Art der Gattung Ancylus Sie wird heute in die Familie der Tellerschnecken Planorbidae gestellt 1 fruher wurde sie der inzwischen aufgelosten Familie Ancylidae zugeteilt Sie kommt ausser in Flussen und anderen Fliessgewassern auch auf felsigem oder steinigem Untergrund mancher Seen vor FlussmutzenschneckeFlussmutzenschnecke Ancylus fluviatilis SystematikKlasse Schnecken Gastropoda Ordnung Lungenschnecken Pulmonata Unterordnung Wasserlungenschnecken Basommatophora Familie Tellerschnecken Planorbidae Gattung AncylusArt FlussmutzenschneckeWissenschaftlicher NameAncylus fluviatilisO F Muller 1774 Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale 2 Ahnliche Arten 3 Geographische Verbreitung und Artstatus 4 Okologische Verbreitung 5 Lebensweise 6 Fortpflanzungsbiologie 7 Palaontologie 8 Einzelnachweise 9 Weitere Literatur 10 WeblinksMerkmale Bearbeiten nbsp Schale von Ancylus fluviatilisMorphologie Die Flussmutzenschnecke ist mit maximal 11 mm Schalenlange meist adult nur 5 8 mm als Adulttier eine kleine bis mittelgrosse aber mancherorts haufige und allgemein verbreitete Wasserlungenschnecke Basommatophora Die grosseren Formen uber 8 mm kommen in Mitteleuropa nur in relativ kalkreichen Bachen mit optimaler Ernahrungs und Temperaturbedingungen z B Nahe Bodensee vor Charakteristisch ist ihre napfformige Schale mit leicht nach rechts hinten gedrehter Spitze der Apex der Schale zeigt grob skulpturierte Radiarrippen Beim Schlupfen messen die Tiere weniger als 1 mm Schalenlange Karyologie Gegenuber der Mehrzahl der ubrigen napfformigen Vertreter der Planorbidae zeichnet sich die Art durch eine erhohte Chromosomenzahl aus Wahrend der haploide Chromosomensatz bei der Mehrzahl dieser Arten und Gattungen soweit sie untersucht worden sind speziell Rhodacmea cahawbensis Laevapex fuscus nicht bei Ferrissia Arten bei n 15 17 liegt was innerhalb der Basisausstattung aller Wasserlungenschnecken n 15 18 entspricht liegt er fur Ancylus fluviatilis bei n 30 tetraploid z T wurden auch n 60 oktoploid gemeldet 2 3 Ahnliche Arten BearbeitenDie Flussmutzenschnecke ahnelt oberflachlich betrachtet der Teichnapfschnecke Diese ist jedoch anatomisch rechtsgewunden Der Apex des Gehause zeigt demzufolge bei der Flussmutzenschnecke nach hinten rechts bei der Teichnapfschnecke nach hinten links Eine weitere Verwechslungsmoglichkeit speziell von juvenilen Flussmutzenschnecken besteht mit der vielleicht aus Nordamerika vielleicht aber auch aus anderen Regionen Europas eingeschleppten und traditionell als Ferrissia wautieri bezeichneten Art die exakte Zuordnung und Benennung ist derzeit noch unklar Diese Art hat wie die Flussmutzenschnecke eine linksgewundene Schale wird aber nur 3 4 mm lang tendiert zu eher langlicherer Schale und bildet manchmal nach Trockenphasen ein Septum an der Schalenunterseite aus Geographische Verbreitung und Artstatus BearbeitenDie Art ist uber grosse Teile West Mittel Ost und auch Nordeuropas bis Sudschweden norwegen finnland verbreitet Bei den in weiten Teilen des Mediterrangebiets Iberische Halbinsel Italien usw vorkommenden und nominell bislang ebenfalls mit Ancylus fluviatilis bezeichneten Formen handelt es sich nach molekulargenetischen Befunden um eigenstandige Formen denen mindestens der Verwandtschaftsstatus eigener Arten zusteht die aber bislang nicht nomenklatorisch eigenstandig bezeichnet sind Daneben wird uber Vorkommen dieser Formengruppe im nordostlichen Afrika kustennahe Gebiete von Marokko bis Tunesien Hoggar Gebirge in Algerien sowie im Hochland von Athiopien bis 2240 m Meereshohe berichtet 4 5 Naheres vgl auch unter der Gattung Ancylus Okologische Verbreitung BearbeitenDie Schnecken kommen in sauerstoffreichen stehenden und fliessenden Gewassern und auch in Karstquellen vor Sie benotigten auf jeden Fall Hartsubstrat