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Dieser Artikel behandelt Dostojewskis Roman Zu gleichnamigen Verfilmungen siehe Der Idiot Begriffsklarung Der Idiot russisch Idiot Idiot gehort zu den bekanntesten Romanen Fjodor Dostojewskis Er wurde von Dostojewski in Genf 1867 begonnen in Mailand 1868 beendet und erschien erstmals von Januar 1868 bis Februar 1869 in der Zeitschrift Russki Westnik Die deutsche Erstausgabe erschien 1889 im S Fischer Verlag in der Ubersetzung von August Scholz Im selben Verlag erschien 1998 die in den Feuilletons gefeierte Neuubersetzung von Swetlana Geier im Rahmen der Dostojewski Werkausgabe 1 Die Geschichte des Fursten Myschkin der fur ungefahr ein halbes Jahr sein Schweizer Refugium verlasst und in die Petersburger Gesellschaft gerat zahlt zu den Werken der Weltliteratur In seiner naiven unkonventionellen Art erblickt der Protagonist die Menschen in ihren personlichen und sozialen Spannungen und Widerspruchen und ihrem daraus resultierenden Leid Er scheitert in seinen Bemuhungen ihnen zu helfen und versinkt wieder in seinen Krankheitszustand der geistigen Isolation Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Der erste Tag in Petersburg 1 2 Die zweite Ruckkehr nach Petersburg 1 3 Sommer in Pawlowsk 2 Analyse 2 1 Pragmatiker und Durchschnittsmenschen 2 2 Heiratsplane und Aufstiegsorientierung der Mittelschicht 2 3 Furst Myschkin Der arme Ritter 2 4 Die Erfahrung der Isolation 2 5 Myschkins Eintritt in die Welt der Erwachsenen 2 6 Myschkin und Ippolit 2 7 Epilepsie als Metapher 2 8 Todes und Lebenssymbolik 2 9 Myschkin Nastassja Rogoschin 2 10 Nastassja Myschkin Aglaja 3 Erzahlform 4 Adaptionen 4 1 Theaterauffuhrungen 4 2 Opern 4 3 Film 4 4 Horspiel 5 Einzelnachweise und Anmerkungen 6 WeblinksInhalt BearbeitenDer 26 jahrige Furst Lew Myschkin 2 kehrt nach einem funfjahrigen Aufenthalt in einem Schweizer Sanatorium an einem Novembermorgen nach Russland zuruck um in Sankt Petersburg nach dem Tod eines Verwandten eine Erbschaftsangelegenheit zu klaren Obwohl seine Epilepsie erfolgreich behandelt wurde haben sich durch seine Isolation kindlich naive Verhaltensweisen erhalten und er wird von der Gesellschaft als Idiot in der Bedeutung eines weltfremden Sonderlings belachelt Der erste Tag in Petersburg Bearbeiten Im ersten an einem Tag spielenden Romanteil lernt der Furst Familien des wohlhabenden Mittelstandes kennen schliesst Freundschaften mit einigen Mitgliedern und erhalt so Zugang sowohl zum privilegierten Kreis als auch zu gesellschaftlich nicht geachteten Randgruppen Dabei werden die Haupt und Nebenfiguren vorgestellt und das Beziehungsgeflecht mit den Konfliktsituationen um den Protagonisten herum aufgebaut Dieser erste Teil hat vier Schwerpunkte Erstens die Bekanntschaft Myschkins mit dem Kaufmann Rogoschin und dem Beamten Lebedew im Zug 1 Kapitel zweitens der Besuch bei seinen entfernten Verwandten der Familie des Generals Jepantschin seiner Frau Lisaweta und den Tochtern Alexandra Adelaida und Aglaja 2 bis 7 Kapitel drittens mietet er ein Zimmer bei der verarmten Familie Iwolgin 8 bis 12 Kapitel und viertens nimmt er an der Geburtstagsfeier Nastassja Filippowna Baraschkowas 13 bis 16 Kapitel teil der sozial ausgegrenzten Geliebten des reichen Grossgrundbesitzers Tozkij der sie mit Gawrila Iwolgin verheiraten mochte Der junge Mann bekommt an diesem Tag jedoch zwei Konkurrenten Rogoschin der 100 000 Rubel bietet und Myschkin welcher durch seine Werbung die anderen Verbindungen und damit das seiner Einschatzung nach vorhersehbare Ungluck der Beteiligten verhindern mochte Am nachsten Tag verlassen der Furst Nastassja und Rogoschin Petersburg und es entwickelt sich zwischen ihnen eine tragisch endende Liebesbeziehung Die zweite Ruckkehr nach Petersburg Bearbeiten Im 2 Teil kommen nach einem Zeitsprung von sechs Monaten 1 Kapitel Anfang Juni Rogoschin Nastassja und Myschkin 2 Teil 1 Kapitel getrennt wieder nach Petersburg zuruck nachdem sie in wechselnden jeweils mit einer Trennung endenden Beziehungen zusammengelebt haben Am Ankunftstag erfahrt der Furst von Lebedew 2 Kapitel dass sich die einstige Geliebte in Petersburg wieder mit Rogoschin trifft und sich oft bei ihrer Freundin Darja Alexejewna in Pawlowsk aufhalt Da sein Informant dort ebenfalls ein Landhaus hat mietet der Furst darin eine Wohnung Sein nachster Weg fuhrt ihn zu Rogoschins dusterem Haus 3 bis 4 Kapitel Er will sich mit dem Rivalen daruber verstandigen dass sie sich nicht befeinden sondern der Geliebten die Entscheidung uberlassen Doch dieser kann trotz ihres versohnlichen Gesprachs seine Eifersucht nicht kontrollieren und folgt ihm in den Gasthof Zur Waage um ihn zu erstechen Dieser Mordanschlag wird jedoch durch Myschkins Epilepsieanfall verhindert 5 Kapitel Als die beiden sich spater in Pawlowsk treffen vergibt der Furst dem Rivalen seine Tat die er als unbegrundeten Hass und Fiebertraum erklart 3 Teil 3 Kapitel Sommer in Pawlowsk Bearbeiten nbsp Der idyllische Pawlowsker Park kontrastiert als Kulisse mit den Gesprachen der Protagonisten uber ihre nicht losbaren Beziehungskonflikte und tragischen Lebensentscheidungen Die Handlung verlagert sich anschliessend fur einen Monat nach Pawlowsk 2 Teil 6 Kapitel bis 4 Teil wo die wohlhabenden Petersburger u a Jepantschin Ptizyn Lebedew in einer Parklandschaft gelegene Hauser besitzen in denen sie mit Freunden und Verwandten die Sommertage verbringen In dieser Zeit besuchen sie sich gegenseitig tauschen Geruchte aus und fuhren Gesprache uber ihre Beziehungen mit gegenseitigen Analysen sowie kontroverse teils labyrinthisch komische Diskussionen uber aktuelle politisch gesellschaftliche und philosophische Themen etwa uber die gefahrlichen atheistischen oder anarchistischen Jugendlichen denen alles erlaubt sei 2 Teil 8 und 9 Kapitel uber den russischen Liberalismus die Vaterlandsliebe das neue den Verbrechern gegenuber verstandnisvolle Gerichtswesen 3 Teil 1 Kapitel oder das Gesetz der Selbstzerstorung und das gleich starke Gesetz der Selbsterhaltung in der Menschheit 3 Teil 4 Kapitel Dabei werden die Charakterisierungen aus dem ersten Teil erweitert und bisherige Randfiguren exponiert Im 7 Kapitel und in der weiteren Handlung taucht der todkranke Ippolit Terentjew der mit Kolja Iwolgin befreundete Sohn der Geliebten seines Vaters als ideologische Kontrastfigur zu Myschkin auf Er erscheint mit zwei anderen jungen Mannern beim Protagonisten 2 Teil 7 bis 10 Kapitel und behauptet sein Freund Antip Burdowskij sei der uneheliche Sohn von Myschkins Wohltater Pawlischtschew und der Furst musse diesem die geleistete Unterstutzung fur seine Erziehung und den Schweizer Aufenthalt zuruckerstatten Die Gruppe stellt ihre Forderung in einen revolutionaren Kontext Myschkin habe als Nutzniesser des Feudalsystems zufallig ohne eigene Verdienste ein grosses Vermogen geerbt Als dieser obwohl er die Unwahrheit der Vaterschaft seines Forderers belegen kann bereit ist Antip finanziell zu unterstutzen weisen die Anklager seine Barmherzigkeit zuruck und erheben einen moralischen Anspruch Trotzdem sind sie von der Haltung des Fursten beeindruckt und diskutieren bei weiteren Besuchen mit ihm ihre Thesen Einen Schwerpunkt bildet dabei Ippolits Traktat Meine notwendige Erklarung Apres moi le deluge Nach mir die Sintflut 3 Teil 5 bis 7 Kapitel uber sein Sterben und das existentialistische Weltbild das mit Myschkins