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Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Die Abderiten Eine sehr wahrscheinliche Geschichte von Herrn Hofrath Wieland im Teutschen Merkur ist ein satirischer Roman von Christoph Martin Wieland der in der Zeitschrift Der Teutsche Merkur in den Jahren 1774 1780 in Fortsetzungen erschienen ist Laut Meid handelt es sich um den ersten deutschen Fortsetzungsroman 1 Abderit ist eine Bezeichnung fur einen Schildburger also einen naiven einfaltigen Menschen Hergeleitet wird der Begriff von der antiken Stadt Abdera die zwar die Heimat so bedeutender Manner wie Demokrit und Protagoras war aber dennoch bei den Hellenen in den Ruf Schildas kam Schon von Zeitgenossen Wielands wurde die Meinung geaussert er beschreibe Verhaltnisse seiner Heimatstadt Biberach an der Riss Moglicherweise hatte Wieland einige Charaktere der Reichsstadt vor seinem geistigen Auge er stellt in dieser Schrift aber auch menschliche Verhaltensweisen dar die zu allen Zeiten an allen Orten unter Menschen zu finden sind Formal ist der Roman angelehnt an die von antiken Komodiendichtern und Satirikern kolportierten Geschichten aus Abdera Der Roman regte wiederholt Werke anderer Kunstler an u a August von Kotzebue Friedrich Durrenmatt Richard Strauss Peter Ustinov Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau 1 1 Ein Fortsetzungsroman 1 2 Uberblick uber die Handlung 2 Deutung 2 1 Der Vorbericht als paratextuelle Rahmung 2 2 Demokritus als von Wieland konstruierte Idealfigur 2 3 Zum Ursprung der Abderiten 3 Sozialhistorischer Kontext Wielands Geschichte der Abderiten und Konzepte der Aufklarung im 18 Jahrhundert 3 1 Wielands Aufklarungsbegriff 3 2 Offentlichkeitskritik als Teil der Aufklarung 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseAufbau BearbeitenEin Fortsetzungsroman Bearbeiten Wie bereits erwahnt handelt es sich bei der Geschichte der Abderiten um ein Werk welches zunachst nur in der Zeitschrift Der Teutsche Merkur erschienen ist Zwischen den Jahren 1774 und 1780 wurden von Wieland immer weitere Teile der Geschichte veroffentlicht und erst spater wurde die Erzahlung in einer Buchform zusammengebunden In den spateren Buchfassungen werden Abschnitte oftmals verschoben oder gar geglattet was jedoch nicht selten durch die Uberarbeitungen neuer Editoren geschieht Gerade die Lucken die den Zeitraum zwischen den Teilstucken darstellen mussen in der Zeitschriftenfassung uberwunden werden eine Mediation muss also moglich sein was in der Buchfassung jedoch schlussendlich weg fallt Uberblick uber die Handlung Bearbeiten Die Geschichte der Abderiten ist zunachst in funf Abschnitte gegliedert die jeweils als Buch bezeichnet werden Die ersten drei Bucher behandeln allgemeine kulturelle und gesellschaftliche Fragestellungen Die Masse der Abderiten beschaftigt sich mit einzelnen Intellektuellen erst Demokritus dann Hippokrates und zuletzt Euripides Das vierte Buch beschaftigt sich mit den Funktionen des abderitischen Rechtssystems anhand eines konkreten Falls und zeigt dabei auf wie kritikwurdig dieses Rechtssystem ist Das funfte Buch wirft einen Blick auf institutionelle und politische Fragen des Gemeinwesen und beleuchten verschiedene Aspekte der innergesellschaftlichen Dynamik der Abderiten Der VorberichtDie Geschichte der Abderiten beginnt mit einem vorangestellten Vorbericht der sich auf etwas mehr als eine Seite erstreckt Dieses Vorwort wirkt als ware es von jemand anderem als Wieland selbst verfasst worden da der Verfasser S 9 in dritter Person erwahnt wird Am Ende des Textes ist jedoch kein Autor ausfindig zu machen das Vorwort wurde also doch von Wieland verfasst Jedoch sind der Verfasser des Vorberichts und der der Hauptgeschichte womoglich zwei verschiedene Kunstfiguren Der Vorbericht richtet sich an die noch unwissenden Leser der folgenden Geschichte und betont den Wahrheitsgehalt der Erzahlungen und die