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Beinwil am See Agelmoos ist ein archaologischer Fundplatz in Beinwil am See im Schweizer Kanton Aargau Es handelt sich dabei um eine Seeufersiedlung auch Pfahlbauerdorf oder Palafitte genannt 1 die vermutlich in der Jungstein Fruhbronze und Spatbronzezeit besiedelt war d h im Zeitraum zwischen 4500 v Chr und 850 v Chr Die Siedlungsreste liegen heute 2019 im Hallwilersee vollstandig unter Wasser Als Schutzmassnahme wurden sie 2017 mit einer Geotextil und einer Kies Schicht zugedeckt Seit 2011 ist der Fundplatz Teil des UNESCO Welterbes Prahistorische Pfahlbauten um die Alpen Haldensituation im Bereich der offen am Seegrund liegenden Kulturschicht im Jahr 2012 Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Entdeckung Prospektion und Schutzmassnahmen 3 Funde und Datierung 3 1 Jungsteinzeit 3 2 Fruhbronzezeit 3 3 Spatbronzezeit 4 Trockenrisse in den Pfahlen 5 Der Siedlungstyp Seeufersiedlung 6 UNESCO Welterbe Prahistorische Pfahlbauten um die Alpen 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseLage BearbeitenDie Fundstelle liegt im Gebiet Agelmoos bei Beinwil am See auf einer ufernahen Strandplatte ungefahr einen Kilometer nordlich des Schiffsstegs von Beinwil am See am Westufer des Hallwilersees in einer Wassertiefe von ca 80 cm bis 4 m 2 Die bis zu einen Meter dicken Kulturschichten erstrecken sich auf einer Flache von rund 650 m 3 Die Lage der Fundstelle Agelmoos an einer steil abfallenden Halde im See fuhrte zum Absacken des Seegrunds wobei auch die archaologischen Schichten seewarts abrutschten Dadurch treten sie nun an der Halde nahezu horizontal an die Oberflache 2 Entdeckung Prospektion und Schutzmassnahmen Bearbeiten nbsp In die offenliegende Kulturschicht eingebettete vollstandig erhaltene Schale und Egli Flussbarsch nbsp Oberflachendokumentation durch die Unterwasserarchaologie der Stadtarchaologie Zurich UWAD im Jahr 2017 Die Fundstelle wurde 1996 2 bei einer systematischen Untersuchung des Hallwilersees entdeckt 4 In den Jahren 2000 bis 2016 wurden mehrere kleinere Untersuchungen an der Fundstelle vorgenommen u a wurden Ausdehnung und Verlauf der Kulturschichten erfasst Im Jahr 2005 wurde eine Erosionskontrolle durchgefuhrt die die fortschreitende Zerstorung der archaologischen Fundschichten feststellte 2 Daruber hinaus wurden Gutachten zur Stabilitat des Untergrunds und zur Gewasserokologie erstellt Im Fruhjahr 2015 fand eine digital gesteuerte Facherlot Vermessung statt deren Daten eine wichtige Grundlage fur die weiteren Arbeiten darstellten 5 Bevor entsprechende Schutzmassnahmen durchgefuhrt werden konnten mussten die oberflachlich sichtbaren archaologischen Strukturen festgehalten werden Eine Tauchequipe der Stadtarchaologie Zurich dokumentierte deshalb 2016 und 2017 im Auftrag der Kantonsarchaologie Aargau die Oberflache im stark gefahrdeten Haldenbereich Dabei wurden Funde geborgen Holzproben fur die dendrochronologische Datierung entnommen und das Terrain fur die geplanten Schutzmassnahmen vorbereitet Beim grossten Teil der Funde handelt es sich um oberflachlich aufliegende Streufunde ohne archaologischen Schichtkontext 2 Dennoch konnten anhand des Fundmaterials unterschiedliche Zeitstellungen ausgemacht werden 6 Das archaologische Buro Terramare fuhrte weitgehend die eigentlichen Schutzmassnahmen durch 7 Die Fundstelle wurde 2017 mit einem Geotextil abgedeckt und auf diese Geotextil Schicht eine 20 cm dicke Kies Schicht geschuttet So soll der nun dokumentierte Status auch fur kommende Generationen erhalten bleiben und in Zukunft weitere Untersuchungen ermoglichen eventuell mit neuen Methoden 8 Verschiedene Funde werden heute 2019 im Museum Burghalde in Lenzburg ausgestellt Funde und Datierung BearbeitenJungsteinzeit Bearbeiten nbsp Wandscherbe eines grossen Topfs aus der Jungsteinzeit mit typischen Merkmalen der Bruebach Oberbergen KulturIm Jahr 2000 wurde eine grosse verzierte Scherbe der jungsteinzeitlichen Bruebach Oberbergen Kultur an der Oberflache