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Der Stambali auch Stambeli bezeichnet eine religiose Zeremonie in Tunesien die zu einem Besessenheitskult gehort und den dazugehorenden Musikstil Die meist weiblichen Tanzer erreichen einen ritualisierten Trancezustand der hauptsachlich vom Spiel einer Zupflaute gimbri und mehrerer Handklappern qaraqib ausgelost wird Dabei werden die besitzergreifenden Geister hervorgerufen und besanftigt Die Geistervorstellung enthalt arabisch volksislamische und afrikanische Elemente Der Kult geht auf schwarzafrikanische Sklaven zuruck und wird unter deren Nachfahren anderen Einwanderern aus den Landern sudlich der Sahara sowie unter arabischen Tunesiern gepflegt Davon unabhangig wird Stambali Musik auch konzertant aufgefuhrt und hat eine gewisse Bekanntheit uber das Land hinaus erlangt Inhaltsverzeichnis 1 Kulturelles Umfeld 2 Geschichte 3 Mythologie 4 Versammlungshauser und Wallfahrtsorte 5 Wallfahrtsfeste und Besessenheitsrituale 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseKulturelles Umfeld BearbeitenIn der muslimischen Gesellschaft Tunesiens die uberwiegend der malikitischen Rechtsschule angehort stellen die Anhanger des Stambali Kults eine kleine gering geschatzte Randgruppe dar Von orthodoxen Muslimen werden sie als kuffar Unglaubige missachtet und diskriminiert Ihre Gruppenzugehorigkeit beruht auf einer Identifizierung als Schwarze Soudanis ein Begriff der sich auf eine kulturelle Tradition und nicht zwangslaufig auf die Hautfarbe bezieht Zu allen Zeiten gab es unter den Stambali Mitgliedern auch arabische Tunesier und bis zu deren Emigration nach Israel ab den 1960er Jahren zahlreiche tunesische Juden Die verschiedenartigen verehrten Geister werden zusammenfassend die anderen Menschen in nas il ukhrin genannt Der Begriff druckt auch die Selbstwahrnehmung der Stambali Anhanger im Verhaltnis zum Staat und zur Gesamtgesellschaft aus Etwa ein Dutzend Sufi Bruderschaften ṭariqa Pl turuq sind in Tunesien aktiv Die meisten lassen sich auf den einflussreichen andalusischen Sufimystiker Abu Madyan 1126 1198 zuruckfuhren In der religiosen Praxis und Musiktradition bestehen zwischen ihnen teilweise grosse Unterschiede Das Spektrum reicht von den getragenen leidenschaftlichen Gesangen im Dhikr der konservativen Sulamiyya Bruderschaft bis zu den volkstumlichen Aissaoua ʿIsawiya deren spektakulare offentliche Vorfuhrungen vom Oboeninstrument ghaita ahnlich der arabischen mizmar begleitet werden und gewaltsam herbeigefuhrte Trancezustande beinhalten Ihre Aktivitaten werden von der Mehrheit der Muslime abgelehnt Neben den islamischen Heiligen und Ordensgrundern werden in den Landern des Maghreb auch Heilige verehrt die nicht der Tradition des Sufismus angehoren Wichtig ist nur dass von den Heiligen oder anderen jenseitigen Machten geglaubt wird dass sie auf das Leben des einzelnen Menschen Einfluss nehmen Von Heiligen lasst sich die hilfreiche Segenskraft Baraka erhalten einen negativen Einfluss haben dagegen die islamischen Dschinn und die animistischen Geister aus Schwarzafrika Die Grundannahme ist dass zwischen den unsichtbaren Kraften und den Menschen eine Wechselbeziehung besteht und Menschen die Geister genauso beeinflussen konnen wie umgekehrt Der Austausch Opfergaben gegen Wunscherfullung basiert auf denselben unbedingten Erfordernissen von Gaben und Gegengaben wie sie auch fur die