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Wilhelm Grau 4 August 1910 in Straubing 9 Oktober 2000 in Alzey war ein deutscher Historiker nationalsozialistischer Funktionar in angeblich wissenschaftlichen Instituten zur Judenverfolgung Nach 1945 wurde er Verlagsleiter Inhaltsverzeichnis 1 In der Weimarer Republik 2 Im Nationalsozialismus 2 1 NS Karriere unter Ausschaltung judischer Konkurrenz 2 2 Berufsantisemit 3 In der Bundesrepublik Deutschland 4 Schriften Auswahl 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseIn der Weimarer Republik BearbeitenAls Jugendlicher war Grau Mitglied des katholischen Jugendbundes Neudeutschland Im Sommersemester 1930 begann Wilhelm Grau mit einem Studium der Geschichte und Volkerkunde an der Universitat Frankfurt wobei er unter anderem Vorlesungen von Ludwig Bergstrasser Paul Tillich und Walter Platzhoff besuchte Wahrend dieser Zeit verschaffte ihm sein Vermieter Reinhold Lindemann der bei der Rhein Mainischen Volkszeitung als Theaterkritiker arbeitete und 1935 Dramaturg und Pressesprecher der Frankfurter Stadtischen Buhnen wurde ein Volontariat in der Redaktion Das Klima an der Frankfurter Universitat empfand Grau indessen als zu intellektuell im Wintersemester 1931 wechselte er an die Universitat Munchen 1 Im Nationalsozialismus BearbeitenNS Karriere unter Ausschaltung judischer Konkurrenz Bearbeiten 1934 promovierte Wilhelm Grau mit der judenfeindlichen Arbeit Antisemitismus im Mittelalter Das Ende der Regensburger Judengemeinde 1450 1519 bei dem Munchener Neuhistoriker Karl Alexander von Muller Er stutzte sich dabei fast ausschliesslich auf Urkunden und Akten die der judische Historiker Raphael Straus im Zuge eigener langjahriger Forschungen gesammelt hatte Straus Buch uber diese Urkunden hatte 1932 als Urkunden und Aktenstucke zur Geschichte der Juden in Regensburg 1453 1738 kurz vor der Veroffentlichung gestanden als sich Wilhelm Grau als unbekannter Student bei ihm meldete Er stellte sich als Demokrat vor der nach seinem Studium ein liberaler Journalist werden wolle und erbat leihweise die Druckfahnen dieses Buchs Straus stellte dann diese Druckfahnen dem jungen Studenten Grau fur die angebliche Durchfuhrung einer Ausstellung zur Verfugung Grau machte aber keine Ausstellung sondern benutzte das in langer Forschungsarbeit gesammelte Urkundenmaterial fur sein Buch Wahrenddessen ereignete sich die nationalsozialistische Machtubernahme Straus wurde bedroht und musste schon im Juni 1933 ausser Landes fluchten Grau hatte ihm die Druckfahnen bis dahin nicht zuruckgegeben Im Vorwort des Buches bedankt sich Grau bei Straus fur die Uberlassung der Druckfahnen und berichtet er hatte sie dem Bayerischen Staatsarchiv uberlassen Grau lasst aus dass Straus ausser Landes gehen musste und warum er die Unterlagen Straus nicht zuruckgegeben hatte Grau hatte das Material von Straus in seinem Buch im antisemitischen Sinne umgedeutet Er versuchte zu beweisen dass die Juden eine moralisch minderwertige Rasse seien und nie zu Deutschland gehort hatten Dabei brachte er Wesenszuge des nationalsozialistischen Antisemitismus in seiner Untersuchung unter und versuchte an vielen Stellen in seinem Buch zu beweisen dass die Menschen des Mittelalters vor den Juden Ekel empfunden hatten In der ersten Auflage seines Buches beschreibt Grau ein Bild des Kunstlers Albrecht Altdorfer gest 1538 Grau behauptet die judischen Personen brachten in dem Bild durch judische Nase und judische Kleidung ihre Art zu Geltung 2 Im Vorwort der zweiten uberarbeiteten Auflage von 1939 schrieb Grau dem Juden Straus eine antideutsche Haltung zu und sprach ihm ab die Geschichte des deutschen mittelalterlichen Antisemitismus schreiben zu konnen Was