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Der Streit der Facultaten in drey Abschnitten ist eine Schrift des deutschen Philosophen Immanuel Kant von 1798 1 Sie ist neben der gleichzeitig veroffentlichten Vorlesung Anthropologie in pragmatischer Hinsicht das letzte von Kant selbst herausgegebene Werk und geht auf Vorlesungen zuruck die nicht nur von den Studenten sondern auch von den Konigsberger Bildungsburgern sehr geschatzt wurden 2 Die Texte richten sich also an ein breites kein Fach Publikum und sind so allgemeinverstandlich wie moglich abgefasst Es ist eine kulturpolitische Streitschrift und eine akademisch gelehrte Abhandlung 3 Immanuel KantDer Streit aus dem Titel wird jeweils zwischen der freien philosophischen Fakultat und der damals unter dem direkten Einfluss der Regierung stehenden theologischen juristischen und medizinischen Fakultaten an preussischen Hochschulen an padagogische technische und naturwissenschaftliche Fakultaten waren damals noch nicht ublich Kant grundet das Werk auf dem Gedanken dass es bei den Wissenschaften nicht auf Nutzlichkeit sondern auf Wahrheit ankommen sollte 4 Mit der Kritik an der zeitgenossischen Praxis argumentiert er fur eine besondere akademische Freiheit der Geistes und Naturwissenschaften versammelt in der philosophischen Fakultat gegenuber Zensur und staatlichen Vorgaben Zu diesem Zweck bringt Kant drei Beispiele die zeigen wie die Philosophische Fakultat 1 durch Textkritik und Geschichtsforschung der Theologischen Fakultat 2 durch eine an der Freiheit orientierte Moral und Geschichtsphilosophie der juristischen Fakultat und 3 hinsichtlich der Berucksichtigung der Erfahrung der medizinischen Fakultat in der Wahrheitsfindung uberlegen ist Zugleich erkennt er an dass der Streit auf tatsachlich widerstreitenden Interessen der Fakultaten beruht Dabei ist die philosophische Fakultat dem Stand und dem Fortgang der Wissenschaften allein verpflichtet wahrend die drei hoheren Fakultaten zugleich jeweils spezifische Vorgaben des Staates entweder im Interesse des Gemeinwohls oder im Partikularinteresse der Regierung erfullen sollen Inhaltsverzeichnis 1 Veroffentlichung 2 Inhalt 2 1 Zueignung und Vorrede 2 2 Der Streit der philosophischen Fakultat mit der theologischen 2 2 1 Vom Verhaltnisse der Facultaten 2 2 2 Erlauterung des Streits 2 3 Der Streit der philosophischen Facultat mit der juristischen 2 4 Der Streit der philosophischen Facultat mit der medizinischen 2 4 1 Grundsatz der Diatetik 2 4 2 Beschluss 2 5 Nachschrift 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseVeroffentlichung BearbeitenDie drei Abschnitte entstanden ab 1793 Kant hatte Versuche unternommen sie jeweils als selbststandige Veroffentlichungen zu herauszubringen war aber 1794 und 1797 jedoch an Verboten der Zensur gescheitert Kant hatte das Religionsedikt der preussischen Regierung angegriffen und dafur eine Abmahnung von Johann Christoph von Woellner dem unter dem Zensuredikt zustandigen Minister Friedrich Wilhelm des II erhalten Die beiden Aufsatze die spater als die ersten beiden Abschnitte des Streits der Fakultaten veroffentlicht wurden konnte er in dieser Lage nicht publizieren Nach dem Tod des Konigs 10 11 1797 wurde durch seinen Nachfolger Friedrich Wilhelm III die von Woellner geschaffene Religionsexaminations Kommission aufgehoben das Religionsedikt praktisch nicht mehr angewendet und das Zensuredikt gemassigt Jetzt war es ihm moglich das Buch uber den Streit der Fakultaten mit der Bemerkung zu veroffentlichen Diesem Unwesen ist nunmehr gesteuret 5 Lediglich der dritte Abschnitt erschien Anfang 1798 im Journal der praktischen Arzneikunde und Wundarzneikunst Erst mit der Inthronisierung Friedrich Wilhelm III konnten die nun zu einer Schrift zusammengefassten Aufsatze im Herbst 1798 erscheinen Immanuel Kant schrieb 1796 in einem Nachwort zu Uber das Organ der Seele von Samuel Thomas Soemmering Mithin wird ein Responsum gesucht uber das zwey Facultaten wegen ihrer Gerichtsbarkeit in Streit gerathen konnen die medicinische in ihrem anatomisch physiologischen mit der philosophischen in ihrem psychologisch metaphysischen Fache wo wie bey allen Coalitionsversuchen zwischen denen die auf empirische Principien alles grunden wollen und denen welche zuoberst Grunde a priori verlangen Unannehmlichkeiten entspringen die lediglich auf dem Streit der Facultaten beruhen Wer es in dem gegenwartigen Falle dem Mediciner als Physiologen zu Dank macht der verdirbt es mit dem Philosophen als Metaphysiker und umgekehrt wer es diesem recht macht verstosst wider den Physiologen Das trifft zum Teil auch heute noch zu der Streit zwischen den Institutionen spiegelt das Leib Seele Problem wider Aus dem Zitat wird jedoch deutlich dass sie die Fakultaten und die von ihnen vertreten Lehrmeinungen nicht nur im Interesse Selbsterkenntnis Handlungstheorie vs Heilkunde sondern auch in der Methode philosophisch vs physiologisch auseinandergehen Inhalt BearbeitenDas Werk besteht aus einer Zueignung einer Vorrede und drei Abschnitten Die drei Hauptabschnitte sind ursprunglich eigenstandige Texte die Kant zu unterschiedlichen Zeitpunkten schrieb und erst spater zusammenfugte Unter diesen Umstanden ist es nicht erstaunlich dass die Schrift insgesamt wenig Koharenz aufzuweisen scheint Der zweite Abschnitt befasst sich abweichend eher mit einer geschichtsphilosophischen Fragestellung die jedoch im 8 Teil als Pointe die geschichtsphilosophische Notwendigkeit einer Publikationsfreiheit fur die