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Joachim Wilhelm August Achim Gercke 3 August 1902 in Greifswald 27 Oktober 1997 in Kelkheim war ein deutscher Naturwissenschaftler Er war Sachverstandiger fur Rasseforschung im Reichsministerium des Innern und Mitglied des Reichstages Achim Gercke offizielles Portrat 1933 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Fruhe Jahre 1 2 Im Braunen Haus 1 3 Aufstieg und Sturz 1 4 Nach dem Zweiten Weltkrieg 2 Schriften Auswahl 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenFruhe Jahre Bearbeiten Achim Gercke wurde als drittes von funf Kindern des Professors fur Klassische Philologie Alfred Gercke in Greifswald geboren 1909 zog die Familie nach Breslau um wo Achim Gercke das Abitur ablegte und von 1922 bis 1925 an der Universitat Breslau Mathematik und Naturwissenschaften studierte Zum 4 Marz 1926 schloss er sich in Gottingen der NSDAP an Mitgliedsnummer 31 490 1 Sein Studium beendete er 1930 in Freiburg mit einer Promotion zum Dr phil nat mit einem Thema aus der Chemie Anschliessend folgte Gercke seinem Doktorvater als Assistent nach Greifswald 2 In seiner Freizeit beschaftigte sich Gercke ab 1925 intensiv mit genealogischen Studien und veroffentlichte bis 1932 unter dem Decknamen Deutsche Auskunftei acht Hefte zum familienkundlichen Nachweis uber die judischen und verjudeten Universitats und Hochschulprofessoren und Richter die spater die genealogische Grundlage fur die Entlassung dieser Universitats und Hochschulprofessoren waren Finanziell unterstutzt von einem Kreis der Freunde und Forderer der Deutschen Auskunftei stellte er in privater Initiative bis 1932 eine Kartei mit 400 000 Daten uber Juden in Deutschland zusammen die sich teilweise zur Denunziation von Politikern Juristen Wissenschaftlern oder Parteimitgliedern verwenden liessen 3 Diese Kartei erhielt den Namen Archiv fur berufsstandische Rassenstatistik Im Braunen Haus Bearbeiten Ende 1931 wurde Gercke mit seiner Kartei als Abteilungsleiter der NS Auskunft bei der Reichsleitung der NSDAP ins Munchner Braune Haus geholt Die Kartei und ihre Verwendung wurde in NS Auskunft umbenannt Seine Mitarbeiter uberpruften die arische Abstammung der Parteianwarter und bauten die Kartei aus Gercke selbst schaltete sich in prominenten Fallen wie bei Reinhard Heydrich und Theodor Duesterberg ein Mit Helmut Nicolai einem Juristen und Mitarbeiter der Innenpolitischen Abteilung der Reichsleitung der NSDAP entwarf er 1932 ein Rassenscheidungsgesetz das die Punkte vier funf und sieben im Parteiprogramm der NSDAP aufgriff und ausbaute So sollten die Ostjuden abgeschoben werden allen Juden bestimmte Berufe verschlossen bleiben und das Wahlrecht versagt werden Ehehindernis und Verbot des Geschlechtsverkehrs zwischen Deutschen und Juden waren ebenso vorgesehen wie die vollstandige Abschiebung in ein abgeschlossenes Nationalheim 4 Im Mai 1933 veroffentlichte Gercke einen Beitrag zur Losung der Judenfrage in dem er den planmassigen Ausmarsch aller Juden und eine internationale Regelung zur Schaffung einer Heimstatte fur sie forderte 5 Gerckes Vorschlage nehmen damit gedanklich Teile von spater tatsachlich umgesetzten Massnahmen voraus ohne dass indes ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang mit den folgenden Gesetzen und Verordnungen nachweisbar ist Aufstieg und Sturz Bearbeiten Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7 April 1933 wurde von allen Beamten ein Abstammungsnachweis verlangt Am 2 Mai 1933 wurde Achim Gercke Leiter der Dienststelle des Sachverstandigen fur Rasseforschung beim Reichsinnenministerium in Berlin Zu den Aufgaben gehorten die Aufsicht uber die Durchfuhrung des Gesetzes die Beaufsichtigung von Sippenforschern die Uberprufung von Zweifelsfallen 6 und die