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Das Urphanomen ist ein Begriff der von Johann Wolfgang von Goethe gepragt wurde und neben dem Terminus Urpflanze Teil seiner naturwissenschaftlichen Forschungen und Farbenlehre ist Johann Wolfgang von Goethe Olgemalde von Joseph Karl StielerWahrend die Idee fur Goethe das Absolute Wahre und Gottliche ist auf das alle Phanomene zuruckzufuhren sind vermitteln die einzelnen Urphanomene die eine Idee zur Erscheinung 1 Der Einzelne kann sie nicht durch abstrakte Spekulation erkennen sondern nur wenn er sich betrachtend versenkt um das Wesen der Dinge zu schauen Sie sind der letzte Grund zu dem die Erfahrung gelangen kann und der sich nur als Geheimnis offenbart 2 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt und Begriffsverwendung 2 Entwicklung des Begriffs 3 Hintergrund und Interpretationen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseInhalt und Begriffsverwendung BearbeitenGoethe verwendete den Begriff der spater von Philosophen wie Wilhelm Dilthey und Friedrich Nietzsche Sergej Eisenstein Martin Heidegger und Karl Jaspers aufgegriffen wurde im Rahmen seiner Naturlehre nicht immer einheitlich Gelegentlich sprach er von Haupterscheinung oder reinen Phanomenen 3 In seinem 1798 verfassten Aufsatz Erfahrung und Wissenschaft differenzierte er bereits zwischen dem reinen Phanomen und einzelnen Entitaten wie Licht Luft und Witterung sowie der Geistesstimmung des Beobachters Wollte er sich an die Individualitat des Phanomens halten ware ein Meer auszutrinken Schliesslich unterteilte er drei Stufen Das empirische wissenschaftliche und reine Phanomen das zuletzt als Resultat aller Erfahrung und Versuche dasteht In diesem Bereich werde nicht nach Ursachen gefragt sondern nach Bedingungen unter welchen die Phanomene erscheinen 4 Goethe unterschied nicht zwischen Phanomen auf der einen und Noumenon auf der anderen Seite Erblickt man das Urphanomen sieht man den eigentlichen Grund des Phanomens 5 In Nr 488 seines Alterswerks Maximen und Reflexionen gab er den Hinweis Man suche nur nichts hinter den Phanomenen sie selbst sind die Lehre 6 Eckermann gegenuber erklarte er das Erstaunen als das Hochste wozu der Mensch gelangen kann Setzt ihn das Urphanomen in Erstaunen so sei er zufrieden ein Hoheres kann es ihm nicht gewahren und ein Weiteres soll er nicht dahinter suchen hier ist die Grenze 7 Beispiele fur einzelne Urphanomene sind Licht und Dunkelheit aus denen alle farbigen oder grauen Bilder den Sinnen vermittelt werden Eisen Magnetismus Elektrizitat das Urtier von dem andere Tiere abstammen und die Urpolaritat 8 Im ersten Kapitel seiner Maximen und Reflexionen spricht sich diese pantheistische Weltsicht aus Wer die Natur als gottliches Organ leugnen will der leugne nur gleich alle Offenbarung und Die Natur verbirgt Gott Aber nicht jedem 9 Etwas spater nahert er sich dem Urphanomen mit den Adjektiven ideal als das letzte Erkennbare real als erkannt symbolisch weil es alle Falle begreift identisch mit allen Fallen 10 Vor den Urphanomenen wenn sie unseren Sinnen enthullt erscheinen fuhlen wir eine Art von Scheu bis zur Angst Wenn ich mich beim Urphanomen zuletzt beruhige so ist es doch auch nur Resignation aber es bleib ein grosser Unterschied ob ich mich an den Grenzen der Menschheit resigniere oder innerhalb einer hypothetischen Beschranktheit meines bornierten individuums 11 Entwicklung des Begriffs Bearbeiten nbsp Friedrich Schiller 1759 1805 postumes Portrat von Gerhard von Kugelgen von 1808 09Das Urphanomen sollte die Wesenszusammenhange der Welt in reiner Form anschaulich machen und war fur Goethe die ausserste Grenze menschlicher Erkenntnis Diese Auffassung reflektierte die Transzendentalphilosophie Immanuel Kants mit der er uber Friedrich Schiller in Beruhrung gekommen war Im Gegensatz zu Kants subjektzentriertem Ansatz Kategorien und Formen der Anschauung hob er die objektive Seite der Phanomene starker hervor 12 Am 20 Juli 1794 war es zu dem literaturgeschichtlich wohl bedeutendsten Gesprach zwischen ihm und Schiller in Jena gekommen eine Begegnung die den Bund zwischen beiden besiegelte und von Goethe in seinen autobiographischen Einzelheiten 1817 Gluckliches Ereignis genannt wurde Goethe schildert hier nicht nur wie es zu dem Treffen kam sondern gibt das Gesprach in wichtigen Einzelheiten wieder Wir gelangten zu seinem Hause das Gesprach lockte mich hinein da trug ich die Metamorphose der Pflanzen lebhaft vor und liess mit manchen charakteristischen Federstrichen eine symbolische Pflanze vor seinen Augen entstehen Er vernahm und schaute das alles mit grosser Teilnahme mit entschiedener Fassungskraft als ich aber geendet schuttelte er den Kopf und sagte Das ist keine Erfahrung das ist eine Idee Ich stutzte verdriesslich einigermassen denn der Punkt der uns trennte war dadurch aufs strengste bezeichnet Die Behauptung aus Anmut und Wurde fiel mir wieder ein der alte Groll wollte sich regen ich nahm mich aber zusammen und versetzte Das kann mir sehr lieb sein dass ich Ideen habe ohne es zu wissen und sie sogar mit Augen sehe 13 Hintergrund und Interpretationen Bearbeiten nbsp Carl Friedrich von Weizsacker 1982Das Spatwerk Goethes wird von Altersfrommigkeit und Ehrfurcht vor dem Unerforschlichen gepragt