orthodoxem Christentum und seiner Vision vom Adel als der sich seiner Verantwortung fur die Menschen besinnenden Reformkraft Russlands kontrastiert 4 Teil 7 Kapitel Die Haupthandlung der Teile 2 bis 4 setzt den Beziehungskonflikt fort und erweitert die zerstorerische Dreieckskonstellation um die Liebesbeziehung des Fursten zu Aglaja Jepantschin Trotz Anzeichen fur einen Ausgleich dominieren die Rivalitaten zunehmend die Entwicklung und beschleunigen das tragische Ende Myschkins Rogoschins und Nastassjas Wahrend sich der Furst aktiv um Nastassja bemuht hat geht bei der Konkurrenzbeziehung die Initiative Mitte des zweiten Teils von Aglaja aus Dies steht im Zusammenhang mit Nastassjas Planen In ihrer widerspruchlichen sprunghaften Art mochte sie um ihr Gewissen zu entlasten Myschkin zu seinem Gluck verhelfen anstatt ihn in ihren schicksalhaften Abgrund hineinzuziehen Deshalb schreibt sie Aglaja die bereits eine Zuneigung zum Fursten empfindet dieser sei in sie verliebt und sie solle ihn heiraten Gleichzeitig stellt sie den Offizier Jewgenij Radomskij einen potentiellen Brautigam der Rivalin offentlich bloss Aglaja reagiert jedoch auf Eheempfehlungen bzw vorschriften auch aus ihrer Familie 3 Teil 8 Kapitel grundsatzlich verargert weil dies ihrer Vorstellung von einer emanzipierten Frau widerspricht Andererseits liest sie die Briefe in richtiger Interpretation als indirekte Liebeserklarungen der Schreiberin an Myschkin und wird dadurch eifersuchtig Nun provoziert sie den Fursten zuerst mit einem Gedichtvortrag mit dem sie seine idealistische Hingabe fur die sozial geachtete Geliebte als seine uberirdische Vision parodiert 2 Teil 7 Kapitel Dann verspottet sie ihn Anfang des dritten Teils als ernsthaften Heiratskandidaten 3 Teil 2 Kapitel bietet ihm jedoch ihre Freundschaft an wenn er sie bei der Flucht aus ihrem Elternhaus unterstutzt 3 Teil 8 Kapitel droht andererseits mit ihrer Vermahlung mit Gawrila und zwingt ihn schliesslich sich fur oder gegen eine Werbung zu entscheiden 4 Teil 5 Kapitel Darauf bekennt Myschkin ihr seine Liebe und macht ihr einen Heiratsantrag Sie lasst jedoch ihre Antwort offen und die Jepantschins testen den potentiellen Brautigam bei einer Abendveranstaltung wo seine durch einen Epilepsieanfall beendeten philosophischen Reden von den meisten Gasten nicht verstanden und belachelt werden 4 Teil 7 Kapitel Fur Aglaja ist trotz des Misserfolgs der Prasentation die Entscheidung noch nicht gefallen Sie sucht die Auseinandersetzung mit Nastassja 4 Teil 8 Kapitel beleidigt diese mit dem Hinweis auf ihre unterschiedlichen sozialen Positionen und wirft ihr egoistische Besitzgier und selbstverliebte offentliche Inszenierungen vor Nastassja will darauf in einem hysterischen Anfall ihre personliche Macht demonstrieren und befiehlt Rogoschin zu verschwinden und dem Fursten sie zu heiraten Als Aglaja darauf das Haus verlasst bleibt Myschkin in seiner mitleidigen Liebe bei der bewusstlos am Boden liegenden Nastassja 4 Teil 8 Kapitel Damit ist fur Aglaja die Ehefrage gelost und sie reist mit der Familie zu ihrem Gut in Kolmino ab Zuruck bleibt die alte Dreierbeziehung mit dem eifersuchtigen Rogoschin Myschkins und Nastassjas Hochzeit wird Anfang Juli terminiert doch die Braut kehrt vor der Kirche um wie bereits zuvor und fahrt mit Rogoschin in sein Haus nach Petersburg 4 Teil 10 Kapitel wo er sie ersticht Als Myschkin dort am nachsten Tag ihre Leiche findet wird er wahnsinnig und muss in das Schweizer Sanatorium zuruckgebracht werden Analyse BearbeitenPragmatiker und Durchschnittsmenschen Bearbeiten Auf Vorwurfe der Raskolnikow Rezeption es fehlten im Roman die normalen Menschen des Alltags 3 verteidigt sich der Autor zu Beginn des vierten Teils In der Regel schildern die Schriftsteller nur solche Typen der Gesellschaft die es in Wirklichkeit nur ausserst selten in so vollkommenen Exemplaren gibt wie die Kunstler sie darstellen die aber als Typen nichtsdestoweniger fast noch wirklicher als die Wirklichkeit selbst sind I n der Wirklichkeit sei das Typische der einzelnen Personen gewissermassen wie mit Wasser verdunnt Aber e in Roman der nur Typen enthalt nur Sonderlinge und Ausnahmemenschen wurde nicht Wiedergabe der Wirklichkeit und vielleicht sogar nicht einmal interessant sein Denn diese Menschen enthielten in ihren meist vergeblichen Bemuhungen der Routine zu entkommen auch in ihrer Art etwas Typisches als die Alltaglichkeit selbst die um keinen Preis das was sie ist bleiben und um jeden Preis originell und selbstandig erscheinen mochte auch ohne nur im geringsten die Gaben zur Selbstandigkeit zu besitzen 4 Teil 1 Kapitel 4 Deshalb erklart er den Auftritt von Alltagsmenschen in seinem Roman in den die Teile drei und vier einleitenden Abhandlungen Im ersten Kapitel des 3 Teils greift der Erzahler die Behauptung auf dass es in Russland keine Praktiker gebe die vernunftige Planungen durchfuhren konnten 3 Teil 1 Kapitel Doch das bestreitet er ironisch denn Ordnung Anstand Zaghaftigkeit Mangel an eigener Initiative an Geist und Originalitat seien doch gerade weltweit die Merkmale eines tuchtigen und brauchbaren Tatmenschen die v a mit dem Gelderwerb und guten Beziehungen befasst seien Und so furchte man auch in Russland Veranderungen und orientiere sich am Ideal von einem praktischen Menschen Diese Betrachtungen dienen als Einleitung zur Prasentation des Generals Iwan Fjodorowitsch Jepantschin und seiner Familie Seine Uberlegungen setzt der Erzahler im ersten Kapitel des vierten Teils mit seiner Abhandlung uber den Dutzendmenschen fort und nennt als Beispiele dafur den Kaufmann Iwan Petrowitsch Ptizyn seine Frau Warwara Ardalionytsch und deren Bruder Gawrila Ardalionytsch Iwolgin Beispielhaft fur diese praktischen und alltaglichen Personen sind ihre sozialen und finanziellen Aufstiegs bzw Erhaltungsstrategien Die verarmte Generalsfamilie Iwolgin wird beim Besuch des Fursten vorgestellt 1 Teil 8 Kapitel Hier findet er ein buntes Bild vor der verschuldete und v a im betrunkenen Zustand sich in seine Lugengebaude einspinnende verabschiedete General Ardalion Alexandrowitsch Iwolgin den seine Frau Nina Alexandrowna mit Marfa Borissowna 1 Teil 12 Kapitel der Witwe des Hauptmanns Terentjew teilen muss die er trotz seiner Geldnote finanziell unterstutzt Der aufstiegsorientierte Gawrila Seine 23 jahrige Schwester Warwara die den sieben Jahre alteren Kaufmann Ptizyn heiratet wodurch im 3 und 4 Teil die ganze Familie in dessen Haus Unterkunft und Unterstutzung erhalt Der 15 jahrige Gymnasiast Nikolai Kolja Ardalionytsch der sich mit Myschkin befreundet 1 Teil 11 Kapitel und sein treuester Anhanger und Helfer wird Der Furst versucht in seiner versohnlichen Art v a im dritten und vierten Romanteil die grossen Spannungen zwischen den Familienmitgliedern zu mildern z B den Hass Gawrilas auf seinen Vater wenn dieser sich bei seinen Zuhorern wegen seiner Phantastereien lacherlich macht Zu dieser Gruppe zahlt auch Lebedew ein Zentrum des Informationsflusses 2 Teil 6 Kapitel denn er weiss uber alle lokalen Ereignisse Bescheid und fordert durch seine Schwatzhaftigkeit zufallig oder auch gezielt Intrigen die dann wieder bei ihm von seinen Besuchern diskutiert werden Sein Haus ist somit Schauplatz einer Reihe von ausfuhrlich erzahlten Nebenhandlungen z B der Diebstahl und die spatere anonyme Ruckgabe der mit 400 Rubeln gefullten Brieftasche Lebedews vermutlich