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Der Begriff Siebenburger Teppiche beschreibt zusammenfassend ein weltweit einzigartiges Kulturerbe in Siebenburgen im heutigen Rumanien In etwa 60 Kirchen der siebenburgisch sachsischen evangelisch lutherischen und in etwa 50 reformierten Kirchen des ungarischen Bevolkerungsteils blieben insgesamt mehr als 600 anatolische Knupfteppiche des spaten 15 bis 17 Jahrhunderts zum Teil nahezu unversehrt erhalten 1 Siebenburger Teppiche vom Lotto und Vogel Typ in der Ev Luth Schassburger Klosterkirche Rumanien Nordwand des Hauptschiffs Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Teppichtypen 2 1 Einzelnischen Teppiche 2 2 Doppelnischen Teppiche 2 3 Saulenteppiche 3 Geschichtlicher und kultureller Kontext 3 1 Rolle Siebenburgens im Fernhandel mit dem Osmanischen Reich 3 2 Islamische Teppiche in der Kultur Siebenburgens 4 Forschungsgeschichte 5 Sammlungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHintergrund Bearbeiten nbsp Lotto Teppiche in der Kirchenburg von Honigberg Der linke Teppich ist etwa auf der Halfte seiner ursprunglichen Lange durchgeschnitten Abnutzungsspuren an ahnlicher Stelle beim rechten deuten auf seine fruhere Nutzung auf der Kirchenbank hin Drei Bedingungen werden fur die Ansammlung Siebenburger Teppiche in der Region verantwortlich gemacht die in solcher Menge ausserhalb Anatoliens nirgendwo erhalten geblieben sind Die geografische Lage Siebenburgens zwischen dem Konigreich Ungarn spater der Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich fuhrte dazu dass Siebenburgische Stadte wie Kronstadt Hermannstadt Bistritz und Mediasch gunstig auf einer grossen Handelsroute zu liegen kamen die von Suden nach Norden uber Damaskus Bursa Akkerman nach Lwow und von Siebenburgen aus weiter nach Westen verlief 2 Ab den 1520er Jahren nahm der Handel Westeuropas mit der Levante und uber das Schwarze Meer mit dem Osmanischen Reich deutlich zu Schon im 14 Jahrhundert besassen Siebenburger Stadte Steuer und Handelsprivilegien wie Zoll und Stapelrechte Geknupfte Teppiche gelangten als leicht transportable Luxusguter von hohem Wert in grosser Zahl in die Siebenburger Handelsstadte wo sie entweder verzollt und weitertransportiert wurden oder dort verblieben Die Siebenburger Kirchenteppiche wurde erst Ende des 19 Jahrhunderts auf Anregung des Wiener Kunsthistorikers Alois Riegl wiederentdeckt Dass die Teppiche daruber hinaus auch einen erheblichen materiellen Wert besassen wurde den Gemeinden erst bewusst als Handler von ausserhalb versuchten Teppiche aufzukaufen 3 Wie ihre zahlreichen Abbildungen auf Renaissancegemalden belegen hatten orientalische Teppiche seit dem 13 Jahrhundert auch in westeuropaischen Kirchen als kostbarer Schmuck gedient Vor allem in Italien waren antike Teppiche in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts aus den Kirchen entfernt worden Kunsthistoriker wie Wilhelm von Bode konnten so bedeutende Stucke gunstig erwerben 4 Die Siebenburger Teppiche waren daher schlichtweg so lange vergessen geblieben bis ihr kunsthistorischer und materieller Wert erkannt worden war Teppichtypen BearbeitenUnter den in Siebenburgen erhaltenen Teppichen finden sich solche mit klassischen anatolischen Mustern wie Holbein Lotto und die sogenannten weissgrundigen oder Selendi Teppiche 5 1 Der Begriff Siebenburger Teppiche beschreibt speziell drei verschiedene Arten von Teppichen Einzelnischen Teppiche Bearbeiten nbsp nbsp Linkes Bild Pieter de Hooch Portrait einer musizierenden Familie 1663 Cleveland Museum of ArtRechtes Bild Teppich vom Siebenburgen Typ 17 Jh Nationalmuseum Warschau