mit geeignetem nicht zu geringem und nicht zu uppigem Algenbewuchs weshalb sie in Mitteleuropa insbesondere in Fliessgewassern haufig sind aber in Nord und Westeuropa sogar verbreitet auch in Seen vorkommen Im Gegensatz zu vielen anderen Susswasserschnecken vertragen die Tiere auch basenarmes saures Milieu Sie gelten in Deutschland mit einem Saprobienindex von 1 8 als Zeigerart fur die Gewasserguteklasse II 6 Sudeuropaische nordafrikanische und vorderasiatische Vertreter der Artengruppe konnen vermutlich bis zu einem gewissen Grad Austrocknungen der Gewasser durch Ausbilden einer Schutzschicht an der Unterseite der Schale uberdauern bei den mitteleuropaischen Formen ist dies nur eingeschrankt und kurzfristig durch starkes wassersparendes Festheften an den Steinuntergrund moglich Lebensweise BearbeitenErnahrung Die Flussmutzenschnecke ernahrt sich von pflanzlichem Aufwuchs Periphyton und Detritus wobei Kieselalgen kleine Grunalgen lokal auch Wasser Flechten und andere Nahrungskomponenten aufgenommen und verdaut werden Das Zerkleinern und Verdauen der Kieselalgen unterstutzen die zahlreichen im Muskelmagen aufbewahrten Sandkorner die uber den Fressvorgang aufgenommen und gespeichert werden 7 Die Tiere konsumieren in den aktiven Fressphasen zwischen 1 und 5 ihrer eigenen Korpermasse legen aber immer wieder Fresspausen ein s folgenden Abschnitt Aktivitat Die Tiere bewegen sich uber Gesteine Geroll und Felsuntergrund wobei sie in unregelmassigem Abstand ohne erkennbaren Tag Nacht Rhythmus Ruhe oder Aktivitatsphasen zeigen Die oft viele Stunden dauernden Ruhephasen verbringen sie eher an der vor Raubereinfluss geschutzteren Unterseite der Gesteine wahrend sie zum aktiven Abweiden der Nahrung in einem weitgehend ungerichteten Zufallsmuster uber die Gesteine ziehen Wo Nahrung in geeigneter Zusammensetzung und Dicke die mit der Radula abraspelbar ist vorliegt verharren sie und weiden durch alternierende Kopfbewegungen bei gleichzeitig langsamem Vorwartskriechen den Untergrund mehr oder weniger vollstandig ab Im Winterhalbjahr verharren die Tiere oft lange Zeit im Ruhezustand der zugleich ein Zustand reduzierter Stoffwechselaktivitat ist 8 Ausbreitungsbiologie Die unregelmassigen Aktivitatsphasen mit Zeiten des unbeweglichen Verharrens und des intensiven Weidens an ernahrungsmassig gunstigen Stellen dienen auch der Ausbreitung im Gewasser und dem Auffinden der vielfach fleckenhaft verteilten gunstigen Kleinlebensraume Hierdurch gelangt das Einzeltier im Laufe eines Jahres bis 1 m oder mehr vom Schlupfort entfernt Die Orientierung und Ausbreitung erfolgt offensichtlich zufallig lediglich eine leichte Komponente einer Flussaufwartsrichtung ist messbar Die raumliche Ausbreitung entspricht damit dem Ausbreitungsprinzip einer Diffusion Allerdings ist auch Ferntransport von Flussmutzenschnecken bekannt geworden speziell durch das zufallige Festheften an Fussen von Wasservogeln oder auch am Korper grosserer flugfahiger Wasserkafer Die beruhmteste Beobachtung uber ein Festheften an Kafern ist die von Charles Darwin in seinem Buch Die Entstehung der Arten S 386 der englischen Originalauflage Diese Form der Ausbreitung ist langfristig z B bei der Wiederbesiedlung ehemals vergletscherter Gebiete nach den Eiszeiten die bedeutsamere gegenuber der diffusiven Nahausbreitung die dafur der allmahlichen Besiedlung eines grosseren Gewasserabschnitts im Anschluss an eine lokale Erstbesiedlung dient Fortpflanzungsbiologie BearbeitenDie Flussmutzenschnecke ist wie alle Wasserlungenschnecken zwittrig wobei bei der Kopulation der eine Partner als Mannchen der andere als Weibchen fungieren kann Auch ubereinander liegende Kopulationsketten von vier bis funf Tieren bei denen das oberste nur als Mannchen das unterste nur als Weibchen und alle dazwischen