traditionelle Sozialordnung der Berber charakteristisch sind Die meisten schwarzen Bruderschaften im Maghreb fuhren ihren Ursprung auf den spirituellen Grunder Sidi Bilal zuruck Bilal war ein christlicher Afrikaner Athiopier der als Sklave in Mekka lebte zum Islam konvertierte und der erste Gebetsrufer Muezzin des Propheten Mohammed wurde Durch ihre Musik und Tanzauffuhrungen sind die Gnawa in Marokko am bekanntesten geworden Ihre Besessenheitstherapie Derdeba ist das Gegenstuck zum tunesischen Stambali Im Zentrum der marokkanischen Hamadscha Bruderschaft steht der Kult um das Geistwesen Aisha Qandisha In Algerien heisst der entsprechende therapeutische Geisterkult Diwan Weitere Formen von Besessenheit in einem islamischen Umfeld sind die uberwiegend Frauen befallenden Geister der Tuareg denen mit tende Musik begegnet wird die ebensolchen Geister des Bori und Dodo Kults bei den Hausa des Zar Kults in Agypten und Sudan sowie dem Pepo Kult an der ostafrikanischen Kuste Der Bori Kult gelangte in osmanischer Zeit bis in die heutige Turkei und der Zar Kult nach Saudi Arabien Besessenheitsrituale fanden ihren Weg bis in die iranisch pakistanische Region Belutschistan wo die Nachfahren von aus Afrika stammenden Belutschen ihre nachtlichen Praktiken guati damali nennen und anstelle der gimbri mit der Streichlaute sorud und der Zupflaute damburag begleiten 1 In Tansania wird der Pepo Kult auch Shetani praktiziert Die unter dem Dach des Christentums veranstalteten Besessenheitskulte Mashawe in Teilen Sambias und Simbabwes und Vimbuza in Malawi und Sambia weisen als Phanomene marginalisierter Unterschichten und aufgrund ihrer mythologischen Struktur Parallelen auf 2 Geschichte BearbeitenEiner der ersten dokumentierten Falle von Sklavenhandel nach Nordafrika waren etwa 5000 Sklaven aus der Sudanregion die um das Jahr 800 in das Gebiet des heutigen Tunesien gebracht wurden Hohepunkt des Handels mit uberwiegend weiblichen Sklaven war das 18 und 19 Jahrhundert wahrend der Husainiden Dynastie Mit der Unterzeichnung des franzosischen Protektoratsvertrags 1881 gingen deren Einfluss und der Sklavenhandel zuruck Die Sklaven wurden als Wachkrafte in den osmanischen Palasten bei grossen Bauprojekten und als Arbeiter in den sudlichen Bewasserungsoasen eingesetzt Ab Anfang des 18 Jahrhunderts gibt es Berichte uber offentliche Trancezeremonien die an den Grabstatten von muslimischen Heiligen veranstaltet wurden und an denen Sklaven und Araber gleichermassen teilnahmen Handler transportierten unter anderem fur den rituellen Bedarf der Schwarzafrikaner Wundermedizin Kaurischnecken und Straussenfedern nach Norden 3 Auch nach ihrer Islamisierung galten die schwarzafrikanischen Sklaven nicht als vollwertige Muslime waren aber in bestimmten Bereichen wegen ihrer magischen Fahigkeiten geschatzt Bei Hochzeiten und Geburten brachte die Anwesenheit schwarzer Frauen Gluck Schwarze Sklavinnen dada zogen nicht nur arabische Kinder auf sondern stillten sie auch damit sie besonders gross und stark werden sollten Aus dem Jahr 1808 sind Anklagen gegen Stambali Anhanger wegen Unmoral Heidentums und Hexerei uberliefert 1884 wurde Tunesien offiziell franzosisches Protektorat und der Islam insgesamt zu einer Privatangelegenheit verdrangt Die Franzosen erfanden die rassische Kategorie eines schwarzen Islam der gegenuber dem arabischen Islam als primitiv galt In den 1920er Jahren machten