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Emile Benveniste bɛ venist 27 Mai 1902 in Aleppo Syrien als Ezra Benveniste 3 Oktober 1976 in Paris war ein franzosischer Sprachwissenschaftler auf den Gebieten der Allgemeinen Linguistik der vergleichenden indoeuropaischen Sprachwissenschaft und der Iranistik Bekannt wurde er unter anderem durch sein Konzept der Delokution 1 Er lehrte von 1927 bis 1969 an der Ecole pratique des hautes etudes vergleichende Grammatik und iranische Sprachen und hatte von 1937 bis 1969 den Lehrstuhl fur vergleichende Grammatik am College de France inne Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Hauptthesen 2 1 Kritik an Saussures Konzept der Arbitraritat des Zeichens 2 2 Deixis und Subjektivitat in der Sprache 2 3 Theorie der Ausserung 3 Wirkung 4 Schriften Auswahl 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenEmile Benveniste wurde im syrischen Aleppo damals Teil des Osmanischen Reichs in eine sefardisch judische Familie geboren Der Vater Mathatias Benvenisti kam aus Smyrna Izmir in der Turkei die Mutter Marie Malkenson aus Wilna Vilnius in Litauen Beide Eltern waren Lehrer und spater Direktoren der Schule der Alliance Israelite Universelle Auf Wunsch der Eltern ging er 1913 nach Frankreich wo er das Rabbinerseminar Seminaire israelite de France in Paris besuchte Der Indologe Sylvain Levi der dort Vorlesungen hielt erkannte jedoch seine aussergewohnlichen Fahigkeiten und machte ihn mit Antoine Meillet bekannt der an der Ecole pratique des hautes etudes EPHE vergleichende Grammatik und iranische Sprachen lehrte Seinen Vornamen anderte Benveniste in Paris von Ezra in Emile Ein Jahr nachdem er sich an der Geisteswissenschaftlichen Fakultat der Universitat von Paris Sorbonne eingeschrieben hatte bestand er 1919 die Licence und im Jahr darauf betreut von Joseph Vendryes das Diplome d etudes superieures in lettres classiques klassische Sprachen Literatur und Philosophie An der EPHE horte er neben Meillet und Levi auch bei Louis Finot Sanskrit Emile Chatelain lateinische Palaographie und Jules Bloch vergleichende Grammatik 1922 erhielt Benveniste die Agregation Lehrbefugnis fur hohere Schulen in Grammatik Anschliessend unterrichtete er am Pariser College Sevigne 1924 bekam er die franzosische Staatsburgerschaft verliehen Als Privatlehrer der Kinder des indischen Industriellen Ratanji Dadabhoy Tata verbrachte Benveniste 1924 25 ein Jahr in Pune Seinen Militardienst leistete er 1926 27 als Soldat der Infanterie in Franzosisch Marokko Mit einer Dissertation uber die Grammatik des Sogdischen erhielt er 1927 das Diplom der EPHE Als Nachfolger seines akademischen Lehrers Antoine Meillet wurde der erst 25 jahrige Benveniste directeur d etudes entspricht einem Professor fur vergleichende Grammatik und iranische Sprachen an der Ecole pratique des hautes etudes Mit zwei Schriften uber die Ursprunge der indoeuropaischen Nomenbildung und uber den avestischen Infinitiv erlangte er 1936 den Titel Docteur es lettres In die 1930er Jahre fallt der Beginn seiner Zusammenarbeit mit Jerzy Kurylowicz 1937 erhielt er am College de France den Lehrstuhl fur Allgemeine Linguistik und Vergleichende Grammatik den er parallel zu seiner Professur an der EPHE bis zu seiner Emeritierung 1969 innehatte Ab 1963 war er Direktor des Iranistischen Instituts der Universitat von Paris Im Auftrag der Generaldirektion fur kulturelle Angelegenheiten der franzosischen Regierung unternahm Benveniste von Februar bis Oktober 1947 eine Forschungsreise durch den Iran und Afghanistan Mit Forderung der Rockefeller Stiftung unternahm er 1952 und 1953 Feldforschungen an der Westkuste Kanadas und in Alaska