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Ein Anasthetikum Plural Anasthetika ist ein Medikament das zur Erzeugung einer Anasthesie verwendet wird Es verursacht damit einen Zustand der Empfindungslosigkeit zum Zweck einer operativen oder diagnostischen Massnahme Inhaltsverzeichnis 1 Systematik 1 1 Lokalanasthetikum 1 2 Allgemeinanasthetikum 2 Historische Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseSystematik BearbeitenJe nachdem ob die Wirkstoffe auf den ganzen Organismus oder nur einen Teil desselben lokal einwirken werden zwei Gruppen von Anasthetika unterschieden 1 Allerdings mussen lokal wirksame Anasthetika in der Regel auch so appliziert werden dass der Wirkstoff sich im Organismus nicht ubermassig verteilen kann da beispielsweise eine versehentliche intravenose Injektion zu gravierenden Nebenwirkungen fuhren kann Lokalanasthetikum Bearbeiten Setzt das Arzneimittel die Schmerzempfindung ortlich begrenzt 2 herab spricht man von einem Lokalanasthetikum Es wird im Rahmen einer Lokalanasthesie bzw Regionalanasthesie eingesetzt also einer ortlichen Schmerzausschaltung im Bereich von Nervenendigungen oder Leitungsbahnen ohne das Bewusstsein zu beeintrachtigen Geschichte der ortlichen Betaubungen Seit dem Altertum bemuhten sich Arzte Schmerzen zu lindern Neben der Verabreichung von Rauschmitteln als Narkotikum 3 zur Erzeugung eines narkoseahnlichen Zustandes wurde beispielsweise in der arabischen Medizin das Abschnuren von Gliedmassen als Methode der Schmerzunterdruckung angewandt Zur Mitte des 17 Jahrhunderts entdeckte der Chirurg Marco Aurelio Severino 1580 1656 die Kalteanasthesie die jedoch bald wieder in Vergessenheit geriet 4 Im Jahr 1499 erwahnte der spanische Priester Thomas Ortiz die Cocablatter als Nahrungs und Genussmittel der Eingeborenen Cocain das erste Arzneimittel der lokalen Schmerzausschaltung ist ein Alkaloid eines in Sudamerika beheimateten Strauches 1880 forderte der Chirurg Vassili Konstantinovich Anrep 1852 1918 die Prufung von Cocain als ortliches Anasthetikum aufgrund von Tier und Selbstversuchen Auch Sigmund Freud stellte in den Jahren 1883 84 eine anasthesierende Wirkung auf Haut und Schleimhaute fest und empfahl es als Mittel gegen Depression Brechreiz und Magenkatarrh 1884 schlug Carl Koller Cocain als Anasthesierung am Auge vor 1885 entdeckte der amerikanische Chirurg William Stewart Halsted 1852 1922 die Injektion der Arzneistofflosung in die Nahe des Nervs 1892 erfolgte die von dem deutschen Chirurgen Carl Ludwig Schleich 1859 1922 entwickelte Infiltrationsanasthesie Durch die Applikation einer halbprozentigen Cocainlosung in den Spinalkanal erreichte der Chirurg August Bier 1861 1949 1898 eine komplette Anasthesie der unteren Extremitaten und begrundete damit die Lumbalanasthesie Auf der Suche nach einem Anasthetikum mit geringerer Toxizitat entdeckte der Apotheker Eduard Ritsert 1859 1946 1890 Benzocain und fuhrte 1902 zur Produktion des Anasthesins das vor allem als Oberflachenanasthetikum Anwendung fand Georg Merling 1856 1939 sah Methylpiperidin als die fur die lokalanasthetische Wirkung verursachende funktionelle Gruppe des Cocains an und stellte 1895 das Eucain A her Eucain A war weniger toxisch als Cocain und hitzesterilisierbar jedoch traten nach Injektion Reizwirkungen und Hyperamie auf 1897 stellten Carl Dietrich Harries 1866 1923 und Albrecht Schmidt 1864 1945 unabhangig voneinander das Eucain B her das als wesentlich untoxischere Verbindung Cocain zu verdrangen vermochte Im Unterschied dazu sah der Chemiker Alfred Einhorn 1856 1917 den stickstofffreien Teil des Cocainmolekuls als die Ursache fur die anasthetische Wirkung 1897 gelangte er zum Orthoform welches mehrere Jahre als Oberflachenanasthetikum verwandt wurde 1898 konnte Richard Willstatter die Struktur des Cocains aufklaren und Einhorns getroffene Feststellung dass der Benzoesaureester selbst wie seine Substitutionsprodukte anasthesierend wirken bestatigen Von den von Einhorn hergestellten Verbindungen erwies sich das Novocain als besonders geeignet und konnte Cocain fast vollstandig verdrangen In den folgenden Jahren wurde das Novocainmolekul systematisch weiter verandert 1931 konnte Tetracain ein Oberflachenanasthetikum in die Therapie eingefuhrt werden Besonders Lidocain zeichnete sich durch eine grossere Hydrolysestabilitat langere Wirkungsdauer schnelleren Wirkungseintritt und grossere Wirkstarke aus 4 Allgemeinanasthetikum Bearbeiten Von einem Allgemeinanasthetikum oder Narkotikum Narkosemittel fruher auch Narcoticum und Narkoticum wird bei Mitteln gesprochen die eine Allgemeinanasthesie Narkose erzeugen also eine Schmerz und Bewusstseinsausschaltung im zentralen Nervensystem bewirken aus der der Patient nicht erweckbar ist Die Allgemeinanasthesie setzt sich aus einer sensorischen Blockade der Schmerzempfindung mentalen Blockade von Bewusstsein und Erinnerungsvermogen