Wissenschaften enthalt Der dritte Abschnitt scheint mit seiner Thematik aber auch im Stil und systematischen Aufbau ganz aus dem Rahmen zu fallen komplettiert aber den Durchgang durch die drei hoheren Fakultaten Durch die Rekontextualisierung handelt es sich aber um keinen rein religiosen oder religionspolitischen Text mehr wodurch die vorher eigen Verbote des ersten und des zweiten Abschnitts umgangen werden konnten Eine unveranderte Vorlage der Texte vor der Zensurbehorde hatte trotz der veranderten politischen Lage weniger Aussicht auf Erfolg gehabt Daraus ergibt sich aber die etwas seltsame Struktur nach der der grundlegende inneruniversitare Konflikt und damit der Rahmen der Abhandlung im ersten Teil des ersten Abschnitts dargelegt wird und der eigentlich Streit mit der zwischen theologischer und philosophischer Fakultat als Erlauterung dazu im zweiten Teil des ersten Abschnitts Dennoch eint die drei Abschnitte die Vorstellung von der freien Wissenschaft die den stattlichen Fachern eigne Methoden entgegensetzt Vernunft vs religiose Offenbarung Geschichtsphilosophie vs Staatskunst empirische Erkenntnis vs medizinische Dogmen Zueignung und Vorrede Bearbeiten Die Zueignung widmet das Werk Karl Friedrich Staudlin Doctor und Professor in Gottingen einem skeptischen und dem Konzept der Vernunft zugewandten Theologen der unter anderem von Kants Werken beeinflusst war und nicht den preussischen Zensur und Religionsedikten unterlag In der Vorrede geht Kant auf seinen Konflikt mit der preussischen Zensurbehorde ein der sich aus der Veroffentlichung seiner Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft ergeben hatte In der Vorrede kommentiert Kant seinem Briefwechsel mit Johann Christoph von Woellner Woellner hatte Kant im Auftrag des Konigs Friedrich Wilhelm II am 1 Oktober 1794 geschrieben ihn fur die Ausfuhrungen in seiner Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft getadelt und ihm unangenehme Verfugungen angedroht Kants Schrift hatte sich vor allem gegen das von Woellner 1788 initiierte und vom Konig unterstutzte Religionsedikt sowie das Zensuredikt gerichtet 6 Kant hielt an seiner Kritik fest Das war riskant denn die unangenehmen Verfugungen hatten unter anderem Entlassung Verbannung oder Zwangspensionierung ohne Bezuge bedeuten konnen Christian Wolff hatte 1723 in ahnlicher Lage nach Halle emigrieren mussen Um das zu vermeiden schloss Kant den Brief mit der Erklarung dass ich mich fernerhin aller offentlichen Vortrage die Religion betreffend es sei die naturliche oder geoffenbarte sowohl in Vorlesungen als in Schriften ganzlich enthalten werde 7 Vor diesem Hintergrund ist auch die Widmung an Staudlin zu sehen der auf diesem Gebiet publizierte Thematisch ergibt sich daraus bereits der Grundkonflikt zwischen der Regierung die im Interesse der Staatsraison in die akademische Beschaftigung mit bestimmten Themen eingreift Kant weist darauf hin dass seine Schrift die Aspekte der Religion die Interessen das Preussischen Staats betreffen nicht beruhre Sie sei ein wissenschaftliches Werk das die Frage nach der Offenbarung oder ihrem Inhalte bzw jede Kritik der traditionellen Dogmen vermeide und sich auch nicht als religioses Traktat an die breite Bevolkerung richte Tatsachlich aussert sich Kant in der Vorrede sogar noch kritischer zur preussischen Kulturpolitik die zahlreiche Kandidaten fur ein theologisches Studium die nicht auf der neuerdings pietistischen Linie lagen davon abschreckte und worauf diese die Juristenfakultat ubervolkerten Der Streit der philosophischen Fakultat mit der theologischen Bearbeiten Der erste Abschnitt beginnt mit einer Einleitung und handelt dann im Teil I Vom Verhaltnisse der Facultaten der Theologen der Juristen der Mediziner und der Philosophen in mehreren Unterkapiteln die die Fakultaten begrifflich bestimmen und die aus diesen Bestimmungen entstehenden Konflikte aufzeigen Teil II als Anhang bezeichnet ist in drei Kapitel gegliedert und behandelt beispielhaft das Verhaltnis zwischen Theologie und Philosophie also das in der Uberschrift angedeutete Kernthema dieses Abschnitts in ausfuhrlicher Form und mehreren Einzelbeispielen In der Einleitung gibt Kant einen Uberblick uber wissenschaftliche Institutionen den ganzen Inbegriff der Gelehrsamkeit 8 Die Universitat sei als Einrichtung geordnet wie die Zunfte also gegliedert in einzelne Fakultaten mit ihren Lehrern Doktoren und Dekanen als Regenten der Fakultat 9 Daneben gebe es zunftfreie Gelehrte die sich in Akademien auch Sozietaten der Wissenschaften als einzelnen Werkstatten organisierten oder als Liebhaber der Wissenschaften gleichsam im Naturzustande der Gelehrsamkeit leben 8 Kant vergleicht die Universitaten nicht grundlos mit den Zunften da beide Institutionen ein weitgehendes Recht der Selbstverwaltung einschliesslich Strafbefugnissen hatten Da sein Vater Sattler und Riemermeister war gehorte auch er zur Zunft der Riemer und hatte das Recht gehabt diesen Beruf auszuuben 10 Mit dem Eintritt in die Universitat Konigsberg betrat er eine Welt die in vielen Elementen ahnlich organisiert war wie eine Zunft Von den Mitgliedern der Universitat unterscheidet er die Litteraten Studierte die zwar auf der Universitat ausgebildet werden sich aber letztlich auf ihre praktischen Erfahrungen als Werkzeuge der Regierung Geistliche Justizbeamten und Arzte stutzen weil sie sich unmittelbar an das Volk wenden welches aus Idioten besteht wie etwa der Klerus an die Laiker 8 Der Begriff Idioten bezieht sich