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Arthur Dietzsch 2 Oktober 1901 in Pausa 26 August 1974 in Burgdorf war ein deutscher Funktionshaftling und als Kapo verantwortlicher Haftling im Krankenrevier Haftlingspfleger im Konzentrationslager Buchenwald in Block Nr 46 Foto von 1947 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Haft in Konzentrationslagern 3 Nach Kriegsende 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenDietzsch besuchte in Plauen das Realgymnasium Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges noch vor Beendigung seiner Schullaufbahn wurde Dietzsch Mitglied in der paramilitarischen Organisation Stahlhelm und nahm als Zeitfreiwilliger der Reichswehr an den Strassenkampfen gegen die Kommunisten teil Nachdem er 1920 sein Abitur abgelegt hatte verpflichtete sich Dietzsch fur zwolf Jahre bei der Reichswehr als Offizieranwarter Wahrend der Reichsexekution gegen Sachsen im Jahre 1923 warnte Dietzsch den Vater seiner Freundin der ein KPD Aktivist war vor der bevorstehenden Festnahme Anschliessend desertierte Dietzsch und stellte sich nach funf Tagen im Polizeiprasidium Leipzig Aufgrund der 1923 in Dresden erfolgten Weitergabe geheimer Informationen uber den bevorstehenden Einmarsch der Reichswehr Verhangung der Reichsexekution in Sachsen 1 wurde Dietzsch am 26 Mai 1924 wegen Landes und Hochverrates von dem Reichsgericht in Leipzig zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt die 1925 in Festungshaft umgewandelt wurden Haft in Konzentrationslagern BearbeitenNach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Dietzsch als angeblicher Kommunist kurz vor seiner Entlassung aus der Festungshaft in Gollnow im Marz 1933 in das KZ Sonnenburg verlegt Von dort wurde er wahrscheinlich 1934 in das KZ Esterwegen und darauf folgend in das KZ Lichtenburg uberstellt Ab Februar 1938 war Dietzsch Haftling im KZ Buchenwald 2 Im Januar 1942 nahm er auf der neugeschaffenen Experimentierstation in Block 46 eine Tatigkeit als Haftlingskrankenpfleger auf und arbeitete unter den Lagerarzten Erwin Ding Schuler und dessen zeitweiligem Vertreter Waldemar Hoven Dietzsch verfugte allerdings uber keine medizinischen Kenntnisse diese eignete er sich erst im Rahmen der Krankenpflegetatigkeit an Spatestens Mitte 1943 wurde er dort als Kapo zum leitenden Haftlingspfleger und war im Block 46 an den Fleckfieberversuchen des Lagerarztes Ding Schuler beteiligt 3 Dietzsch war sowohl fur die Pflege der Versuchsopfer als auch der Fleckfieberkranken die sich auf naturliche Weise infiziert hatten zustandig Er arbeitete mit der illegalen Lagerleitung zusammen und entzog Haftlinge die gefahrdet waren durch Unterbringung in Block 46 dem Zugriff der SS Ausserdem war im Lager bekannt dass im Block 46 durch den Kapo Arthur Dietzsch eine eiserne Zucht gehalten wurde Dort regierte wirklich der Prugel Jeder der in den Block 46 also als Versuchsperson kam musste nicht nur mit dem Tod und mit einem unter Umstanden sehr langwierigen und schrecklichen Tod den er sich vorstellte rechnen sondern auch noch mit Qualereien und einer vollstandigen Beseitigung des letzten Restes personlicher Freiheit Eugen Kogon Aussage im Nurnberger Arzteprozess am 7 Januar 1947 4 Als leitender Haftlingspfleger im Block 46 fungierte Dietzsch bis Anfang April 1945 5 Zu diesem Zeitpunkt erfuhr Dietzsch von Ding Schuler dass er auf einer Liste mit 46 namentlich