sowohl als Mannchen als auch als Weibchen fungieren sind beschrieben worden 9 Allerdings zeigten weitergehende Untersuchungen dass in vielen Populationen eine ausgesprochene Tendenz zur Selbstbefruchtung vorliegt Durch Messung polymorpher Allozymloci wurde gefolgert dass nur 13 bis 15 der Jungschnecken aus Fremdbefruchtung hervorgegangen waren 10 und dass somit selbst bei ausserlichem Beobachten von Kopulationen vielfach mit der Verwendung des eigenen Spermas gerechnet werden muss Die Fahigkeit zur Selbstbefruchtung ist prinzipiell ein Uberlebensvorteil da selbst Einzeltiere wieder eine Population aufbauen konnen Die Eier werden in Form mehrerer gallertiger Eikapseln zu je 1 10 Eiern durchschnittlich um 5 7 Eier im Abstand einiger Tage abgelegt Der Beginn der Kopulation und Eiablage tritt meist ab einer Schalenlange von 4 bis 5 mm auf Nach der beginnenden Eiablage ist das Korperwachstum im Vergleich zum vorherigen Wachstum auf rund 1 5 der Wachstumsrate reduziert geht aber immer noch weiter Die Anzahl der Eier pro Kapsel hangt von der Grosse des Adulttieres sowie vom Ernahrungszustand ab Die Gesamtzahl abgelegter Eier pro Adulttier ist stark variabel und betragt im Maximum uber 100 Eier Eiablagen beginnen im Fruhjahr ab einer Temperatur von 7 bis 10 C Palaontologie BearbeitenAls Leitfossil im Bereich der heutigen Ostsee fuhrte sie zur Benennung des Ancylussee Einzelnachweise Bearbeiten Christian Albrecht Kerstin Kuhn amp Bruno Streit A molecular phylogeny of Planorboidea Gastropoda Pulmonata insights from enhanced taxon sampling Zoologica Scripta 36 27 39 Oxford 2007 C M Patterson J B Burch Chromosomes of pulmonate molluscs S 171 217 in V Fretter J Peake Pulmonates Vol 2A Academic Press London 1978 B Streit B T Stadler K Kuhn M Loew M Brauer B Schierwater Molecular markers and evolutionary processes in hermaphrodite freshwater snails S 247 260 in B Schierwater B Streit G P Wagner R DeSalle Molecular Ecology and Evolution Approaches and Applications Birkhauser Basel 1994 Hubendick B Studies on Ancylidae the Palearctic and Oriental species and formgroups In Acta Zool 5 5 52 1970 David S Brown Fresh Water Snails of Africa and their Medical Importance 2nd ed Taylor amp Francis 1994 Meyer Detlef Makroskopisch biologische Feldmethoden zur Wassergutebeurteilung von Fliessgewassern mit Artenlisten fur anfangende und geubte Untersucher und detaillierten Beschreibungen und Abbildungen der Indikatororganismen 4 unverand Auflage BUND Hannover 1990 ISBN 3 9800871 4 X W Schwenk J Schwoerbel Untersuchungen zur Ernahrungsbiologie und Lebensweise der Flussmutzenschnecke Ancylus fluviatilis O F Muller 1774 Gastropoda Basommatophora Arch Hydrobiol Suppl 42 190 231 1973 B Streit Experimentelle Untersuchungen zum Stoffhaushalt von Ancylus fluviatilis Gastropoda Basommatophora 1 Ingestion Assimilation Wachstum und Eiablage Arch Hydrobiol Suppl 47 458 514 1975 R Geldiay Studies on local populations of the freshwater limpet Ancylus fluviatilis Muller J Anim Ecol 25 389 402 1956 T Stadler S Weisner B Streit Outcrossing rates and correlated matings in a predominantly selfing freshwater snail Proc R Soc Lond B 262 119 125 1995 Weitere Literatur BearbeitenPeter Gloer Die Tierwelt Deutschlands Mollusca I Susswassergastropoden Nord und Mitteleuropas Bestimmungsschlussel Lebensweise Verbreitung 2 neubearb Aufl 327 S ConchBooks Hackenheim 2002 ISBN 3 925919 60 0Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Flussmutzenschnecke Ancylus fluviatilis Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ancylus fluviatilis in der Roten Liste gefahrdeter Arten der IUCN 2013 2 Eingestellt von Seddon M Albrecht C amp Van Damme D 2010 Abgerufen am 13 Februar 2014 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Flussmutzenschnecke amp oldid 186590228