arabische Schriftsteller wie al Sadiq al Rizgi Stimmung gegen die Stambali Anhanger und beeinflussten die gesellschaftliche Meinung Dennoch wurde zur Zeit der husainidischen Herrscher der Kult toleriert wenn nicht gar unterstutzt Der Hauptkultort in Tunis war die Qubba Mausoleum von Sidi Ali l Azmar Sidi Ali Lasmar an dem jeden Freitag eine Versammlung stattfand und unverheiratete Frauen opferten um einen Mann zu finden 4 Nach der Unabhangigkeit Tunesiens 1956 anderte sich die Lage Prasident Habib Bourguiba installierte ein nationalistisches Regime das auf Sakularismus und Modernitat ausgerichtet war Er liess radikale islamische Krafte bekampfen wollte als Vater der Nation Frauen zwangsweise von ihrem Schleier befreien und erklarte Heiligenkulte fur ruckstandig 5 Das Grab von Sidi Ali l Azmar in der Landeshauptstadt war um 1960 verschwunden Wallfahrten zu Heiligengrabern in Dorfern der Umgebung wurden noch durchgefuhrt 6 Der Staat verbot offentliche Auffuhrungen von Stambali und andere Sufi Praktiken im Radio und Fernsehen wurde keine Stambali Musik mehr gespielt Tunesien sollte kulturell und sprachlich vereinheitlicht werden und sich Richtung Europa orientieren Dafur stand der Malouf eine aus Andalusien stammende klassische tunesische Musik die als nationales Kulturgut gefordert wurde 7 Die kulturellen Beziehungen zu Schwarzafrika schienen der Herausbildung einer modernen Nation im Weg zu stehen Kurzzeitig fand die Stambali Musik Mitte der 1960er Jahre eine gewisse Anerkennung als sie mit dem beliebten amerikanischen Jazz verglichen wurde der eigentlich auch eine Sklavenmusik sei Es gab daher Versuche den Stambali ahnlich zu modernisieren In Tunis spielten einige Jahre Jazz und Stambali Musiker zusammen Nachdem 1987 Ben Ali durch einen Putsch an die Macht gekommen war stabilisierte sich die wirtschaftliche und von Islamisten bedrohte politische Lage In den 1990er Jahren wurde das offentliche Auffuhrungsverbot von Stambali Musik abgeschafft 8 Um die Jahrtausendwende gelangte die marokkanische Gnawa Musik auf den internationalen Markt der Weltmusik Ein wenig Aufmerksamkeit blieb davon auch beim tunesischen Stambali hangen dem seither bei Auffuhrungen in Europa werbewirksam ein Anteil schwarzer Kultur zugeschrieben wird Bei staatlich organisierten Musikfestivals in Tunesien gehoren Stambali und andere Sufi Gruppen heute zum Konzertprogramm 9 Gleichzeitig mit ihrer Internationalisierung gehen jedoch allmahlich die afrikanischen Wurzeln der Musik verloren Mythologie BearbeitenDie Herkunft des Begriffs ṣtambeli ist unklar Bei den Songhai ist sambeli eine von Hexen und Geistern verursachte Krankheit bei den Hausa bezeichnet dasselbe Wort einen Tanz von Jungen und Madchen Es konnte sich fur die bessere Aussprache im Arabischen zu ṣtambeli verandert haben Die gelaufigere Herleitung kommt von Istanbul das arabisch istanbuli ausgesprochen wird Moglicherweise ist beides zutreffend Nach einer Legende wurden die Schwarzafrikaner von Bu Saʿdiyya aus ihrer Heimat nach Tunesien gebracht Diese mythische Person ist zugleich der erste Stambali Musiker Bu Saʿdiyya lebte einst als Jager im afrikanischen Busch Eines Tages kehrte er von der Jagd zuruck und stellte fest dass seine einzige Tochter Saʿdiyya fehlte und mit einer Sklavenkarawane nach Tunis verschleppt worden war Also machte er sich ebenfalls nach Tunis auf wo er nach einer entbehrungsreichen