durch den mittellosen Nachbarn Ardalion Iwolgin und die Bemuhungen aller Beteiligten um eine ehrenhafte Losung fur den alten Freund 3 Teil 9 Kapitel 4 Teil 3 Kapitel Heiratsplane und Aufstiegsorientierung der Mittelschicht Bearbeiten Bereits durch seine ersten Gesprache erhalt der Protagonist Einblicke in Karriere und Heiratsplane 1 Teil 3 und 4 Kapitel einer gut situierten und gesellschaftlich anerkannten Familie der wohlhabenden Mittelschicht Lisaweta Prokofjewna Jepantschinas Gemahl versucht gerade einen fur ihn vorteilhaften Plan einzufadeln Sein ehrgeiziger Assistent und Angestellter einer Aktiengesellschaft der 28 jahrige Gawrila soll mit Nastassja Baraschkowa verheiratet und diese damit gesellschaftlich aufgewertet werden Die beiden erhalten als Starthilfe 75 000 Rubel von ihrem Liebhaber Afanassij Tozkij Dieser 55 Jahrige wurde dadurch frei fur eine Ehe mit der 25 jahrigen Alexandra der altesten Tochter des Generals der wiederum Nastassja gerne als Geliebte hatte was Gawrila wegen der Protektion bei der finanziell fur ihn so gunstigen Eheschliessung wohl zulassen musste 1 Teil 11 Kapitel Der junge Mann ist allerdings im Zweifel und wird dabei von Mutter Schwester und dem Fursten bestarkt ob er sich auf dieses ehrlose Geschaft einlassen soll zumal er die jungste Tochter seines Chefs die eigenwillige unnahbare Aglaja liebt und von ihr ein klarendes Wort erbittet Sie aber fordert von ihm eine Entscheidung ohne Ruckversicherung und antwortet Ich lasse mich auf keinen Handel ein 1 Teil 7 Kapitel Das gesellschaftliche Ansehen ist fur Dostojewskis Alltagsmenschen von entscheidender Bedeutung Als Nastassja uberraschend die Iwolgins besucht 1 Teil 9 Kapitel um vor ihrer Entscheidung ihre potentielle neue Verwandtschaft kennenzulernen wird sie von Warwara die durch ihre Kontakte mit den Jepantschins eine Ehe des Bruder mit Aglaja betreibt auf ihr Verhaltnis mit Tozkij und ihre nicht ebenburtig gesellschaftsfahige Position hingewiesen Diese reagiert auf ihre verachtliche Herabsetzung mit einem Zornausbruch 1 Teil 10 Kapitel und rechnet noch am selben Tag am Abend des 27 Novembers bei der Feier zu ihrem 25 Geburtstag selbstbewusst mit ihren Wohltatern und dem von ihnen protegierten Werber ab Ironischerweise schlagt vorher der sich gerne als Spassvogel und Unterhalter prasentierende Ferdyschtschenko wie Myschkin Untermieter bei den Iwolgins ein die innere Situation der Anwesenden symbolisierendes Spiel vor Jeder soll die schlechteste Tat in seinem Leben erzahlen 1 Teil 13 und 14 Kapitel Tozkij und Jepantschin deren Taten dem Leser z T bekannt sind mogeln sich mit kleinen Schurkereien aus der Affare und demonstrieren damit die Fassadenhaftigkeit ihrer Reputation Als dann der Hohepunkt des Abends naht fragt Nastassja zuerst den Fursten wie er entscheiden wurde Dieser rat ihr von einer Verbindung mit Gawrila ab sie stimmt ihm zu gibt die Mitgift zuruck und beendet nach neun Jahren und drei Monaten die Beziehung zu Tozkij Anschliessend spielt sie ihren zweiten Bewerber Rogoschin gegen Gawrila aus erzahlt von den verachtlichen Worten seiner Schwester Warwara ihr gegenuber wirft das von Rogoschin als Geschenk mitgebrachte Geldpaket ins Feuer und will es Gawrila uberlassen wenn er bereit sei sich dafur die Finger zu verbrennen Doch dieser verzichtet Nastassja zieht mit Rogoschin und seinem Anhang zum Feiern nach Katharinenhof und Myschkin folgt ihnen Die Beobachter dieser Szene haben eine bose Vorahnung und Ptizyn fallt dazu ein japanischer Ausspruch ein Du hast mich beleidigt und dafur schlitze ich mir vor deinen Augen den Bauch auf 1 Teil 16 Kapitel Das grosse Familienprojekt der Jepantschins ist weiterhin die Verheiratung ihrer Tochter Durch den von Nastassja ausgelosten Skandal ist eine Verbindung Tozkij mit Alexandra nicht mehr gesellschaftsfahig Nun konzentrieren sich der General und seine Frau nachdem sich die 23 jahrige Adelaida mit dem vermogenden 35 jahrigen Fursten Sch verlobt hat auf die eigensinnige an Ideen der Emanzipation Frauenfragen interessierte Aglaja Eine Annaherung Gawrilas der sich nach dem Eklat vom General beruflich getrennt hat versucht Lisaweta zu unterbinden indem sie dessen durch Briefbotendienste die Verbindung vorantreibenden Geschwister 4 Teil 1 Kapitel nicht in ihrem Haus wunscht Auch ihre jungste Tochter ist nach wie vor Gawrilas Entwicklung gegenuber skeptisch und lehnt ihn schliesslich erneut ab 4 Teil 8 Kapitel Furst Myschkin Der arme Ritter Bearbeiten Von diesen Alltagsmenschen mit ihren mit Kompromissen in Anpassungsprozessen losbaren Problemen unterscheiden sich die tragischen Beziehungsgeflechte der Ausnahmemenschen Die ersten Entwurfe zum Idioten vom 17 September 1867 konzipieren als Hauptfigur einen herrschsuchtigen leidenschaftlichen Intellektuellen zu dem als Gegengewicht die Gestalt eines einfaltig gutigen Menschen auftaucht 5 Dieser Held dominiert seit Mitte November die Planung wahrend sein Gegenspieler nur als Diskussionsfigur aber nicht als die Aktionen bestimmende Person in Ippolit erhalten bleibt Die von Dostojewski in seinen Entwurfen als Furst Christus bezeichnete und von Aglaja als armer Ritter bespottelte Mittelpunktsgestalt die als Gravitationszentrum alle Handlungen auf sich zieht 6 wird wegen ihrer komisch wirkenden aber Sympathie ausstrahlenden Aktionen u a mit Cervantes Don Quijote verglichen allerdings von Interpreten auch von ihm unterschieden denn seine Charakterisierung folge nicht einem einfachen Gut Bose Schema Furst Myschkin ist im Wesentlichen weder ein Don Quichote noch schon und gut nur aus Gute und beileibe kein Demokrat ist auch kein Parzival oder ein Pestalozzi sondern ist ein echter Dostojewski 7 Der Gute handelt mitleidig durch Einfuhlung in die bose Seele und ihre Deformation Mit grosser psychologischer Sensibilitat analysiert er die Lage der anderen Myschkin ist nicht nur ein Traumer sondern erkennt durchaus auch seine eigene Situation Er registriert den Spott der anderen uber seine Nachgiebigkeit oder seine Hilflosigkeit und macht sich wenig Illusionen uber den Erfolg seiner Hilfsaktionen beeindruckt jedoch durch seine Menschlichkeit viele Personen wie Lisaweta Jepantschina und ihre Tochter Kolja Lebedew oder den Offizier Jewgenij Radomskij und die im letzten Kapitel mit diesem verbundene Wjera Lebedew Die Erfahrung der Isolation Bearbeiten Die Erfahrung der Isolation hat Dostojewski offenbar aus seinem eigenen Leben aus seiner zehnjahrigen Verbannung als 28 Jahriger in ein Straflager in Sibirien in den Roman ubernommen und als pragende Kraft in die unglucklichen Biographien zweier Protagonisten eingearbeitet 8 Lew Nikolajewitsch Myschkin und Nastassja Filippowna Baraschkowa sind beide zu Aussenseitern geworden Er lebte lange auf einem Landgut und dann in der Schweizer Bergwelt in der Inselwelt des kranken Kindes sie war die in einem einsamen Schlosschen gefangen gehaltene junge Sklavin Die beiden haben mit ihren Wohltatern ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht Deshalb reagieren die aus der Isolation Befreiten als sie in die grosse Gesellschaft mit ihren strengen Regeln und Formen sowie ihren Vorurteilen geraten unterschiedlich mit christlicher Nachstenliebe bzw aggressiver Provokation Beide konnen aber den permanenten Konfliktsituationen mit den personalen Verwicklungen letztlich nicht standhalten Myschkin entstammt einer verarmten alten Adelsfamilie Nach