genannten Haftlingen stand welche die SS kurz vor der Befreiung des Lagers noch exekutieren wollte Mit drei weiteren vom Tode bedrohten Haftlingen versteckte sich Dietzsch unter einer Baracke des Haftlingskrankenbaus Da dieses Versteck nur fur kurze Zeit sicher war liess sich Dietzsch von zwei ihm verbundenen Haftlingen in der Nahe des Isolierblocks in geringer Tiefe eingraben und mit Laub bedecken So verbrachte er die letzten drei Tage bis zur Befreiung des KZ Buchenwald am 11 April 1945 Nach Kriegsende Bearbeiten nbsp Nurnberger Dokument NO 265 Tagebuch der Fleckfieberstation im KZ Buchenwald Seite 23Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Dietzsch im Dezember 1946 verhaftet Er war Zeuge der Verteidigung im Nurnberger Arzteprozess in dem auch der an den Fleckfieberversuchen im KZ Buchenwald beteiligte Tropenmediziner Gerhard Rose sowie Waldemar Hoven angeklagt waren Das als Beweismittel angefuhrte Tagebuch Ding Schulers welches dessen ehemaliger Haftlingsschreiber Eugen Kogon nach der Befreiung des KZ Buchenwald amerikanischen Truppen ubergab bezeichnete Dietzsch als Falschung Dietzsch gab an auf Befehl Ding Schulers das Original an diesen Anfang April 1945 herausgegeben zu haben welches dieser mit anderen belastenden Unterlagen im Ofen verbrannt habe 6 Im Rahmen der Dachauer Prozesse im Buchenwald Hauptprozess wurde Dietzsch mit 30 weiteren Beschuldigten vor einem amerikanischen Militargericht angeklagt Dietzsch wurde beschuldigt alliierte Gefangene auf Anweisung des zustandigen Lagerarztes durch Injektionen mit Typhus infiziert zu haben mit der Folge dass mehrere Infizierte an Typhus starben Etliche Entlastungszeugen sagten fur Dietzsch aus Drei zum Tode verurteilten Haftlingen zwei britischen Offizieren und dem spateren Diplomaten Stephane Hessel hatte Dietzsch das Leben gerettet indem er ihnen die Identitat Verstorbener verschaffte 7 Ein anderer Haftling bezeugte dass er die Haftlinge in Block 46 gut versorgt sowie gepflegt und nie misshandelt hatte Am 14 August 1947 wurde Dietzsch zu 15 Jahren Haftstrafe wegen Mithilfe und Teilnahme an den Operationen des Buchenwald Konzentrationslagers verurteilt 8 Dietzsch wurde im Kriegsverbrechergefangnis Landsberg inhaftiert und dort Anfang Dezember 1950 vorzeitig aus der Haft entlassen Die Haftstrafe wurde nicht etwa reduziert sondern ruckwirkend auf null Jahre herabgesetzt und damit praktisch aufgehoben Fur seine Freilassung hatten sich auch Marion Grafin Donhoff und Kurt Schumacher eingesetzt Auch ehemalige Buchenwaldhaftlinge betrieben erfolgreich Dietzschs vorzeitige Haftentlassung mit Hinweis auf dessen Kooperation mit dem Buchenwalder Lagerwiderstand und seine Teilnahme an Rettungsaktionen 1 Ihn entlasteten unter anderem die ehemaligen Buchenwaldhaftlinge Werner Hilpert und Eugen Kogon im Rahmen der Entnazifizierung zwecks Ausstellung einer Bescheinigung fur Nichtbetroffene am 16 Januar 1951 Dietzsch wurde spater weder als politisch Verfolgter anerkannt noch erhielt er Haftentschadigung oder Wiedergutmachung Aufgrund eines Herz und Nierenleidens war er in der Folgezeit dauerhaft arbeitsunfahig geschrieben Er pflegte rege Korrespondenz mit Verfolgtenorganisationen und ehemaligen Buchenwaldhaftlingen Zudem sagte er als Zeuge in mehreren Verfahren mit dem Tatkomplex Verbrechen im KZ Buchenwald aus Er war mit Lilly geborene Endryat verheiratet 9 Seine Lebensgeschichte wurde