Das Wahre ist ihm das Alte Alles Gescheite ist bereits gedacht worden man muss nur versuchen es noch einmal zu denken 14 John Erpenbeck weist auf die Zweideutigkeit des Begriffs hin Einerseits bezieht sich der Terminus auf ein konstruiertes Phanomen von dem aus andere komplexere herzuleiten sind andererseits auf eine reale Urform aus der sich weitere biologische Formen entwickelten Da beide Bedeutungen in Goethes Werk ineinander ubergehen erzeugen sie so Erpenbeck einen Schwebezustand der sich in den unterschiedlichen Zeugnissen der Italienischen Reise finden lasst wo Goethe sich eingehend mit der Urpflanze beschaftigte Mit ihr glaubte Goethe ein Modell und Schlussel ausgemacht zu haben mit dem sich Pflanzen ins Unendliche erfinden liessen letztlich ein Gesetz das sich auf alles andere anwenden lasse In seiner Farbenlehre baute er diese Gedanken weiter aus um einen Weg zur abschliessenden Naturerkenntnis in ihren vielfaltigen Erscheinungsformen zu zeigen 15 Nach Auffassung Carl Friedrich von Weizsackers pragte Goethe mit dem Urphamomen einen Begriff der dem Cartesischen Modell widersprach Als Erscheinungen waren sie zweitrangig zeigten sie sich doch einem Subjekt das bereits mit dem Objekt verbunden war wenn das Phanomen sich ereignete 16 Der Dichter und Denker Goethe wollte seine Naturauffassung als Wissenschaft in die objektive Naturerkenntnis der Neuzeit integrieren Wahrend es ihm hinsichtlich der subjektiven Farben Vorarbeiten zur Abstammungstheorie und der Entdeckung des Zwischenkieferknochens gelang irrte er an den Stellen seiner Farbenlehre an denen er Newton widersprechen wollte Fur Weizsacker irrte er indes weil er irren wollte 17 Mit seiner speziellen Naturbetrachtung versuchte er der neuzeitlichen zergliedernden Wissenschaft eine ganzheitliche Betrachtung entgegenzusetzen Wird die platonische Idee in der Naturwissenschaft zum Allgemeinbegriff so bei Goethe zur Gestalt 18 Weizsacker ordnet diesen Glauben als Vertrauen in das Wunder der gottlichen Natur ein die kritisch zu hinterfragen der unerforschlichen Herrlichkeit der Urphanomene widersprechen wurde So ist das Urphanomen der letzte nicht mehr ableitbare Grund der als erscheinende Idee verstanden werden kann 19 Literatur BearbeitenJohn Erpenbeck Urphanomen In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 4 2 Personen Sachen Begriffe Metzler Stuttgart 1998 ISBN 3 476 01447 9 S 1080 1082 Sergej Eisenstein Das Urphanomen Kunst Herausgegeben und ubersetzt von Oksana Bulgakowa amp Dietmar Hochmuth PotemkinPress Berlin und San Francisco 2017 ISBN 3 943190 10 2 englische Ausgabe Sergei Eisenstein THE PRIMAL PHENOMENON ART ubersetzt von Dustin Condren 2018 ISBN 978 3 943190 12 0Einzelnachweise Bearbeiten Hans Joachim Schrimpf Anmerkungen In Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 743 Hans Joachim Schrimpf Anmerkungen In Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 744 Hans Joachim Schrimpf Anmerkungen In Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 744 Johann Wolfgang von Goethe Naturwissenschaftliche Schriften Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XIII C H Beck Munchen 1998 S 24 25 Hans Joachim Schrimpf In Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Anmerkungen Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 744 Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 432 Zit nach Hans Joachim Schrimpf Anmerkungen In Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 7444 John Erpenbeck Urphanomen In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 4 2 Personen Sachen Begriffe Metzler Stuttgart 1998 S 1081 Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 364 Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 367 Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 367 Theda Rehbock Phanomen In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 7 S 474 Johann Wolfgang von Goethe Autobiographische Schriften Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band X C H Beck Munchen 1998 S 541 Johann Wolfgang von Goethe Schriften zur Kunst Schriften zur Literatur Maximen und Reflexionen Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XII C H Beck Munchen 1998 S 415 John Erpenbeck Urphanomen In Goethe Handbuch Hrsg Bernd Witte Band 4 2 Personen Sachen Begriffe Metzler Stuttgart 1998 S 1080 Carl Friedrich von Weizsacker Einige Begriffe aus Goethes Naturwissenschaft In Johann Wolfgang von Goethe Naturwissenschaftliche Schriften Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XIII C H Beck Munchen 1998 S 544 Carl Friedrich von Weizsacker Einige Begriffe aus Goethes Naturwissenschaft In Johann Wolfgang von Goethe Naturwissenschaftliche Schriften Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XIII C H Beck Munchen 1998 S 539 Carl Friedrich von Weizsacker Einige Begriffe aus Goethes Naturwissenschaft In Johann Wolfgang von Goethe Naturwissenschaftliche Schriften Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XIII C H Beck Munchen 1998 S 540 Carl Friedrich von Weizsacker Einige Begriffe aus Goethes Naturwissenschaft In Johann Wolfgang von Goethe Naturwissenschaftliche Schriften Goethes Werke Hamburger Ausgabe Band XIII C H Beck Munchen 1998 S 552 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Urphanomen amp oldid 210569398