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Die Weddinger Opposition nach Hans Weber auch Weber Gruppe seltener Wedding Pfalzer Opposition war eine 1924 entstandene Gruppierung des ultralinken Flugels der Kommunistischen Partei Deutschlands KPD Ab 1928 ging die KPD Fuhrung mit zahlreichen Parteiausschlussen gegen die Gruppierung vor die seit 1926 als Fraktion in der KPD organisiert war Die Gruppierung hatte 1927 rund 2000 Mitglieder ihre Hochburgen lagen im Berliner Bezirk Wedding in der zu Bayern gehorenden Pfalz sowie im Westen Sachsens Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Hochburgen 2 Fraktionsbildung und Positionen 3 Zerfall 3 1 Kotter Vogt Gruppe 3 2 Weber Gruppe 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntstehung und Hochburgen BearbeitenAls konstituierendes Ereignis 1 fur die Entstehung der Weddinger Opposition werden von der Forschung zwei Streiks im BASF Werk im pfalzischen Ludwigshafen ausgemacht Im November 1922 entliess das Chemieunternehmen Max Frenzel und zwei weitere Betriebsrate weil sie an einem kommunistischen Betriebsratekongress teilgenommen hatten Entgegen der Haltung der Sozialdemokraten und der freien Gewerkschaften solidarisierten sich Arbeiter der BASF und weiterer Ludwigshafener Betriebe mit den Entlassenen konnten aber in einem mehrwochigen Streik nicht deren Wiedereinstellung erreichen Durch Ausschlusse und Austritte spaltete sich der Fabrikarbeiterverband in Ludwigshafen es entstand der kommunistische Industrieverband der chemischen Industrie unter Fritz Baumgartner Auch ein zweiter Streik im Fruhjahr 1924 der sich gegen die Verlangerung der taglichen Arbeitszeit auf neun Stunden richtete blieb erfolglos fuhrte aber zu einem vorubergehenden Massenzulauf zum Industrieverband Die Grundung des Industrieverbands stand im Widerspruch zu damaligen Beschlussen der KPD wonach Kommunisten in den Gewerkschaften des ADGB mitarbeiten sollten Der Historiker Marcel Bois sieht die extreme Feindseligkeit der Weddinger Opposition gegenuber den freien Gewerkschaften und ihre starke Verankerung in der lokalen Arbeiterschaft als Folge der Streiks bei der BASF 2 Die im April 1924 gewahlte ultralinke KPD Parteifuhrung unter Ruth Fischer und Arkadi Maslow fand die Unterstutzung des Parteibezirks Pfalz Als Fischer und Maslow Anfang 1925 ihren Kurs massigten wurden die Pfalzer Teil der ultralinken Opposition Beispielsweise wurde ein gemeinsamer Kandidat von SPD und KPD bei der Reichsprasidentenwahl 1925 abgelehnt Im September 1925 wandte sich das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale EKKI in einem offenen Brief an die deutschen Kommunisten und ubte scharfe Kritik am Kurs der KPD 3 Daraufhin wurden Fischer und Maslow abgelost Wie andere ultralinke Gruppen traten die Pfalzer gegen den offenen Brief des EKKI auf 4 Unabhangig von der Gruppierung in der Pfalz war im Berliner Bezirk Wedding im Januar 1925 eine ultralinke Opposition entstanden uber deren fuhrende Mitglieder nur wenig bekannt ist Eine Vernetzung der Pfalzer und Weddinger Gruppen erfolgte als die neue KPD Fuhrung unter Ernst Thalmann Ende 1925 den Pfalzer Bezirksleiter Hans Weber absetzte um die dortige Opposition zu schwachen Weber wurde in die Gewerkschaftsabteilung des Zentralkomitees in Berlin versetzt wohnte im Wedding und wurde rasch der fuhrende Kopf der