Reise ankam Er begann von seinen qaraqib begleitet seine Trauer in Lieder gefasst vorzutragen Er fand zwar nie seine Tochter steht aber als Sinnbild fur die Phase der Entwurzelung und als Begleiter wahrend der Ubergangszeit bis zur Ankunft an einem neuen Ort Zu seinem Gedenken wird ein Maskenumzug veranstaltet bei dem Tanzer qaraqib die zweifellige Fasstrommel t bol auch ganga genannt und eine ein oder zweisaitige Fiedel gugay spielen Unter den im Stambali Kult verehrten Figuren wirkt Bu Saʿdiyya als einziger nicht im Tanzritual auf die Teilnehmer ein und lasst sich auch keiner der folgenden Kategorien zuordnen Der Himmel der verehrten Stambali Wesen besteht aus zwei Abteilungen die mit weiss und schwarz uberschrieben werden Weiss sind die arabischen islamischen Heiligen die Walis wali Pl awliya von denen Baraka ausgeht Es sind meist historische Personlichkeiten Schwarz sind die aus dem Suden eingefuhrten Geister die immer mythische Figuren waren Die 20 aufgefuhrten Heiligen mannliche Anrede Sidi weiblich Anrede Lalla besitzen eine Abstammungskette silsila die sie uber den schwarzen Muezzin Bilal bis zum Propheten zuruckfuhrt Viele werden in einem religiosen Zentrum Zawiya verehrt in dem uber der Grabstatte eine Qubba errichtet wurde Bis auf Sidi ʿAbd el Qadir der in der gesamten islamischen Welt bekannt ist haben alle anderen Heiligen nur in Tunesien oder den benachbarten Maghreblandern gewirkt und sind von lokaler Bedeutung Sie werden uberwiegend von Frauen aufgesucht Die beiden Heiligen Sidi Frej und Sidi Sʿad stammen aus der Sudanregion Sidi Marzuq und Sidi Manṣur werden bei jahrlichen Wallfahrten besucht den Letzteren verehren schwarzafrikanische Seeleute in der Kustenstadt Sfax Ein weiterer prominenter Heiliger der Gruppe ist Sidi Ben ʿisa Muhammad Ben Aissa 1465 1526 der Grunder des volkstumlichen Aissaoua Sufiordens dessen offentliche Aktionen von Mannern durchgefuhrt werden Sidi Frej Sidi Sʿad Sidi ʿAbd es Salem 16 Jahrhundert Grunder des Sulamiyya Ordens und Sidi ʿAbd el Qadir bilden eine besonders machtige Gruppe von Scheichs mashayikh Die Liste der Stambali Heiligen wird durch einige weitere Sidis erganzt die nur bei Bedarf in die Zeremonien miteinbezogen werden 10 Die Geister heissen zusammenfassend il kḥul Sg akḥal die Schwarzen in nas il ukhrin die anderen Menschen oder ṣaliḥ Pl ṣalḥin die Heiligen Es sind keine Geister von afrikanischen Ahnen sie stammen weder von Menschen ab noch haben sie ein menschliches Aussehen und sind auch nicht mit den im Islam bekannten Dschinn verwandt denen es an der notigen individuellen Personlichkeit fehlt Stambali Mitglieder furchten sich zwar ebenso vor den Dschinn und wenden Schutzmassnahmen gegen sie an aber im Besessenheitsritual gelten sie als wirkungslos Mit den drei Namen der Geister werden ihre drei grundlegenden Charaktereigenschaften umschrieben Sie verhalten sich wie Menschen konnen heiraten und Nachwuchs erzeugen Die Bezeichnung ṣalḥin macht sie verschieden von den Dschinn und den historischen Heiligen erklart sie aber zu ebenburtigen Partnern der beiden Die schwarzen Geister werden nach ihrer Zugehorigkeit zu einem Stamm Banu Kuri es sind Christen zur Region Bornu Brawna zu den Adligen Beyat zu den Wassergeistern Baḥriyya oder als Kinder Sghar eingeteilt In jeder Gruppe gibt es einen harten Kern von Geistern die stets dazu gerechnet werden und andere Geister die je nach Tradition