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Australopithecus anamensis ist eine Art der ausgestorbenen Gattung Australopithecus aus der Familie der Menschenaffen Fossilien die dieser Art zugeordnet wurden stammen aus rund 4 Millionen Jahre alten Fundschichten Ostafrikas Australopithecus anamensisLinks 3 Fragmente des Unterarmknochens KNM ER 20419 Mitte oben Schienbein KNM KP 29285A und B Mitte unten Oberkiefer KNM KP 29283 rechts oben Oberarmknochen Fragment KNM KP 271 rechts unten Unterkiefer Typusexemplar KNM KP 29281 Nachbildungen Museo de Ciencias Naturales de Madrid Zeitliches AuftretenPliozan4 2 bis 3 8 Mio JahreFundorteKanapoi und Allia Bay Turkana See Kenia Afar Dreieck Athiopien SystematikMenschenartige Hominoidea Menschenaffen Hominidae HomininaeHomininiAustralopithecusAustralopithecus anamensisWissenschaftlicher NameAustralopithecus anamensisM Leakey Feibel McDougall amp Walker 1995 1 Australopithecus anamensis gilt als die alteste Art der Australopithecinen und zugleich als die alteste unumstrittene Art der Hominini 2 Als sehr wahrscheinlich gilt ferner dass Australopithecus anamensis und der jungere Australopithecus afarensis zeitlich aufeinander folgende Schwester Arten infolge Anagenese sind 3 Inhaltsverzeichnis 1 Namensgebung 2 Erstbeschreibung 3 Funde 4 Datierung 5 Merkmale 5 1 Ernahrung 5 2 Korperbau 5 3 Habitat 6 Kritik 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 BelegeNamensgebung BearbeitenAustralopithecus ist ein Kunstwort Die Bezeichnung der Gattung ist abgeleitet von lat australis sudlich und griechisch pi8hkos altgr ausgesprochen pithekos Affe Das Epitheton anam bedeutet in der Turkana Sprache See und verweist auf den Fundort am Turkana See Australopithecus anamensis bedeutet also sudlicher Affe vom See Erstbeschreibung BearbeitenAls Holotypus von Australopithecus anamensis wurde in der Erstbeschreibung im Jahr 1995 der Unterkiefer KNM KP 29281 vom Fundort Kanapoi beschrieben dessen samtliche Zahne erhalten geblieben sind jedoch fehlen die Kiefergelenke 1 Weitere zur Definition der Art herangezogene Funde Paratypen sind u a die beiden zusammengehorigen Unterkiefer Fragmente KNM KP 29283 sowie die beiden Bruchstucke des Schienbeins KNM KP 29285 siehe Abbildungen von allen drei Fossilien im Kopf des Artikels die Abkurzungen KNM KP stehen fur den Verwahrort der Fossilien das Kenia National Museum und fur den Fundort Kanapoi Funde Bearbeiten nbsp Das Oberarmknochen Fragment KNM KP 271 aus dem Bereich des Ellbogengelenks wurde bereits 1965 geborgen zunachst aber keiner bestimmten Art zugeordnet Das erste spater zu Australopithecus anamensis gestellte Fossil ein Bruchstuck des unteren Endes von einem linken Oberarmknochen wurde 1965 von Bryan Patterson in Kanapoi entdeckt und zunachst unter der Bezeichnung KNP 271 spater KNM KP 271 archiviert Zwei Jahre spater wurde es in der Fachzeitschrift Science als wahrscheinlich zur Gattung Australopithecus gehorig beschrieben jedoch keiner bestimmten Art zugeordnet 4 1982 wurde an der seit 1968 bekannten Fundstelle Allia Bay ein ahnlich alter einzelner linker Molar KNM ER 7727 entdeckt 1988 weitere Backenzahne und 1994 schliesslich in Kanapoi mehrere Oberkiefer und Unterkiefer Fragmente Diese Zahne und ein Unterkiefer Fragment wurden 1994 erstmals wissenschaftlich beschrieben und zuruckhaltend in die verwandtschaftliche Nahe von Australopithecus afarensis gestellt 5 Eine genaue Analyse der Kiefer und insbesondere der Fund des oberen und unteren Endes eines rechten Schienbeins KNM KP 29285 aus jeweils annahernd gleich alten Fundschichten das dahingehend interpretiert wurde dass sein Besitzer sich gewohnheitsmassig auf zwei Beinen fortbewegte veranlasste die Forscher um Meave Leakey und Alan Walker zu einer veranderten Sicht auf diese Fossilien 1995 wurde daher in Nature auf Grundlage von 21 Fundstucken die Erstbeschreibung von Australopithecus anamensis publiziert 1 Zwischen 1995 und 1997 wurden aus beiden kenianischen Fundstellen weitere Fossilien geborgen