offensichtlich auf ihre Bezeichnung in der altgriechischen Klassik fur Privatmann Idiwths ist also keine Abqualifizierung der Laien und doch liegt man nicht falsch darin eine ironische Uberblendung zu sehen 11 Kant nahm den Witz ernst und trug ihn mit ernster Miene vor Sein Witz war subtil nie laut der Ironie naher als dem Humor Davon zeugt auch die Streitschrift Sie ist durchzogen von einem tiefen philosophischen Ernst aber auch von ironischer Distanz 12 Kant sah fur die Universitaten die gleiche Gefahr der der Staat uberall begegnet wenn er die Freiheit die er schutzen soll durch Uberregulierung und Eingriffe Steuern Subventionen gefahrdet und zeigt das an einem praktischen Beispiel Ein franzosischer Minister berief einige der angesehensten Kaufleute zu sich und verlangte von ihnen Vorschlage wie dem Handel aufzuhelfen sei Gleich als ob er darunter die beste zu wahlen verstande Nachdem Einer dies der Andere das in Vorschlag gebracht hatte sagte ein alter Kaufmann der so lange geschwiegen hatte Schafft gute Wege schlagt gut Geld gebt ein promptes Wechselrecht und dergleichen ubrigens aber lasst uns machen 13 Vom Verhaltnisse der Facultaten Bearbeiten Im ersten Unterabschnitt des ersten Teils bezeichnet Kant die Theologen Juristen und Mediziner wie damals ublich als Obere Fakultaten weil die von ihnen wissenschaftlich behandelten Themen im Interesse der jeweiligen Regierungen stunden die nicht nur mittelbar und unmittelbar die Rangverhaltnisse unter ihnen sondern auch die Formen und Inhalte beeinflussten denen diese Wissenschaften sich widmen Daraus ergaben sich gewisse Beschrankungen Daher schopft der biblische Theolog als zur oberen Facultat gehorig seine Lehren nicht aus der Vernunft sondern aus der Bibel der Rechtslehrer nicht aus dem Naturrecht sondern aus dem Landrecht der Arzneigelehrte seine ins Publicum gehende Heilmethode nicht aus der Physik des menschlichen Korpers sondern aus der Medicinalordnung 14 Anders jedoch die Philosophie die ihr alle glanzende von jener gebaute Federn ohne Verschonen abzieht und mit ihr nach dem Fuss der Gleichheit und Freiheit verfahrt 14 Wie sich im Zweiten Abschnitt zeigt rechnet Kant zur Philosophischen Fakultat Geschichte Erdbeschreibung gelehrte Sprachkenntniss Humanistik reine Mathematik reine Philosophie Metaphysik der Natur und der Sitten 15 Der Besuch der Veranstaltungen dieser Fakultat und der Abschluss mit dem Philosophicum war die Voraussetzung des Studiums an den ubrigen Fakultaten fur die diese die Grundlagen vermittelten z B naturwissenschaftliche Kenntnisse fur die Mediziner und Sprachkenntnisse fur die Theologen und Geschichtskenntnisse fur die Juristen Erst nach dem Philosophicum konnten die Studenten an eine hohere Fakultat wechseln oder an der unteren einen Magister Artium anstreben In drei Unterkapiteln geht Kant auf die Eigenthumlichkeiten der theologischen Fakultat A der Juristenfakultat B und der medizinischen Fakultat C ein Er arbeitet die Widerspruche heraus die bei Theologen zwischen Glauben und Vernunft bestehen die Bibel sei ein ewig gultiger Text 14 Rechtsnormen hingegen mussten sich der Veranderung unterwerfen nachdem die Erfahrung mehr oder bessere Einsicht gewahrt 16 Aber auch dann mussten sie nicht der Vernunft folgen 16 denn darin besteht eben das Ansehen der Regierung dass sie den Unterthanen nicht die Freiheit lasst nach ihren eigenen Begriffen sondern nach Vorschrift der gesetzgebenden Gewalt uber Recht und Unrecht zu urtheilen 16 Die Mediziner hingegen seien freier als die beiden anderen Fakultaten Zwar durften sie nur unter Beachtung der offentlichen Sicherheit praktizieren konnten sich aber fur den Inhalt ihrer Kenntnisse nur auf die Natur verlassen der gegenuber die Regierung keine Regelungsbefugnis habe In einem Zweiten Abschnitt befasst Kant sich mit der philosophischen also der unteren Fakultat Sie unterscheidet sich von den oberen Fakultaten durch die Freiheit der Wissenschaft Also wird die philosophische Facultat darum weil sie fur die Wahrheit der Lehren die sie aufnehmen oder auch nur einraumen soll stehen muss in so fern als frei und nur unter der Gesetzgebung der Vernunft nicht der der Regierung stehend gedacht werden mussen In Ansehung der drei obern dient sie dazu sie zu controlliren und ihnen dadurch nutzlich zu werden weil auf Wahrheit die wesentliche und erste Bedingung der Gelehrsamkeit uberhaupt alles ankommt die Nutzlichkeit aber welche die oberen Facultaten zum Behuf der Regierung versprechen nur ein Moment vom zweiten Range ist 17 Mit seinem Eintreten fur die Philosophische Fakultat verfolgte Kant zwei unterschiedliche Ziele Zum einen die Sicherung der Freiheit dieser Fakultat in Forschung und Lehre gegenuber dem Staat und dessen Zensurmassnahmen Zum anderen die systematische wiederum autonom definierte Rolle dieser Fakultat gegenuber den drei anderen Fakultaten Eben dies aber fuhrt auch zum Streit 18 Wenn die Aufgabe der Philosophie ernst genommen wird die anderen Wissenschaften daraufhin zu kontrollieren ob sie die Freiheit und Gleichheit verteidigen und die Regeln der Vernunft einhalten kann man sie entgegen dem damaligen Sprachgebrauch eigentlich nicht als untere Fakultat bezeichnen denn den anderen Fakultaten gegenuber hat sie offenbar das letzte Wort Dazu Kant Die Unterste Facultaet muss einmal die Oberste werden d i Alles der Gesetzgebung der Vernunft unterwerfen so schreibt er in einer Vorarbeit zum ersten Teil der Streitschrift 19 Diese Differenzen fuhren zum Streit der oberen Facultaten