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Der Burgess Schiefer englisch Burgess shale ist eine der weltweit bedeutendsten Fossillagerstatten und wurde nach dem Burgess Pass im Yoho Nationalpark in den kanadischen Rocky Mountains am sudwestlichen Sattel zwischen Mount Wapta und Mount Field benannt Der Walcott Steinbruch erschliesst die Burgess Schiefer in der so genannten Walcott Quarry Subformation Walcott Quarry Shale Member Marrella ist das haufigste Fossil des Burgess SchieferGemeint ist ein Fundort von Sedimenten uberwiegend in zwei Steinbruchen Walcott Quarry und dem hoher liegenden Raymond Quarry die in der Nahe von Field British Columbia Kanada am 30 August 1909 von Charles Doolittle Walcott entdeckt wurden und zum Weltkulturerbe zahlen Bedingt durch den aussergewohnlichen Entstehungsprozess mehr als 200 Meter unter dem Meeresspiegel zur Zeit des Mittleren Kambriums vor ungefahr 505 Millionen Jahren 1 zu dieser Zeit in Aquatornahe finden sich hier ausserst selten vorkommende Fossilien tierischer schalenloser Organismen in grosser Zahl Die dunne Schicht aus Schieferton stellt daher ein Fenster auf den Reichtum eines mittelkambrischen Okosystems dar das zu den vitalsten Zeiten in der Entwicklung des Lebens auf der Erde gehort Die Funde umfassen Fossilien von mehr als 30 Gattungen von Gliederfussern und eine Vielzahl von Borstenwurmern deren Feinststrukturen in den feinkornigen Sedimenten in tadellosem Zustand erhalten geblieben sind Pikaia gracilens wird zumeist als eines der altesten bekannten Chordatiere angesehen Andere Fossilien entziehen sich heutiger Systematik es werden fur sie vollig neue heute gar nicht mehr vertretene Stamme vorgeschlagen Ahnliche Funde aus dieser Zeit sind aus der Chengjiang Faunengemeinschaft in der chinesischen Provinz Yunnan bekannt Der Burgess Schiefer gilt aufgrund der ungewohnlichen Weichteilerhaltung der zahlreichen Fossilien und der damit wesentlichen Bedeutung fur die Erforschung der fruhen Evolution der vielzelligen Tiere Metazoa unter Palaontologen und Palaookologen als Schatzkammer denn er ermoglicht einen weltweit einzigartigen Einblick in eine Biozonose des Kambriums Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Bedeutung 1 1 Die Entdeckung durch Charles Walcott 1 2 Forschungsgeschichte seit den 1960er Jahren 2 Geologischer Rahmen 3 Stratigraphie 4 Taphonomie und Diagenese 5 Ahnliche Fundstellen 6 Organismen 7 Siehe auch 8 Belege 8 1 Literatur 8 2 Weblinks 8 3 EinzelnachweiseGeschichte und Bedeutung Bearbeiten nbsp Der erste vollstandige Fund von AnomalocarisDie Entdeckung durch Charles Walcott Bearbeiten Der Burgess Schiefer wurde 1909 von dem Palaontologen Charles Walcott kurz vor Ende der Grabungssaison entdeckt 2 Gelegentlich ist zu lesen dass das Pferd seiner Frau beim Abstieg uber den steilen Pfad der vom Grat zwischen dem Mount Wapta und dem Mount Field im heutigen Yoho National Park abzweigt uber einen Felsbrocken stolperte Als Charles Walcott den Felsbrocken zerschlug um damit den Pfad sicherer zu machen legte er ein Marrella Fossil frei Die romantische Geschichte wird jedoch von den Tagebuchaufzeichnungen Walcotts nicht bestatigt 3 Die Entdeckung erster Fossilien durch Walcott lassen sich immerhin auf September 1909 datieren 1910 kehrte Charles Walcott mit seinen Sohnen zuruck um Ausgrabungen im fossilreichen Gestein zu beginnen Die Menge an unbekannten Fossilien sowie deren ausserordentliche Weichteilerhaltung veranlassten ihn dazu bis 1924 nahezu jedes Jahr zu dem von ihm angelegten Steinbruch zuruckzukehren Zu diesem Zeitpunkt im Alter von 74 hatte er 65 000 Fossilexemplare zusammengetragen 4 Die Beschreibung dieser Fossilien war eine ausserst zeitaufwendige Aufgabe der er bis zu seinem Tode im Jahr 1927 nachging 2 Walcott versuchte wie zu seiner Zeit ublich alle Fossilfunde in die Systematik moderner Tierarten einzufugen Als ein Ergebnis dessen wurden die Fossilien damals lediglich als Kuriositaten angesehen Die Sammlung von Charles Walcott befindet sich heute im