Ehrlichkeit des Autors der Geschichte Erstes Buch Demokritus unter den AbderitenDemokritus ein geborener Abderit verlasst im jungen Alter von zwanzig Jahren die Stadt um die Welt zu bereisen In zwanzig Jahren bereist er alle zu dieser Zeit erreichbaren Lander mit dem Wunsch Natur Kunst und Kultur in ihrer Ganze erforschen und kennenlernen zu konnen Dadurch sammelt sich ein grosser Wissensschatz an mit dem er nach Abdera zuruckkehrt Die Abderiten wollen uber die anderen Lander Geschichten horen die sie sich so vorstellen Lander mit Menschen ohne Kopfe Volker ohne Nasen und Hunde als Konige Demokrit jedoch berichtet von tatsachlich Gesehenem was von den Abderiten nicht immer akzeptiert wird Trotzdem wird immer wieder nach seiner Meinung und seinem Rat gefragt auch als er sich auf das Land zuruckzieht Je weiter er sich zuruckzieht umso grosser werden die Geruchte Demokrit wurde sich an Zauberkunsten probieren Zweites Buch Hippokrates in AbderaIm Zweiten Buch wird uber den Geisteszustand des Demokritus beraten und es werden Uberlegungen angestellt Die Abderiten unterstellen Demokritus ein Hexenmeister zu sein Sein Wissen gehe uber ihren eigenen Wissensschatz hinaus wodurch sie schlussfolgern Demokritus konne nur ein Zauberer sein Daruber hinaus sollen Betruger Zauberbucher in Demokritus Namen veroffentlicht haben Die Abderiten beginnen sich um ihren Mitburger zu sorgen denn so etwas nehme nie einen guten Ausgang Dabei sei nicht zu vergessen dass die Griechen so der Erzahler gerne Narren mit ihren Philosophen getrieben haben sollen und daher bleibt auch Demokritus nicht verschont Doch ihre Sorgen finden die Abderiten begrundet Demokritus sei oft geistig abwesend reagiere nicht auf Gesprache verschwende seine Zeit Krauter an den Klippen zu suchen obwohl es in der Umgebung genug gabe beobachte nachts mit einem Blaserohr die Sterne und arbeite mit den Eingeweiden von Tieren allen voran Hunde Katzen und auch Froschen Seine Arbeit bezeichnet man als unnutz fur Abdera man empfindet Demokritus selbst als widerspruchlich spottisch man sagt ihm einen schlechten Kunstgeschmack nach und dass er ein Freygeist also unglaubig sei Die Abderiten beratschlagen daraufhin ob es mit seinem Verstand so weit gekommen sein konnte dass er Hilfe benotige nicht mehr selbststandig Entscheidungen treffen solle Schliesslich wird durch den Ratsherren Thrasyllus wenn auch nicht direkt beabsichtigt der Arzt Hippokrates herbei gerufen Thrasyllus sei hinter dem Vermogen des Demokritus her und wolle daher dass dieser als ein Narr bestatigt wird Doch es liessen sich keine Beweise finden mit denen die Mehrheit der Abderiten zufrieden gewesen ware Schliesslich wird Hippokrates ein unparteiischer Arzt gerufen um den Geisteszustand des Philosophen zu uberprufen und ihn als Narr zu entlarven Thrasyllus versucht den Arzt durch ein Festmahl und sogar durch Geld auf seine Seite zu bringen doch Hippokrates scheint kein Interesse an diesen kostspieligen Geschenken zu haben Als Hippokrates schliesslich Demokritus aufsucht fallt es ihnen leicht ins Gesprach zu kommen Beide kommen schliesslich zu dem Entschluss dass es die Abderiten sind die als krank anzusehen sind Hippokrates gibt schliesslich sein Ergebnis der Untersuchung in Abdera bekannt Die Abderiten seien krank und er empfehle viel Nieswurz zur Reinigung und ein Beten an die Gotter dass man diese Krankheit von ihnen nehme denn er selbst konne ihnen nicht helfen Die Abderiten sind schockiert und konnen die Worte des Arztes nicht so recht begreifen Schliesslich kommen sie zu dem Entschluss dass Hippokrates ein Quacksalber sei er Kranke schaffen wolle um an Geld zu kommen oder er gar einen Anschlag auf die Aristokratie vorhabe Dies alles fuhrt zu einem Streit der Bevolkerung der nur durch den Stundenrufer gelost werden kann der die Abderiten zum Mittagessen ruft an das man sich zu halten hat Drittes Buch Euripides unter den AbderitenDie Besonderheit