letztinstanzliche Abstammungseinordnung nach erbbiologischem Hilfsgutachten Am 28 Marz 1934 bestimmte Reichsleiter Philipp Bouhler dass Gercke sowohl fur die NSDAP als auch fur die gesamte mittelbare und unmittelbare Reichsverwaltung fur alle Abstammungsfragen und fur die Fragen der Sippenforschung zustandig sei 7 Gerckes Kartei diente als wesentliche Grundlage fur die Arbeit der Dienststelle Aus der von Gercke gegrundeten Dienststelle mit rund 60 Mitarbeitern ging die Reichsstelle fur Sippenforschung hervor die 1940 in Reichssippenamt umbenannt wurde Am 12 November 1933 wurde Gercke NSDAP Mitglied des Reichstages Gercke arbeitete am Entwurf des RMI fur ein Sippenamt Gesetz mit bei dem Sippenamter Angaben zur arischen Abkunft mit Informationen zur Erbgesundheit und ggf Asozialitat verknupfen sollten 8 Die Umsetzung des Planes scheiterte an Kompetenzstreitigkeiten mit dem Justizministerium und der Reichsgesundheitsbehorde Ferner nahm Gercke am 20 Dezember 1934 in Munchen an einer Besprechung beim Stab des Stellvertreters des Fuhrers Leiter Martin Bormann und dem Reichsarztefuhrer Gerhard Wagner teil in dem ahnliche Regelungen vorgeschlagen wurden wie sie spater im Blutschutzgesetz der Nurnberger Gesetze eingefugt wurden Daruber weit hinausgehend sollten alle Personen als Judenmischlinge gelten soweit ihre am 1 Januar 1800 lebenden Vorfahren von nicht bei der Geburt christlich getauften Eltern abstammten 9 Ausnahmsweise sollten Judenmischlinge in offentlichen Stellungen verbleiben durfen wenn sie auf eine Nachkommenschaft verzichteten Im Januar 1935 wurde Gercke wegen angeblicher Verstosse nach 175 verhaftet 10 Er wurde am 18 Marz desselben Jahres aus der Partei ausgeschlossen und verlor alle seine Amter sowie zum 9 April 1935 auch das Reichstagsmandat Eine Intrige seines Nachfolgers Kurt Mayer im nachmaligen Reichssippenamt wird fur denkbar gehalten 11 Mayer war im Stab des Reichsfuhrers SS als Abteilungsleiter im Rasse und Siedlungshauptamt RuSHA sowie im Hauptamt fur Volksgesundheit unter Reichsarztefuhrer Gerhard Wagner tatig 12 Ein Grund fur die Vermutung einer Intrige ist ein Dissens in rassepolitischen Fragen zwischen Gercke als Reichssachverstandigen und anderen rassepolitischen Autoritaten aus NSDAP und SS bei der Besprechung am 20 Dezember 1934 im Braunen Haus in Munchen Wahrend man bei der Definition von Judenmischlingen einig war trat Gercke bei dieser Besprechung fur einen Begriff der Deutschen Rasse ein und hielt die Bewertung von Unterschieden deutscher Rassekomponenten fur falsch Er soll die SS harsch kritisiert haben die eine nordische Aufartung vertrat Demnach verfolgte die SS das Ziel das Amt des Reichssachverstandigen fur Rasseforschung mit einer ihrer Position loyalen Person zu besetzen 13 Gercke wurde nicht rehabilitiert Bereits 1935 zog Gercke zu seinen Schwiegereltern nach Adensen im damaligen Landkreis Springe wo er ein Haus baute Mit Alwine Rodewald aus Adensen war er seit 21 April 1932 verheiratet 14 1937 bot er dem Landkreis seine Dienstleistung bei der Heimat und Kulturpflege an Wegen kursierender Geruchte um eine Homosexualitat von Gercke schaltete der Landrat Dr Mercker die Gestapo in Hannover ein Von dort erhielt er Auskunft zur Vita von Gercke einer angeblichen homosexuellen Beziehung zum damaligen Gauleiter Helmuth Bruckner und einer seitherigen Lebensfuhrung ohne Verdachtsgrunde Gegen seinen Einsatz im Dienste der Heimat und Kulturpflege im Kreis Springe bestunden keine Bedenken 15 Gercke verfugte wahrscheinlich uber ausreichende Finanzmittel da ihm seine fur die Arbeit des Amtes unverzichtbare Kartei abgekauft wurde Er wurde kurz nach Kriegsbeginn zu den Landesschutzen eingezogen kam 1943 in ein Bewahrungsbataillon und kehrte 1945 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zuruck 