dann geschah ist nicht mehr genau zu rekonstruieren Es scheint dass Grau zuerst versuchte die Publikation des fur seine Doktorarbeit entscheidenden Urkundenbuches als fur die Endkorrektur verantwortlichen Mitherausgebers selbst zu ubernehmen Im Mai 1938 als die zweite Auflage seines Buches Antisemitismus im Mittelalter erschien schien das anders zu sein Er versuchte auf mehreren Wegen in den Besitz der Druckfahnen des Strausschen Buches zu kommen das im Schocken Verlag gedruckt werden sollte 3 Als das Buch fast fertig gedruckt war kam die Reichspogromnacht Wahrend dieses Pogroms wurde die Druckerei geschlossen Im Mai 1939 wurden die Druckbogen des zu 90 Prozent fertiggestellten Werkes von der Gestapo beschlagnahmt Inwieweit Grau daran beteiligt war war nicht zu ermitteln 4 Im Nachkriegsdeutschland ubernahm der Historiker Helmut Heiber in seinem Buch Walter Frank und das Reichsinstitut fur die Geschichte des neuen Deutschlands vollig unhinterfragt die bei einem Interview geausserte Behauptung Graus er habe sich fur die Publikation eines Juden namlich Straus wahrend der NS Zeit eingesetzt 5 Am 27 Juni 1937 wurde Grau mit dem bereits 1935 erschienenen ebenfalls antisemitischen Buch uber Wilhelm von Humboldt und das Problem der Juden habilitiert Zuvor hatte es in der Fakultat starke Bedenken gegen die wissenschaftliche Befahigung Graus gegeben Das Kolloquium zur Erlangung der Habilitation ging fur Grau negativ aus doch Graus gute politische Beziehungen zu den nationalsozialistischen Machthabern fuhrten dazu dass die Annahme der eigentlich verfehlten Habilitation durchgesetzt wurde 1936 meldete sich Straus aus dem Exil in Palastina mit einer Kritik des Buches von Grau in Heft 1 1936 der Zeitschrift fur die Geschichte der Juden in Deutschland 6 Grau erzwang eine Gegendarstellung in der Nummer 4 1936 der Zeitschrift und drohte judischen Wissenschaftlern Verfolgung an 7 Die Zeitschrift musste in der gleichen Nummer auch eine sich allerdings auf eine eisige Zusammenfassung beschrankende Wurdigung von Graus spaterer Habilitationsschrift abdrucken 8 Ein Jahr spater wurde die Zeitschrift verboten Berufsantisemit Bearbeiten Grau beantragte am 29 Dezember 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde ruckwirkend zum 1 Mai desselben Jahres aufgenommen Mitgliedsnummer 5 951 121 9 10 Er wurde gleich bei der Grundung 1936 Geschaftsfuhrer der in Munchen angesiedelten antisemitischen Forschungsabteilung Judenfrage einer Zweigstelle des von Walter Frank geleiteten nationalsozialistischen Reichsinstituts fur Geschichte des neuen Deutschlands in Berlin 11 Eine der ersten Aufgaben des Instituts war die Sammlung von Unterlagen zur Personen und Familiengeschichte der Juden So erstellte z B ab Februar 1937 Franz Stanglica fur Grau Regesten in Osterreich und beschaftigte dabei die osterreichischen Nationalsozialisten Kurt Zeilinger und Walter Messing Es wurde auch mit dem Aufbau einer Spezialbibliothek begonnen die bei Kriegsende etwa 35 000 Titel umfasste 12 1936 erhielt Grau eine Rubrik in der angesehenen von seinem Doktorvater Karl Alexander von Muller herausgegebenen Historischen Zeitschrift mit dem Titel Geschichte der Judenfrage in der er eigene Artikel schrieb aber auch Bucher rezensierte Zusatzlich verfasste Grau ab dem Heft 4 1936 regelmassig Artikel in der Zeitschrift des gleichgeschalteten Geschichtslehrer Verbandes Vergangenheit und Gegenwart Zu dem Zeitpunkt war Wilhelm Mommsen noch Mitherausgeber Grau war auch im Auftrag von Joseph Goebbels Beobachter beim Prozess gegen den jungen David Frankfurter er lieferte Personenstandsangaben an das Reichssippenamt war Autor antisemitischer Schulbucher und Berater bei der Wanderausstellung Der ewige Jude Ausserdem