mit der unteren der gesetzwidrig Dritter Abschnitt oder auch gesetzmassig Vierter Abschnitt sein kann Gesetzwidrig ist er entweder der Materie wegen wenn es gar nicht erlaubt ware uber einen offentlichen Satz zu streiten oder bloss der Form wegen wenn die Art wie er gefuhrt wird nicht in objectiven Grunden die auf die Vernunft des Gegners gerichtet sind sondern in subjectiven sein Urtheil durch Neigung bestimmenden Bewegursachen besteht um ihn durch List wozu auch Bestechung gehort oder Gewalt Drohung zur Einwilligung zu bringen 20 Kant schildert typische Falle so vor allem die Zumutung der Leute gegenuber den Philosophen ein unmoralisches Leben die Durchsetzung von Unrecht oder den Wunsch nach Gesundheit trotz missbrauchlicher Lebensweise in irgendeiner Weise zu rechtfertigen wenn all dies durch die Fachwissenschaften nicht gelingen will Der Streit zwischen den Fakultaten ist gesetzmassig wenn die Philosophie ihre Aufgabe erfullt die Fachwissenschaften nach den Massstaben der Vernunft kritisch zu begleiten ihre Fehler aufzudecken und zu helfen sie zu vermeiden Da kann sie richtig oder falsch liegen und daruber kann und muss gestritten werden Da die Fachwissenschaften gleichzeitig unter dem Einfluss der politischen Krafte stehen gerat die philosophische Fakultat damit unvermeidlich auch in eine kritische Beziehung zu ihnen Folglich kann die philosophische Facultat ihre Rustung gegen die Gefahr womit die Wahrheit deren Schutz ihr aufgetragen ist bedroht wird nie ablegen weil die obere sic Facultaten ihre Begierde zu herrschen nie ablegen werden 21 Erlauterung des Streits Bearbeiten Teil II Anhang einer Erlauterung des Streits der Facultaten durch das Beispiel desjenigen zwischen der theologischen und philosophischen erlautert die im Teil I entwickelten Grundsatze am Beispiel des gesetzmassigen Streits zwischen der theologischen und philosophischen Fakultat Zuerst wird die Materie des Streits bestimmt der sich um den Vorrang zwischen naturlich rationaler Religionsphilosophie und Auslegung der Offenbarung besteht Kant entwickelt im Folgenden Grundsatze der Exegese die diesen Streit beilegen sollen die er dann gegen mogliche Einwande verteidigt um schliesslich den Streit nach einer Anmerkung zu Religions Secten in Form eines Friedens Abschluss beizulegen An diesen Anhang selbst schliessen sich zwei kleinere Anhange Anhang biblisch historischer Fragen uber die praktische Benutzung und muthmassliche Zeit der Fortdauer dieses heiligen Buchs und Anhang Von einer reinen Mystik in der Religion an die sich mit der Gultigkeit von Offenbarung uber die Zeit und mit rationaltheologischer Schwarmerei auseinandersetzen Er beginnt mit der Materie des Streits der in seinem Kern daraus besteht dass die Theologen sich auf die in der Bibel auf ewige Zeiten festgeschriebene gottliche Offenbarung stutzen die Philosophen hingegen auf eine Gesetzgebung der Vernunft um der Moral durch die aus dieser selbst erzeugten Idee von Gott auf den menschlichen Willen zur Erfullung aller seiner Pflichten Einfluss zu geben 22 Kant macht im Abschnitt Grundsatze der Schriftauslegung zu Beilegung des Streits verschiedene Vorschlage wie eine an philosophischen also vernunftigen Grundsatzen orientierte Auslegung der Heiligen Schrift deren Verstandnis erleichtern konne Theologischen Lehren wie die Dreieinigkeit die Lehre von der Himmelfahrt oder von der Auferstehung entzogen sich allerdings jeder logischen Ableitung uberall da aber wo die Theologen auch uber Moral sprachen konnten sie von den Philosophen lernen Die Schriftstellen also die eine blos passive Ergebung an eine aussere in uns Heiligkeit wirkende Macht zu enthalten scheinen mussen so ausgelegt werden dass daraus erhelle wir mussen an der Entwicklung jener moralischen Anlage in uns selbst arbeiten ob sie zwar selber eine Gottlichkeit eines Ursprungs beweiset der hoher ist als alle Vernunft in der theoretischen Nachforschung der Ursache und daher sie besitzen nicht Verdienst sondern Gnade ist 23 Im dritten Abschnitt Einwurfe und Beantwortung derselben die Grundsatze der Schrift Auslegung betreffend diskutiert Kant die Einwande die Philosophen mischten sich in das Geschaft des biblischen Theologen ein und widerlegt sie im Wesentlichen mit dem Hinweis darauf dass sich in der Religion doch auch die Vernunft offenbare sie also bei der Auslegung der Bibel sich ihrer bedienen musse Nun folgen vier offenbar spater entstandene Kapitel die sich uberwiegend mit der theologischen Fakultat und ihrem Verhaltnis zur philosophischen Fakultat beschaftigen und erneut mit einzelnen Fragen verbunden werden die schon diskutiert wurden Ein einem als Allgemeine Anmerkung Von Religionssecten betiteltem Abschnitt In diesem relativ langen Abschnitt legt Kant im Einzelnen dar dass die Ausserlichkeiten mit denen die verschiedenen Religionen sich voneinander unterschieden Kirchenglaube keine inhaltlichen Unterschiede bedeuteten im Kern gehe es immer um Religionsglauben oder Heidenthum Dieser Glauben lasse sich durch die Vernunft nicht beweisen sondern entstehe im Kern aus der Bewunderung vieler Tatsachen die wir uns nur als Ergebnis ubernaturlicher Schopfung erklaren konnten Sodann wird am Beispiel der Spener Franckischen Pietisten und Mahrisch Zinzendorfschen Moravianisten Lehren dargelegt dass deren Behauptung der Mensch konne sich moralisch nur durch ubernaturliche Einwirkung von Gnade verhalten mit den Grundregeln der Vernunft nicht zu vereinbaren ist Auf sie und nicht auf ubernaturliche Krafte