dem Tod seiner Eltern wurde das wegen seiner haufigen Krankheiten in seiner Entwicklung zuruckgebliebene und deshalb als Idiot bezeichnete kleine Kind von dem Gutsbesitzer Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew aufgenommen und gepflegt Auch finanzierte sein unverheirateter Vormund bis zu seinem Tod vor zwei Jahren seine Behandlung im Schweizer Kanton Wallis bei Professor Schneider 1 Teil 2 Kapitel Obwohl Lew durch die Forderung seinen sprachlichen und geistigen Ruckstand weitgehend aufholen konnte und recht belesen und intelligent wirkt ahnelt er in emotionaler und sozialer Hinsicht einem unerfahrenen Kind Sein spontanes unbekummertes und offenes Verhalten wird von der Gesellschaft als verletzend ungeschickt oder lustig als idiotisch empfunden Andererseits erwecken die eigenwillige Geradlinigkeit die naive Ehrlichkeit und Vertrauensseligkeit des Sonderlings mit ihrer unfreiwilligen Ironie auch Sympathien Seine Freunde schatzen seine Humanitat seinen Blick fur Spuren des Leids in den Gesichtern und sein Einfuhlungsvermogen Sie warnen ihn jedoch immer wieder dass er wegen seines Realitatsverlustes seines unvorsichtigen Grossmuts und der standigen Bereitschaft Schwachen zu verzeihen und das Beste in den Menschen zu sehen leicht zur Zielscheibe des Spotts und zum Opfer von Intrigen und Ausnutzung werden kann Dies ist jedoch da er mehrere Beschutzer hat nicht der Grund fur seine Ruckkehr in die Schweizer Heilanstalt vielmehr seine grenzenlose Opferbereitschaft die ihn bei seinen Hilfsaktionen fur eine gesellschaftlich verachtete junge Frau physisch und psychisch uberfordert Nastassjas unkontrolliertes und widerspruchliches Verhalten erklart sich aus ihrer Entmundigung und den seelischen Verletzungen in ihrer Madchenzeit deren Folgen sie sich erst spater in St Petersburg vollstandig bewusst wird Als siebenjahriges Kind Nastja ist sie nach dem Tod ihres aus einem Adelsgeschlecht stammenden verarmten Vaters von dem reichen Gutsbesitzer Afanassij Iwanowitsch Tozkij aufgenommen worden Die zwolfjahrige Schonheit bereitete er in einer vierjahrigen Ausbildung in wissenschaftlichen Fachern Musik Malerei der franzosischen Sprache asthetischen und angenehmen Gesprachen und angepassten Umgangsformen auf ihr Leben als seine Geliebte in einem luxurios ausgestatteten Lustschlosschen auf seinem Gut Otradnoje 9 vor Seit ihrem 16 Lebensjahr verbrachte er vier Jahre lang jedes Jahr zwei bis drei Monate in dieser geschmackvollen Umgebung 1 Teil 1 und 4 Kapitel Abgeschlossen von der realen Welt lebte sie in Isolation wie Myschkin durch seine Krankheit Als Nastassja von den Heiratsplanen ihres Vormunds erfuhr tauchte sie in ihrem Verhalten wie verwandelt bei Tozkij in Petersburg auf und verletzte ihn mit dem beissenden Spott dass sie in ihrem Herzen nie etwas anderes empfunden habe als tiefste Verachtung bis zum Ekel der sogleich nach dem ersten Erstaunen eingetreten sei Er erkennt einerseits die Gefahr dass sie vor absolut nichts zuruckschreckte weil ihr nichts mehr teuer war und diagnostiziert irgendein inneres seelisches Chaos etwas wie eine romantische Entrustung uber Gott weiss wen und Gottweiss was jedenfalls ein unersattliches Verachtungsbedurfnis Aber er vermutet richtig dass sie da sie juristisch nichts gegen ihn unternehmen kann und da ihr eigenes Ich schon langst aufgehort hatte ihr teuer zu sein sie imstande war sich selbst womoglich auf die entsetzlichste Art zugrunde zu richten Anfangs hat er wie alle Lebemanner seiner Epoche mit Zynismus daran gedacht wie billig er diese Seele gekauft die so gut wie uberhaupt noch nicht gelebt hatte wollte nichts unternehmen und sie ihren Schwankungen zwischen mit jahzorniger Aggressivitat gemischtem unnahbarem Stolz und Selbstzerstorung wegen ihrer verlorenen Ehre ihrer Madchenschande uberlassen doch dann besinnt er sich finanziert ihr eine vornehme Wohnung in der Stadt und will sie da ihm ihre neue Zugellosigkeit apart erscheint wieder als Geliebte ausnutzen oder mit einer reichlichen Mitgift ausgestattet mit irgendeinem verstandigen und anstandigen Herrn 1 Teil 4 Kapitel verheiraten Jetzt nach funf Jahren zuruckgezogenen Lebens scheint sie dazu bereit zu sein und Gawrila Iwolgins Werbung zu akzeptieren obwohl ihr die ablehnende Meinung seiner Familie bekannt ist Myschkins Eintritt in die Welt der Erwachsenen Bearbeiten Am ersten Tag seiner Ankunft wird Furst Myschkin in seiner nicht den Alltagsmenschen entsprechenden Personlichkeitsstruktur in die Handlung eingefuhrt und gerat dadurch schrittweise in das Beziehungsgeflecht das sein Schicksal bestimmen wird Lisaweta Jepantschina einer geborenen Myschkina und ihren Tochtern gegenuber prasentiert er sich z B bei der Demonstration seiner grossen Kenntnisse sowie seines Geschicks in der Kalligraphie als interessanter Sonderling und gewinnt ihre Zuneigung z B als er vor ihnen seine Situation reflektiert und sie seine Tiefgrundigkeit spuren Mein ganzes Leben war von den Kindern ausgefullt Ich hatte mir nicht traumen lassen dass ich jemals das Dorf verlassen wurde A lles Bekannte liegt jetzt weit zuruck Als ich im Waggon sass dachte ich Jetzt gehe ich zu den erwachsenen Menschen vielleicht weiss ich noch nichts von ihnen aber jedenfalls beginnt jetzt mein neues Leben 1 Teil 6 Kapitel Durch seine einfuhlsamen Schilderungen z B seines Schweizer Landlebens einer Guillotinenhinrichtung in Lyon und seiner Identifizierung mit der Todesangst des Delinquenten die er aus eigener Erfahrung durch seine Scheinhinrichtung auf dem Semjonowplatz im Jahr 1849 und moglicherweise Todesangste bei der Anbahnung seiner Epilepsieanfalle kennen muss oder des Umgangs mit den Dorfkindern welche er als Erwachsene behandelt habe spricht er das Herz der sich ihm seelenverwandt fuhlenden Lisaweta an aber nicht ihren Verstand der eine gesellschaftsorientierte Mannerrolle fordert um gegenuber den Konkurrenzkampfen mit ihren Intrigen uberlebensfahig zu sein Deshalb kame der liebe Mensch fur sie als Schwiegersohn im dritten Romanteil wird dieser Aspekt aktuell nicht in Frage Fur ihre Tochter Aglaja ware dagegen sein Desinteresse an materiellen Dingen kein Heiratshindernis zumal sie Aussichten auf eine gute Mitgift hat Sie ist von seiner Geradlinigkeit und moralischen Kompromisslosigkeit beeindruckt die ihn vom hin und herschwankenden Gawrila deutlich unterscheidet aber sie spottet noch mehr als ihre Mutter uber seinen mangelnden Realitatssinn der ihn immer wieder der Gefahr aussetzt Opfer von Ausnutzungen zu werden und von der Gesellschaft als Unikum belachelt und nicht als erwachsener Mann ernst genommen zu werden Bereits in den ersten den Protagonisten exponierenden Gesprachen wird die zukunftige ambivalente Haltung der Offentlichkeit sichtbar und der Leser ahnt die ihm in der Welt drohenden Gefahren Myschkin und Ippolit Bearbeiten Typisch fur Myschkins menschlichen Umgang ist seine Reaktion auf die Forderungen der revolutionaren Theoretiker Ippolit Terentjew Lebedews Neffen Wladimir Doktorenko und Leutnants a D Keller ihren Freund Antip Burdowskij den angeblichen Sohn seines Pflegevater Pawlischtschew aus einer nicht legalisierten Beziehung zu entschadigen Als Myschkin obwohl er die Wahrheit ihrer aus Geruchten und Erfindungen zusammengestellten Behauptungen zu Recht bezweifelt bereit ist Antip finanziell zu unterstutzen weisen die Besucher sein Angebot als fur den Empfanger unehrenhafte