des dritten Buches liegt in der Perspektive des Erzahlers Scheint er doch in den anderen Buchern sehr eindeutig negativ gegenuber den Abderiten eingestellt zu sein zeigt sich hier eine andere Sicht Im Rahmen eines Theaterbesuchs bei dem die Abderiten vollig verzaubert von Euripides Theater sind aussert der Erzahler sich wohlwollend uber diese Eigenschaft der Abderiten die sich vollkommen auf das Geschehen einlassen konnen So schreibt er Die grosse Disposition der Abderiten sich von den Kunstlern der Einbildungskraft und der Nachahmung tauschen zu lassen sey eben nicht das was er am wenigsten an ihnen liebe 2 Gegensatzlich dazu tadelt er das aufgeklarte Publikum das sich in seinem Raisonnement daruber was alles in der Vorstellung fehle sie gleichzeitig entzaubere Viertes Buch Der Prozess um des Esels SchattenIm vierten Buch kommt es zu einem Streit zwischen einem Eseltreiber und einem Zahnarzt Ein Zahnarzt mietet sich einen Esel und will wahrend einer Rast in seinem Schatten Schutz finden Der Eseltreiber will jedoch klar zwischen Esel und Schatten unterschieden haben und mochte somit den Schatten des Esels gesondert verguten Dies fuhrt zu einem Gerichtsstreit der ganz Abdera in zwei Parteien teilt Am Ende wird der Esel zum Opfer der aufgezeigten Tragodie Die angestaute Prozesswut fuhrt dazu dass der Esel auf den Strassen Abderas vom Volk in tausend Stucke zerrissen wird Somit ist das Problem gelost Ohne Esel gibt es keinen Schatten und ohne Schatten keinen Gerichtsstreit Funftes Buch Die Frosche der LatonaDieses Buch in Geschichte der Abderiten befasst sich mit dem Streit um die abderitischen Frosche und wie mit ihnen umgegangen werden soll Die Abderiten verehrten Latona und mit ihr wurden auch die Frosche zu einem besonderen Symbol Schon langer gab es sogenannte Froschgraben doch hatte die Jugend sich wie es oft ublich scheint von der Tradition entfernt Erst durch den Erzpriester Agathyrsus wurde diese Tradition wieder ins Leben gerufen ein Wetteifern fuhrte schliesslich dazu dass fast uberall solche Froschgraben entstanden Doch dies brachte Streit mit sich denn man erkannte zwar dass es ein Problem gab doch den Ursprung fanden die Abderiten nicht Der Philosoph Korax war es schliesslich der den Blick auf die unzahligen Froschgraben warf und diese kritisierte Bereits hier entsteht die erste Meinungsverschiedenheit denn man war der Ansicht dass man zwar uber alles philosophieren durfte aber eben nicht uber Latona und deren Frosche Er erreichte wie es zu vermuten ist mit seinen Thesen vor allem die jungen Abderiten Korax treibt es so weit dass er sogar die Verwandlungssagen die sich um die Tiere ranken anzweifelt was ihn und seine Anhanger zu sogenannten Gegenfroschlern machte Auch sagt der Philosoph voraus dass weiteres Unheil drohe wenn nicht gar von den Froschen eines ausgehe welches grosser als jenes von Ungeheuern sei Doch die Sorge der Abderiten wurde erst greifbar als die Frosche begannen die Teiche zu verlassen und immer mehr von ihnen im Tummel des alltaglichen Lebens der Abderiten unabsichtlich zertreten wurden Die Frage nach den Froschen ging schliesslich vor den Rat Meidias war der erste der anmerkte dass es zu viele dieser Tiere gabe und es die Gottin nicht ubelnehmen konne was mit ihnen geschehen ist Damit stimmte der Senat einstimmig dafur dass man der Frosche Herr werden musse Doch nun entstand ein erneuter Streitpunkt Denn wer solle nach einer Losung suchen Die Akademie der Wissenschaft und damit Korax oder doch jemand anderes Der Oberpriester Stilbon scheint hier die treibende Kraft zu sein welche die Frosche schutzen will und durchsetzen mochte dass ihnen nichts geschieht Schliesslich wurde doch die Akademie mit der Losung beauftragt und Korax verfasste schliesslich ein Gutachten in dem er riet die Frosche zu essen was andernorts durchaus ublich sei Auch stellt er die Verwandlung als etwas Widernaturliches dar und argumentiert