solle der Staat setzen wenn er mithilfe der Forderung der Religionen gute Staatsburger und Soldaten haben wolle Kant entscheidet den Streit der Fakultaten hier durch eine Aufteilung der Zustandigkeiten In Friedens Abschluss und Beilegung des Streits der Facultaten schlagt er vor die Philosophen sollten sich mit allem beschaftigen was durch Vernunft erklarbar ist die Theologen hingegen mit der Frage was die Bibel uns zu sagen hat wenn wir sie als gottliche Offenbarung und Hinweis zu unserer Lebensfuhrung verstehen Tatsachlich griffen die Theologen aber uber dieses Feld weit hinaus nicht zuletzt durch die Behauptung naturwissenschaftliche Erkenntnisse seien durch Gott geoffenbart und nicht erst durch die Vernunft zu erschliessen Das wird am Beispiel der biblischen Chronologie und den an ihr begrundeten Zweifeln dargelegt Im Anhang biblisch historischer Fragen uber die praktische Benutzung und muthmassliche Zeit der Fortdauer dieses heiligen Buchs wird in einem Gedankenexperiment die Frage aufgeworfen ob man sich in der Zukunft in eine Zeit hinein bewegen werde in der die Bibel ihre Bedeutung verlieren und allein die Vernunft die Regeln staatliche Ordnung und des moralischen Verhaltens bestimmen konnte Die Bibel sei deshalb schwer wegzudenken weil sie in ihren Erzahlungen zahllose und vor allem allgemeinverstandliche Beispiele des moralisch Richtigen und Unrichtigen enthalte Es folgt ein Brief von Carl Arnold Wilmanns einem Mediziner der Kant ein Jahr zuvor zusammen mit dem Brief seine Abhandlung zu diesem Thema geschickt hatte Anhang Von einer reinen Mystik in der Religion Kant kommentiert dass die Thesen von Wilmans sich nicht vollstandig mit seinen eigenen Uberlegungen deckten aber bemerkenswert seien Wilmanns berichtete zunachst dass er die in der Kritik der reinen Vernunft aufgestellten Thesen und Uberlegungen vollstandig teile vor allem die Aussage religiose Mystik enthalte keine Verbindung zur Vernunft Er sei dann aber auf religiose Mystiker gestossen Separatisten die rituelle Gottesdienste ablehnten die Bibel zwar als gottliche Offenbarung lasen aus ihr aber eine Moral ableiteten die der von Kant entwickelten sehr ahnlich sei Die Besonderheit Kant veroffentlicht hier eine sanft kritische Stimme zu seinem Werk in der er zwar als ehrwurdiger Vater angesprochen wird die aber doch auf die Moglichkeit hinweist dass die von ihm so kritisierte mystische Haltung der Religionen sich mit vernunftigen Prinzipien vereinbaren lasst Der Streit der philosophischen Facultat mit der juristischen Bearbeiten Schon in der Uberschrift wirft Kant hier die erneuerte Frage auf Ob das menschliche Geschlecht im bestandigen Fortschreiten zum Besseren sei Er hatte sie schon im dritten Teil seines fruheren Aufsatzes Uber den Gemeinspruch Das mag in der Theorie richtig sein taugt aber nicht fur die Praxis 1793 behandelt Mit einem Streit der Fakultaten hat dieses Thema nur indirekt zu tun denn hier geht es um die Frage ob und wie die Universitaten an dieser Entwicklung teilnehmen wurden So durchziehen theologische juristische und philosophische Fragestellungen den Text Die Abhandlung besteht aus zehn Teilen Originaluberschriften kursiv In den beiden ersten Abschnitten betitelt Was will man hier wissen und Wie kann man es wissen wird die die Frage spezifiziert und die Methode zur Beantwortung festgelegt Man will wissen ob der Mensch im bestandigen Fortschreiten zum Besseren sei im Rahmen der Sittengeschichte der Menschengattung nicht im Rahmen der Naturgeschichte Kant grenzt die Frage also moralisch ein Nun stellt er die Methodik vor mit der diese Frage uberhaupt beantwortbar ist Voraussagen seien moglich indem der Wahrsager das Vorausgesagte selber macht Als Beispiele nennt er die biblischen Propheten Politiker und Geistliche Der Dritte Abschnitt Eintheilung des Begriffs von dem was man fur die Zukunft vorherwissen will trifft eine Fallunterscheidung Es gibt drei Antwortmoglichkeiten auf die gestellte Frage Ruckgang zum Argeren Fortgang zum Besseren oder Stillstand Den Ruckgang zum Argeren schliesst Kant teleologisch aus da der Mensch sich in diesem Falle am Ende selbst zerstoren wurde Die Natur hatte also etwas sinnloses erschaffen Der Fortgang zum Besseren sei ebenfalls schwer vorstellbar da jeder Mensch genauso gut wie bose sei Der Stillstand scheine daher die einzige wahrscheinliche Antwort zu sein jedoch verhielte sich der Mensch dann wie die Tiere Kant schliesst daher auch diese Moglichkeit aus Aber wir konnten keinen Standpunkt ausserhalb unser selbst einnehmen Das menschliche Geschlecht ist entweder im continuirlichen Ruckgange zum Argeren oder im bestandigen Fortgange zum Besseren in seiner moralischen Bestimmung oder im ewigen Stillstande auf der jetzigen Stufe seines sittlichen Werths unter den Gliedern der Schopfung mit welchem die ewige Umdrehung im Kreise um denselben Punkt einerlei ist Die erste Behauptung kann man den moralischen Terrorismus die zweite den Eudamonismus der das Ziel des Fortschreitens im weiten Prospect gesehen auch Chiliasmus genannt werden wurde die dritte aber den Abderitismus nennen Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten 24 Moralische Terroristen sehen die Welt am Abgrund und glauben in idealen Konzepten ein Gegenmittel zu haben tieferes Wissen eine Religion eine ideologische Konstruktion Sie neigen dazu die Konzepte und Konstruktionen anderer nicht mit Argumenten zu bekampfen sondern setzen sie moralisch unter Druck so wie Kant es in der Franzosischen Revolution