motorischen Blockade der motorischen Reaktion und reflektorischen Komponente Hemmung von vegetativen Reaktionen zusammen Diese werden von verschiedenen Wirkstoffen in verschiedenem Ausmass bewirkt Als Untergruppen werden nach dem Weg der Verabreichung Injektionsanasthetika fur die intravenose Narkose 5 die in eine Vene injiziert werden von Inhalationsanasthetika unterschieden die mit der Atemluft zugefuhrt werden Im Allgemeinen werden zu den Injektionsanasthetika Schlafmittel Hypnotika wie Propofol Etomidat und Barbiturate selten GHB Sedativa wie Benzodiazepine Schmerzmittel Analgetika wie Opioide und Ketamin und manchmal im weiteren Sinne auch die Muskelrelaxantien gezahlt Die Spanne zwischen der gerade noch wirksamen Menge und der Menge die eine tiefe Allgemeinanasthesie bewirkt nennt man Narkosebreite Opium und Cannabis indica waren bereits um 1550 v Chr belegt im Papyrus Ebers in Agypten als Narkotika bekannt Mandragorawein fand im 1 Jahrhundert n Chr bei Pedanios Dioskurides Verwendung 6 Der Begriff Betaubungsmittel umfasst eine ahnliche Stoffgruppe ist aber als Rechtsbegriff aus dem deutschen Betaubungsmittelgesetz BtMG nicht deckungsgleich Wirktheorien der Allgemeinanasthesie Erste Narkosetheorien stellten auch Ernst von Bibra und Emil Harless 1847 auf Sie vermuteten dass durch den zur Narkose benutzten Ather Fettbestandteile des zentralen Nervensystems teilweise gelost und in der Leber abgelagert wurden 7 Obwohl sich auch die heute verwendeten Anasthetika gemass der Meyer Overton Korrelation beschreiben lassen lassen sich Theorien uber die Wirkmechanismen von Anasthetika die auf ihr beruhen Einfluss auf die Lipidbestandteile des zentralen Nervensystems nicht mehr aufrechterhalten Die Vorstellung eines einheitlichen Mechanismus Unitaritats Prinzip von Anasthetika wird heute als veraltet angesehen und vom Konzept der multiplen Wirkmechanismen und Wirkorte abgelost Wirkungen auf eine Reihe von Protein basierten Rezeptoren und Ionenkanalen Opioid Rezeptor GABAA Rezeptor NMDA Rezeptor Natrium und Kalium Kanale und andere Modifikation der synaptischen Signalubertragung in verschiedenen Bereichen des zentralen Nervensystems die fur einzelne Anasthetika in unterschiedlichem Ausmass existieren werden nach heutigem Wissensstand fur die verschiedenen Dimensionen einer Narkose als Ursache gesehen Eine umfassende Narkosetheorie die sich aus den bekannten Mechanismen erklaren lasst liegt jedoch nicht vor sodass eine Wirkung gemass der Meyer Overton Hypothese letztlich nicht ausgeschlossen werden kann und zum Teil auch kontrovers diskutiert wird 8 Historische Literatur BearbeitenA J Clark Aspect of the history of anaesthetics In British Medical Journal 1938 S 1029 ff L Lallemand M Perrin Du role de l alcool et des anesthesiques dans l organisme Paris 1860 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Anesthetics Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Anasthetikum Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wiktionary Narkotikum Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Literatur von und uber Anasthetikum im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten H A Adams E Kochs C Krier Heutige Anasthesieverfahren Versuch einer Systematik In Anasthesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie Band 36 2001 S 262 267 PMID 11413694 Vgl etwa Heinrich Braun Uber einige ortliche Anasthetika In Deutsche medizinische Wochenschrift Band 31 1905 S 1665 ff Vgl etwa E H Hume Note on narcotics in ancient Greece and ancient China In Bulletin of the New York Academy of Medicine Band 10 1934 S 619 ff a b Wolf Dieter Muller Jahncke Christoph Friedrich Ulrich Meyer Arzneimittelgeschichte 2 uberarb und erw Auflage Wiss Verl Ges Stuttgart 2005 ISBN 978 3 8047 2113 5 S 147 151 Vgl H Orth I Kis Schmerzbekampfung und Narkose In Franz Xaver Sailer Friedrich Wilhelm Gierhake Hrsg Chirurgie historisch gesehen Anfang Entwicklung Differenzierung Dustri Verlag Deisenhofen bei Munchen 1973 ISBN 3 87185 021 7 S 1 32 hier S 15 17 Intravenose Narkose H Orth I Kis Schmerzbekampfung und Narkose In Franz Xaver Sailer Friedrich Wilhelm Gierhake Hrsg Chirurgie historisch gesehen Anfang Entwicklung Differenzierung Dustri Verlag Deisenhofen bei Munchen 1973 ISBN 3 87185 021 7 S 1 32 hier S 24 H Orth I Kis Schmerzbekampfung und Narkose In Franz Xaver Sailer Friedrich Wilhelm Gierhake Hrsg Chirurgie historisch gesehen Anfang Entwicklung Differenzierung Dustri Verlag Deisenhofen bei Munchen 1973 ISBN 3 87185 021 7 S 1 32 hier S 12 N P Franks Molecular targets underlying general anaesthesia In British Journal of Pharmacology Band 147 Nr 1 Januar 2006 Supplement S S72 581 Review PMID 16402123Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4001839 8 lobid OGND AKS LCCN sh85004977 NDL 00567515 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anasthetikum amp oldid 231402930