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Das Siechenhaus vor Dassow auch Siechenhaus Schwanbeck war ein Gebaudekomplex bestehend aus dem eigentlichen Siechenhaus der Kapelle und einem Schulhaus an der Siechenhauskurve der heutigen B 105 vor Dassow Wegen seiner Nahe zur innerdeutschen Grenze wurde es 1972 73 von DDR Grenztruppen beseitigt Kapelle um 1900 Siechenhaus Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Geschichte 3 Siechenhaus 4 Kapelle 4 1 Ausstattung 5 Abbruch 6 Nachleben 6 1 Barlach 7 Friedhof 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseLage Bearbeiten nbsp Das Siechenhaus oben rechts Norden ist rechts auf einer Karte von Carl Friedrich von Wiebeking vor 1793 Das Siechenhaus lag an der Strasse von Lubeck nach Wismar nordlich von Zarnewenz heute Ortsteil von Selmsdorf im Gemeindegebiet von Schwanbeck auf der linken Seite der Stepenitz und damit im Territorium des Hochstifts Ratzeburg und spater des Furstentums Ratzeburg im Teilherzogtum Mecklenburg Strelitz 1950 wurden Schwanbeck und das Siechenhaus nach Dassow auf der anderen Seite der Stepenitz fruher Mecklenburg Schwerin eingemeindet Kirchlich war das Siechenhaus nach Selmsdorf eingepfarrt im 19 Jahrhundert hielt der Pastor der Selmsdorfer Marienkirche dreimal im Jahr Gottesdienste in der Kapelle 1 Geschichte BearbeitenDas Siechenhaus wurde vermutlich im 13 Jahrhundert von den Bischofen von Ratzeburg ursprunglich zu Pflege von Lepra Kranken errichtet schon 1441 waren auch Arme dort untergebracht 1504 stifteten zwei Lubecker Burger eine Vikarie fur die Kapelle 1505 wird das Siechenhaus im Zusammenhang mit dem Vorfall an der Dassower Brucke erwahnt der im Folgejahr zur Lubecker Fehde fuhrte Nach der Reformation bestand das Haus als Armenhaus weiter Fur die Aufnahme musste man im Furstentum Ratzeburg geboren sein Das Stiftungsvermogen des Siechenhauses wurde mit dem Ratzeburger Domarar verwaltet Mit dem Siechenhaus wurde eine Schule fur Kinder aus Zarnewenz und Schwanbeck verbunden die der Siechenmeister leitete 1835 erhielt die Schule die bis 1917 bestand ein massives Gebaude Der letzte Insasse im Siechenhaus verstarb in den 1870er Jahren Seither diente das zunehmend verfallende Gebaude dem Schulmeister als Stall Das Siechenhaus mit seinem Schilf gedeckten Walmdach befand sich 1949 in einem schlechten Zustand und der endgultige Verfall war nicht aufzuhalten Siechenhaus BearbeitenDas eigentliche Siechenhaus lag auf der dem Dassower See zugewandten Seite der Landstrasse Es war dadurch mehrfach in seiner Geschichte von Uberflutungen durch Hochwasser betroffen Der Bau war ein niederdeutsches reetgedecktes Zweistander Hallenhaus aus der Zeit um 1600 Nach der Flut am 10 Februar 1625 die nur das Dach und die Hauptstander ubriggelassen hatte wurde es neu aufgebaut Auf einer Grundflache von 10 6 m Breite und 19 65 m Lange vereinte es neben einer grossen Diele als Tagesraum die Kammern fur die Insassen mit der Wohnung des Siechenmeisters unter einem Dach 2 Die Wohnstuben waren recht niedrig und bis auf die erst links neben dem Eingang alle von gleicher Grosse Eine Wand trennte den grosseren fur die Kranken bestimmten Teil des Hauses fur einen weiteren dahinter gelegenen Raum des Siechenmeisters Auf der Dielenseite bezeichnete eine Steinpackung auf dem Boden und eine halbsteinige Vormauerung mit halbkreisformigem Abschluss an der Wand die Stelle wo ehemals der Herd gestanden hat Die Vormauerung war der Rest der alten Herdwand die oben in einem Rauchfang mit sogenannten Schwibbogen endete 3 Hochwassermarken an einem Eckstander erinnerten an eine Flut von 1694 und an das Ostseesturmhochwasser 1872 bei dem die Fluthohe 1 21 m uber dem Fussboden des Hauses betrug Kapelle Bearbeiten nbsp Inschrifttafel der Kapelle Gipsabguss Volkskundemuseum in Schonberg Die Kapelle lag dem Siechenhaus gegenuber auf der landeinwarts gelegenen Strassenseite Sie wurde um die Wende vom 15 zum 16 Jahrhundert erbaut und durch den Ratzeburger Bischof Johannes von Parkentin geweiht Ihr Patrozinium