vor allem in der Politik des Wohlfahrtsausschusses von Robespierre und Saint Just gesehen hatte terreur Max Weber hat 1919 diesen Gedanken aufgegriffen und als reine Gesinnungsethik bezeichnet die im Gegensatz zur Verantwortungsethik steht weil sie sich nur an den eigenen Ideen orientiert nicht aber an der Realitat die sie umgibt und die Verantwortung fur ihre Entscheidungen nicht ubernehmen will Wenn Sie statt Vaterstadt oder Vaterland was ja zurzeit nicht jedem ein eindeutiger Wert sein mag sagen die Zukunft des Sozialismus oder auch der internationalen Befriedung dann haben Sie das Problem in der Art wie es jetzt liegt Denn das alles erstrebt durch politisches Handeln welches mit gewaltsamen Mitteln und auf dem Wege der Verantwortungsethik arbeitet gefahrdet das Heil der Seele Wenn ihm aber mit reiner Gesinnungsethik im Glaubenskampf nachgejagt wird dann kann es Schaden leiden und diskreditiert werden auf Generationen hinaus weil die Verantwortung fur die Folgen fehlt Denn dann bleiben dem Handelnden jene diabolischen Machte die im Spiel sind unbewusst Sie sind unerbittlich und schaffen Konsequenzen fur sein Handeln auch fur ihn selbst innerlich denen er hilflos preisgegeben ist wenn er sie nicht sieht Der Teufel der ist alt Max Weber Politik als Beruf 25 Andere suchen in der Welt ihr personliches Gluck in der Stoa auch durch Beschrankung ihrer Wunsche ein antikes Konzept das Kant unter dem Begriff Eudaimonismus auch fruher schon vielfach kritisiert hat 26 weil es letztlich den Tod der Moral bedeute die nur auf der Erkenntnis der Pflicht und nicht aus der Suche nach dem Gluck beruhen konne 27 Wieder andere vertrauen darauf in einer Endzeit zu leben die bald eintreten und sie von allen irdischen Beschwerden erlosen werde Chiliasmus Und schliesslich Wer davon uberzeugt ist dass sich gar nichts andern kann gehort zum Volk der Abderiten Schildburger uber deren legendare Beschranktheit Christoph Martin Wieland 1774 1780 einen satirischen Roman geschrieben hatte der damals in aller Munde war Alle drei Positionen verstossen nach Kants Auffassung gegen die Vernunft die Erfahrung und das was wir als in der Natur angelegt erkennen konnen Kant leugnet nicht dass die Menschheit sich zum Besseren hin entwickeln konne diese Entwicklung musse aber von der Vernunft gesteuert werden nicht von Illusionen In ahnlicher Weise ausserte er sich bereits 1793 in Teil III seiner Schrift Uber den Gemeinspruch Das mag in der Theorie richtig sein taugt aber nicht fur die Praxis 28 In den folgenden sieben Ziffern des zweiten Abschnitts greift Kant auch auf Ideen zuruck die er 1795 bereits in den Drei Definitivartikeln seines Aufsatzes Zum Ewigen Frieden dargelegt hatte Dabei entwickelt er einige Ideen wie sich die politischen sozialen und kulturellen Strukturen der Menschen unter den gegebenen Rahmenbedingungen entwickeln werden wenn sie sich auf Vernunft Moral Pflicht Erfahrung und die grosse Kunstlerin Natur natura daedala rerum stutzen wie es im Aufsatz Zum ewigen Frieden heisst Kant versucht dennoch die Frage weiter zu erortern Im vierten Abhnitt legt er dar Durch Erfahrung unmittelbar ist die Aufgabe des Fortschreitens nicht aufzulosen Empirisch bei einer allgemeinen Betrachtung menschlichen Verhaltens lasst sich also weder eine Besserung noch eine Verschlechterung feststellen Wir sahen nur dass sich Ruck und Fortschritt bei dem Menschen abwechselten da er ein freies Wesen sei Kant bemerkt mit einiger Rhetorik An irgendeine Erfahrung muss doch die Geschichte angeknupft werden funfter Abschnitt Es muss eine Erfahrung geben die zeigt dass es in der Menschengattung ein Fortschreiten zum Besseren gabe Diese Erfahrung nennt Kant ein Geschichtszeichen Der sechste Abschnitt Von einer Begebenheit unserer Zeit welche diese moralische Tendenz des Menschengeschlechts beweiset Er versucht ein solches Zeichen in der Zeitgeschichte zu finden und sieht es in dem Enthusiasmus der Menschen in ganz Europa fur die franzosische Revolution Eine Begeisterung fur die Freiheit anderer in einem anderen Gemeinwesen dass nicht das eigene ist muss nach Kant eine moralische Ursache haben den moralischen Idealismus der aber wie oben gezeigt die Gefahr in sich birgt zum moralischem Terrorismus zu entarten Kant schlagt nun in Wahrsagende Geschichte der Menschheit Abschnitt 7 den Bogen zuruck Die Geschichte selbst sei somit wahrsagend Die Menschen befanden sich in einer Evolution hin zur idealen Verfassung zu der sie Geschichtszeichen hinfuhren wurden Auch bei Ruckschlagen Scheitern von Revolutionen deren Umschlag in Terror etc sei es doch so dass es bei der nachsten Gelegenheit wieder zur Fortentwicklung kame die sich in gestiegenen Erwartungen an und Begeisterung fur die Freiheitlichkeit zeigen Die ideale Staatsverfassung sei der Republikanismus Eines Tages werde er so stark verankert sein dass er nicht mehr umkehrbar sei Er zieht aus diesen Betrachtungen das Fazit dass der Mensch dem Fortschritt folge Zwischenzeitlich seien nicht von der Natur beabsichtigt dafur sei der Mensch viel zu unwichtig sondern sind vom Menschen gemacht Kant geht nun in Von der Schwierigkeit der auf das Fortschreiten zum Weltbesten angelegten Maximen in Ansehung ihrer Publicitat auf die Frage ein wie die zum Fortschreiten angelegten Maximen publik gemacht werden sollten Die Volksaufklarung geschehe nicht vom Staat aus sondern von den Philosophen aus dem Volk heraus Das Fortschreiten zum Besseren kann eben nicht als Erziehung verordnet werden sondern es muss