dortigen Oppositionsgruppe zugleich behielt er seinen Einfluss in der Pfalz 5 Der dritte Schwerpunkt der Weddinger Opposition war der Parteibezirk Westsachsen mit der Stadt Leipzig Westsachsen war eine Hochburg der SPD die auch die Gewerkschaften und weitere Organisationen der Arbeiterbewegung dominierte Gleichwohl zum linken Parteiflugel gehorend hielten sich die Sozialdemokraten weitgehend an das Verbot gemeinsamer Aktionen mit der KPD Als Grunde fur den Erfolg der Ultralinken in Westsachsen werden die Schwierigkeiten der KPD angesichts der dominanten Stellung der SPD in die Arbeiterbewegung auszugreifen genannt sowie die Person von Artur Vogt Vogt stand seit Sommer 1924 in Kontakt zu Hans Weber 6 Weitere der Weddinger Opposition zuzurechnende Parteimitglieder lebten in anderen Berliner Bezirken insbesondere in Weissensee in Niedersachsen und in Bielefeld Der Bielefelder Unterbezirksleiter Wilhelm Kotter war ahnlich wie Hans Weber abgelost und nach Berlin versetzt worden wodurch er in Kontakt zur Weddinger Opposition kam 7 Fraktionsbildung und Positionen BearbeitenEinem Bericht der parteiinternen Uberwachung zufolge schlossen sich bei einer Veranstaltung am 12 Februar 1926 im Wedding die lokalen Gruppen zu einer landesweiten Fraktion zusammen wobei eine Leitung gewahlt wurde und Richtlinien fur die Arbeit der Gruppierung beschlossen wurden Marcel Bois sieht dieses Treffen als Versuch ein Auseinanderbrechen der ultralinken Opposition zu verhindern und verweist auf die Teilnahme von Personen wie Iwan Katz Karl Korsch oder Ernst Schwarz die alle sich nicht der Weddinger Opposition anschlossen Gleichwohl konne man explizit eine Weddinger Opposition ausmachen nachdem sich die Ultralinke in den folgenden Monaten weiter ausdifferenzierte 8 Die Weddinger Opposition warf der KPD Fuhrung unter Thalmann vor bei der Einschrankung der innerparteilichen Demokratie den Kurs von Fischer und Maslow fortzusetzen Die Oppositionsgruppe lehnte die These einer relativen Stabilisierung des Kapitalismus ab und ging von dessen baldigen Untergang aus Die Einheitsfrontlinie wurde abgelehnt beispielsweise stellte der Volksentscheid uber die Furstenenteignung fur die Weddinger Opposition eine Wiederbelebung reformistischer Illusionen dar In der Gewerkschaftsfrage kam es offenbar zu einem Kurswechsel und einer Annaherung an die Linie des Zentralkomitees Im Namen der Pfalzer Bezirksleitung pladierten Baumgartner und Frenzel Anfang 1926 fur einen Eintritt der KPD Mitglieder in die freien Gewerkschaften 9 Zerfall BearbeitenEnde 1926 spaltete sich die Weddinger Opposition in zwei Stromungen Grund war der sogenannte Brief der 700 der aus Anlass des Ausschlusses von Grigori Jewsejewitsch Sinowjew aus dem Politburo der KPdSU von der Weddinger Opposition und einer ultralinken Gruppe um Ruth Fischer Hugo Urbahns und dem Reichstagsabgeordneten Werner Scholem initiiert wurde 10 Der Brief sah die Partei in einem Belagerungszustand und konstatierte eine Atmosphare der Heuchelei Angst Unsicherheit und Zersetzung Unter der Losung zuruck zu Lenin wurde eine offene Diskussion in der KPD gefordert vor allem uber die Situation in der Sowjetunion 11 Wilhelm Kotter und Artur Vogt weigerten sich den Brief der 700 zu unterzeichnen da sie sich an der Beteiligung von Ruth Fischer und Arkardi Maslow storten Nach einem zunehmend