Barmherzigkeit zuruck und erheben einen moralischen Anspruch auf einen Teil seines ihm ohne eigenen Verdienst zugefallenen Vermogens 2 Teil 8 und 9 Kapitel Sie verbinden ihre Forderung mit einer Kritik am Feudalsystem mit den ungleichen Besitzverhaltnissen und spielen darauf an dass der Furst durch eine Kette von Todesfallen in seiner Familie den reichen Kaufmann Papuschin beerbt habe Wahrend die ebenfalls anwesenden Jepantschins emport sind uber diese Argumentation die ihre gesellschaftliche Position in Frage stellt sowie auf eine radikale Veranderung der Vermogensverhaltnisse zielt und die verstandnisvolle Reaktion des Fursten kritisieren ladt dieser alle zum Tee ein und es kommt zu einem Gesprach innerhalb der heterogenen Gesellschaft v a zwischen der konventionellen Lisaweta und dem uber seinen bevorstehenden Tod redenden Ippolit 2 Teil 10 Kapitel Myschkins Mitgefuhl mit den sozial Benachteiligten bleibt auf die jungen Manner nicht ohne Wirkung Sie nehmen einige seiner Hilfsangebote an besuchen ihn in den folgenden Tagen immer wieder feiern mit ihm seinen 27 Geburtstag und suchen den Gedankenaustausch Vor allem Ippolit sucht die geistige Auseinandersetzung mit dem Protagonisten und liest ihm sein Traktat uber sein Sterben vor in dem er sein existentialistisches Weltbild formuliert Kernstuck ist eine aus einer hypothetischen Vorstellung abgeleitete Argumentation Mag mein Bewusstsein durch den Willen einer hoheren Gewalt entzundet worden sein mag es die Welt angeschaut und gesagt haben Ich bin und mag ihm dann von derselben Macht plotzlich vorgeschrieben werden wieder zu vergehen weil das zu irgendeinem Zweck und sogar ohne Erklarung zu welchem nun einmal notig sei aber es bleibt dann doch wieder die ewige Frage wozu ist denn bei alledem noch meine Demut vonnoten Sollte es denn wirklich nicht moglich sein mich einfach aufzufressen ohne von mir ein Loblied auf den oder das zu verlangen was mich auffrisst da ware es doch weit richtiger anzunehmen dass mein Leben einfach gebraucht wurde mein nichtiges Leben das Leben eines Atoms zur Vervollstandigung irgend einer allgemeinen Harmonie im Ganzen also fur irgend ein Plus oder Minus oder zu irgend einem Kontrast vielleicht oder was weiss ich genau so wie tagtaglich das Leben von Millionen anderer Lebewesen geopfert werden muss da ohne deren Tod die ubrige Welt nicht bestehen konnte Aus dieser Uberlegung folgert er W enn man mich schon einmal mit der Moglichkeit ausgestattet hat zu erkennen dass ich bin dann werde ich wohl auch erkennen durfen dass es nicht meine Schuld ist wenn die Welt mit allerhand Fehlern geschaffen ward und dass sie anders nicht bestehen konnte Wer also konnte demnach noch uber mich zu Gericht sitzen und wegen welchen Vergehens jedenfalls ist das unmoglich und ware ungerecht 3 Teil 7 Kapitel Das Gegenstuck zu Ippolits Abhandlung ist die Rede des Fursten bei einer Abendveranstaltung im Haus Jepantschin uber die mit seiner christlichen Zuwendung in Verbindung stehende gesellschaftliche Vision 4 Teil 6 Kapitel Myschkins Vorstellung seiner Lebensphilosophie ist von einem sich anbahnenden Epilepsieanfall begleitet Als er vom Ubertritt seines Gonners Pawlischtschew zum Katholizismus hort verliert er die Kontrolle uber sich lasst sich in eine Diskussion hineinziehen und spricht uber die Kraft des russisch orthodoxen Glaubens im Gegensatz zum romischen Katholizismus der zu einer staatlichen Weltmacht degeneriert und durch die Entstellung des Christentums noch schlimmer als der Atheismus sei und uber die Gefahr des westlichen aufgeklarten Nihilismus fur das bodenstandige slawische Volk Nachdem er in einer Zwangshandlung vor der Aglaja ihn gewarnt hat und die er unbedingt vermeiden wollte symboltrachtig eine wertvolle chinesische Vase zerbrochen hat und seine Entschuldigung von allen mit Heiterkeit aufgenommen wird traumt er vor der gesellschaftlichen Elite indem er in grotesker Verkennung der Realitat die reichen Zuhorer vor berechtigter Kritik in Schutz nimmt Ich habe uber Sie immer so viel Schlechtes horen mussen uber die Kleinlichkeit und Exklusivitat Ihrer Interessen uber Ihre Ruckstandigkeit Ihre geringe Bildung Ihre komischen Angewohnheiten ich wollte selbst sehen ob denn diese ganze obere Schicht der russischen Menschen zu nichts mehr taugt ob sie wirklich ihre Zeit schon uberlebt hat dabei aber immer noch einen kleinlichen neidischen Kampf gegen die Menschen der Zukunft fuhrt denen sie Hindernisse in den Weg wirft ohne selbst zu merken dass sie selbst im Sterben begriffen ist Nach der Zusammenfassung dessen was ihm vor seiner Ruckkehr zugetragen worden sei lobt er uberschwanglich seine Zuhorer wobei dahinter offensichtlich die Ironie des Autors versteckt ist Und nun sehe ich elegante offenherzige kluge Menschen sehe russische und gutherzige Menschen Konnten denn innerlich Tote so mit mir umgehen wie Sie sich zu mit verhalten Ist das nicht Menschenmaterial fur die Zukunft fur alle Hoffnungen Dann rechtfertigt er seine ungeschickten plumpen Auftritte Es sei mitunter sogar ganz gut lacherlich zu sein dann kann man einander leicht verzeihen leichter auch sich mit einander versohnen denn man kann doch nicht alles gleich auf einmal verstehen kann doch nicht mit der Vollkommenheit anfangen Verstehen wir aber gar zu schnell dann verstehen wir womoglich gar nicht richtig Zum Schluss appelliert er an den Adel Warum sollen wir anderen den Platz abtreten wenn wir die Voranschreitenden und die Oberhaupter bleiben konnen Lassen Sie uns Diener werden um die Lenkenden sein zu durfen Er steigert sich in Gegenbildern zu Ippolits sich auffressender Welt in einen euphorischen Preis der Natur und des glucklichen Lebens hinein Sehen Sie ein Kind an schauen sie Gottes Morgenrot betrachten sie einen Grashalm wie er wachst schauen sie in die Augen die sie ansehen und lieben bevor er mit einem Schrei des erschutternden und niedergeschmetterten Geistes zusammensinkt 4 Teil 7 Kapitel Epilepsie als Metapher Bearbeiten Myschkins epileptische Anfalle sind kurz vor ihrem Hohepunkt mit einem metaphysischen Glucksgefuhl verbunden M itten in der Traurigkeit der inneren Finsternis des Bedrucktseins und der Qual erhellte sich sein Gehirn fur Augenblicke gleichsam blitzartig und alle seine Lebenskrafte spannten sich mit einem Schlage krampfhaft an Die Empfindung des Lebens des Bewusstseins verzehnfachte sich in diesen Augenblicken Der Verstand das Herz waren plotzlich von ungewohnlichem Licht erfullt alle Aufregung alle Zweifel alle Unruhe loste sich gleichsam in eine hohere Ruhe auf in eine Ruhe voll klarer harmonischer Freude und Hoffnung voll Sinn und letzter Schopfungsursache Aber diese Lichtblitze waren erst nur eine Vorahnung jener einen Sekunde in der dann der Anfall eintrat Diese Sekunde war allerdings unertraglich Zwar bedenkt er dass dieser Zustand eines hoheren Bewusstseins und einer hoheren Empfindung seines Ich und folglich auch seines hoheren Seins schliesslich nichts anderes waren als eine Unterbrechung des normalen Zustandes eben als seine Krankheit doch kommt er zu dem Schluss dass dieser Einwand nicht entscheidend ist wenn sich spater im gesunden Zustand dieser Augenblick als hochste Stufe der Harmonie der Schonheit erweist als ein unerhortes und zuvor niegeahntes Gefuhl der Fulle des Masses des Ausgleichs und des erregten wie im Gebet sich steigernden Zusammenfliessens mit der hochsten Synthese