durch Ernst von Salomon in Das Schicksal des A D Ein Mann im Schatten der Geschichte literarisch verarbeitet und 1960 publiziert Ein Vorabdruck erschien ab 1959 in der Wochenzeitung Die Zeit Ein Verfahren gegen Dietzsch im Rahmen eines Sammelermittlungsverfahrens die Verbrechen im KZ Buchenwald betreffend wurde am 23 August 1967 eingestellt Dietzsch starb im August 1974 in Burgdorf 10 Der unter massgeblicher Beteiligung von Dietzsch gerettete Hessel schilderte diesen Funktionshaftling in einem 2008 gefuhrten Interview als Typ eines Kapos den man gleichzeitig furchterlich und unentbehrlich findet 11 Literatur BearbeitenHolm Kirsten Wulf Kirsten Hrsg Stimmen aus Buchenwald Ein Lesebuch Wallstein Verlag Gottingen 2002 ISBN 3 89244 574 5 S 187 Kurzbiografie Eugen Kogon Der SS Staat Das System der deutschen Konzentrationslager Frechen Komet 2000 ISBN 3 89836 107 1 Wolfgang Roll Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937 1945 Wallstein Gottingen 2000 ISBN 3 89244 417 X S 233 234 Kurzbiografie Ernst von Salomon Das Schicksal des A D Ein Mann im Schatten der Geschichte ein Bericht Hamburg Rowohlt Verlag 1960 Buchenwald Hauptprozess Deputy Judge Advocate s Office 7708 War Crimes Group European Command APO 407 United States of America v Josias Prince zu Waldeck et al Case 000 50 9 November 1947 Originaldokument in englischer Sprache PDF Datei 9 1 MB Institut fur Zeitgeschichte Munchen Berlin Nachlass Arthur Dietzsch 1901 1974 Archiv Bestand ED 112 Band 1 18 pdf 1 3 MB Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Arthur Dietzsch Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Jorg Wollenberg Gesprach mit Stephane Hessel aus Paris am 2 Februar 2008 zur Kunst des Uberlebens in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau Dora und zur Rolle der Funktionshaftlinge PDF 88 kB S 2 Zentrale Datenbank Nachlasse Dietzsch Arthur 1901 1974 Einzelnachweise Bearbeiten a b Wolfgang Roll Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937 1945 Wallstein Gottingen 2000 ISBN 3 89244 417 X S 233 234 Vgl Institut fur Zeitgeschichte Munchen Nachlass Arthur Dietzsch Archiv Bestand ED 112 Band 1 18 Vorbemerkung PDF Datei 1 3 MB Memento vom 27 November 2015 im Internet Archive AStA TU Berlin Hrsg von Anilin bis Zwangsarbeit Der Weg eines Monopols durch die Geschichte Zur Entstehung und Entwicklung der deutschen chemischen Industrie Eine Dokumentation des Arbeitskreises I G Farben der Bundesfachtagung der Chemiefachschaften 1994 PDF Datei 4 7 MB Fleckfieberversuche S 79 ff Klaus Dorner Hrsg Der Nurnberger Arzteprozess 1946 47 Wortprotokolle Anklage und Verteidigungsmaterial Quellen zum Umfeld Saur Munchen 2000 ISBN 3 598 32020 5 S 2 01205 vgl Eugen Kogon Der SS Staat Das System der deutschen Konzentrationslager Frechen Komet 2000 S 175f Vgl Institut fur Zeitgeschichte Munchen Nachlass Arthur Dietzsch Archiv Bestand ED 112 Band 17 Interview mit Arthur Dietzsch Tonbandaufnahmen von Ernst Thape 1972Die Aussage Dietzschs vom 3 April 1947 beim Nuremberg Trials Project Memento vom 11 Juli 2012 im Webarchiv archive today Stephane Hessel Wie ich Buchenwald und andere Lager uberlebte In FAZ Nr 17 vom 21 Januar 2011 S 35 Vgl Buchenwald Hauptprozess United States of America v Josias Prince zu Waldeck et al Case 000 50 9 S 43f Vgl Institut fur Zeitgeschichte Munchen Nachlass Arthur Dietzsch 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