Smithsonian Forschungsgeschichte seit den 1960er Jahren Bearbeiten nbsp Fossil von HallucigeniaErst als Alberto Simonetta 1962 die Fossilien einer erneuten Untersuchung zufuhrte erkannte man den ausserordentlichen Wert des Burgess Schiefers fur die Wissenschaft sowie das Problem dass die Organismen nicht ohne Weiteres in die Systematik moderner Arten einzugliedern waren Die Ausgrabungen in Walcotts Steinbruch wurden nach Uberzeugungsarbeit seitens des Trilobitenexperten Harry Blackmore Whittington 1966 vom Geological Survey of Canada wieder aufgenommen Ausserdem wurde ein zweiter Aufschluss der sogenannte Raymond Steinbruch etwa 20 m uber dem Walcott Steinbruch angelegt 2 Hier hatte in den 1930er Jahren der Harvard Professor Percy E Raymond umfangreichere Grabungen vorgenommen Die Sammlung findet sich heute im Museum fur vergleichende Zoologie in Harvard Whittington begann zusammen mit seinen Studenten Derek Briggs und Simon Conway Morris von der University of Cambridge eine grundliche Neubeurteilung des Burgess Schiefers und entdeckte dass die Fossilfauna deutlich diverser und ungewohnlicher war als Walcott zu seiner Zeit erkannt hatte 2 Tatsachlich besassen viele der gefundenen Fossilien sonderbare anatomische Eigenschaften und nur vage Ahnlichkeiten mit modernen Tieren Beispiele sind Opabinia mit funf Augen und einer russelartig verlangerten Kopfpartie sowie Hallucigenia das ursprunglich mit der Oberseite nach unten rekonstruiert wurde und so auf seinen bilateral symmetrisch angeordneten Stacheln lief Mittlerweile geht man davon aus dass es sich auf am Rumpf befestigten fleischigen Fortsatzen fortbewegte ahnlich wie heutige Stummelfusser Nectocaris ursprunglich als Crustacee mit Flossen oder Chordatier mit Schale beschrieben wurde inzwischen als fruher Kopffusser identifiziert Nachdem Parks Canada und die UNESCO die Bedeutung des Burgess Schiefers um 1970 anerkannten wurden Aufsammlungen von Fossilien schwieriger Weitere Grabungen wurden vom Royal Ontario Museum durchgefuhrt Der Kurator der Invertebratenpalaontologie Desmond Collins identifizierte eine Anzahl anderer Aufschlusse des Burgess Schiefers die stratigraphisch sowohl uber als auch unter dem ursprunglichen Walcott Steinbruch liegen 2 Diese Aufschlusse liefern nach wie vor schneller neuartige Fossilien als diese untersucht werden konnen Das Buch Wonderful Life veroffentlicht 1989 von Stephen Jay Gould brachte den Fossilien des Burgess Schiefers offentliche Aufmerksamkeit Gould war der Ansicht die ausserordentliche Diversitat der Burgessfossilien liesse darauf schliessen dass die kambrische Umwelt weitaus formenreicher war als die heutige und dass viele der einzigartigen Abstammungslinien evolutionare Experimente darstellen die jedoch ausstarben Goulds These stutzte sich dabei sehr stark auf die von Simon Conway Morris reinterpretierten Originalarbeiten von Walcott Morris war mit Goulds Schlussen jedoch nicht einverstanden Nach seiner Meinung konnte man fast die gesamte Burgessfauna in die heutige Systematik eingliedern 5 Anfang 2014 wurde die Entdeckung einer weiteren Fundstelle im Kootenay Nationalpark sudlich der bisher bekannten Fundstelle bei Fields im Yoho Nationalpark bekannt In einer nur 15 Tage dauernden Ausgrabung eines Teams des Royal Ontario Museum und verschiedener Universitaten wurden am neuen Fundort die Fossilien von 50 Tierarten ausgegraben Dabei ist bei der von Arthropoden dominierten Ansammlung die hohe Dichte und Vielfalt an Fossilien mit weichem Korper sowie der grosse Anteil an neuen Arten bemerkenswert 6 7 Geologischer Rahmen Bearbeiten nbsp Satellitenbild der Region nbsp Die Stephen Formation liegt der Cathedral Formation auf Teile der Cathedral Formation wurden durch Losungen dolomitisiert Der machtigere Teil der Stephen Formation wird als Burgess Schiefer bezeichnetDie fossilreichen Ablagerungen des Burgess Schiefers sind Teil der Stephen Formation einer Folge von schwach kalkigen dunklen Tonsteinen Ihr Alter liegt bei etwa 505 Millionen Jahren 2 Die einzelnen