polemischen Schlagabtausch zwischen Kotter und Weber spaltete sich die Weddinger Opposition 12 Aus Sicht der Parteifuhrung und des EKKI war die Spaltung eine gute Entwicklung da sie die Bekampfung der Opposition erleichterte Im Vergleich zu anderen oppositionellen Gruppierungen war die KPD Fuhrung bislang zuruckhaltend gegen die Weddinger Opposition vorgegangen 13 Kotter Vogt Gruppe Bearbeiten Die Gruppe um Wilhelm Kotter und Artur Vogt behielt ihre grundsatzlich oppositionelle Haltung bei wobei das Ziel einen Parteiausschluss zu vermeiden starker ausgepragt war als bei anderen Stromungen Beim Parteitag des Bezirks Westsachsen im Marz 1927 wurden Anhanger Vogts in die Bezirksleitung gewahlt Im Laufe des Jahrs 1927 schrankte die Parteifuhrung die Handlungsmoglichkeiten der Gruppe zunehmend ein So konnte die Gruppe ihre Positionen nicht mehr auf Parteitagen oder in der Parteipresse darstellen auch wurden Flugblatter und Rundschreiben vom Parteiapparat beschlagnahmt 14 Die weitere Entwicklung der Kotter Vogt Gruppe in Westsachsen ist in der Forschung umstritten Zum Teil wird angenommen die Gruppe habe sich Ende 1927 aufgelost zum Teil wird von einer Fortexistenz ausgegangen wobei viele Mitglieder auf die Linie der Parteifuhrung einschwenkten was durch die erneute Linkswende der KPD erleichtert wurde 15 Eine Restgruppe um Paul Heidemann in Bielefeld existierte nach der Machtubertragung an die NSDAP 1933 bis zu ihrer Zerschlagung Mitte 1936 in der Illegalitat weiter 16 Weber Gruppe Bearbeiten Die Gruppe um Hans Weber dominierte 1927 zunachst die KPD Gliederungen in der Pfalz und im Wedding Auf dem Essener Parteitag im Marz 1927 spielte die Gruppe nur eine geringe Rolle allerdings wurden mit Max Gerbig und Adolf Betz zwei ihrer Vertreter in das Zentralkomitee gewahlt Betz sagte sich im Dezember 1927 von der Opposition los Im gleichen Monat konnte sich die KPD Fuhrung erstmals seit 1925 im Wedding gegen die Opposition durchsetzen Weber schied aus der Weddinger Parteileitung aus und kehrte in die Pfalz zuruck 17 Im Januar 1928 setzte die Parteileitung Fritz Baumgartner als Polleiter der Pfalz wegen einer angeblich parteifeindlichen Haltung ab Gegen die Absetzung Baumgartners protestierten etliche Unterbezirke und Ortsgruppen aber auch die Arbeiter Turnerinnen der Pfalz Im Februar und Marz wurden Fritz Baumgartner Max Frenzel und Hans Weber aus der KPD ausgeschlossen Unter Inkaufnahme betrachtlicher Mitgliederverluste durch Austritte und weitere Ausschlusse gelang es der Parteifuhrung beim Pfalzer Bezirksparteitag im Mai 1928 eine Mehrheit zu erringen 18 Die Weber Gruppe war an Gesprachen im Vorfeld der Grundung des Leninbundes im April 1928 beteiligt lehnte aber eine Beteiligung an dem Bund ab Dennoch traten die Weber Gruppe und der Leninbund bei der Reichstagswahl 1928 im Wahlkreis Pfalz gemeinsam als Alte Kommunistische Partei AKP an Die AKP blieb mit 3127 Stimmen ungefahr ein Zehntel der Stimmen fur die KPD bedeutungslos Allerdings verlor die KPD entgegen dem Reichstrend in der Pfalz Stimmen 19 Ab Anfang 1929 nannte sich die von Max Frenzel geleitete Gruppe Leninisten Bolschewiki Sie gab die ehemalige KPD Funktionarszeitschrift Der Pionier mit einer Auflage von 1000 Stuck heraus Auch nach KPD Berichten gelang es der Gruppe ihre Basis noch zu verbreitern wobei ihr die Verankerung in der