war der Heilige Georg Jurgen Die Kapelle ein turmloser Bau aus rotlich gelbem Backstein uber einem Feldsteinsockel stand der Kapelle des Siechenhauses von Klein Gronau baugeschichtlich nahe Sie hatte einen rechteckigen Innenraum von 4 40 Meter Breite und 6 90 m Lange mit zwei geplanten Gewolbejochen und einem 3 8 Chorschluss Es gab Gewolbeansatze jedoch war die Wolbung nicht vollendet worden und die Kapelle hatte eine flache Holzdecke Eine Wendeltreppe die eigentlich uber das Gewolbe fuhren sollte endete frei im Raum unter der Holzbalkendecke Es gab drei Portale von denen das sudliche schon lange vermauert war Das im Westen als Kruppelwalm ausgefuhrte Dach war mit Hohlziegeln Monch und Nonne gedeckt Ausstattung Bearbeiten nbsp St Jurgen Gruppe heute in DassowAuf der gemauerten Altarmensa befand sich ein Aufsatz in Renaissance Formen mit einer Darstellung des Abendmahls und einem gemalten Kruzifix der 1663 aus der Kirche von Schonberg hierher kam Die Kanzel stammte aus der Dorfkirche Herrnburg wo sie nach 1593 von dem Stiftssuperintendenten Nicolaus Petraus und seiner Frau gestiftet worden war und kam 1676 in die Kapelle Sie erhielt 1818 einen neuen Fuss Zu den fur die Kapelle geschaffenen Kunstwerken gehort eine kleine St Jurgen Gruppe St Georg zu Pferd Drache und Prinzessin die vermutlich im 17 oder 18 Jahrhundert angefertigt wurde und wohl eine altere Skulptur ersetzte Die dazugehorige Saule ist jedenfalls mittelalterlich und stammt aus dem 15 Jahrhundert Von einem gotischen Schnitzaltar blieb lediglich eine Darstellung der Geburt Christi erhalten um 1425 die sogenannte Schwanbecker Madonna Als Abendmahlsgerat besass die Kapelle einen zinnernen Kelch mit zugehoriger Patene von 1640 Abbruch Bearbeiten nbsp Fuhrungsstelle der Grenztruppen in unmittelbarer Nahe des Siechenhaus GelandesNoch in den 1960er Jahren war die Kapelle instand gesetzt worden obwohl sie kaum genutzt wurde und durch die Lage im Grenzsperrbezirk kaum zuganglich war 1971 wurden die beweglichen Ausstattungsstucke ausgelagert Mit dem Transitabkommen vom Dezember 1971 wurde die damalige Fernverkehrsstrasse 105 zur Transitstrecke von der Bundesrepublik zu den Ostseefahren in Warnemunde und Sassnitz nach Skandinavien Gleichzeitig war die Grenzziehung im Bereich der Hochwasserzone von Potenitzer Wiek und Dassower See immer noch nicht endgultig geklart Beide Faktoren fuhrten zum Ende des Siechenhaus Komplexes Im Fruhjahr 1972 wurden zunachst das bereits sehr verfallene Siechenhaus und das ehemalige Schulhaus auf der Wasserseite abgetragen Es folgte die Forderung des Stellvertreters fur Inneres des Kreises Grevesmuhlen auch die Kapelle abreissen zu lassen da sie einerseits Anziehungspunkt fur Personen sein kann die sich unter Missachtung der Grenzordnung dort aufhalten konnen und andererseits der bauliche Zustand der Kapelle bei den Transitreisenden nicht gerade den besten Eindruck mache 4 Das Institut fur Denkmalpflege inspizierte die Kapelle im Mai 1972 und stellte fest das Gebaude sei nicht baufallig und als Baudenkmal anzusehen und zu erhalten Auch der Leiter des Schonberger Heimatmuseums und Kreisvertrauensmann fur Baudenkmalpflege Friedrich Lachs setzte sich fur die Kapelle ein die ein einzigartiges Beispiel fur Kranken und Armenpflege im Bereich des Kreises sei 5 Daraufhin kam es zwischen Mai und Juli 1972 zu systematischen Zerstorungen an Fenstern Dach und Ausstattung der Kapelle und zu Vandalismus auf dem Friedhof Da die Kapelle im besonders geschutzten 500 Meter Streifen der Grenze lag konnte dies nur mit Wissen der Grenzorgane geschehen sein Heute wird vermutet dass bestellte Randalierer 6 am Werk waren die den Abbruch der Kapelle unumganglich erscheinen lassen sollten Am 24 November 1972 kundigte dann auch der Rat des Kreises den Abbruch der Kapelle an und gab der Kirchengemeinde Dassow bis zum 2 Dezember Zeit weitere Ausstattungsstucke zu retten Trotz des entschiedenen Einspruchs der staatlichen Denkmalpflege wurde die Kapelle am 10 Januar 1973 vermutlich durch Einheiten