Schichten wurden an der Basis eines 160 m hohen Steilhanges Riff 2 unter der Sturmwellenbasis abgelagert 8 Der Steilhang setzt sich seinerseits aus kalkigen Riffablagerungen zusammen und ist der Cathedral Formation zuzurechnen Diese Formation entstand vermutlich kurz vor der Ablagerung des Burgess Schiefers 2 Der genaue Hergang der Sedimententstehung ist nicht mit Sicherheit bekannt die am weitesten verbreitete Hypothese geht jedoch davon aus dass sich der obere Teil des Riffs abloste und mit ihm in Form eines Suspensionsstroms auch die Tone der Stephen Formation in die Tiefe rutschten und eventuell erst in kilometerweiter Entfernung von der Rifffront erneut abgelagert wurden 2 Als ursachlich fur den teilweisen Zerfall der Cathedral Formation wird dabei die Reaktivierung von Storungen an der Basis der Formation vor etwa 509 Millionen Jahren angesehen 9 Die Gesteine der Cathedral Formation sind gegenuber tektonischen Belastungen sehr resistent Sie boten den daraufliegenden Ablagerungen der Stephen Formation daher Schutz vor solchen Vorgangen Dies erklart warum Fossilfunde in der Stephen Formation die in grosserer Entfernung zum ehemaligen Riff gemacht wurden nicht verwertbar sind Durch die tektonischen Vorgange zerbricht das Gestein dort vertikal zu den Fossilien 2 Walcotts Steinbruch lieferte deshalb so viele spektakulare Fossilien weil er sich so nah an der Stephen Formation befand Tatsachlich wurde im Steinbruch mittlerweile soweit ausgegraben dass man auf die Cathedral Formation gestossen ist 2 Ursprunglich glaubte man dass der Burgess Schiefer unter anoxischen Bedingungen abgelagert wurde neuere Forschungsergebnisse beweisen aber dass zu jeder Zeit Sauerstoff im Sediment vorhanden war 10 Durch die Abwesenheit von Sauerstoff so nahm man an wurden die abgestorbenen Organismen vor der Zersetzung geschutzt und chemische Bedingungen hergestellt die die Uberlieferung der Weichteile ermoglichten Ausserdem verringert sich mit abnehmendem Sauerstoffgehalt des Wassers auch die Anzahl an grabenden Organismen In den Schichten mit Weichteilerhaltung wurden Ichnofossilien gefunden diese sind jedoch selten und relativ klein 2 Eine andere Hypothese macht stark salzhaltige Losungen am Meeresgrund fur die ausserordentliche Erhaltung verantwortlich Stratigraphie BearbeitenDie Formation des Burgess Schiefers setzt sich aus zehn verschiedenen Subformationen engl Member zusammen Die beruhmteste Subformation ist das Walcott Quarry Shale Member das seinerseits die Phyllopod Beds enthalt 8 Taphonomie und Diagenese BearbeitenEs gibt viele andere Fossillagerstatten mit ahnlichem Fossilerhaltungszustand tatsachlich sind solche Fossilansammlungen im Kambrium viel haufiger als in jeder spateren Periode der Erdgeschichte Die Ursache dafur sucht die Taphonomie in dem sehr beschrankten Ausmass von Bioturbation Im Verlauf des Kambriums nahm die Menge an grabenden Organismen zu und aufgrund dessen die Wahrscheinlichkeit der Weichteilerhaltung von Fossilien ab 2 Ahnliche Fundstellen BearbeitenDie Fossillagerstatten die am haufigsten fur einen Vergleich mit dem Burgess Schiefer herangezogen werden sind Sirius Passet auf Gronland und Chengjiang im Suden Chinas 11 Organismen BearbeitenDie Biota des Burgess Schiefers scheinen typisch fur Sedimente des mittleren Kambriums zu sein 2 Obwohl skeletttragende Organismen lediglich 14 der Fossilgemeinschaft ausmachen 2 finden sich in anderen kambrischen Fossillagerstatten ganz ahnliche Verhaltnisse Es gibt also keinen Grund nicht skeletttragende Organismen in irgendeiner Form als besonders anzunehmen Tatsachlich sind viele auch aus anderen Fossillagerstatten unterschiedlicher Lage und Alters nachgewiesen 2 Die Biota setzen sich aus ganz verschiedenen Organismen zusammen Freischwimmende nektonische Organismen sind relativ selten benthonische Vertreter stellen die Mehrheit Darunter finden sich mobile und sessile Arten 2 Uber 2 3 der Organismen ernahrte sich von organischen Material auf oder im Sediment detritivor knapp 1 3 filterte feine