es sei in den jetzigen Froschen kaum ein Keim mehr von jenen Froschen ubrig die man zu Latona rechne Ausserdem seien Frosche uberall gleich Abdera sei nicht schlechter als es ist wenn es fruher nur einen Frosch und einen Teich gegeben hatte Latona konne ihnen ein Einschreiten wohl kaum ubel nehmen Wahrend Korax dieses Gutachten in einem guten Willen verfasste so wird er von Stilbon jedoch zum Feind der Gotter und der Menschen erklart Als das Gutachten schliesslich vorgelegt wird so herrscht zunachst zwar Belustigung vor doch bald schon Entsetzen Die Frosche werden in diesem Augenblick durch den Erzahler mit den Kindern gleich gesetzt und den Abderiten war als sollen sie ihre eigenen Kinder zerhacken Wahrend die ganze Akademie der Wissenschaften nun als gottlos bezeichnet wird versucht Meidias zu schlichten doch das Entsetzen der Abderiten findet ihre Begrundung in der Tatsache dass es um die heiligen Frosche geht Stilbon schreibt ein Buch in welchem er sich soweit erhitzt dass er schliesslich die Leute die ihn nicht erhoren wollen als undankbar bezeichnet und auch beschliesst dass diese im Staat nicht langer geduldet sein sollten Erst mit einer eintretenden Rattenplage versucht man eine Losung zu finden doch der Ursprung der Ratten fuhrt zu erneuten Streitigkeiten Die Gegenfroschler rufen erneut zu ihrer bereits vorgetragenen Losung dem Verzehr der Frosche auf denn die Rattenplage sei anderenorts auch aufgetreten und uberwunden worden wahrend die Anhanger der Frosche uberzeugt sind dass die Plage nur dadurch zustande kam dass die andere Partei gottlos sei Schliesslich wird ausgerufen dass die Abderiten Abdera zu verlassen haben denn die Gotter seien ihr nicht mehr hold Andernorts nahm man die vertriebenen Abderiten auf lachte sie jedoch aus Schliesslich wird noch angedeutet dass die Vertriebenen einige Jahre spater zuruck nach Abdera gegangen seien Zu guter Letzt gibt der Erzahler historische Quellen an und schliesst dass er dieses Werk als ein Denkmal verfasst habe Deutung BearbeitenDer Vorbericht als paratextuelle Rahmung Bearbeiten Die paratextuelle Rahmung umfasst im Falle der Abderiten neben einem Schlussel zur Abderitengeschichte und einer Nachschrift des Herausgebers einen Vorbericht 3 Dieser besteht aus zwei Absatzen und insgesamt lediglich drei Satzen Der hochgradig hypotaktisch aufgebaute Text scheint stilistisch nicht einlosen zu konnen oder wollen was er thematisch zu bezwecken scheint Es geht um die Frage nach der Wahrheit der bey dieser Geschichte zu Grunde liegenden Thatsachen und damit formuliert der Autor direkt zu Beginn seines Werks eine immanent selbstreflexive Intention die den Charakter seiner darauffolgenden Bucher wenn nicht vorwegnehmen so doch andeuten will 3 Zumindest jedoch vermag sie eine Auseinandersetzung uber den Rezeptionsmodus des Folgenden zu initiieren was jedoch schleichend gleichwohl performativ geschieht und die Leser so unbemerkt in eine Haltung bringt die sich uber die gesamten Bucher hinweg im Bewusstsein der Leser festsetzt Wie lasst sich diese Haltung beschreiben und wie vermag es Wieland sie so pragnant innerhalb einer so kurzen Passage zu evozieren Auf Textebene offenbart sich mit dem ersten Wort ein Erzahler der sich der Rezipienten seiner Schrift deutlich bewusst ist Sie richtet sich schliesslich an d iejenigen denen etwas daran gelegen seyn mochte sich der Wahrheit dieser Geschichte zu vergewissern 3 Damit setzt er Rezipienten voraus die sich fragen ob das Beschriebene historischen oder fiktiven Charakter hat Diese Frage stellt sich nicht von Ungefahr sondern sie ist angebracht da Wieland im Zuge der Entfaltung seiner Geschichten fortwahrend intertextuelle Bezuge zu griechisch antiken Autoren herstellt und diese im Zuge von Fussnoten als Quellenhinweise in den Text integriert Dieser uns heute aus dem wissenschaftlichen Diskurs sehr wohl bekannte Usus findet sich also hier gut 250 Jahre vor unserer