sich aktiv entwickeln Damit Fortschritt nicht behindert wird sei soll daher Publikationsfreiheit herrschen ein Seitenhieb gegen die Zensurkommission Im Idealstaat sei das Volk gesetzgebend Der ideale Realstaat musse indessen erprobt werden Der 9 Abschnitt Welchen Ertrag wird der Fortschritt zum Besseren dem Menschengeschlecht abwerfen stellt noch einmal klar die Menschen werden nicht in sich moralischer aber die Haufigkeit moralischen Handelns wachst Der moralische Fortschritt der Menschheit sei nicht mit einer wesentlichen Veranderung der Menschheit begrundet sondern durch ein von der positiven Hinwendung der Einzelnen getragenes freiheitliches und selbst gesetzgebendes System des Zusammenlebens Das Gute stecke als Anlage ebenso wie das Bose bereits jetzt schon im Menschen sonst konnte sich seine Entwicklung zum Besseren auch nicht vollziehen Im letzten Abschnitt folgt noch einmal das Resumee In welcher Ordnung allein kann der Fortschritt zum Besseren erwartet werden Der Fortschritt komme von oben nach unten nicht andersherum Daher mussten die Erziehung und Bildung des Volkes vom Staate ausgehen Zudem musse sich ein Staat von Zeit zu Zeit selbst reformieren Die perfekte Verfassung verhindere zudem Angriffskriege Kant bezeichnet zwar die franzosische Revolution als gelungenes Beispiel fur einen moralischen Fortschritt gibt aber auf die in Nr 10 gestellte Frage die Antwort Nicht durch den Gang der Dinge von unten hinauf sondern den von oben herab 29 Nicht die Revolution ist der richtige Weg sondern Volksaufklarung Die Auffassung der Geschichte als eines Rechtsfortschrittes wehrt den Gedanken der Sinnlosigkeit ab Sie begrundet das Vertrauen den Vernunftglauben dass die Aufgabe der Menschen nach vernunftigen Prinzipien zusammenzuleben nicht schlechthin unerfullbar dass die Vernunft zu ihrer rechtlich praktischen Realitat nicht schlechthin ohnmachtig ist Kant sieht den Rechtsfortschritt weder durch einen Instinkt noch einen verabredeten Plan sondern durch die menschliche Natur besorgt Ottfried Hoffe Immanuel Kant 30 Der Streit der philosophischen Facultat mit der medizinischen Bearbeiten Der dritte Abschnitt enthalt ebenfalls keine systematische Darstellung eines Streits der medizinischen Mitte der philosophischen Fakultat des Verhaltnisses der Mediziner zu den Philosophen Es handelt sich um ein Antwortschreiben an Herrn Hofrath und Professor Hufeland der ihm 1796 sein Buch von der Kunst das menschliche Leben zu verlangern mit der Bitte zugesandt hatte sich zu der Frage zu aussern inwieweit die moralischen Entscheidungen notwendig zur Natur des Menschen gehorten Kant stand nicht nur mit ihm sondern auch mit anderen Arzten in Korrespondenz so mit Marcus Herz 1747 1803 auch mit Johann Benjamin Ehrhard 1766 1827 31 Kant nahm seine bereits Anfang 1798 veroffentlichte Antwort als dritten Abschnitt in das Buch mit dem Untertitel auf Von der Macht des Gemuths durch den blossen Vorsatz seiner krankhaften Gefuhle Meister zu sein um damit die philosophischen Grundfragen anzusprechen die fur die medizinische Fakultat relevant sind Der Text ist in drei Abschnitte gegliedert Grundsatz der Diatetik Beschluss und Nachschrift Grundsatz der Diatetik Bearbeiten Unter Diatetik versteht Kant nicht nur Regeln der richtigen Ernahrung sondern insgesamt eine Lebensweise die versucht emotionale Exzesse zu vermeiden und das Leben so zu akzeptieren wie es ist Das bedeutet nicht Gefahren zu vermeiden oder gar sich dem Nichtstun zur ergeben da dies eine Erschopfung aus Langeweile usw nach sich ziehen wurde Das Bett ist das Nest einer Menge von Krankheiten 32 Das lange Leben also wenn man dahin zurucksieht kann nur die genossene Gesundheit bezeugen und die Diatetik wird vor allem in der Kunst das Leben zu verlangern nicht es zu geniessen ihre Geschicklichkeit oder Wissenschaft zu beweisen haben 33 Hier taucht wieder Kants haufig wiederholte Haltung auf Dinge die man geniessen kann seien moralisch fragwurdig Moralisch ist eine Handlung nur dann wenn sie freiwillig Pflichten folgt die die Vernunft uns zeigt nicht aber wenn wir unsere Eigenliebe auch zu einem guten Zweck befriedigen Alle Gegenstande der Neigungen haben nur einen bedingten Werth denn wenn die Neigungen und darauf gegrundete Bedurfnisse nicht waren so wurde ihr Gegenstand ohne Werth sein Die Neigungen selber aber als Quellen des Bedurfnisses haben so wenig einen absoluten Wert um sie selbst zu wunschen dass vielmehr ganzlich davon frei zu sein der allgemeine Wunsch eines jeden vernunftigen Wesens sein muss 34 Kant geht dann auf einzelne Lebenssituationen ein wie die hypochondrische Reaktion auf vermeintliche Krankheitsbilder die Funktion des Schlafes das Essen und Trinken und die Gefahr sich durch allzu vieles Nachdenken gesundheitlich zu schadigen Weitere Ratschlage zum bewussten Ein und Ausatmen folgen Beschluss Bearbeiten Kant kommt am Ende zu dem Ergebnis dass man zahllose aber nicht alle Gemutsbewegungen durch den Einsatz des Verstandes und der notigen Selbstkontrolle in den Griff bekommen kann Solche Versuche konnten das Leiden im Gegenteil noch verstarken Geisteswissenschaftler seien hier mehr gefahrdet als Mathematiker denn sie mussten die komplexen Gedankenwelten in denen sie sich bewegen standig im Griff halten konnen das sei eine dauernde Uberforderung Im letzten Absatz findet sich die Andeutung dass Kant diese Schlusse aus eigenen Erfahrungen gezogen hat 35 Tatsachlich hatte er danach nur noch sechs Jahre zu leben und litt unter starken korperlichen