des Lebens Doch entsinnt er sich des dialektischen Tei s seines Folgeschlusses der Stumpfsinn die seelische Finsternis die Idiotie stehen ihm als Folgeerscheinungen dieser hochsten Augenblicke klar vor Augen Er fragt sich W as tun mit dieser Wirklichkeit 2 Teil 5 Kapitel In dieser Ambivalenz ist der Epilepsieausbruch eine Metapher des menschlichen Wesens und der metaphysischen Welt Todes und Lebenssymbolik Bearbeiten nbsp Dieses Gemalde Der Leichnam Christi im Grabe von Hans Holbein dem Jungeren 1522 entspricht der Beschreibung eines Bildes das Myschkin bei Rogoschin in einem der dunkelsten Sale seines Hauses uber der Tur hangen sah 3 Teil 6 Kapitel Dieses dem Gegensatz von Myschkins und Ippolits Vorstellungen entsprechende ambivalente Weltbild begleitet das Changieren einer Todes und Lebenssymbolik Zunehmend verdichtet von der Betrachtung des Gartenmessers mit der langen Klinge uber die Erzahlung von einem bei seiner Tat betenden Morder bis hin zur Deutung eines Gemaldes nach Holbein den vom Kreuz abgenommenen Christus zeigend gesehen in Rogoschins Haus Das Bild beeindruckt nicht nur Myschkin sondern auch Ippolit bei den Reflexionen uber eine Wiederauferstehung und ein ewiges Leben 3 Teil 6 Kapitel Im Traktat uber sein Sterben mit dem Titel Meine notwendige Erklarung Apres moi le deluge Nach mir die Sintflut 3 Teil 5 bis 7 Kapitel beschreibt er seinen ersten Besuch bei Parfjon Semjonowitsch Rogoschin und stellt dessen Vitalitat seine eigene Korperschwache gegenuber I ch war ein Mensch der schon die ihm noch ubrigen Lebenstage zahlte er aber war so erfullt vom unmittelbaren Leben von der Gegenwart des Lebens ohne jede Sorge um letzte Erkenntnisse um Bezifferung des jeweils Erlebten und doch hat der Todkranke das Gefuhl dass bei ihnen die aussersten Enden der Gegensatze sich beruhren 3 Teil 6 Kapitel Diese Thematik wird variiert in Lebedews auf des Fursten Geburtstagsfeier vorgetragener skurriler Apokalypse und Menschenfresser in Hungersnoten Interpretation 2 Teil 11 Kapitel 3 Teil 4 Kapitel und steigert sich ins Groteske als Ippolit sich erschiessen will aber vergessen hat das Zundhutchen einzulegen und ihm dies als Komodie ausgelegt wird worauf er bewusstlos zusammenbricht Einige Tage spater fragt er den Fursten nach der besten Art zu sterben Als dieser antwortet Gehen Sie an uns voruber und verzeihen Sie uns unser Gluck kommentiert er diesen Rat mit Nun ja Weiss Gott Schone Phrasen Auf Wiedersehen 4 Teil 5 Kapitel Myschkin Nastassja Rogoschin Bearbeiten Die von Tragik uberschattete Dreiecksbeziehung deutet sich bereits im ersten Teil an in Rogoschins Erzahlung von seiner Liebe zu Nastassja und in Myschkins Betrachtung der Fotografie Nastassjas das diese Gawrila geschenkt hat in Jepantschins Buro 1 Teil 3 Kapitel Er entdeckt feinfuhlig die Augen einer unglucklichen Frau Grenzenloser Stolz und Verachtung und nahezu Hass sprachen aus diesem Gesicht und doch lag in ihm gleichzeitig etwas Vertrauendes etwas erstaunlich Gutherziges und diese Kombination erweckten sogar so etwas wie Mitleid In diesem Gesicht ist viel Leid sagt der Furst 1 Teil 7 Kapitel Damit wird eine Hauptthematik des Romans eroffnet der Gegensatz zwischen den beiden Formen der Liebe Eros und Agape Die eigentliche mit Rogoschin konkurrierende Liebesbeziehung zu Nastassja beginnt bei deren Geburtstagsfeier als die Gastgeberin den Fursten um seine Meinung zur Werbung Gawrilas fragt denn er sei der erste ihr wirklich zugetane Mensch Er habe auf den ersten Blick an sie geglaubt und so glaube auch sie an ihn Dieser rat ihr von einer Verbindung mit Gawrila ab denn er lehnt das unmoralische Geschaftsprojekt ab Sie stimmt ihm zu gibt die Mitgift zuruck und beendet nach neun Jahren und drei Monaten die Beziehung zu Tozkij Morgen beginnt ein neues Leben heute aber bin ich noch das Geburtstagskind und gehore mir selbst zum erstenmal in meinem Leben 1 Teil 14 Kapitel Als dann Rogoschin mit seiner bacchantisch wilden betrunkenen Truppe auftaucht und ihr 100 000 Rubel bietet wenn sie mit ihm zusammenlebt spielt sie ihren neuen Bewerber gegen Gawrila aus und demutigt sich zugleich in Ekstase als Schamlose die lieber mit Rogoschin in Saus und Braus davonziehen als so wie bisher weiterzumachen wurde Auf die Strasse gehe ich jetzt dort ist mein Platz oder am Waschtrog 1 Teil 16 Kapitel Myschkin warnt sie auch vor diesem Augenblick einer krankhaften Anwandlung 1 Teil 16 Kapitel denn Rogoschin und sie wurden sich durch ihr zerstorerisches Potential gegenseitig ruinieren Er dagegen und damit offenbart er seine Mission will sie durch eine Heirat retten und ihre Selbstachtung aufbauen Eindringlich redet er auf sie ein Ich bin nichts Sie aber haben gelitten und sind aus einer solchen Holle rein hervorgegangen Weshalb schamen Sie sich ich liebe Sie Ich wurde niemandem erlauben ein schlechtes Wort uber Sie zu sagen 1 Teil 15 Kapitel Auch erwahnt er um seinen Vorschlag finanziell zu fundieren dass er vermutlich den reichen Kaufmann Papuschin beerbt Nastassja nimmt jedoch seine Worte offenbar nicht ernst und erwidert er brauche eine Frau wie Aglaja In dieser Vorausdeutung weist sie auf die kommende Entwicklung hin Als sie am nachsten Tag mit Rogoschin Petersburg verlasst und Myschkin ihnen folgt und zeitweilig am Anfang in Moskau mit ihnen zusammenlebt wird er in das befurchtete Spannungsfeld einbezogen Mehrmals entschliesst sich Nastassja Myschkin oder Rogoschin zu heiraten doch kurz vor den Terminen erfasst sie ihre Bindungsangst und sie flieht zum jeweiligen Rivalen und bittet ihn sie zu retten 2 Teil 3 Kapitel Sie schwankt zwischen zwei extremen Positionen Wie Rogoschin durch Emotionalitat Sexualitat und seine nicht kontrollierbaren bosen Geister immer wieder von seinen Vorsatzen weggetrieben wird so reprasentiert der Furst die Grundhaltungen des Mitleids und der Nachstenliebe Myschkin fuhlt sich gerade wegen dieser Entwicklung in seinen Ahnungen bestatigt und fur Nastassja verantwortlich Als er Anfang Juni nach Petersburg zuruckkehrt 2 Teil 1 Kapitel will er sich sogleich mit dem Rivalen verstandigen dass Nastassja ins Ausland gehen und dort geistig und korperlich gepflegt werden solle und dass sie sich nicht befeinden sondern der gemeinsamen Geliebten die Entscheidung uberlassen Denn er liebe sie nicht aus Liebe sondern aus Mitleid 2 Teil 3 Kapitel Rogoschin ist jedoch nicht zu einer solchen Selbstkontrolle fahig Er schildert verzweifelt die Hassausbruche Nastassjas und ihren ihn provozierenden Spott Sie liebe nur Myschkin heirate ihn aber nicht um seine Ehre nicht durch ihren schlechten Charakter zu beeintrachtigen Er formuliert diese Situation als Paradoxon Sie hielt bei dir ihre eigene Liebe nicht aus 2 Teil 4 Kapitel Ihn dagegen wurde sie nur aus Hass gegen ihn und sich also zur Selbstzerstorung heiraten Dies entspricht auch Myschkins Analyse denn er hat schon lange erkannt dass ihr geringes Selbstwertgefuhl mit ihrer Einschatzung verbunden ist nicht nur missbrauchtes Opfer zu sein sondern an ihrer Situation auch Gefallen gefunden zu haben Aus ihrer niedrigen sozialen Position die sie immer wieder durch neue Aktionen sich und den anderen demonstriert gewinnt sie wiederum in ihrer labyrinthischen Psyche masochistischen Lustgewinn Deshalb flieht sie auch vor Myschkins Versuchen des Zu sich Emporheben s 3 Teil 8 Kapitel In die Ambivalenz der Gefuhle sind auch die beiden Manner einbezogen Sie