zu den Sprachen der Haida und Tlingit sowie zu den Sprachen des Yukon Territoriums Benveniste war in mehreren Gelehrtengesellschaften aktiv Bereits 1920 wurde er in die Societe de linguistique de Paris gewahlt von 1945 bis 1958 war er deren stellvertretender Sekretar und von 1959 bis 1969 ihr Sekretar Ab 1921 war er Mitglied und von 1928 bis 1947 Sekretar der Societe asiatique 1959 wurde er Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften Nach dem Tod seines einstigen Lehrers Joseph Vendryes wurde er 1960 als dessen Nachfolger in die Academie des Inscriptions et Belles Lettres gewahlt Benenistes Arbeitsgebiete waren die Erforschung der indogermanischen Sprachen besonders die Iranistik sowie die Allgemeine Linguistik Er stand in der Tradition der franzosischen Sprachwissenschaft Antoine Meillets die sich insbesondere auf Ferdinand de Saussure beruft Eine Sammlung mit Benvenistes wichtigsten Aufsatzen zur allgemeinen Sprachwissenschaft tragt den Titel Problemes de linguistique generale Deutsch Probleme der Allgemeinen Sprachwissenschaft Hauptthesen BearbeitenKritik an Saussures Konzept der Arbitraritat des Zeichens Bearbeiten In seinen Problemen entwickelt Benveniste Korrekturen an der Zeichentheorie Ferdinand de Saussures Im Gegensatz zu Saussure halt Benveniste die Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat und zwischen Signifikat und Referent eines sprachlichen Zeichens nicht fur arbitrar sondern fur regelbestimmt Signifikant und Signifikat hatten durchaus ein beiden gemeinsames Drittes namlich insofern beide Reprasentationen im menschlichen Verstand sind Dort sind sie konsubstantiell aus psychischer Notwendigkeit einander verahnelt Folge man Saussure und postuliere dass das Signifikat ein Konzept etwa die Kuh und der Signifikant das phonetische Muster k u reprasentiere dann stelle sich die Frage nach der Arbitraritat gar nicht da innerhalb des menschlichen Geistes beide Elemente nur jeweils eine Seite derselben Medaille beschrieben und daher notwendig verknupft seien Benvenistes Saussure Interpretation wird in der neueren Literatur als verfehlt zuruckgewiesen 2 Deixis und Subjektivitat in der Sprache Bearbeiten Personalpronomina der 1 und 2 Person besitzen nur im Kontext einer einzelnen Ausserung einen tatsachlichen Referenten sie sind ausserungskontingent Dennoch haben sie in einem Sprachsystem auch Allgemeinheit sie markieren Merkmale wie Subjektivitat und Personalitat darin sind sie vor allen anderen sprachlichen Zeichen herausgestellt Die Quelle der Subjektivitat in der Sprache ist nach Meinung Benvenistes die Struktur der Pronomen insgesamt die innerhalb des Lexikons uber keine bestimmte Bedeutung verfugten sondern nur in ausserungsabhangigen Kontexten Die Pronomen der ersten und zweiten Person sind dabei in ihrer Funktionsweise wesentlich von denen der dritten Person verschieden die ersteren nennt Benveniste deiktisch die letzteren anaphorisch Theorie der Ausserung Bearbeiten Deiktische Merkmale kennzeichnen nach Benveniste einen subjektiven Sprachmodus den personlich gefarbten discours gegenuber der objektiven histoire Die histoire erreicht diese Objektivierung indem sie den Ausserungsinhalt enonce vom Ausserungsakt enonciation also der personalisierbaren und deiktisch kontextualisierbaren Dimension einer Ausserung abstrahiert Benveniste pladiert dafur die Sprache nicht bloss als Sammlung von Zeichen und Zeichenverwendungsregeln zu betrachten sondern immer zugleich auch als Aktivitat der Kommunikation mit semantischem Gehalt Wirkung BearbeitenBenveniste untersuchte die Abhangigkeit der aristotelischen Kategorien von der griechischen Sprache Die Kategorien behauptete