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Als judisch versippt wurden in der Zeit des Nationalsozialismus arische Personen bezeichnet die in Mischehe mit einer judischen Person lebten Judisch Versippte wurden diskriminiert ihnen blieben bestimmte Berufe und Aufstiegsmoglichkeiten verschlossen sie wurden aus dem Staatsdienst entlassen und ab 1943 als Wehrunwurdige zu kasernierter Zwangsarbeit in Sonderkommandos der Organisation Todt eingesetzt In antisemitischen Gesetzen Verordnungen und Erlassen wird der Ausdruck judisch versippt meistens umschrieben damit eindeutig bestimmbar war ob neben den Volljuden auch Halbjuden Judische Mischlinge ersten Grades gemeint waren Radikale Antisemiten agitierten gegen deren rechtliche Besserstellung und erreichten oft dass auch der mit einem Halbjuden verehelichte deutschblutige Partner in Verfolgungsmassnahmen einbezogen wurde Joseph Goebbels beabsichtigte auch die mit einem judischen Mischling zweiten Grades Vierteljuden verheirateten Kulturschaffenden auszuschliessen Inhaltsverzeichnis 1 Unscharfe des Begriffs 2 Vor den Nurnberger Gesetzen 1935 3 Uneinheitliche Definition 4 Berufsbeschrankung 5 Wehrmacht 6 Zwangsarbeit 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseUnscharfe des Begriffs BearbeitenDie erste gesetzliche Definition des Begriffs Nichtarier steht in der Ersten Verordnung zur Durchfuhrung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11 April 1933 RGBl I S 195 Als nicht arisch gilt wer von nicht arischen insbesondere judischen Eltern oder Grosseltern abstammt Es genugt wenn ein Elternteil oder ein Grosselternteil nicht arisch ist 1 Diese Definition war in der ersten Phase der Diskriminierungen von 1933 bis 1935 massgebend 2 Die weit gefasste Auslegung des Begriffs nicht arisch bewirkte dass Halbjuden sowie Vierteljuden gleichermassen wie Volljuden stigmatisiert wurden Entsprechend war auch der abwertend gemeinte Begriff judisch versippt auslegbar 3 Erst die im November 1935 folgende Regelung in der Ersten Verordnung zum Reichsburgergesetz beendete die unterschiedslose Diskriminierung aller Nichtarier Judische Mischlinge wurden rechtlich bessergestellt Bis 1937 blieben judische Mischlinge bezuglich ihrer wirtschaftlichen Tatigkeiten unbehelligt und von den gegen Nichtarier gerichteten Berufsverboten und beschrankungen weitgehend verschont 4 Judische Mischlinge zweiten Grades wurden rechtlich den Ariern annahernd gleichgestellt Spatere Gesetze und Verordnungen die sich gegen arisch Versippte richteten betrafen nur ausnahmsweise diejenigen Arier die mit einem Vierteljuden verheiratet waren Vor den Nurnberger Gesetzen 1935 BearbeitenDie erste gesetzliche Vorschrift die die berufliche Existenz des deutschblutigen Partners einer Mischehe einschrankte wurde am 30 Juni 1933 erlassen und betraf Beamtenanwarter Danach durfte nicht zum Reichsbeamten berufen werden wer mit einer Person nicht arischer Abstammung verheiratet war Eine spater folgende Verehelichung mit einer Person nicht arischer Abstammung zog die Entlassung nach sich 5 Am 6 September 1933 beschloss die Generalsynode der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union ein Kirchengesetz betreffend die Rechtsverhaltnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten 6 Demnach waren Geistliche und Beamte der allgemeinen kirchlichen Verwaltung in den Ruhestand zu versetzen die mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet waren Die nichtarische Abstammung war entsprechend der Ersten Verordnung zur Durchfuhrung zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums RGBl 1933 I S 195 definiert Es reichte hin wenn ein Elternteil oder ein Grosselternteil als nicht arisch galt Nach Protest des Pfarrernotbundes setzte Reichsbischof Ludwig Muller dieses Kirchengesetz am 16 November 1933 aus und erliess am 8 Dezember 1933 ein Gesetz zu den Rechtsverhaltnissen der Geistlichen und Beamten der Landeskirchen das keinen Arierparagraphen mehr enthielt Uneinheitliche Definition BearbeitenIm August 1936 definierte Reichsinnenminister Wilhelm Frick in einem Schreiben an die Oberinstanzen Als judisch versippt gilt wer mit einer Judin einem Juden im Sinne des 5 der Ersten Verordnung zum Reichsburgergesetz verheiratet ist 7 Im Deutschen Beamtengesetz vom 26 Januar 1937 wurden daruber hinausgehend grundsatzlich Bewerber ausgeschlossen die mit einem Halbjuden verheiratet