tauschen nach ihrem versohnlichen Gesprach wie Bruder ihre Kreuze und Rogoschin will dem Fursten die Geliebte uberlassen Aber er kann seine Vorsatze nicht einhalten In seiner Besessenheit hat er Myschkin seit der Ankunft in Petersburg auf seinen Wegen durch die Stadt verfolgt und lauert ihm schliesslich am Abend mit einem Messer im dunklen Treppenhaus des Gasthofs Zur Waage auf lauft aber davon als dieser in Folge seines Epilepsieanfalls die Stufen hinabsturzt 2 Teil 5 Kapitel Den ganzen Tag uber hat sich der vom Erzahler detailliert beschriebene Ausbruch kontinuierlich aufgebaut in einer mit verstarkter Sensibilitat seiner Wahrnehmung der Ahnung vom Rivalen seit seiner Ankunft beobachtet und verfolgt zu werden der Dunkelheit und Kalte in der Seele 2 Teil 5 Kapitel qualenden Erinnerungen Selbstvorwurfen und Zwangshandlungen verbundenen Anspannung Im dritten Romanteil scheint diese Konfliktsituation durch die Beziehung Myschkins zu Aglaja losbar zu sein bricht jedoch dadurch erst in tragischer Konsequenz aus Nastassjas Flucht vor der Heirat mit Myschkin zu Rogoschin wiederholt sich und endet fur die drei Protagonisten mit der Katastrophe Nastassja Myschkin Aglaja Bearbeiten nbsp Nastassja nutzt die Kulisse eines Sommerkonzertes vor dem Pawlowsker Bahnhof fur einen die Gesellschaft provozierenden Auftritt Nastassja fordert in Pawlowsk nach ihren Erfahrungen mit dem Fursten eine Verbindung Myschkins mit Aglaja und intrigiert gegen den 28 jahrigen Offizier Jewgenij Pawlowitsch Radomskij durch vertrauliche eine Affare vortauschende Zurufe Einmal spricht sie ihn aus einer Kutsche heraus auf seine angeblichen Schulden an 2 Teil 10 Kapitel zum anderen stellt sie ihn auf einem Konzert vor dem Bahnhof wegen seines betrugerischen Onkels bloss 3 Teil 2 Kapitel In ihrer komplizierten Liebe zu Myschkin will sie durch solche Aktionen den potentiellen Brautigam Aglajas bei den Jepantschins lacherlich machen dem Fursten das Heiratsfeld ebnen und damit ihr Gewissen entlasten ihm zu seinem Gluck verholfen zu haben anstatt ihn in ihren schicksalhaften Abgrund hineinzuziehen Zugleich verstarkt sie durch Briefe an Aglaja deren bereits vorhandene hinter Spott versteckte Zuneigung zum Fursten Aber diese erkennt zwischen den freundlichen Zeilen eine auf sie eifersuchtige Frau die das unbescholtene behutete Madchen um den hohen sozialen Rang beneidet und zugleich dafur hasst wahrend sie bereits ahnt wie ihr Leben in Rogoschins dusterem Haus enden wird 3 Teil 8 und 10 Kapitel 4 Teil 11 Kapitel Aglajas Interesse fur den Fursten verdeutlicht bereits ihre Rezitation des Puschkin Gedichtes vom armen Ritter 2 Teil 7 Kapitel der fur seine ihm in einer Vision erschienene Dame im Heiligen Land kampft mit ihren Initialen auf dem Schild und spater auf seiner Burg einsam im Wahnsinn stirbt Anfangs interpretiert man den Auftritt Aglajas noch als Spott uber den Traumer Myschkin da sie die Anfangsbuchstaben des Namens der Himmelskonigin durch die Nastassjas N F B ersetzt Doch wird ihre Einstellung fur alle sichtbar als sie den Fursten nach der demutigen Entschuldigung seines durch lange Krankheit bedingten unpassenden Benehmens vor ihrer Familie in Schutz nimmt Hier gibt es keinen einzigen der solcher Worte wert ware Alle diese hier sind nicht einmal so viel wert wie Ihr Verstand oder Herz Sie sind ehrlicher als alle Sie sind edler als alle Sie sind besser Sie sind reiner Sie sind kluger als Alle D h sie schatzt in ihrer gesellschaftskritischen Einstellung seine unpragmatische nicht profitorientierte Einstellung Dann aber schlagt ihre Stimmung in Hysterie um und sie enthullt ihre geheimen Wunsche aber auch ihren Unwillen daruber dass man sie fortwahrend verheiratet 3 Teil 8 Kapitel Im Widerspruch zu dieser emanzipatorischen Position orientiert sie sich an einem konventionellen mannlichen Rollenbild und ist von der idealistischen Kompromissbereitschaft und Nachgiebigkeit des Fursten enttauscht Unter keiner Bedingung werde ich Sie heiraten Kann man denn einen so lacherlichen Menschen wie Sie uberhaupt heiraten 3 Teil 2 Kapitel Aus diesem Zwiespalt wird sie sich in der weiteren Handlung nicht losen und situativ von einem Extrem zum anderen schwanken Das hat sie mit ihrer Rivalin gemeinsam auch die Egozentrik und den Hass gegenuber der Konkurrentin Als Myschkin sie nach ihrem Wutausbruch mit seiner Versicherung zu beruhigen versucht er wolle gar nicht um sie werben spielt sie ihren Auftritt als eine ihrer launenhaften Komodien herunter aber sie mochte nach dem von ihm erzwungenen Korb ihn doch stufenweise zu einer offenen Entscheidung gegen Nastassja drangen Zunachst bestellt sie ihn fruh um sieben Uhr zu einer Aussprache in den Park und bittet ihn ihr Freund zu werden und mit seiner Hilfe das Elternhaus zu verlassen denn sie habe noch keine Welterfahrung und werde wie ein unreifes Madchen und nicht wie eine Erwachsene behandelt Ihre kindliche Launenhaftigkeit entlarvt sie dann tatsachlich dem Fursten gegenuber als sie ihm droht Gawrila zu heiraten wenn er ihre Plane nicht unterstutze Ihr Interesse gilt aber v a seiner Beziehung zu Nastassja deren Psyche er ihr analysiert und sie will seine Bindung an eine Wahnsinnige die ihrer Meinung nach in ein Irrenhaus gehort ergrunden 3 Teil 8 Kapitel Nachdem sich durch die haufigen Besuche des Fursten bei Aglaja sowie ihr geheimnisvolles Igelgeschenk fur ihn die Verlobungsgeruchte verbreitet haben ziehen auch die Jepantschins diese Moglichkeit in Betracht und Aglaja zwingt Myschkin in einer ihrer bekannten undurchsichtigen theatralischen Aktionen zu der Entscheidung um ihre Hand anzuhalten 4 Teil 5 Kapitel Ihre Schwester Alexandra diagnostiziert daraufhin hellsichtig Sie liebt nicht nur sie ist sogar verliebt Nur in wen fragt es sich Aglaja selbst lobt des Fursten prachtige Treuherzigkeit und entschuldigt sich mit den sibyllinischen Worten die er allein in seinem Gluck nicht versteht oder doch unbewusst erfasst V erzeihen Sie dass ich auf einem Unsinn bestand der naturlich nicht die geringsten Folgen haben kann 4 Teil 5 Kapitel Letztlich sucht Aglaja die Konfrontation mit Nastassja 4 Teil 8 Kapitel Sie spielt dabei ihre soziale Positionen gegen sie aus verbietet sich die briefliche Einmischung in ihre Heiratsangelegenheiten und wirft ihr vor Myschkin nicht wirklich zu lieben sondern nur egoistisch zu qualen und ihre Schande theatralisch in der Offentlichkeit zu inszenieren Nastassja entgegnet mit ihrer personlichen Dominanz als Frau gegenuber der kindlichen Aglaja Sie konne dem Fursten befehlen zu ihr zuruckzukehren und sie zu heiraten und Rogoschin wurde sie wegjagen Als Myschkin Aglaja vorwirft man durfe doch eine ungluckliche Frau nicht so herablassend behandeln wird ihr die Prioritat der Schwachen und Ausgegrenzten in seiner Einstellung klar Sie zwingt ihn zu einer Parteinahme der er lieber ausweichen mochte indem sie fluchtartig das Haus verlasst Der hilflose Furst will ihr zuerst nachlaufen bleibt jedoch bei der bewusstlos zusammengesunkenen Nastassja 4 Teil 8 Kapitel Damit ist die Entscheidung gefallen In dem die Aglaja Handlung abschliessenden Gesprach mit Jewgenij Radomskij hort Myschkin sich dessen Vorwurf a uch das Mitleid musse doch eine Grenze haben und seine vernunftorientierte Analyse des Vorgefallenen zerknirscht an Die Frage Dann wollen Sie also beide lieben beantwortet er mit Ja ja und auf die Vermutung Wissen Sie was mein armer