der einzelnen Stambali Zweige auch anderswo einsortiert werden konnen Nach einer moglichen Zuordnung gibt es 16 Banu Kuri Mitglieder 5 Kinder und 9 10 bzw 11 Geister der ubrigen Gruppen Die Wassergeister halten sich von Seen und Flussen bis zu Waschbecken in jedem nassen Element auf Ihr fuhrender Geist ist Mulai Ibrahim der auch als Dodo Ibrahim bekannt ist Mulai ist die Anrede eines Herrschers im Maghreb dodo werden in der Hausasprache bosartige Geister genannt Geister die unten im Wasser leben sind in weiten Teilen Afrikas verbreitet Dagegen stammen die Beyat vom osmanischen Titel Bey abgeleitet aus der Zeit der osmanischen Herrschaft Einige Mitglieder dieser Geistergruppe besassen ursprunglich Eigenschaften die sie mit dem Bori Kult in Verbindung bringen Im Zuge ihrer Integration in Tunesien wurden sie mit Emblemen der islamisch arabischen Gesellschaft aufgewertet So tragt der Geist May Nasra anstelle seines fruheren Speers heute eine holzerne Schreibtafel luḥa in der Hand und einen Fes auf dem Kopf Mit dem Namen Beyat kommt eine nostalgische Erinnerung an die Zeit der husainidischen Beys zum Ausdruck Diese hielten zwar Sklaven unterstutzten aber mit dem Stambali Ritual deren Kultur 11 Versammlungshauser und Wallfahrtsorte Bearbeiten nbsp Mausoleum von Sidi Ali l Azmar in TunisEhemalige Sklaven und andere Migranten aus Landern sudlich der Sahara schufen ein Netzwerk von privaten Versammlungshausern diar jama von denen jedes als Anlaufstelle einer bestimmten neu angekommenen Volksgruppe diente Hier wurden die gesellschaftlichen und religiosen Angelegenheiten besprochen und Stambali Kulte veranstaltet Dar Barnou Dar Barnu ist ein bekannter Veranstaltungsort so heisst auch die dort auftretende Stambali Musikgruppe Er liegt in einem Viertel von Tunis dem Beb Sidi ʿAbd es Salem benannt nach einem ehemaligen Tor arabisch al Bab der Stadtmauer das seinen Namen von dem Heiligen erhalten hatte Die Besessenheitsrituale und Tieropfer finden jahrlich an den Heiligen Verehrungsstatten und haufiger in den Versammlungshausern der Anhanger statt Zu den Schutzheiligen werden jedes Jahr drei bis vier Tage dauernde Wallfahrten mausim Pl mawasim veranstaltet oder deren Pilgerorte werden unabhangig von kleinen Gruppen als ziyara Pl ziyarat aufgesucht Die Qubba von Sidi Marzuq befindet sich in der Djerid Oase von Tozeur im Sudwesten des Landes Derselbe Heilige wird auch in der benachbarten Kleinstadt Nefta verehrt Ausser Sidi Ali l Azmar in Tunis verehren die Pilger wenige Kilometer sudostlich der Stadt in der Region Mornag das Grab von Sidi Saad Zu dem schwarzen Heiligen der im 16 Jahrhundert nach Tunesien kam wird ebenfalls eine jahrliche Wallfahrt veranstaltet 12 Etwa sechs Kilometer nordlich des Stadtzentrums im Vorort La Soukra liegt an einer Nebenstrasse der unscheinbare weisse Grabbau von Sidi Frej Der wundertatige Heilige kam als Sklave aus dem Gebiet Bornu woher die meisten Sklaven in Tunesien stammten Nach seinem Tod wurde er den Stambali Himmelsmachten zugesellt Im Juli wird fur ihn ein dreitagiges Pilgerfest veranstaltet Dabei tritt ein besonderes debdabu genanntes Perkussionsensemble auf 13 Wallfahrtsfeste und Besessenheitsrituale BearbeitenDie Stambali Rituale haben eine therapeutische Aufgabe und sind zugleich soziale Begegnungen Wahrend der Pilgerfeste finden die Rituale an drei Tagen statt Ahnlich wie bei der Derdeba Zeremonie steht