waren Beamter kann nur werden wer deutschen oder artverwandten Blutes ist und wenn er verheiratet ist einen Ehegatten deutschen oder artverwandten Blutes hat Ist der Ehegatte Mischling zweiten Grades so kann eine Ausnahme zugelassen werden 8 Radikale antisemitische Krafte innerhalb der NSDAP versuchten jede Vorzugsbehandlung der judischen Mischlinge ersten Grades aufzuheben 9 Es gelang ihnen wiederholt auch diejenigen judisch Versippten die mit einem so genannten Halbjuden verehelicht waren in diskriminierende Massnahmen einzubeziehen In einem 1938 verteilten Fragebogen der Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin heisst es zum Beispiel Als judisch versippt gilt derjenige dessen Ehefrau Judin oder judischer Mischling ist 10 Eine Denkschrift der Parteikanzlei vom Fruhjahr 1944 enthielt den Vorschlag dass judisch Versippte die mit Mischlingen ersten Grades verheiratet waren nach Kriegsende keine selbstandige Tatigkeit als Kaufmann Handwerker oder Fabrikant ausuben durften 11 Berufsbeschrankung BearbeitenSeit Herbst 1935 bemuhte sich Joseph Goebbels um eine konsequente Entjudung der Reichskulturkammer 12 Am 6 Marz 1936 waren Richtlinien uber den Ausschluss bzw die Nichtzulassung von Juden ergangen die auch mit Volljuden und Dreivierteljuden judisch Versippte betrafen Schon Ende 1936 verscharfte Goebbels streng vertraulich diese Richtlinie indem nunmehr auch samtliche mit Halb und Vierteljuden verheiratete Personen einbezogen wurden 13 Die Sauberung zog sich langer hin als gedacht 1937 waren in der Reichskunstkammer noch 156 judische Mitglieder zumeist Kunsthandler und Kunstpublizisten 14 1938 klagte Goebbels uber Schwierigkeiten bei der Reichsmusikkammer Im Februar 1939 waren mit seiner Duldung noch mindestens 21 nicht vollarische und judisch versippte Schauspieler und Filmschauspieler beschaftigt Am 4 Mai 1943 notierte Goebbels in seinem Tagebuch die Reichskulturkammer sei doch nicht so entjudet wie ich das eigentlich gemeint hatte er wolle jedoch wahrend des Krieges dieses Problem nicht mehr in Angriff nehmen 15 Ende 1938 bestimmte der Reichsarztefuhrer bis auf Weiteres dass kein Deutscher der mit einer Judin oder einem judischen Mischling verheiratet sei als Arzt bestellt werden durfe 16 Wehrmacht Bearbeiten Judisch Versippte konnten in der Wehrmacht keinen hoheren Rang als den eines Feldwebels erreichen 17 Am 8 April 1940 wurden judisch Versippte die mit Mischlingen ersten Grades oder gar Volljuden verheiratet waren grundsatzlich von der Wehrmacht ausgeschlossen sofern sie sich nicht besonders ausgezeichnet hatten 18 Dieser Erlass wurde zunachst nur schleppend umgesetzt 19 Schliesslich sollten gemass Erlass vom 25 September 1942 sogar die bislang verschonten Bewahrten und Ausgezeichneten entlassen werden Vorschlage fur die Verleihung von Orden und Ehrenzeichen mussten 1944 die Versicherung enthalten dass der Auszuzeichnende rein arisch und nicht mit einem Juden oder Mischling 1 Grades verheiratet sei 20 Zwangsarbeit BearbeitenIm Oktober 1943 wurden die Gauarbeitsamter von Fritz Sauckel beauftragt den Zwangseinsatz der nichtwehrpflichtigen Halbjuden sowie der mit Volljudinnen verheirateten Arier zu organisieren Einbezogen wurden aber auch judisch versippte Manner die mit einer als judischer Mischling eingestuften Frau verheiratet waren 21 Diese Zwangsarbeiter sollten zunachst separiert im Geschlossenen Arbeitseinsatz in Lagern der Organisation Todt in Frankreich eingesetzt werden 22 Viele kriegswichtige Betriebe reklamierten ihre Beschaftigten und unterliefen diese Anweisung Im Oktober 1944 ordnete Heinrich Himmler daraufhin an alle einsatzfahigen Manner der so definierten Gruppen binnen dreier Tage in Baubataillone der Organisation Todt zu uberstellen 23 Grundsatzlich wurden diese Zwangsarbeiter in separaten Kolonnen ausserhalb ihrer Heimatorte eingesetzt Die Verschleppung lief unter der Tarnbezeichnung Sonderkommando J und wird von der Historikerin Ursula Buttner als Sieg der Rasse Experten der NSDAP gewertet Judisch Versippte die trotz aller Pressionen unbeirrt zu ihren judischen Ehepartnern hielten wurden nunmehr den Juden zugeordnet 24 Literatur BearbeitenUrsula Buttner Die Not der Juden teilen Christlich judische Familien im Dritten Reich Hamburg 1988 ISBN 3 7672 1055 X Beate Meyer Judische Mischlinge Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 1945 2 Auflage Dolling