Zeit inmitten der Aufklarung bereits in aller Deutlichkeit vor Einen Eindruck der vermeintlich konsultierten Quellen gewahrt der Erzahler den wahrheitssuchenden Lesern in einem mit Gedankenstrichen abgetrennten Abschnitt der im ersten Moment wie eine Geste mit Legitimationsfunktion und Beweischarakter wirkt Er wird begleitet von dem suffisanten Zugestandnis an die Leser diese mogen nicht die Lust haben die Quellen aufzusuchen und mundet im Verweis auf ein renommiertes Worterbuch 3 Bis hierhin reiht sich der Vortrag des Erzahlers in eine lange Tradition mittelalterlicher rhetorischer Praxis ein innerhalb derer sich ein Erzahler auf diverse Art und Weise zu Beginn fur die Wahrheit seiner Erzahlung verburgt Bereits im nachsten Nebensatz jedoch nimmt der Erzahler explizit Bezug auf die wahren Geschichten im Geschmacke der lucianischen indem er leugnet dass beide das gleiche Genre teilen 3 Spatestens hier werden geneigte Leser hellhorig Steht doch Lucian fur eine implizite Gesellschaftskritik in Form der Satire Seine Wahre n Geschichten versetzen fast programmatisch den Begriff des Wahren von seiner ursprunglichen an Tatsachen orientierten Stellung in eine neue Denn obwohl man Lukians Erzahlungen Fiktionalitat nicht absprechen kann scheint das Adjektiv zu passen Damit verleibt er sich den Wahrheitsbegriff ein und statuiert an ihm eine weitere Bedeutungsebene die das Ideal eines reinen Tatsachenberichts unberuhrt lasst Ausserdem mag es uberraschen dass trotz der dezidiert ausufernden Quellenlage der Verfasser mit Ausfullung der Lucken Aufklarung der dunkeln Stellen Hebung der wirklichen und Vereinigung der scheinbaren Widerspruche beschaftigt gewesen sei 3 Mithilfe des hier platzierten Epochenbegriffs scheint der Autor fast im Vorbeigehen den Auftrag der um Aufklarung bemuhten Gelehrten aufzugreifen und auf die Tatigkeit des impliziten Verfassers zu beziehen Dieser reiht sich also darin ein und die vorliegenden Bucher stehen also programmatisch mit ihr im Einklang Doch wie lautet ihr Programm Kant zufolge ist Aufklarung der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmundigkeit welche das Unvermogen ist sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen 4 Wieland selbst erklart in seinen Sechs Fragen zur Aufklarung S obald Licht gebracht wird klaren sich die Sachen auf werden sichtbar und konnen voneinander unterschieden werden 5 Damit meint er die Unterscheidung des Wahren und Falschen S 26 6 Jedoch scheint die hypertaktisch komplexe Auflistung der antiken Autoren und der Verweis auf die trotz allem notwendige editorische Zuarbeit beim Rezipienten gerade das Gegenteil zu bewirken Ein klarer und strukturierter Einblick in die Satzstruktur inklusive der Hauptaussage bleibt aus Die Menge der zitierten Autoren versperrt eher die Auseinandersetzung mit jedem einzelnen von ihnen anstatt ihre Bedeutung zu hinterfragen Zudem erwecken die vielen Verweise auf Fremdautoren eher den Eindruck man brauche sich ja nicht des eigenen Verstandes zu bedienen angesichts der immensen Quellenlage Als Bodensatz bildet sich die Frage aus ob der Autor den Burger damit uberhaupt zur Mundigkeit bringen will Da hebt der Erzahler emphatisch eine weitere Quelle seiner Erkenntnis hervor und hinterlasst die Rezipienten damit verwirrt zuruck Die Natur selbst sei sein Gewahrsmann gewesen 3 Ahnlich wie der Begriff des Wahren verbirgt auch dieser in seiner Allgemeinheit mehrere Deutungsebenen Zum einen ist die Natur ein durchaus positiv besetzter Begriff der auf ein den Gegenstanden innewohnendes Wesen verweisen kann Andererseits lasst er die Frage unbeantwortet ob man es in den Briefen mit Fiktion zu tun hat Denn es ist sehr gut vorstellbar dass ein Autor eine derlei tiefe Einsicht in das Wesen des Menschen hat dass er ihre Beziehungen auf Basis weniger Quellen rekonstruieren ja im Lichte rationaler Erkenntnis a priori erahnen kann Zugleich kann es auch sein dass er sich