Teppiche mit Gebetsteppich Muster sind charakterisiert durch eine einzelne meist ockerfarbene vereinzelt auch rotgrundige Nische weisse Zwickel mit einem wellenformigen kurvilinearen Stiel welcher verschiedene Bluten und Blutenknospen tragt sowie ockergelbe Borduren mit kurvilinearen Mustern Meist ist das Feld leer ohne zusatzliche Ornamente ausgenommen kleine florale Ornamente nah am Rand oder anstelle einer Moscheelampe in der Nischenspitze Die Nischenspitze weist Mustertypen auf die auch aus osmanischen Gebetsteppichen in Anatolien bekannt sind Das Kopf und Schulter Muster unter Betonung der hochsten Bogenspitze mit gezahnten oder gestuften Umrisslinien Die Ahnlichkeit der Muster mit anatolischen Vergleichsstucken erlaubt ihre Zuordnung zu bestimmten anatolischen Herstellungsorten wie Miles oder Gordes Das Muster ist den Gebetsteppichen der osmanischen Hofmanufakturen der zweiten Halfte des 17 Jahrhunderts ahnlich 1 Ein Teppich dieses Typs ist in Pieter de Hoochs Gemalde Portrat einer musizierenden Familie von 1663 dargestellt 6 Eine kleine Gruppe von Teppichen mit bemerkenswert ahnlichen Gebetsteppich Mustern ahnelt stark dem Doppelnischen Typ mit Vasenmotiv nur dass sie nur eine Nische aufweist Das Dekor des Feldes das Nischenprofil die Mustergestaltung der Zwickel und Borduren unterscheiden sie von anderen erhaltenen Teppichen mit Gebetsteppichmuster 1 Doppelnischen Teppiche Bearbeiten nbsp Doppelnischen Teppich aus einer Kirche im Kreis Kronstadt Siebenburgen Rumanien nbsp Einzelnischen Teppich mit zwei Saulen Brukenthal Museum Hermannstadt Etwa einhundert Teppiche mit doppelter Nische sind in Siebenburgen erhalten geblieben 1 Gewohnlich sind sie von kleinem Format Ihre Borduren sind mit langlichen eckigen Kartuschen gestaltet die stilisierte wechselnd gegeneinander gesetzte pflanzliche Motive umschliessen Gelegentlich wechseln kurzere sternformige Rosetten oder Kartuschen mit den langlichen Kartuschen ab 7 Erstmals treten Teppiche mit solchen Borduren im fruhen 17 Jahrhundert in niederlandischen Gemalden auf Das Portrat des Abraham Graphaeus von Cornelis de Vos 1620 Thomas de Keysers Portrat eines Mannes 1626 sowie das Portrat des Constantijn Huyghens und seines Sekretars 1627 zahlen zu den altesten westeuropaischen Gemalden die Siebenburger Teppiche mit Doppelnischen abbilden 6 In Siebenburger Dokumenten werden solche Teppiche erstmals um 1620 erwahnt Die altesten erhaltenen Teppiche mit Datumsinschriften stammen aus den Jahren zwischen 1661 und 1675 1 Unter den Doppelnischen Teppichen weist eine kleinere Gruppe eine Nische oder Bogenform an beiden Enden auf die aus zwei getrennten Eckmedaillons zusammengesetzt ist Diese sind mit ineinander verflochtenen Arabesken verziert die der Mustergestaltung von Usak Teppichen mit Doppelnische ahnlich sehen nur dass ihr Muster etwas steifer wirkt Die Mehrzahl der Siebenburger Doppelnischen Teppiche ist jedoch durch starker stilisierte Eckstucke gekennzeichnet die eher als Zwickel einer Nische angesehen werden konnen da die beiden Eckornamente ineinander verschmolzen erscheinen Im Zentrum dieser Zwickel ist oft eine grossere Rosette eingeknupft der verbleibende Raum ist mit recht groben Ornamenten ausgefullt Ihr Feld weist manchmal zwei Vasenpaare mit wellenformigen Motiven in gegensatzlichen Farben auf Ihr Feld ist mit kleinen floralen Ornamenten dekoriert die bei alteren Stucken fein und kurvilinear ausgearbeitet sind in spateren Exemplaren jedoch eher steif und schablonenhaft gestaltet Die Muster sind immer symmetrisch um die vertikale Achse angeordnet In Siebenburger Doppelnischenteppichen mit einem