entdeckt die typisch fur das sudliche Oberrhein Gebiet um 4200 v Chr ist Sie zeigt somit eine mogliche Verbindung nach Norden in dieser Zeit vergleichbar mit vereinzelten Funden in verschiedenen anderen Seeufersiedlungen im Wauwilermoos Egolzwil und in Zurich Eine weitere Scherbe des 5 Jt v Chr wurde bei Aufsammlungen 2016 gefunden 6 Beinwil am See Agelmoos konnte somit zu den fruhesten Seeufersiedlungen des Schweizer Mittellandes gehoren 9 10 nbsp Tasse aus der FruhbronzezeitFruhbronzezeit Bearbeiten Der grosste Anteil an Funden die an der Oberflache geborgen wurden stammt aus der Fruhbronzezeit Dieses Fundmaterial ist typologisch sehr einheitlich und kann in die Zeit um 1640 v Chr datiert werden Die fruhbronzezeitliche Siedlung bestand vermutlich nur einige Jahrzehnte worauf Typologie und Stratigraphie schliessen lassen Die Keramik aus dieser Epoche ist relativ gut erhalten Sie zeigt kaum Sinterspuren die Scherben sind relativ gross und haben zum Teil neue Bruche und an Kochtopffragmenten klebt haufig noch angebrannter Brei 6 Spatbronzezeit Bearbeiten Die spatbronzezeitliche Keramik ist deutlich weniger einheitlich als die fruhbronzezeitliche Typologisch liegt der Schwerpunkt um 1000 v Chr Auch weitere Bronzefunde wie ein Bronzemesser eine Bronzenadel und Angelhaken stammen in etwa aus dieser Zeit Die beiden bisher vorliegenden Dendrodaten 1046 und 1056 v Chr durften dagegen nur den Beginn der spatbronzezeitlichen Besiedlung datieren Im Gegensatz zum fruhbronzezeitlichen Material zeigt das spatbronzezeitliche haufig Sinterauflagerungen ist oberflachlich erodiert und hat verrundete Kanten 6 nbsp Verzierte spatbronzezeitliche Keramik nbsp Funde aus der Spatbronzezeit Geweihgriff Gewandnadel Bronzemesser nbsp Sog Pfahlschuh der unter den Pfahlen angebracht wurde und das Einsinken verhinderteTrockenrisse in den Pfahlen BearbeitenBemerkenswerterweise weisen die bronzezeitlichen Pfahle in 80 cm Tiefe Trockenrisse auf Vermutlich waren sie also uber die Jahrhunderte immer wieder trockengefallen und sind sicher auch entsprechend tief hinunter verfault Da der Hallwilersee keine nennenswerten jahrlichen Schwankungen aufweist konnen sie nicht bei winterlichem Niedrigwasser entstanden sein Demgegenuber bewirkte eine Muhle die seit dem Mittelalter nahe dem Ausfluss beim Schloss Hallwyl steht dass der Hallwilersee um ca 80 cm anstieg Es ist deshalb anzunehmen dass die Pfahle erst mit dem Bau des Muhlenwehrs wieder dauerhaft unter Wasser gerieten 2 Der Siedlungstyp Seeufersiedlung Bearbeiten Hauptartikel Pfahlbau nbsp Rekonstruktion eines bronzezeitlichen Pfahlbaus im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen Bei Seeufersiedlungen handelt es sich um archaologisch besonders wertvolle Fundstellen da im Feuchtbodenmilieu Hinterlassenschaften aus organischem Material erhalten bleiben beispielsweise Bauholzer und organische Abfalle die z B bei Zubereitung und Verzehr von Nahrung entstehen siehe Erhaltungsbedingungen fur organisches Material Die Holzbauten lassen sich mittels Dendrochronologie besonders gut datieren 11 Allerdings sind die Kulturschichten sehr empfindlich und durch verschiedene menschliche und naturliche Einflusse bedroht 12 Der Siedlungstyp der Seeufersiedlung tauchte in der fruhen Jungsteinzeit um 4500 v Chr auf und verschwand am Ende der Bronzezeit um 850 800 v Chr Er war an Seeufern und in Moorgebieten beiderseits der Alpen verbreitet Die grosste Anzahl fand sich im Schweizer Mittelland Es handelt sich bei den jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Siedlungsresten um Dorfer die von den ersten Ackerbauern und Viehzuchtern in dieser Region errichtet wurden siehe Neolithische Revolution 12 Ein Hauptgrund warum die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Bauern ihre Dorfer auf trockengefallenen Strandplatten von Seen oder Moorgebieten errichteten durfte die Suche nach einer dauerhaften Wasserstelle in Zeiten relativer Trockenheit gewesen sein Ausserdem durfte der weiche kaum bewachsene Baugrund ein