Partikel aus der Wassersaule suspensivor und weniger als 10 waren carnivor oder Aasfresser nekrophag 2 Die benthonischen Vertreter gliedern sich in festsitzende oder sessile Epifauna etwa 30 Prozent und bewegliche Epifauna ca 40 Prozent der Gesamtfauna die uber den Meeresboden krabbelte oder kroch Bei den sessilen Tieren handelt es sich uberwiegend um Schwamme Die bewegliche Epifauna war insgesamt vielfaltiger und wurde von Arthropoden dominiert Tiere die oberhalb der Sedimentoberflache lebten sind selten und machen nur etwa 10 Prozent der Funde aus Der Grund fur ihre Seltenheit ist dass sie den Schlammstromen als Schwimmer besser entkommen konnten 12 Siehe auch BearbeitenKambrische ExplosionBelege BearbeitenLiteratur Bearbeiten Stephen Jay Gould Zufall Mensch Das Wunder des Lebens als Spiel der Natur Hanser Munchen 1993 ISBN 3 446 15951 7 Showdown on the Burgess Shale Natural History magazine 107 10 48 55 abgerufen am 1 November 2011 Gould und Conway Morris diskutieren uber die Bedeutung des Burgess Schiefers Simon Conway Morris The Crucible of Creation The Burgess Shale and the Rise of Animals Oxford University Press Oxford 1998 ISBN 0 19 850197 8 Richard Fortey Trilobite Eyewitness to Evolution Flamingo London 2001 ISBN 0 00 655138 6 Stephen Jay Gould Wonderful Life Burgess Shale and the Nature of History Vintage London u a 2000 ISBN 0 09 927345 4 Derek E G Briggs Douglas H Erwin Frederick J Collier The Fossils of the Burgess Shale Smithsonian Washington DC 1994 ISBN 1 56098 364 7 Weblinks Bearbeiten Beschreibung des Fundorts und einiger Fossilien auf www sauti de The Burgess Shale Geoscience Foundation englisch Datenblatt zum Burgess Schiefer in der Paleobiology DatabaseEinzelnachweise Bearbeiten Age of Burgess Shale In Burgess Shale Bristol University archiviert vom Original am 14 Juli 2007 abgerufen am 5 September 2007 a b c d e f g h i j k l m n o p q r D E G Briggs D H Erwin F J Collier Fossils of the Burgess Shale Smithsonian Inst Press Washington 1995 ISBN 1 56098 659 X Paul Selden John Nudds Fenster zur Evolution Beruhmte Fossilfundstellen der Welt Elsevier Munchen 2007 ISBN 978 3 8274 1771 8 S 20 Paul Selden John Nudds Fenster zur Evolution Beruhmte Fossilfundstellen der Welt Elsevier Munchen 2007 ISBN 978 3 8274 1771 8 S 21 Simon Conway Morris The Crucible of Creation The Burgess Shale and the Rise of Animals Oxford University Press Oxford 1998 ISBN 0 19 850256 7 S 242 Jean Bernard Caron Robert R Gaines u a A new phyllopod bed like assemblage from the Burgess Shale of the Canadian Rockies In Nature Communications 11 Februar 2014 abgerufen am 11 Februar 2021 englisch Epic animal fossil discovery in Kootenay National Park In Columbia Valley Pioneer 11 Februar 2014 abgerufen am 11 Februar 2021 englisch a b S E Gabbott J Zalasiewicz D Collins Sedimentation of the Phyllopod Bed within the Cambrian Burgess Shale Formation of British Columbia In Journal of Geological Society Band 165 Nr 1 2008 S 307 doi 10 1144 0016 76492007 023 online auf Lyell Collection org C J Collom Reinterpretation of Middle Cambrian stratigraphy of the rifted western Laurentian margin Burgess Shale Formation and contiguous units Sauk II Megasequence Rocky Mountains Canada In Palaeogeography Palaeoclimatology Palaeoecology Band 277 Nr 1 2 2009 S 63 85 doi 10 1016 j palaeo 2009 02 012 W Powell Comparison of Geochemical and Distinctive Mineralogical Features Associated with the Kinzers and Burgess Shale Formations and their Associated Units In Palaeogeography Palaeoclimatology Palaeoecology Band 277 Nr 1 2 2009 S 127 140 doi 10 1016 j palaeo 2009 02 016 Paul Selden John Nudds Fenster zur Evolution Beruhmte Fossilfundstellen der Welt Elsevier Munchen 2007 ISBN 978 3 8274 1771 8 S 27 und S 28 Paul Selden John Nudds Fenster zur Evolution Beruhmte Fossilfundstellen der Welt Elsevier Munchen 2007 ISBN 978 3 8274 1771 8 S 27 51 438333333333 116 47666666667 Koordinaten 51 26 18 N 116 28 36 W Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Burgess Schiefer amp oldid 226320069