er seien nicht ontologisch fundiert sondern sie seien an grammatischen Strukturen des Griechischen abgelesen Die philosophische Frage nach dem Sein habe mit der besonderen Bedeutung des Konzepts Sein in den indoeuropaischen Sprachen zu tun denn in diesen Sprachen bedeute die Kopula zugleich Existenz und Identitat Benvenistes Diskurstheorie fand Resonanz in der Erzahltheorie z B bei Gerard Genette und in der Literaturtheorie etwa bei Brooke Rose Barthes Kristeva Todorov und Harald Weinrich Terry Eagleton nutzte die Unterscheidung von histoire und discours fur seine Theorie des politischen Subtexts enonce und enonciation versuchten sich aus politischen Grunden wechselseitig in den Hintergrund zu drangen Schriften Auswahl BearbeitenEssai de grammaire sogdienne Paris 1929 The Persian Religion According to the Chief Greek Texts Paris 1929 Origines de la formation des noms en indo europeen Paris 1935 Noms d agent et noms d action en indo europeen Paris 1948 Problemes de linguistique generale I Paris 1966 Probleme der allgemeinen Sprachwissenschaft List Verlag Munchen 1974 Probleme der allgemeinen Sprachwissenschaft Syndikat Autoren u Verl Ges Frankfurt am Main 1977 Le vocabulaire des institutions indo europeennes 2 Bande Paris 1969 Indoeuropaische Institutionen Wortschatz Geschichte Funktionen Campus Frankfurt am Main New York 1993 Problemes de linguistique generale II Paris 1974 Baudelaire Edition etablie par Chloe Laplantine Lambert Lucas Limoges 2011 Dernieres lecons Edition etablie par J C Coquet amp I Fenoglio EHESS Gallimard Seuil Paris 2012 Letzte Vorlesungen College de France 1968 und 1969 Hrsg von Jean Claude Coquet Aus dem Franzosischen von Thomas Laugstien Mit einem Vorwort von Julia Kristeva und einem Nachwort von Tzvetan Todorov Diaphanes Verlag Zurich Berlin 2015 ISBN 978 3 03734 427 9 Literatur Bearbeitenin der Reihenfolge des Erscheinens Julia Kristeva Epistemologie de la linguistique Hommage a E Benveniste Didier Paris 1971 Benoit de Cornulier La notion de derivation delocutive In Revue de linguistique romane Jg 40 1976 Heft 157 158 S 116 144 Beiheft Polyphonic Linguistics The Many Voices of Emile Benveniste zur Zeitschrift Semiotica 1981 Guy Serbat Hrsg E Benveniste aujourd hui Actes du colloque international du CNRS Universite Francois Rabelais Tours 28 30 sept 1983 Paris 1984 zwei Bande Terry Eagleton Einfuhrung in die Literaturtheorie Metzler Stuttgart und Weimar 5 Aufl 2012 ISBN 978 3 476 15246 6 Janine Bockelmann Die Semiotik des Sozialen Die Sprach Konzeption von Emile Benveniste Fernuniversitat Hagen 2014 zugl Diss Univ Hagen 2014 URN urn nbn de hbz 708 29387 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Emile Benveniste im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Benveniste und Buhler PDF 179 kB Eine vergleichende Einfuhrung in Benvenistes Theorie der sprachlichen Subjektivitat Fotografien von Emile Benveniste 1 2 Einzelnachweise Bearbeiten Frans Plank Delocutive Verbs crosslinguistically In Linguistic Typology Jg 9 2005 S 459 491 Simon Bouquet Benveniste et la representation du sens de l arbitraire du signe a l objet extra linguistique In LINX 1997 n special Emile Benveniste vingt ans apres S 107 123 Silvia B Garcia Zum Arbitraritatsbegriff bel F de Saussure Eine exegetisch philologische Untersuchung Munster 1997 Normdaten Person GND 11865828X lobid OGND AKS LCCN n78096113 VIAF 12372277 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Benveniste EmileKURZBESCHREIBUNG franzosischer LinguistGEBURTSDATUM 27 Mai 1902GEBURTSORT AleppoSTERBEDATUM 3 Oktober 1976STERBEORT Paris Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Emile Benveniste amp oldid 235276177