am Anfang eine grosse Strassenprozession mit der auf das Fest aufmerksam gemacht und Geld eingesammelt werden soll Dabei werden Tanzer von Trommeln t bol auch ganga und Eisenklappern qaraqib begleitet Als Zweites werden den Geistern Tieropfer dargebracht ein schwarzer und weisser Hahn eine Ziege 14 weitere Rituale finden an heiligen Brunnen statt Nachmittags finden Auffuhrungen von Stambali statt bei denen die Heiligen angerufen werden In den Nachten folgt die Anrufung der schwarzen Geister im Rahmen der therapeutischen Sitzungen 15 und abschliessend in der dritten Nacht die gemeinsame Verehrung des Schutzheiligen vor seinem Schrein Falls das debdabu Perkussionsorchester auftritt so geschieht dies ebenfalls tagsuber Die Musiker sitzen im Halbkreis Anstelle der gimbri tritt die zweifellige mit Stocken geschlagene Zylindertrommel tabl ṭabla in den Mittelpunkt Die eisernen Handklappern werden durch drei weitere Trommeln ersetzt Kurkutu Pl kurkutuwat ist eine einfellige schmale Tontrommel die zwischen die Fusse geklemmt stehend und leicht nach vorn geneigt mit zwei dunnen Stockchen geschlagen wird Trommeln dieses Namens sind in der Sudanregion verbreitet Die tunesische kurkutu ahnelt der naqqarat in der andalusisch arabischen Musik Die gaṣʿa ist ein umgedrehter Topf Ferner kommt die Rahmentrommel mit Schnarrsaiten bendir Pl bnadir zum Einsatz 16 Musik ist das wesentliche Element bei der Durchfuhrung einer Besessenheitszeremonie Jeder Geist wird mit seiner eigenen Melodie nuba Pl nuwab seltener nubet identifiziert die fur ihn charakteristisch ist 17 Die Zeremonie wird von einer Heilerin oder Priesterin ʿarifa Pl ʿarifat die Wissende geleitet die bei brennenden Raucherstabchen bkhur die Geister herbeiruft Sie ist fur das Herausfinden der richtigen Musik nach den besonderen Vorlieben des Geistes oder Heiligen verantwortlich Die Musiker mussen uber ein entsprechend grosses Repertoire an Liedern verfugen Wurden nicht die richtigen Stucke ausgewahlt oder falsch gespielt bleibt die Therapie wirkungslos Die Lieder werden in einem arabischen Dialekt gesungen der als nicht arabisch oder fremd ʿajmi aufgefasst wird und viele Worter aus afrikanischen Sprachen enthalt Die Texte zu verstehen ist nicht erforderlich Das einzige Melodieinstrument ist die vom Orchesterleiter maalem maallem gespielte gimbri Sie spricht zu den Geistern und wird von den metallisch laut klingenden Handklappern qaraqib rhythmisch begleitet Die pentatonischen Melodien haben eine sich wiederholende zyklische Form Sie werden antiphon im Wechsel zwischen Vorsanger und Chor gesungen Die Musik ist nicht eigentlich da um melodisch und rhythmisch die Tanze zu begleiten sie bildet ein gedankliches System mit dem mythologische Geschichten erzahlt und der Ablauf des Rituals bestimmt wird Wesentlich fur das Gelingen der therapeutischen Veranstaltung ist die genaue Abfolge der nuwab Zu Anfang stehen die Melodien fur die weissen Geister die Heiligen Diese Abteilung beginnt gemass der silsila mit den nuwab fur den Propheten darauf folgt die Melodie fur Sidi Bilal Mit Bilal hangt Bu Ḥijba zusammen Von dem ist zwar kaum etwas bekannt und auch nur wenige Patientinnen fuhlen sich von ihm befallen dafur macht ihn seine hervorgehobene Position an dritter Stelle fur die Zeremonie bedeutend Diese ersten drei nuwab werden zusammenhangend aufgefuhrt die folgenden werden durch Pausen abgegrenzt den