die zu Australopithecus anamensis gestellt wurden Auch aus ihnen wurde abgeleitet dass Australopithecus anamensis primitivere anatomische Merkmale als Australopithecus afarensis aufweise und daher als die fruheste Art der Gattung Australopithecus eingeordnet werden konne 6 Seit 2006 wurden im Verlauf mehrerer Grabungskampagnen im Afar Dreieck Athiopien zahlreiche Fragmente von mindestens acht Individuen geborgen deren Alter vergleichbar ist mit den kenianischen Funden und die deshalb ebenfalls Australopithecus anamensis zugeordnet wurden darunter der grosste bisher bekannte Eckzahn und der alteste Oberschenkel Knochen eines Australopithecus 7 Zu den bedeutendsten Funden zahlt ein im Februar 2016 in der athiopischen Grabungsstatte Woranso Mille entdeckter Schadel MRD VP 1 1 mit teilweise erhaltenem Oberkiefer dem ein Alter von rund 3 8 Millionen Jahre zugeschrieben wurde 8 Datierung BearbeitenDie Mehrzahl aller im Umkreis des Turkana Sees gefundenen Fossilien kann zuverlassig absolut datiert werden da es in dieser Region wiederholt zu Vulkanausbruchen gekommen ist So liegt die Fundschicht der meisten zu Australopithecus anamensis gestellten Fossilien zwischen einem Basaltstrom und einer Ascheschicht Tuff die radiometrisch auf 4 35 und 3 89 Millionen Jahre datiert wurden Wird zudem die Position innerhalb der zwischen Basalt und Tuff insgesamt 37 Meter hohen Fundschicht berucksichtigt dann sind die Fossilien von Allia Bay und Kanapoi rund 3 95 Millionen Jahre alt Die Funde aus Athiopien konnten ebenfalls radiometrisch absolut datiert werden sie sind rund 4 2 bis 4 1 Millionen Jahre alt Merkmale Bearbeiten nbsp Hypothese zur Evolution der Australopithecinen wie sie aufgrund der gegenwartigen Fundlage beispielsweise von Friedemann Schrenk vertreten wird nbsp Lageplan der beiden Fundorte von Australopithecus anamensis am Turkana See in KeniaErnahrung Bearbeiten Australopithecus anamensis unterscheidet sich deutlich vom alteren Ardipithecus ramidus aber auch speziell hinsichtlich des Baus der Zahne vom jungeren Australopithecus afarensis Sein Schadel ahnelt dem der Schimpansen die Zahnreihen in Unterkiefer und Oberkiefer stehen fast parallel zueinander Seine grossen Eckzahne stehen schrag zur Kauflache und auch die Backenzahne sind recht gross was auf den Verzehr relativ grober pflanzlicher Nahrung schliessen lasst 2013 erbrachte eine Isotopenanalyse der Zahne von Funden aus dem Turkana Becken dass Australopithecus anamensis einen hohen Anteil von relativ weichen C3 Pflanzen konsumierte wahrend Australopithecus afarensis primar C4 Pflanzen verzehrte 9 In einer 2019 publizierten Studie wurde der Anteil der C4 Pflanzen in der Nahrung von Australopithecus anamensis auf mindestens 15 Prozent geschatzt 10 Korperbau Bearbeiten Die Ansatzstellen von Muskeln Sehnen und Bandern sowie die Krummung und Orientierung der Gelenkflachen der Arme sind am ehesten mit dem entsprechenden Knochen eines Orang Utan zu vergleichen Die schimpansenahnliche Krummung der Fingerknochen deutet darauf hin dass Australopithecus anamensis haufig in Baumen an Asten hing oder auf den Fingerknocheln im Knochelgang ging Auch die Form des Gesichts die Nase deutlich hinter der Oberlippe lasst auf ein Erscheinungsbild schliessen das einem Orang Utan geahnelt haben konnte 11 Der Palaoanthropologe Friedemann Schrenk beschreibt das Erscheinungsbild so Wahrend der Schadel eher menschaffenahnlich wirkt ist der Bau der Extremitaten nur mit Muhe von dem des modernen Menschen zu unterscheiden Im Gegensatz zur spateren Art Australopithecus afarensis war der aufrechte Gang bei dem fruheren Australopithecus anamensis offenbar schon voll entwickelt Fur diese paradoxe Situation gibt es nur zwei Erklarungsmoglichkeiten Entweder gehoren die in Kanapoi gefundenen Oberschenkelknochen nicht zu Australopithecus anamensis oder Australopithecus anamensis ist kein direkter Vorfahre von Australopithecus afarensis Im zweiten Fall eroffnet sich die hochst spannende Aussicht dass die ersten Angehorigen