schrieb er Memoranden fur Adolf Hitler und betatigte sich als Denunziant judisch Versippter im Auswartigen Amt Sein Ehrgeiz brachte ihn in Konflikt mit Walter Frank Deswegen musste Grau 1938 das Reichsinstitut verlassen Ab Januar 1940 war er im Amt Rosenberg tatig Ab Juni 1940 organisierte Grau im Auftrag des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg den Raub judischer und freimaurerischer Bibliotheken im besetzten Paris Fur diese Tatigkeit wurde Grau am 1 Mai 1942 neben 13 anderen Mitgliedern des Einsatzstabes Rosenberg von Adolf Hitler das Kriegsverdienstkreuz Zweiter Klasse verliehen 13 Von Herbst 1940 bis Oktober 1942 amtierte Grau in Frankfurt als Leiter des Instituts zur Erforschung der Judenfrage das von Rosenberg gegrundet worden war 14 Im Oktober 1942 wurde Grau aus diesem Institut auf Druck von Martin Bormann entlassen 15 Von 1942 bis 1945 war er zur Luftwaffe eingezogen In der Bundesrepublik Deutschland BearbeitenUber Graus Gefangenschaft nach dem Krieg und seine Entnazifizierung ist nichts bekannt Nach 1945 wurde Grau zunachst Leiter des Universum Verlages 1951 erwarb Grau die Rheinhessische Druckwerkstatte in Alzey und war ihr Leiter 1964 grundete Grau mit anderen die Alzeyer Geschichtsblatter die vom Altertumsverein fur Alzey und Umgebung e V herausgegeben wurden Schriften Auswahl BearbeitenIn der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt 16 Antisemitismus im spaten Mittelalter Das Ende der Regensburger Judengemeinde 1450 1519 1 Auflage Duncker amp Humblot Munchen 1934 2 erw Auflage Duncker amp Humblot Berlin 1939 Wilhelm von Humboldt und das Problem des Juden Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 1935 Die Judenfrage als Aufgabe der neuen Geschichtsforschung 2 mit einem Nachwort versehene Auflage Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 1935 Die Judenfrage in der deutschen Geschichte Teubner Leipzig 1937 weitere Auflagen Die Judenfrage in der deutschen Geschichte In Vergangenheit und Gegenwart Monatsschrift fur Geschichtsunterricht und politische Erziehung ab Heft 4 Jahrgang 26 1936 in mehreren Fortsetzungen Die Erforschung der Judenfrage Aufgabe und Organisation Kleine Weltkampfbucherei 3 Hoheneichen Verlag Munchen 1943 Die geschichtlichen Losungsversuche der Judenfrage Kleine Weltkampfbucherei 4 Hoheneichen Verlag Munchen 1943 Literatur BearbeitenMatthias Berg Konnen Juden an deutschen Universitaten promovieren Der Judenforscher Wilhelm Grau die Berliner Universitat und das Promotionsrecht fur Juden im Nationalsozialismus In Jahrbuch fur Universitatsgeschichte 11 2008 S 213 227 Matthias Berg Verandertes Geschichtsbild Judische Historiker zur Judenforschung Wilhelm Graus In Jahrbuch des Simon Dubnow Instituts 5 2006 S 457 485 Matthias Berg Wilhelm Grau In Michael Fahlbusch Ingo Haar und Alexander Pinwinkler Hrsg Handbuch der volkischen Wissenschaften Akteure Netzwerke Forschungsprogramme Unter Mitarbeit von David Hamann 2 grundlegend erweiterte und uberarbeitete Auflage De Gruyter Oldenbourg Berlin Boston 2017 ISBN 978 3 11 043891 8 S 229 235 Michael Gruttner Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik Studien zur Wissenschafts und Universitatsgeschichte Band 6 Synchron Heidelberg 2004 ISBN 3 935025 68 8 S 63 Patricia von Papen Bodek Judenforschung und Judenverfolgung Die Habilitation des Geschaftsfuhrers der Forschungsabteilung Judenfrage Wilhelm Grau an der Universitat Munchen 1937 In Elisabeth Kraus Hrsg Die Universitat Munchen im Dritten Reich Aufsatze Beitrage zur Geschichte der Ludwig Maximilians Universitat Munchen Band 4 Band 2 Utz Munchen 2008 ISBN 978 3 8316 0727 3 S 209 264 Dirk Rupnow Arisierung judischer Geschichte Zur nationalsozialistischen Judenforschung