einfach nur tauscht und seine Rekonstruktionsleistung verbleibt ein Produkt seiner Einbildungskraft Wie also ist wahre Erkenntnis moglich und lassen sich die beiden hier skizzierten Welten uberhaupt sauber voneinander trennen Was fur eine Wahrheit kann eine fiktive Erzahlung transportieren und inwieweit ist sie uberhaupt fiktiv wenn sie den Anspruch hat trotz faktischer Leerstellen etwas zu vermitteln das nicht an Faktizitat gebunden ist Dieser Fragenkatalog lasst erkennen worum es der Aufklarung sowohl historisch als auch systematisch also zuallererst ging bzw geht Denn vor dem Eintritt in die Mundigkeit fordert sie von ihren Eiferern erst die Entdeckung der Unmundigkeit 7 Hierin verbirgt sich ein zutiefst selbstreflexives Moment das schon in der Frage Was ist Aufklarung anklingt Denn als eine Bewegung die dem Burgertum entspringt hat sie die innovative Gelegenheit sich selbst im offentlichen Diskurs zu bestimmen und bestimmen zu lassen Demokritus als von Wieland konstruierte Idealfigur Bearbeiten Die Figur Demokritus wird zum ersten Mal im Zweiten Abschnitt des ersten Buches angesprochen Demokritus wird hier als ein Abderit vorgestellt doch bleibt er ihnen fremd Demokritus stammt von den Abderiten ab konnte ihnen aber nicht fremder sein Er hat sein Leben damit verbracht fremde Lander zu bereisen zu forschen und neue Erlebnisse und Erfahrungen zu sammeln bis er schliesslich als alter weiser Mann wieder in seine Heimat und zu den schildburgerlichen Abderiten zuruckkehrt Dort angekommen zieht er sich zuruck aufs Land und beobachtet so aus der Ferne das Treiben der Abderiten welche ihn zu seinem Missfallen oft besuchen und bei den verschiedensten Themen um Rat bitten Demokritus hebt sich als einsames Genie von der Menge ab und wird von den Abderiten daher teilweise als Narr und Kauz wahrgenommen Es wird angesprochen dass er im Vergleich zu seinen Mitburgern empfindsam sei und auch einen eigenen Verstand entwickelt habe Der Begriff der Aufgeklartheit lasst sich durchaus auf ihn anwenden Die raumliche Distanz die er zu den Abderiten wahrt ahnelt Nietzsches Zarathustra und verweist weiterhin auf sein Aussenseitertum Der Konflikt zwischen Demokritus und den Abderiten kommt insbesondere im 10 Kapitel des ersten Buches zum Ausdruck als ein Schwarm von Abderiten ihn in seiner glucklichen Einsamkeit stort und belastigt Sie glauben seinen Berichten aus aller Welt nicht denn sie scheinen ihr eigenes Weltbild nicht aufzugeben wollen Fur diese Berichte die von den Abderiten insbesondere von den Abderitinnen gewunscht werden wird er ausgelacht und belachelt Durch die Abderiten die im Gegensatz zu Demokritus nur unter sich und auf ihrer Insel bleiben zeigt Wieland auf was fur Probleme sich durch einen mangelnden Bildungshorizont ergeben konnen Demokritus ist eine kontrar zu der Allgemeinheit der Abderiten geschriebene Figur die diese Probleme verdeutlicht in dem sie den gegensatzlichen Idealtypus verkorpert Zum Ursprung der Abderiten Bearbeiten Abderit ist eine Bezeichnung fur einen Schildburger also einen naiven einfaltigen Menschen Hergeleitet wird der Begriff von der antiken Stadt Abdera die zwar die Heimat bedeutender Figuren wie Demokrit und Protagoras war aber dennoch bei den Hellenen in den Ruf eines Schildas kam Abdera lag in Thrakien Thrakien ist eine Landschaft auf der ostlichen Balkanhalbinsel Ihr ostlicher Teil bildet den heutigen europaischen Teil der Turkei nbsp Das antike Thrakien Wozu diese nichtbedeutende Deduction des Ursprungs des Stadtchens Abdera so unterbricht der Erzahler ironisch die Beschreibung von der Entstehung der titelgebenden Stadt und scheint damit anzudeuten dass sich ein genauerer Blick doch womoglich lohnreich sein kann 8 Ionien hiess die Landschaft an der Westkuste Kleinasiens die heutige Turkei Wir erfahren uber die Stadt Abdera dass sie nicht nur einmal gegrundet wurde Die alte Stadt Abdera war von Alter wieder zusammengefallen 