der Gattung Homo vielleicht sogar direkt auf Australopithecus anamensis zuruckzufuhren sind 12 Habitat Bearbeiten Ahnlich wie beim sehr viel alteren Sahelanthropus liessen Begleitfunde der zunachst entdeckten Individuen am Turkanasee unter anderem von fossilen Antilopen speziell von Kudus darauf schliessen dass Australopithecus anamensis in einem Habitat lebte das teils aus Buschland teils aus Savanne bestand typisch fur so genannte Galeriewalder es wurden keine Fossilien gefunden die auf offene Wasserflachen schliessen lassen Die Fundstucke aus der Afar Region wurden von den Forschern um Tim White dahingehend gedeutet dass Australopithecus anamensis in Bezug auf viele anatomische Merkmale zwischen Ardipithecus ramidus und Australopithecus afarensis stehe Die relativ grossen Zahne wurden auch bei diesen Funden als eine Anpassung an relativ harte Pflanzennahrung gedeutet wie dies von einer zwar primar waldbewohnenden zumindest aber am Rande einer Steppenlandschaft heimischen Art zu erwarten sei Kritik BearbeitenDie Zuordnung all dieser Funde zu einer einzigen Art ist umstritten vor allem deshalb weil Grosse und Aussehen der Backenzahne sehr unterschiedlich sind und die Fossilien aus Athiopien unvollstandig abgenutzt und beschadigt sind zudem stammen die athiopischen Zahnfunde aus Oberkiefern und lassen sich deshalb nicht unmittelbar mit dem Holotypus einem Unterkiefer vergleichen Nach Ansicht einiger Forscher sprechen die schimpansenartigen Pramolaren und die engen Gehorgange dafur die Fossilien der Gattung Ardipithecus zuzuordnen statt Australopithecus die Orang Utan ahnliche Schnauze sei in Verbindung mit anderen ursprunglichen Merkmalen zudem moglicherweise ein Hinweis dass die als Australopithecus anamensis bezeichneten Fossilien vor der Aufspaltung der Abstammungslinien der Hominini und der Schimpansen einzuordnen sind 13 Selbst die 30 Fossilien aus der kenianischen Fundstelle Allia Bay wurden bislang nur einstweilen mit denen 50 Fossilien vom Fundort des Holotypus in einer einzigen Art zusammengefasst 14 Siehe auch BearbeitenListe homininer Fossilien Stammesgeschichte des MenschenLiteratur BearbeitenCarol Ward Meave Leakey Alan Walker The new hominid species Australopithecus anamensis In Evolutionary Anthropology Band 7 Nr 6 1999 S 197 205 doi 10 1002 SICI 1520 6505 1999 7 6 lt 197 AID EVAN4 gt 3 0 CO 2 T Peter S Ungar et al Molar microwear textures and the diets of Australopithecus anamensis and Australopithecus afarensis In Philosophical Transactions of the Royal Society B Online Publikation vom 20 September 2010 doi 10 1098 rstb 2010 0033 Margaret J Schoeninger Holly Reeser Kris Hallin Paleoenvironment of Australopithecus anamensis at Allia Bay East Turkana Kenya evidence from mammalian herbivore enamel stable isotopes In Journal of Anthropological Archaeology Band 22 Nr 3 2003 S 200 207 doi 10 1016 S0278 4165 03 00034 5 C V Ward F K Manthi J M Plavcan New fossils of Australopithecus anamensis from Kanapoi West Turkana Kenya 2003 2008 In Journal of 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of Turkana Basin hominins In PNAS Band 110 Nr 26 2013 S 10501 10506 doi 10 1073 pnas 1222568110 Rhonda L Quinn Isotopic equifinality and rethinking the diet of Australopithecus anamensis In American Journal of Physical Anthropology Band 169 Nr 3 2019 S 403 421 doi 10 1002 ajpa 23846 Gary J Sawyer Viktor Deak Der lange Weg zum Menschen Lebensbilder aus 7 Millionen Jahren Evolution Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2008 S 24 25 ISBN 978 3 82741915 6 Friedemann Schrenk Die Fruhzeit des Menschen Der Weg zum Homo sapiens C H Beck 1997 S 44 f Gary J Sawyer Viktor Deak Der lange Weg zum Menschen S 27 28 Carol V Ward Meave G Leakey und Alan Walker Morphology of Australopithecus anamensis from Kanapoi and Allia Bay Kenya In Journal of Human Evolution Band 41 Nr 4 2001 S 255 368 doi 10 1006 jhev 2001 0507 Volltext PDF Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Australopithecus anamensis amp oldid 231129747