In Leipziger Beitrage zur judischen Geschichte und Kultur Band 2 Universitatsverlag Leipzig 2004 S 349 367 Dirk Rupnow Judenforschung an der Universitat Leipzig In Stephan Wendehorst Hrsg Bausteine einer judischen Geschichte der Universitat Leipzig Leipziger Beitrage zur judischen Geschichte und Kultur Band 6 Universitatsverlag Leipzig 2006 ISBN 3 86583 106 0 S 345 376 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Wilhelm Grau im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Stephen Tree Doppelte Vertreibung Der gestohlene Doktortitel des Wilhelm Grau Manuskript der Radiosendung vom 4 Mai 2014 auf BR 2 als PDF Datei zum Herunterladen Memento vom 8 Januar 2015 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Dieter Schiefelbein Das Institut zur Erforschung der Judenfrage Frankfurt am Main Vorgeschichte und Grundung 1935 1939 Frankfurt am Main 1993 S 26 f Wilhelm Grau Antisemitismus im spaten Mittelalter Das Ende der Regensburger Judengemeinde 1450 1519 Duncker amp Humblot Munchen 1934 Patricia von Papen Bodek Judenforschung und Judenverfolgung Die Habilitation des Geschaftsfuhrers der Forschungsabteilung Judenfrage Wilhelm Grau an der Universitat Munchen 1937 In Elisabeth Kraus Hrsg Die Universitat Munchen im Dritten Reich Aufsatze Munchen 2008 S 209 264 hier S 236 Matthias Berg Verandertes Geschichtsbild Judische Historiker zur Judenforschung Wilhelm Graus In Jahrbuch des Simon Dubnow Instituts 5 2006 S 457 484 hier S 475 Patricia von Papen Bodek Judenforschung und Judenverfolgung S 234 Fn 103 unter Hinweis auf Helmut Heiber Antisemitismus im Mittelalter ein Wort pro domo In Zeitschrift fur die Geschichte der Juden in Deutschland Heft 1 1936 einsehbar auf der Website compactmemory Memento vom 6 Januar 2012 im Internet Archive Direktlink zur Zeitschrift dort Nr 1 1936 Artikel Straus Memento vom 10 Februar 2013 im Webarchiv archive today im Internet einsehbar Antisemitismus im Mittelalter ein Wort contra Raphael Straus In Zeitschrift fur Geschichte der Juden in Deutschland 1936 Heft 4 Abgerufen am 18 Juli 2016 pdf text Zeitschrift fur Geschichte der Juden in Deutschland 1936 Heft 4 Buchbesprechung von Fritz Friedlander S 249 im Internet einsehbar Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 11770832 Dieter Schiefelbein Das Institut zur Erforschung der Judenfrage Frankfurt am Main Frankfurt 1993 ISBN 978 3 88270 803 5 S 27 Quelle Personalakte Grau Lebenslauf S 4 Max Weinreich Hitlers Professors the part of scholarship in Germany s Crimes against the Yewish people Yewish Scientific Institute YIVO New York 1946 S 48 f bibliotheksdienst zlb de Memento vom 9 Juni 2007 im Internet Archive Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg fur die besetzten Gebiete Anordnungen und Mitteilungen 1942 15 Juli 1942 Nr 4 Aus dem digitalisierten Aktenbestand des Bundesarchivs NS 30 3 Nr 1 6 1942 Wilhelm Grau In Michael Gruttner Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik Studien zur Wissenschafts und Universitatsgeschichte Band 6 Heidelberg 2004 ISBN 3 935025 68 8 S 63 Uber die Bibliothek hat er selber berichtet Der Aufbau der Bibliothek zur Erforschung der Judenfrage in Frankfurt am Main In Zentralblatt fur Bibliothekswesen 59 1942 H 11 12 S 484 494 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Fischer TB Frankfurt 2005 ISBN 3 596 16048 0 S 197 polunbi deNormdaten Person GND 12271427X lobid OGND AKS LCCN n2006035490 VIAF 10734688 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Grau WilhelmKURZBESCHREIBUNG deutscher Historiker und EthnologeGEBURTSDATUM 4 August 1910GEBURTSORT StraubingSTERBEDATUM 9 Oktober 2000STERBEORT Alzey Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wilhelm Grau amp oldid 234669541