9 Da schickte sich ein Mann an sie wiederaufzubauen Von den Thrakiern die in der Stadt und im Umland gewohnt haben mussen erfahren wir dass sie so wild waren dass sie den Aufbaudienst nicht zum Ende haben kommen lassen sodass die Stadt fortan unbewohnt und unvollendet verblieb 8 Etwa 20 Jahre spater angenommen die Olympiade fand einmal im Jahr statt kamen die Einwohner der ionischen Stadt Teos auf der Flucht vor einem feindlichen Eroberer auf das thrakische Land gesegelt und fanden die Stadt Abdera in einer der fruchtbarsten Gegenden schon gebauet vor 8 Da blieben sie in dieser Stadt und nannten sich fortan Abderiten Was sagt uns dieses Ausgangsszenario uber die Bewohner der Stadt Zum einen ist Abdera ihnen Ort des Asyls denn sie fanden sie auf der Flucht auf Sie liegt mitten im Land der Thrakier die zwar als wildes und ungestumes Volk beschrieben werden deren Angriffe von den Abderiten aber erfolgreich abgewehrt werden konnen Die Stadt selbst erlebt einen Neuanfang so etwas wie eine Renaissance denn das Alter hatte ihr erstes Leben ganz naturlich zu einem Ende gebracht So war es moglich dass ein Fremder sie von Neuem aufbaut Jedoch kann er sein Werk nicht vollenden und so verbleibt die Stadt unvollendet gleichsam in einem Zwischenstadium im Begriff bewohnt und vollendet zu werden Was erfahren wir uber die Tejer ehemals die Einwohner der Stadt Teos und die neuen Bewohner Abderas Teos war eine von dreizehn athenienischen Colonie n in Ionien und die Ionier werden prasentiert als die Gunstlinge der Musen 10 Es wird hier also eine gewisse Spannung aufgebaut wenn sich die ionische Grazie in Abdera mit der Wildheit Thrakiens verbindet Auffallend ist also die Verschmelzung von lokalen Landschaften mit menschlichen Eigenschaften bzw erscheinen die Eigenschaften von Volkern so ausgedehnt dass sie auf die Landschaften ubergehen So wird der originare Umzug der geistreichen Athenienser nach Ionien als ein Gewinn bezeichnet der sich unter dem schonen Himmel der dieses von Natur verzartelte Land umfliesst in zahlreiche kunstlerische Meisterleistungen seiner Abkommlinge ubertragt 10 Hier also werden die Tejer als ein zartes Volk beschrieben das ein feinfuhliges Gespur fur Kunst hat Nun steht Kunst in Verbindung mit der Einbildungskraft die in diesem Kontext etwas Wunschenswertes ist Bei Kant sorgt ein Uberschuss an Einbildungskraft dafur dass sie der Vernunft eigene Gesetze auferlegen kann was zu Kunstwerken fuhrt die mit Begriffen nicht eingeholt werden konnen dem asthetischen Erlebnis uberhaupt Wieland scheint auch ein solches Erlebnis zu beschreiben jedoch in einem hochst sarkastischen Ton Die Abderiten nahmen eine wunderliche Wendung und ihre Einbildung gewann einen so grossen Vorsprung uber ihre Vernunft dass es dieser niemals moglich war sie einzuholen 11 Es folgt eine Beschreibung der Auswirkungen dieses Missverhaltnisses Wie lasst sich diese wunderliche Wendung lassen sich diese unerwarteten Auswirkungen eines im Grunde doch wunschenswerten Vermogens erklaren Wie verwenden die Abderiten ihre Einbildungskraft und liegt darin womoglich die Abweichung vom Kant schen Ideal Und schliesslich Welch eine Kritik konnte sich hierin an diesem Bild von der Einbildungskraft verbergen bzw welch eine Diagnose fur das un aufgeklarte Volk Sozialhistorischer Kontext Wielands Geschichte der Abderiten und Konzepte der Aufklarung im 18 Jahrhundert BearbeitenWielands Aufklarungsbegriff Bearbeiten Wieland beschreibt seinen Aufklarungsbegriff in einem Aufsatz uber die Sechs Fragen zur Aufklarung Er vergleicht die Aufklarung mit dem Sehen und dem Nichtsehen dem Licht und der Dunkelheit Aufgeklarte Menschen verstunden im Licht etwas zu sehen Gegner der Aufklarung agierten im Dunklen Ziel musse sein in allen Bereichen Licht ins Dunkle zu bringen Er beschreibt die Aufklarung als die Erkenntnis das Wahre und Falsche immer und uberall unterscheiden zu konnen 12 Deshalb schlussfolgert