Anreiz gewesen sein da er es erlaubte Holzpfahle in den Boden zu rammen die Dach und Wande der Hauser trugen 13 Stieg der Seespiegel infolge einer Klimaverschlechterung an wurde die uberschwemmte Siedlung aufgegeben bzw in ein hohergelegenes Gebiet verlegt Die Kulturschicht und die organischen Reste wurden dann durch das Wasser und den Schlick konserviert 12 UNESCO Welterbe Prahistorische Pfahlbauten um die Alpen Bearbeiten Hauptartikel Prahistorische Pfahlbauten um die Alpen Am 27 Juni 2011 hat die UNESCO 111 Fundstellen aus 6 Landern Deutschland Italien Frankreich Slowenien Osterreich und der Schweiz als Prahistorische Pfahlbauten um die Alpen in die Weltkulturerbeliste aufgenommen In der Schweiz sind es 56 Fundstellen aus der Jungstein und Bronzezeit Fur den Kanton Aargau sind dies die beiden Siedlungsstellen Seengen Riesi und Beinwil Agelmoos 3 Es werden insbesondere zwei wichtige Forschungsschwerpunkte hervorgehoben 12 Seeufersiedlungen liefern Erkenntnisse uber die Beziehungen von Umwelt und Bevolkerung uber einen Zeitraum von rund 4000 Jahren insbesondere die Reaktionen der Bevolkerung auf Klimaschwankungen Die Zeugnisse liefern Erkenntnisse uber die sozialen Beziehungen zwischen verschiedenen identifizierten Kulturen Das betrifft sowohl die Ufersiedlungen untereinander als auch der materielle und immaterielle Austausch mit anderen Kulturen auf dem europaischen Kontinent Siehe auch BearbeitenSeengen Riesi Meisterschwanden Seerose Meisterschwanden Erlenholzli Liste der Kulturguter in Beinwil am SeeLiteratur BearbeitenBerichte der Kantonsarchaologie Aargau und der Unterwasserarchaologie Zurich Sandro Geiser Christian Maise Erosionsschutz fur Aargauer Pfahlbauten In forschen amp schutzen Stadt Zurich Amt fur Stadtebau Fachbericht Nr 2 November 2018 S 32 39 Online Kantonsarchaologie Aargau Bericht der Kantonsarchaologie 2011 In Argovia Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau Nr 124 2012 S 271 Online Kantonsarchaologie Aargau Bericht der Kantonsarchaologie 2015 In Argovia Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des 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Statte Beinwil Aegelmoos im Kanton Aargau YouTube Video Unesco Palafittes Prahistorische Pfahlbauten um die Alpen Webseite zum Unesco Welterbe abgerufen am 30 Juni 2019Einzelnachweise Bearbeiten Corboud Schaeren Die Pfahlbauten der Schweiz a b c d e f Geiser Maise Erosionsschutz fur Aargauer Pfahlbauten In forschen amp schutzen 2018 S 33 a b Kantonsarchaologie Aargau Bericht der Kantonsarchaologie 2011 In Argovia Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau Nr 124 2012 S 271 Sibylle Haltiner Der Hallwilersee beherbergt ein verstecktes Welterbe In Aargauer Zeitung Online Beitrag vom 12 Juni 2016 Kantonsarchaologie Aargau Bericht der Kantonsarchaologie 2015 In Argovia Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau Nr 128 2016 S 178 180 a b c d Geiser Maise Erosionsschutz fur Aargauer Pfahlbauten In forschen amp schutzen 2018 S 35 Geiser Maise Erosionsschutz fur Aargauer Pfahlbauten In forschen amp schutzen 2018 S 39 Fritz Thut Viel Kies zum Schutz der Uberreste der Hallwilersee Pfahlbauten In Lenzburger Bezirks Anzeiger Online Beitrag vom 8 November 2017 Kanton Aargau Departement Bildung Kultur und Sport Beinwil Aegelmoos Memento des Originals vom 29 Juni 2019 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www ag ch Corboud Schaeren Die Pfahlbauten der Schweiz S 73 Corboud Schaeren Die Pfahlbauten der Schweiz S 2 3 a b c d Pierre Corboud Ufersiedlungen Feuchtbodensiedlungen In Historisches Lexikon der Schweiz 3 April 2019 abgerufen am 16 Oktober 2020 Corboud Schaeren Die Pfahlbauten der Schweiz S 8 10 Bestandteile der Welterbestatte Prahistorische Pfahlbauten um die Alpen nbsp nbsp Beinwil am See Agelmoos Seengen Riesi Pfahlbausiedlung Weier Freienbach Hurden Rosshorn Freienbach Hurden Seefeld Seegubel Rapperswil Jona Technikum Erlenbach Winkel Greifensee Storen Wildsberg 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