16 Nach dem Zweiten Weltkrieg Bearbeiten Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Archivordner im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch lutherischen Landeskirche Hannovers und als Standesbeamter in Adensen Weiterhin war er tatig als Genealoge und Schriftsteller von Sachbuchern uber Heimatkunde sowie als Imker 17 Anfang der 1950er Jahre bekleidete Achim Gercke das Amt des Vorsitzenden des Kreisverbandes Springe der Imker sowie das Amt der Vorsitzenden der Ortsgruppe Adensen des Heimatbundes Niedersachsen 18 19 Bei Jubilaen und anderen Veranstaltungen trat er als Redner mit heimatgeschichtlichen Themen auf zum Beispiel bei der 700 Jahr Feier der Kirche in Adensen im Dezember 1950 Auch eine Ausstellung und die Festbroschure zu diesem Jubilaum gestaltete er 20 Offenkundig war er Mitglied der Deutschen Sozialen Partei deren Programm er bei einer Wahlversammlung im April 1951 erlauterte 21 Veroffentlichungen von Gercke aus dieser Zeit zeugen von einer national konservativen Grundeinstellung So forderte er 1951 die Umbenennung der Tivolistrasse in Springe Der Name ware als auslandischer Name reif endlich mit einem mit der Geschichte der Stadt eng verknupften Namen ersetzt zu werden 22 Gercke entdeckte 1954 in einem Kirchenbuch der St Andreas Kirche in Springe das Schulabgangszeugnis aus dem Jahr 1832 von Heinrich Gobel der im 20 Jahrhundert in Deutschland als Erfinder der Gluhlampe vor Thomas Alva Edison galt Der Schulunterricht der kirchlichen Schule war ein erweiterter Konfirmandenunterricht Gobel hatte in den wenigen unterrichteten Fachern die Bewertung mangelhaft Gercke fuhrt in seinen Veroffentlichungen aus dass die damalige Schulkonzeption dem Genie des technischen Gestaltens nicht entsprach als seien Kompetenzen in Lesen Schreiben und Rechnen verzichtbar Ausfuhrlich referiert er die sich aus dem Kirchenbuch ergebenden Verwandtschaftsverhaltnisse von Gobel was eventuell seiner Begeisterung fur Genealogie geschuldet ist aber auch implizit vermittelt dass der von Nationalisten und Nationalsozialisten propagierte deutsche Gluhlampenerfinder keine judischen Verwandten hat Eine Bemerkung des Lehrers von Gobel im Kirchenbuch scheint einen erfinderischen Geist zu haben interpretiert Gercke als grossartiges Verstandnis fur einen schwachen Schuler und Vorhersage dessen weiteren Lebenswegs Tatsachlich war das Wort Erfindung 1832 nicht wie heute in erster Linie mit technischen Errungenschaften und technischer Kreativitat konnotiert die Interpretation als Erzahlkunst oder dem Erfinden ungewohnlicher Ausreden ist wahrscheinlicher 23 24 25 26 Eine wissenschaftliche Arbeit die die Qualitat und ideologische Ausrichtung der Veroffentlichungen Gerckes in der Nachkriegszeit zusammenfassend bewertet liegt nicht vor Ein Teilnachlass von Achim Gercke befindet sich im Bundesarchiv 27 Schriften Auswahl Bearbeitenals Herausgeber bearbeitet von Rudolf Kummer Die Rasse im Schrifttum Ein Wegweiser durch das rassenkundliche Schrifttum Metzner Berlin 1 Auflage 1933 DNB 573415919 2 neubearbeitete Auflage 1934 DNB 573415927 Rasseforschung und Familienkunde Schriften zur politischen Bildung Reihe 12 Rasse Heft 5 Beyer Langensalza 1934 DNB 579935213 Das Gesetz der Sippe Verlag fur Standesamtswesen Berlin 1934 DNB 573415900 Hermannsburg Die Geschichte eines Kirchspieles Selbstverlag Pohl Adensen Celle 1965 DNB 451488113Literatur BearbeitenKulturdezernat Gottingen Hrsg Gottingen unterm Hakenkreuz Nationalsozialistischer Alltag in einer deutschen Stadt Texte und Materialien Gottingen 1983 Diana Schulle Das Reichssippenamt Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik Diss 1999 Berlin 2001 ISBN 3 89722 672 3 Cornelia Wegeler wir sagen ab der internationalen Gelehrtenrepublik