er erstrecke sich die Aufklarung uber alle Gegenstande dem ausseren und innern Auge sichtbare 12 Sie lasse sich erreichen indem geschehene Dinge untersucht gepruft und deren Wahrheit herausgefunden werden wurde Wieland sieht es in der Verantwortung aller die Menschheit aufzuklaren Das Ziel der Aufklarung sieht Wieland in einer grosseren Anzahl an denkenden Menschen Respekt vor menschlichen Rechten und der Scham von Unwissenheit und Unvernunft Offentlichkeitskritik als Teil der Aufklarung Bearbeiten Wieland scheint die offentliche Meinung als eine Art stummen Volksgeist anzusehen Die burgerliche Offentlichkeit entstand als ein Aspekt der sozialgeschichtlichen Entwicklungen im 18 Jahrhundert Ein zentraler Aspekt der Aufklarung ist die Offentlichkeitskritik Wielands Geschichte der Abderiten ist jedoch an erster Stelle Satire und deshalb eher kritisch als programmatisch zu sehen Die Geschichte der Abderiten lasst sich aber dennoch als Kritik der Aufklarung jedoch im Sinne der Aufklarung lesen Die Geschichte der Abderiten kann also als eine Selbstkritik der Aufklarung aufgefasst werden In Wielands Geschichte der Abderiten droht dem Prinzip der Offentlichkeit Gefahr aus verschiedenen Richtungen Manche Gruppen versuchen mithilfe der Offentlichkeit das Prinzip der funktionalen Differenzierung zu durchbrechen um ihre eigenen Interessen besser durchsetzen zu konnen Die Offentlichkeit wird ausserdem durch eine Krise des Dialogs gefahrdet da davon ausgegangen wird dass ein Konsens aller Burger unmoglich sei wodurch die koordinierende Funktion der Offentlichkeit gelahmt wird Sachgemasse Diskussionen in der Offentlichkeit werden durch rhetorische Strategien untergraben und die Offentlichkeit verfugt uber keine Moglichkeiten ihre eigenen Prinzipien zu verteidigen Des Weiteren scheitert die Offentlichkeit an ihrem eigenen Erfolg eine freie und produktive Auseinandersetzung steht dem Verlangen von der Offentlichkeit wahrgenommen zu werden und eine offentliche Person zu sein im Weg Weblinks BearbeitenOnlinetext beim Projekt Gutenberg gemeinfreies Horbuch Die Geschichte der Abderiten von Wieland bei LibriVox Christoph Martin Wieland Geschichte der AbderitenEinzelnachweise Bearbeiten Volker Meid Nachwort In Volker Meid Hrsg Christoph Martin Wieland Geschichte der Abderiten Studienausgabe Reclam Stuttgart 2012 S 508 Christoph Martin Wieland Geschichte der Abderiten Studienausgabe Hrsg Volker Meid Reclam Stuttgart 2012 S 219 a b c d e f g Christoph Martin Wieland Geschichte der Abderiten Studienausgabe Hrsg Volker Meid Reclam Stuttgart 2012 S 9 Steffen Martus Aufklarung Das deutsche 18 Jahrhundert ein Epochenbild Rowohlt Berlin 2015 ISBN 978 3 87134 716 0 S 13 Christoph Martin Wieland Sechs Fragen zur Aufklarung In Erhard Bahr Hrsg Was ist Aufklarung Thesen und Definitionen Reclam Stuttgart 1974 S 23 Wieland Christoph Martin 1974 Sechs Fragen zur Aufklarung In Erhard Bahr Hrsg Was ist Aufklarung Thesen und Definitionen Kant Erhard Hamann Herder Lessing Mendelssohn Riem Schiller Wieland Stuttgart Reclam S 26 Martus Steffen 2015 Aufklarung Das deutsche 18 Jahrhundert ein Epochenbild 2 Auflage Berlin Rowohlt S 11 a b c Wieland Christoph Martin 2012 Geschichte der Abderiten Studienausgabe Hrsg von Volker Meid Stuttgart Reclam S 12 Wieland Christoph Martin 2012 Geschichte der Abderiten Studienausgabe Hrsg von Volker Meid Stuttgart Reclam S 11 a b Wieland Christoph Martin 2012 Geschichte der Abderiten Studienausgabe Hrsg von Volker Meid Stuttgart Reclam S 14 Wieland Christoph Martin 2012 Geschichte der Abderiten Studienausgabe Hrsg von Volker Meid Stuttgart Reclam S 15 a b Wieland Christoph Martin 1974 Sechs Fragen zur Aufklarung In Erhard Bahr Hrsg Was ist Aufklarung Thesen und Definitionen Stuttgart Reclam S 24 Normdaten Werk GND 4523188 6 lobid OGND AKS LCCN no2018080766 VIAF 196910527 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Abderiten amp oldid 235247662