der Grenztruppen gesprengt Es gelang nicht einmal mehr die fur Restaurierungsarbeiten etwa am Doberaner Munster dringend benotigten Klosterformatsteine und Dachziegel zu bergen Der Bauschutt wurde an einer bis heute unbekannten Stelle verkippt Nachleben Bearbeiten nbsp Ehemaliger Ort der Kapelle Mai 2011 Von den geretteten Ausstattungsstucke befinden sich heute die meisten in der Nikolaikirche in Dassow Dazu zahlen die Schwanbecker Madonna im sudlichen Seitenschiff der Grundstein der Kapelle an der Sudwand die St Jurgen Gruppe und der Grabstein der Schwiegereltern von Fritz Reuter die Hauseltern im Siechenhaus waren in der Turmhalle sowie Kelch und Patene im ehemaligen Tabernakel hinter dem Altar 7 Der Altaraufsatz kam nach Schonberg zuruck Das 1958 bei der Kapelle gefundene Suhnestein Fragment wurde auf der Diele des Pfarrhauses von Dassow eingemauert Ein Gipsabguss der Inschrifttafel befindet sich im Volkskundemuseum in Schonberg Die Siechenhauskurve entwickelte sich mit bis zur Eroffnung der A 20 stetig steigendem Verkehrsaufkommen zu einem Unfallschwerpunkt Die Unfallhaufigkeit wird von Ortsansassigen die den unrechtmassigen Abbruch der Kapelle nicht vergessen haben bis heute damit in Verbindung gebracht 8 Barlach Bearbeiten Der zu diesem Zeitpunkt achtzehnjahrige Ernst Barlach schuf um 1888 eine Bleistiftzeichnung Landstrasse vor Dassow mit Siechenhauskapelle 8 14 3 cm Sie befindet sich heute in der Sammlung des Ernst Barlach Hauses in Hamburg 9 Friedhof Bearbeiten nbsp Friedhof Blick zur B 105 Mai 2011 Wahrend vom Siechenhaus nichts erhalten blieb und das Gelande lange uberwuchert ist sind einzelne Graber auf dem kleinen Friedhof einst direkt neben der Kapelle bis heute gepflegt Literatur BearbeitenGottlieb Matthias Carl Masch Geschichte des Bisthums Ratzeburg F Aschenfeldt Lubeck 1835 S 383 403 578 681 Volltext Rudolf Virchow Zur Geschichte des Aussatzes und der Spitaler besonders in Deutschland Funfter Artikel Sudliche Ostseekuste in Archiv fur pathologische Anatomie und Physiologie und fur Band 20 1860 S 459 ff S 508 Georg Kruger Das Siechenhaus vor Dassow In Mitteilungen des Altertumsvereins fur das Furstentum Ratzeburg 1 1919 Heft 4 5 S 57 67 Georg Kruger Bearb Kunst und Geschichtsdenkmaler des Freistaates Mecklenburg Strelitz Band 2 Das Land Ratzeburg Neubrandenburg 1934 Unveranderter Nachdruck Schwerin Stock amp Stein 1994 ISBN 3 910179 28 2 S 327 334 Friedrich Mielke Das Siechenhaus bei Schwanbeck In Denkmalpflege in Mecklenburg Jahrbuch 1951 52 Dresden 1952 S 114 118 Horst Ende Die Kapelle des Siechenhauses in Schwanbeck bei Dassow In Mecklenburgia Sacra 3 2000 S 126 138 Johannes Voss Joseph ruhrt ein Suppchen an Kapelle gesprengt aber Kunstwerk gerettet SVZ Mecklenburg Magazin 2007 Nr 1 S 10 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Siechenhaus vor Dassow Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur uber Siechenhaus Dassow Schwanbeck in der Landesbibliographie MV Informationen zum Siechenhaus mit historischen Fotos Kirchengemeinde DassowEinzelnachweise Bearbeiten Wilhelm Karl Raabe Mecklenburgische Vaterlandskunde Zweite Auflage 1 Band Wismar 1894 S 1411 Siehe Grund und Aufriss bei Kruger Lit S 329 Friedrich Mielke Das Siechenhaus bei Schwanbeck 1952 S 114 118 Zitiert nach Ende Lit s 128 Nach Ende Lit S 129 Ende Lit S 130 Kelch nach Manfred Poley Evangelisch Lutherische Kirche St Nikolai zu Dassow Geschichte und Rundgang Hrsg von der ev luth Kirchengemeinde Dassow Meck o J S 9 gegen Ende Lit der sagt Kelch und Patene seien nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr nachweisbar Die zerstorte Kapelle ist nicht vergessen In Lubecker Nachrichten vom 24 Oktober 1991 Gesprach mit der Kusterin der Kirche in Dassow Mai 2011 Isa Lohmann Siems Gunhild Roggenbuck hrg Plastiken Handzeichnungen und Autographen Ernst Barlach Haus Stiftung Hermann F Reemtsma 1977 S 4153 9 10 9438 Koordinaten 53 54 0 N 10 56 37 7 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Siechenhaus vor Dassow amp oldid 237316088