und Galitz Hamburg 2002 ISBN 3 933374 22 7 Wolfgang Peter Wehrmacht und Judenverfolgung In Ursula Buttner Hrsg Die Deutschen und die Judenverfolgung im Dritten Reich Frankfurt am Main 2003 ISBN 3 596 15896 6 Weblinks BearbeitenStigma judisch versippt Dissertationsprojekt Einzelnachweise Bearbeiten Abgedruckt als Dokument VEJ 1 32 in Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 1 Deutsches Reich 1933 1937 Munchen 2008 ISBN 978 3 486 58480 6 S 137f Ursula Buttner Die Not der Juden teilen Christlich judische Familien im Dritten Reich Hamburg 1988 ISBN 3 7672 1055 X S 16 Cornelia Schmitz Berning Vokabular des Nationalsozialismus 2 Aufl Berlin 2007 ISBN 978 3 11 019549 1 S 340 Dieter Maier Arbeitseinsatz und Deportation Die Mitwirkung der Arbeitsverwaltung bei der nationalsozialistischen Judenverfolgung in den Jahren 1938 1945 Publikationen der Gedenkstatte Haus der Wannsee Konferenz hrsg von Wolfgang Scheffler Gerhard Schoenberner Berlin 1994 ISBN 3 89468 127 6 S 205 Ursula Buttner Die Not der Juden teilen Christlich judische Familien im Dritten Reich Hamburg 1988 ISBN 3 7672 1055 X S 32 33 Reichsgesetzblatt 1933 I S 434 Begrundung des Beamtenverhaltnisses 1a 3 Dokument VEJ 1 75 in Wolf Gruner Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 1 Deutsches Reich 1933 1937 Munchen 2008 ISBN 978 3 486 58480 6 S 239 241 Rolf Hensel Stufen zum Schafott Der Berliner Stadtschulrat und Oberburgermeister von Gorlitz Hans Meinshausen Berlin 2012 ISBN 978 3 428 83690 1 S 88 25 1 im Deutschen Beamtengesetz vom 26 Januar 1937 Andrea Low Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 3 Deutsches Reich und Protektorat Bohmen und Mahren September 1939 September 1941 Munchen 2012 ISBN 978 3 486 58524 7 S 502 VEJ 3 202 Peter T Walther Arisierung Nazifizierung und Militarisierung Die Preussische Akademie der Wissenschaften im Dritten Reich In Wolfram Fischer Hrsg Die Preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914 1945 Berlin Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Forschungsberichte Bd 8 Akademie Verlag Berlin 2000 ISBN 3 05 003327 4 S 95 Ursula Buttner Die Not der Juden teilen Christlich judische Familien im Dritten Reich Hamburg 1988 ISBN 3 7672 1055 X S 65 Peter Longerich Heinrich Himmler Biographie Munchen 2008 ISBN 978 3 88680 859 5 S 355 Ralf Georg Reuth Joseph Goebbels Tagebucher 3 Aufl Munchen 2003 ISBN 3 492 21414 2 Bd 3 S 966 mit Anm 48 Peter Longerich Joseph Goebbels Biographie Munchen 2010 ISBN 978 3 88680 887 8 S 355 Zitiert nach Peter Longerich Joseph Goebbels Biographie Munchen 2010 ISBN 978 3 88680 887 8 S 356 VEJ 2 180 In Susanne Heim Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 2 Deutsches Reich 1938 August 1939 Oldenbourg Munchen 2009 ISBN 978 3 486 58523 0 S 511 Beate Meyer Judische Mischlinge Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 1945 2 Auflage Dolling und Galitz Hamburg 2002 ISBN 3 933374 22 7 S 85 Wolfgang Peter Wehrmacht und Judenverfolgung In Ursula Buttner Hrsg Die Deutschen und die Judenverfolgung im Dritten Reich Frankfurt am Main 2003 ISBN 3 596 15896 6 S 197 Dokument VEJ 3 66 in Andrea Low Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 3 Deutsches Reich und Protektorat Bohmen und Mahren September 1939 September 1941 Munchen 2012 ISBN 978 3 486 58524 7 S 194 Ursula Buttner Die Not der Juden teilen Christlich judische Familien im Dritten Reich Hamburg 1988 ISBN 3 7672 1055 X S 52 53 Joseph Walk Hrsg Das Sonderrecht fur die Juden im NS Staat 2 Aufl Heidelberg 1996 ISBN 3 8252 1889 9 S 404 Dieter Maier Arbeitseinsatz und Deportation Die Mitwirkung der Arbeitsverwaltung bei der nationalsozialistischen Judenverfolgung in den Jahren 1938 1945 Berlin 1994 ISBN 3 89468 127 6 S 217 Wolf Gruner Der Geschlossene Arbeitseinsatz deutscher Juden Zur Zwangsarbeit als Element der Verfolgung 1938 bis 1943 Berlin 1997 ISBN 3 926893 32 X S 327 Beate Meyer Das Sonderkommando J Zwangsarbeit der judisch Versippten und der Mischlinge ersten Grades in Hamburg In Herbert Diercks Hrsg Zwangsarbeit und Gesellschaft Bremen 2004 ISBN 3 86108 379 5 Beitrage zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland H 8 S 104 Dokument VEJ 11 171 Ursula Buttner Die Not der Juden teilen Christlich judische Familien im Dritten Reich Hamburg 1988 ISBN 3 7672 1055 X S 66 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judisch versippt amp oldid 233749204