jeweiligen Heiligen gewidmet Die Patientinnen hullen sich in Stoffumhange kashabiya deren Farben den jeweiligen Geistern entsprechen und halten in der Hand was dieser Geist normalerweise mit sich tragt Nach der weissen folgt die Gruppe der schwarzen Besessenheit auslosenden Geister die ebenfalls in der Reihenfolge ihrer silsila durch die Musik hervorgerufen werden Eroffnet wird mit der nuba namens istiftaḥ il kḥul Eroffnung der Schwarzen auch maschi erst danach folgt die Melodie fur Sarkin Kufa dem ersten Geist des Banu Kuri Stammes bis alle Geister durchgearbeitet sind 18 Auf der Tanzflache formieren anfangs mannliche Tanzer einen Kreis und bewegen die Fusse im Rhythmus der Eisenklappern Sie bilden zugleich den Chor der auf den Vorsanger antwortet Die Musiker sind in Schwaden von brennenden Raucherstabchen gehullt Dann beginnt die ʿarifa als Leiterin der Zeremonie mit einigen Assistentinnen und den befallenen Frauen ebenfalls zu tanzen Alle Frauen tanzen sich in Trance meist bis zur Erschopfung schliesslich befiehlt die ʿarifa den Geistern dahin zu verschwinden wo sie hergekommen sind viele kamen aus dem Meer 14 Danach sollten die Patientinnen vor weiteren Geisterattacken fur ein Jahr gefeit sein Literatur BearbeitenRichard C Jankowsky Stambeli Music Trance and Alterity in Tunisia University of Chicago Press London 2010 Richard C Jankowsky Black Spirits White Saints Music Spirit Possession and Sub Saharans in Tunisia Ethnomusicology Vol 50 No 3 Herbst 2006 S 373 410 Viviane Lievre Die Tanze des Maghreb Marokko Algerien Tunesien Ubersetzt von Renate Behrens Franzosische Originalausgabe Editions Karthala Paris 1987 Otto Lembeck Frankfurt am Main 2008 S 177 f ISBN 978 3 87476 563 3Weblinks BearbeitenRichard C Jankowsky Black Spirits White Saints Sub Saharan Music Spirit Possession and the Geo Cultural Imagination in North Africa PDF 257 kB Richard C Jankowsky Espirits noirs saints blancs stambeli com Festival de l imaginaire MP4 7 04 MB 23 24 Marz 2001 Maison des Cultures du Monde Video Stambeli Tunisien Pelerinage a Sidi Ali El Mekki Musik der Troupe Sidi Ali Lasmar 2013Einzelnachweise Bearbeiten Chaitali B Roy Dar brings Baluchi music to Kuwait Arab Times Steven Friedson Tumbuka Healing In Ruth M Stone Hrsg The Garland Encyclopedia of World Music Band 1 Africa Garland Publishing New York London 1998 S 271 274 Jankowsky 2010 S 17f Jankowsky 2010 S 43 50 53 Jankowsky 2010 S 16 18 89 Irmhild Richter Dridi Frauenbefreiung in einem islamischen Land ein Widerspruch Das Beispiel Tunesien Fischer Frankfurt Main 1981 S 126 Wolfgang Laade Tunisia Vol 2 Religious Songs and Cantillations from Tunisia PDF 5 5 MB CD booklet Smithsonian Folkways 1962 S 4 Alyson E Jones Playing out Women instrumentalists and women s ensembles in contemporary Tunisia PDF 2 47 MB Diss University of Michigan 2010 S 89 Jankowsky 2010 S 19 21 Tunisian popular heritage opens the International Carthage Festival Magharebia Tunis 16 Juli 2007 Jankowsky 2010 S 78 83 Jankowsky 2010 S 83 89 Lievre S 177 Jankowsky 2010 S 3 Jankowsky PDF a b Wolfgang Laade S 5 Jankowsky 2010 S 173 Liste der angerufenen Heiligen und Geister Jankowsky S 165 Der Begriff nuba bezeichnet in der Arabisch andalusischen Musik eine musikalische Grossform die aus funf Marokko bis zehn Satzen Tunesien besteht Jankowsky 2010 S 83 86 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stambali amp oldid 234436068