wie geistigen Einschrankungen 36 Nachschrift Bearbeiten Die Nachschrift enthalt eine wiederum aus personlichen Erfahrungen entstandene Bitte an die Buchdrucker lesbarer zu drucken um die Augen der Leser zu schonen statt grauer Druckfarbe sollten sie schwarze verwenden der Druck sollte grosser ausfallen und vergleichbare Ratschlage mehr Literatur BearbeitenAkademie Ausgabe Immanuel Kant Kants gesammelte Schriften Band VII Georg Reimer Berlin 1917 S 1 114 archive org Neue Textausgabe Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Hrsg von Horst D Brandt und Piero Giordanetti Felix Meiner Verlag Hamburg 2005 Philosophische Bibliothek 522 ISBN 3 7873 1450 4 Sekundarliteratur Reinhard Brandt Universitat zwischen Selbst und Fremdbestimmung Kants Streit der Fakultaten mit einem Anhang zu Heideggers Rektoratsrede Akademie Verlag Berlin 2003 Deutsche Zeitschrift fur Philosophie Sonderband 5 ISBN 3 05 003859 4 Gerhard Medicus Was uns Menschen verbindet Humanethologische Angebote zur Verstandigung zwischen Leib und Seelenwissenschaften VWB Vlg f Wissenschaft und Bildung Berlin 3 Aufl 2015 ISBN 978 3 86135 585 4 Englische Ausgabe Being Human Bridging the Gap between the Sciences of Body and Mind VWB Vlg f Wissenschaft und Bildung Berlin ISBN 978 3 86135 584 7 Weblinks BearbeitenImmanuel Kant Streit der Fakultaten 1798 Digitalisat Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten 1798 Akademieausgabe Georg Reimer Berlin 1917 S 1 114 1 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Digitale Volltextausgabe nach der Akademieausgabe des Bonner Kant Korpus 2 Einzelnachweise Bearbeiten Immanuel Kant Der Streit der Facultaten in drey Abschnitten Konigsberg 1798 Manfred Kuhn Kant eine Biographie C H Beck Munchen 2003 ISBN 978 3 406 50918 6 S 469 Reinhard Brandt Universitat zwischen Selbst und Fremdbestimmung Kants Streit der Fakultaten mit einem Anhang zu Heideggers Rektoratsrede Deutsche Zeitschrift fur Philosophie Akademie Verlag Berlin 2003 ISBN 3 05 003859 4 S 155 Karl Vorlander Streit der Fakultaten In Ders Immanuel Kant Der Mann und das Werk 1924 Auf textlog de 14 Februar 2007 abgerufen am 17 August 2011 Manfred Kuhn Kant C H Beck Munchen 2003 ISBN 978 3 406 50918 6 S 467 Manfred Kuhn Kant eine Biographie C H Beck Munchen 2003 ISBN 978 3 406 50918 6 S 439 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen abgerufen am 13 Juni 2023 a b c Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 18 abgerufen am 14 Juni 2023 Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 17 abgerufen am 14 Juni 2023 Manfred Kuhn Kant eine Biographie 5 Auflage Beck Munchen 2004 ISBN 978 3 406 50918 6 S 43 47 Jurgen Mittelstrass Der Streit der Fakultaten und die Philosophie In Kant im Streit der Fakultaten Hrsg Volker Gerhard de Gruyter Berlin 2005 ISBN 978 3 11 018277 4 S 41 Jurgen Mittelstrass Der Streit der Fakultaten und die Philosophie in Kant im Streit der Fakultaten Hrsg Volker Gerhard de Gruyter Berlin 2005 ISBN 978 3 11 018277 4 S 42 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 19 FN abgerufen am 14 Juni 2023 a b c Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 23 abgerufen am 14 Juni 2023 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 28 abgerufen am 14 Juni 2023 a b c Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 25 abgerufen am 14 Juni 2023 Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 27 abgerufen am 14 Juni 2023 Jurgen Mittelstrass Der Streit der Fakultaten und die Philosophie In Kant im Streit der Fakultaten Hrsg Volker Gerhard de Gruyter Berlin 2005 ISBN 978 3 11 018277 4 S 44 Jurgen Mittelstrass Der Streit der Fakultaten und die Philosophie Kant im Streit der Fakultaten Hrsg Volker Gerhard de Gruyter Berlin 2005 ISBN 978 3 11 018277 4 S 45 46 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 29 abgerufen am 14 Juni 2023 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 33 abgerufen am 14 Juni 2023 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 36 abgerufen am 14 Juni 2023 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 43 abgerufen am 14 Juni 2023 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 81 abgerufen am 14 Juni 2023 Max Weber Politik als Beruf wikisource org S 64 abgerufen am 4 August 2023 Immanuel Kant Metaphysik der Sitten In Akademieausgabe Bd VI Korpora org S 377 ff abgerufen am 9 Juli 2023 Beatrix Himmelmann Kants Begriff des Glucks de Gruyter Berlin 2003 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 307 abgerufen am 13 Juni 2023 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 92 abgerufen am 14 Juni 2023 Otfried Hoffe Immanuel Kant Verlag C H Beck Munchen 1983 ISBN 978 3 406 08506 2 S 245 Urban Wiesing Immanuel Kant seine Philosophie und die Medizin In Kant im Streit der Fakultaten Hrsg Volker Gerhard de Gruyter Berlin 2005 ISBN 978 3 11 018277 4 S 84 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 101 abgerufen am 14 Juni 2023 Immanuel Kant Der Streit der Fakultaten Akademieausgabe Bd VII In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 100 abgerufen am 14 Juni 2023 Immanuel Kant Grundlegung zur Metaphysik der Sitten Akademieausgabe Bd IV In Korpora org Universitat Duisburg Essen S 385 abgerufen am 14 Juni 2023 Hans Joachim Schwarz Immanuel Kant Lebenskrise und diatetische Wende Werhahn Hannover 2019 Manfred Kuhn Kant eine Biographie C H Beck Munchen 2003 ISBN 978 3 406 50918 6 S 478 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Streit der Fakultaten amp oldid 237164593