Furst am wahrscheinlichsten ist dass Sie weder die eine noch die andere jemals geliebt haben reagiert er in fur ihn bezeichnender Weise ausweichend Ich weiss nicht vielleicht vielleicht haben Sie in vielem recht Sie sind sehr klug ach ich bekomme wieder Kopfschmerzen Um Gottes willen um Gottes willen 4 Teil 9 Kapitel Aglaja heiratet spater in Paris einen polnischen Emigranten dessen Edelmut und Trauer ums Vaterland sie beeindruckt wird Mitglied in einem Komitee zur Wiederherstellung Polens und fanatische Anhangerin des romisch katholischen Glaubens 4 Teil 12 Kapitel Dadurch erklart sich nachtraglich dass sie vom Patriotismus Myschkins von seiner Glaubigkeit sowie seinem Desinteresse an materiellen Dingen fasziniert war Durch die Ahnlichkeiten der Biographien vermutet man dass Anna Anjuta Korwin Krukowskaja dem Autor als Vorlage fur die Figur der Aglaja diente Dostojewski hatte 1866 der 18 jahrigen Generalstochter trotz ihrer unterschiedlichen ideologischen Positionen einen Heiratsantrag gemacht den die emanzipatorisch revolutionaren Ideen zugeneigte junge Frau ablehnte 10 Annas Schwester die Mathematikerin und Schriftstellerin Sophie Kowalewskaja 11 beschreibt in ihren Briefen die Besuche des Schriftstellers bei ihrer Familie die an die Abendveranstaltung bei den Jepantschins erinnern Erzahlform BearbeitenEin anonymer Erzahler der dem Leser gegenuber vertraulich von unserer Erzahlung z B 4 Teil 1 und 4 Kapitel spricht verfolgt den Handlungsverlauf vorwiegend aus der Perspektive des Protagonisten was an eine personale Form erinnert gibt aber auch Einblicke in das Denken seiner Gesprachspartner und erklart es z B 2 Teil letzter Abschnitt des 2 Kaps In auktorialer Weise stellt er ebenso die anderen Personen und ihre Biographien die Jepantschins 1 Teil 2 4 5 Kapitel Ardalion Iwolgin 4 Teil 3 Kapitel vor kommentiert und beurteilt ihr Verhalten und stellt selbst Vermutungen an Warwara 4 Teil 5 und 6 Kapitel Myschkin 10 Kapitel beschreibt deren Wohnungen und Hauser Iwolgin 1 Teil 8 Kapitel Lebedew 2 Teil 6 Kapitel und gibt Hintergrundinformationen uber Entwicklungen und Zusammenhange 4 Teil 9 und 12 Kapitel Einzelne Teile beginnt er mit Abhandlungen uber die Praktiker oder die Alltagsmenschen im Vergleich zu den Ausnahmeerscheinungen 3 Teil 1 Kapitel 4 Teil 1 Kapitel Meist integriert jedoch der Erzahler die Information realistisch in die Handlung Oft geschieht dies durch Briefe Oder er berichtet von Geruchten wahrend der Abwesenheit des Fursten und von Reaktionen seiner Petersburger Bekannten 2 Teil 1 Kapitel Auch signalisiert er gelegentlich sein eingeschranktes Wissen uber einzelne Personen Leider ist es uns unmoglich gewesen Zuverlassiges daruber zu erfahren wie sie Radomskij und Wjera Lebedew solche Beziehungen haben anknupfen konnen es ist wohl anzunehmen das wissen wir nicht 4 Teil 12 Kapitel Daruber hinaus entsteht durch die vielen Gesprache in denen die Teilnehmer ihre Erlebnisse schildern durch das Vorlesen der Abhandlung Ippolits und die kontroversen Diskussionen ein polyperspektivisches Bild Michail Bachtin hat Dostojewskis literarisches Werk deshalb als polyphon beschrieben Es wurden nicht eine Vielzahl von Charakteren und Schicksalen in einer einheitlichen objektiven Welt im Lichte eines einheitlichen Autorenbewusstseins entfaltet sondern eine Vielfalt gleichberechtigter Bewusstseine mit ihren Welten wird in der Einheit eines Ereignisses miteinander verbunden ohne dass sie ineinander aufgehen 12 Adaptionen BearbeitenTheaterauffuhrungen Bearbeiten F Weyl und J W Bienenstock in Paris 1931 Frank Castorf an der Volksbuhne Berlin 2002 Anna Maria Krassnigg am Theatre National du Luxembourg 2003 Alvis Hermanis am Schauspielhaus Zurich 2008 Andriy Zholdak am Theater Oberhausen 2011 Karin Henkel am Schauspiel Koln 2012 Stephan Kimmig am Schauspiel Frankfurt 2013 Vladislav Grakovski am Theater Atelier in Stuttgart 2014 Matthias Hartmann am Staatsschauspiel Dresden 2016 Beka Savic am Staatstheater Wiesbaden 2019 Johan Simons am Thalia Theater Hamburg 2021 Opern Bearbeiten 1952 Der Idiot Hans Werner Henze 1970 L idiota Luciano Chailly 1987 Der Idiot Musik Karl Ottomar Treibmann Text Harald Gerlach Fedor Dostoevskij Oper in 7 Bildern UA Gewandhausorchester Leitung Kurt Masur Opernhaus 1988 Leipzig 1989 Der Idiot Musik Mieczyslaw Weinberg Text Alexander Medwedew nach Fjodor Michailowitsch Dostojewski Oper in 4 Akten UA als Kammeroper Moskauer Kammeroper 1991 Moskau in ihrer originalen grossen Form Nationaltheater Mannheim Leitung Thomas Sanderling 2013 Mannheim 2001 Der Idiot Thomas Blomenkamp Film Bearbeiten 1946 Der Idiot L Idiot Regie Georges Lampin mit Gerard Philipe 1951 Der Idiot Hakuchi Regie Akira Kurosawa 1958 Der Idiot Nastassja Filippowna Regie Iwan Pyrjew sowjetischer Spielfilm nur erster Teil verwendet 1968 Der Idiot TV Film Regie Rolf von Sydow mit Gerd Baltus 1985 Liebe und Gewalt L Amour braque Regie Andrzej Zulawski mit Sophie Marceau 1999 Die Ruckkehr des Idioten Navrat idiota Regie Sasa Gedeon 2001 Down House Daun Haus Regie Roman Katschanow 2003 Der Idiot Idiot TV Serie zehn Folgen Regie Wladimir Bortko 2007 Der Idiot Regie Frank Castorf 13 Horspiel Bearbeiten 1953 Der Idiot Regie Theodor Steiner mit Erik Schumann Rene Deltgen und Xenia Hegmann Produzent Hessischer RundfunkEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten S Fischer Verlage Fjodor M Dostojewskij Werkausgabe ubersetzt von Swetlana Geier Abgerufen am 13 September 2022 Schreibweise der Personennamen nach der Duden Transkriptionstabelle E K Rahsin Nachwort In F M Dostojewski Der Idiot Piper Munchen Zurich 1980 ISBN 3 492 02605 2 S 959 In der Ubersetzung von E K Rahsin F M Dostojewski Der Idiot Piper Munchen Zurich 1980 ISBN 3 492 02605 2 E K Rahsin Nachwort In F M Dostojewski Der Idiot Piper Munchen Zurich 1980 ISBN 3 492 02605 2 S 949 Walter Benjamin Der Idiot von Dostojewski In Schriften Band 2 Frankfurt am Main 1955 S 127 131 E K Rahsin Nachwort In F M Dostojewski Der Idiot Piper Munchen Zurich 1980 ISBN 3 492 02605 2 S 955 E K Rahsin Nachwort In F M Dostojewski Der Idiot Piper Munchen Zurich 1980 ISBN 3 492 02605 2 S 950 f s Otradnoje Leningrad von russisch otrada Genuss Erquickung Zenta Maurina Dostojewsij Menschengestalter und Gottsucher Maximilian Dietrich Verlag Memmingen 1997 Don H Kennedy Little Sparrow A Portrait of Sophia Kovalevsky Ohio University Press Athens Ohio 1983 Diese Monographie ist die Quelle fur die Erzahlung Zu viel Gluck In Alice Munro Zu viel Gluck Zehn Erzahlungen S Fischer Verlag Frankfurt am Main 2011 ISBN 978 3 10 048833 6 Michail Bachtin Probleme der Poetik Dostoevskijs Dostojewskis Ullstein 1988 ISBN 3 548 35228 6 S 10 Dunja Brotz Dostojewskis Der Idiot im Spielfilm Bielefeld 2008 ISBN 978 3 89942 997 8 Weblinks BearbeitenOriginaltext auf Russisch Englischsprachige Ubersetzung Der Idiot bei Zeno org deutsche Ubersetzung Paralleler Russisch Deutscher Text in ParallelBook Format Rezension auf dostojewsky de Ausfuhrliche Kommentare zu einer Werkausgabe russisch Brigitte Schultze Der Dialog in F M Dostoevskijs Idiot Dissertation Munchen 1974 Digitalisat Walter Benjamin Der Idiot von Dostojevskij online Werke von Fjodor Michailowitsch Dostojewski Romane Arme Leute Njetotschka Neswanowa Erniedrigte und Beleidigte Schuld und Suhne Der Spieler Der Idiot Die Damonen Der Jungling Die 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