Altertumswissenschaft und Nationalsozialismus Das Gottinger Institut fur Altertumskunde 1921 1962 Bohlau Wien 1996 ISBN 3 205 05212 9 S 72 83 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Achim Gercke Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Achim Gercke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Achim Gercke in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten Biografie auf rosa winkel de Rudolf Kummer Achim Gerckes Judenkartei PDF Datei 21 kB auf der Website von Gerd Simon George S Messersmith Der gegenwartige Stand der antisemitischen Bewegung in Deutschland Bericht von US Generalkonsul George Messersmith an das State Department US Aussenministerium zum gegenwartigen Stand der antisemitischen Bewegung in Deutschland 21 September 1933 Nachlass Bundesarchiv N 1567Einzelnachweise Bearbeiten Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 10750247 Gercke Achim Dr phil In Alfons Labisch Florian Tennstedt Der Weg zum Gesetz uber die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 3 Juli 1934 Entwicklungslinien und momente des staatlichen und kommunalen Gesundheitswesens in Deutschland Teil 2 Akademie fur offentliches Gesundheitswesen in Dusseldorf 1985 S 412f Angaben aus Diana Schulle Das Reichssippenamt Berlin 2001 ISBN 3 89722 672 3 Diana Schulle Das Reichssippenamt S 48 59 Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Bd 1 Deutsches Reich 1933 1937 Munchen 2008 ISBN 978 3 486 58480 6 Dok 48 S 168 Vergl Richtlinien zu 1a Abs 3 des Reichsbeamtengesetzes vom 8 August 1933 RGBl I S 575 Cornelia Essner Die Nurnberger Gesetze oder die Verwaltung des Rassenwahns 1933 1945 Paderborn 2002 ISBN 3 506 72260 3 S 89 Cornelia Essner Die Nurnberger Gesetze S 88 Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung Bd 1 Deutsches Reich 1933 1937 Dok 146 S 392 Diana Schulle Das Reichssippenamt S 154f Diana Schulle Das Reichssippenamt S 155f Cornelia Essner Die Nurnberger Gesetze S 90 Isabel Heinemann Rasse Siedlung deutsches Blut Wallstein Verlag 2013 ISBN 978 3 8353 2049 9 S 77f Rosa Winkel Biografie Achim Gercke abgerufen am 8 Dezember 2022 Kai Witthinrich Verstrickt Verlag T Lindemann Herausgeber Heimatbund Niedersachsen e V Ortsgruppe Bad Munder 2022 ISBN 978 3 00 072775 7 S 217 Diana Schulle Das Reichssippenamt S 156 Bernd Ulrich Hergemoller Mann fur Mann Ein biographisches Lexikon Suhrkamp Taschenbuch Hamburg 2001 ISBN 3 518 39766 4 Bienen als Weihnachtsmann In Neue Deister Zeitung 27 Dezember 1950 700 Jahre Dionysiuskirche in Adensen In Neue Deister Zeitung 4 November 1950 Ausstellung und Festsitzung des Heimatbundes In Neue Deister Zeitung 4 Dezember 1950 Georg Oehlerking DSP Kandidat In Neue Deister Zeitung 5 April 1951 Achim Gercke Strassennamen der Stadt Springe Leserbrief In Neue Deister Zeitung 19 Mai 1951 Achim Gercke Zum 136 Geburtstage von Heinrich Gobel In Neue Deister Zeitung 17 April 1954 S 3 Achim Gercke Der Schuler Heinrich Gobel Leserbrief In Neue Deister Zeitung 13 Mai 1954 S 5 Achim Gercke Er scheint erfinderischen Geist zu haben In Neue Deister Zeitung 29 Juni 1954 S 5 Hans Christian Rohde Die Gobel Legende Der Kampf um die Erfindung der Gluhlampe Zu Klampen Springe 2007 ISBN 978 3 86674 006 8 Kapitel 6 2 Auf der Suche nach der Lebensgeschichte Gercke Achim 1902 1997 abgerufen am 8 Dezember 2022 Normdaten Person GND 130473340 lobid OGND AKS LCCN nr88000407 VIAF 97841986 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Gercke AchimALTERNATIVNAMEN Gercke Joachim Wilhelm August vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Rasseforscher und Politiker NSDAP MdRGEBURTSDATUM 3 August 1902GEBURTSORT GreifswaldSTERBEDATUM 27 Oktober 1997STERBEORT Kelkheim Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Achim Gercke amp oldid 234182031