Arbeiterbewegung zugutekam Die Zahl der Mitglieder soll sich von etwa 160 1928 auf rund 200 bis 300 Ende 1929 erhoht haben Bei der Stadtratswahl in Ludwigshafen im Dezember 1929 trat die Gruppe als Linke Opposition der KPD 20 an und erzielte rund 1000 Stimmen knapp ein Drittel der KPD Stimmen Das gewonnene Mandat wurde von Max Frenzel wahrgenommen 21 Aus unbekannten Grunden zog sich Hans Weber Ende 1929 aus der Politik zuruck womit die Gruppierung eine ihrer herausragenden Personlichkeiten 22 verlor Noch unter Weber hatte sich die Gruppe trotzkistischen Positionen angenahert Beispielsweise wurde eine Solidaritatskampagne bei Trotzkis Ausweisung aus der Sowjetunion veranstaltet 1929 gab Weber eine deutsche Ubersetzung von Trotzkis Schrift Die internationale Revolution und die Kommunistische Internationale heraus und steuerte ein Vorwort bei 23 Kurt Landau bemuhte sich ab 1929 die Restgruppen der Weddinger Opposition mit der Opposition im Leninbund zusammenzufuhren Die im Marz 1930 gegrundete Vereinigte Linke Opposition der KPD Bolschewiki Leninisten spaltete sich 1931 wobei sich die einstigen Mitglieder der Weddinger Opposition meist der Richtung um Landau auch als Gruppe Funke bekannt anschlossen 24 Siehe auch BearbeitenListe linkskommunistischer Organisationen in der Weimarer RepublikLiteratur BearbeitenMarcel Bois Kommunisten gegen Hitler und Stalin Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik Eine Gesamtdarstellung Klartext Essen 2014 ISBN 978 3 8375 1282 3 Weblinks BearbeitenMarcel Bois Vergessene Kommunisten Die Weddinger Opposition der KPD In Jahrbuch fur Historische Kommunismusforschung 2008 S 58 67 online auf Kommunismusgeschichte de abgerufen am 27 Juli 2019 Einzelnachweise Bearbeiten Bois Kommunisten S 196 Zu den Streiks in der BASF und zur KPD in der Pfalz siehe auch Klaus J Becker Die KPD in Rheinland Pfalz 1946 1956 V Hase amp Koehler Mainz 2001 ISBN 3 7758 1393 4 S 27 37 Dieter Schiffmann Von der Revolution zum Neunstundentag Arbeit und Konflikt bei BASF 1918 1924 Campus Frankfurt am Main 1983 ISBN 3 593 33183 7 S 271 318 334 367 Bois Kommunisten S 196 Brief der Exekutive der Kommunistischen Internationale an alle Organisationen und die Mitglieder der KPD 1925 In kpd sozialgeschichte abgerufen am 23 Juli 2019 Bois Kommunisten S 158 164 f 197 Bois Kommunisten S 199 f Bois Kommunisten S 197 199 Bois Kommunisten S 195 200 Bois Kommunisten S 201 f Bois Kommunisten S 202 f Mirjam Zadoff Der rote Hiob Das Leben des Werner Scholem CarlHanser Verlag Munchen 2014 ISBN 978 3 446 24622 5 S 183 Bois Kommunisten S 217 219 f 293 Bois Kommunisten S 293 f Bois Kommunisten S 204 f 294 Bois Kommunisten S 295 297 Bois Kommunisten S 297 Peter Berens Die Atomisierung der KPD zwischen 1923 1927 am Beispiel des KPD Bezirks Ruhrgebiet Essen 2016 S 351 Bois Kommunisten S 235 300 302 f Bois Kommunisten S 303 306 Bois Kommunisten S 306 308 Klaus J Becker Zwischen ultralinker Parteiopposition und titoistischer Verfemung Die pfalzische KPD 1919 1956 In Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 103 2005 S 343 376 hier S 346 Bois Kommunisten S 308 f Bois Kommunisten S 313 Bois Kommunisten S 311 f Siehe auch Datensatz bei der Deutschen Nationalbibliothek Bois Kommunisten S 539 541 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Weddinger Opposition amp oldid 210210422