Mittelmedaillon weist dieses manchmal grosse Ahnlichkeit mit den Medaillons von Usak Teppichen auf In anderen wahrscheinlich jungeren Teppichen ist das Feldmuster zu Medaillons aus konzentrisch angeordneten Rautenformen und Reihen achtblattriger Bluten verdichtet Letztere sind durch Stiele mit gekurvten Blattern verbunden Mittelmedaillons dieses Typs weisen oft ein zentrales kreuzformiges Element auf Die Grundfarbe des Feldes ist Gelb Rot oder Dunkelblau 1 Die Beobachtung dass im Feld Eckmuster in zwei unterschiedlichen Gestaltungen auftreten bedeutet nicht notwendig dass sich ein Typ aus dem anderen entwickelt haben muss Es wird diskutiert dass das Doppelnischen Muster durch symmetrische Spiegelung entlang der zentralen horizontalen Achse aus dem Einzelnischenmuster entstanden sein konnte In einigen Doppelnischen Teppichen beispielsweise einem Teppich aus der Mitte des 17 Jahrhunderts in der Sammlung der Schwarzen Kirche Inv 257 ist eine Nische reicher ausgefuhrt und ornamentiert als die andere Ihre Spitze ist durch ein Kopf und Schulter Muster akzentuiert das keine Entsprechung in der gegenuberliegenden Nische findet In manchen Exemplaren ist das direktionale Muster noch durch Einfugen eines Querpaneels betont 8 Saulenteppiche Bearbeiten Saulenteppiche sind durch Saulenmotive gekennzeichnet die ein architektonisches Element tragen meist einen oder mehrere Bogen In jungeren Exemplaren durchlaufen die architektonischen Muster einen Stilisierungsprozess und nehmen die Gestalt dekorativer Elemente wie florale Bander oder gerollter Ornamente an Dieser Prozess ist gut in der Musterentwicklung von Teppichen der osmanischen Hofmanufakturen nachzuweisen welche im Zuge ihrer Ubernahme in das Musterrepertoire der landlichen oder nomadischen Teppiche eine vergleichbare Entwicklung vollzogen haben Die Siebenburger Saulenteppiche ahneln denen aus anatolischen Knupfzentren wie Gordes Kula Ladik und Karapinar Die Bogenzwickel von Saulenteppichen mit einer aus einem einzelnen Bogen bestehenden Nische sind haufig mit gestielten Blutenmustern auf elfenbeinfarbenem Grund verziert Der Bogen selbst ist rund oder gezahnt Es sind auch Stucke mit mehr als zwei Saulen bekannt Ublicherweise sind die Plinthen sorgfaltig gezeichnet Das Feld ist in Rot oder Ocker gehalten und die Borduren weisen Blumenmuster auf 1 Geschichtlicher und kultureller Kontext BearbeitenRolle Siebenburgens im Fernhandel mit dem Osmanischen Reich Bearbeiten Trotz politischer Rivalitaten bestanden seit etwa 1400 enge Handelsbeziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und dem ostlichen Mitteleuropa und Suddeutschland Die ungarischen Konige Ludwig von Anjou und Sigismund hatten Mitte des 14 Jahrhunderts Handelsabkommen mit der Republik Genua geschlossen Dieses erlaubte ihnen Guter aus Pera auf dem Weg uber das Schwarze Meer und die Donauhafen schneller und gunstiger zu erwerben als es ihrem bedeutendsten Konkurrenten im Levantehandel der Republik Venedig moglich war Die osmanische Eroberung der Walachei und des nordlichen Bulgariens 1393 hatte daher erhebliche wirtschaftliche Folgen sowohl fur das Konigreich Ungarn als auch fur das Osmanische Reich Als 1429 der Friede wiederhergestellt war sorgte der walachische Woiwode Dan II umgehend dafur dass die Kronstadter Handler ihre Tatigkeit wieder aufnehmen konnten Ab der Mitte des 15 Jahrhunderts hielten sich osmanische Kaufleute in den Kronstadter Dokumenten meist saracenos genannt in grosser Zahl in den Donauhafen auf 9 Handelsware gelangte uber die sogenannte Bursa Kronstadt Route zu Schiff uber das Schwarze Meer und die Donau zu den Umschlaghafen von Brăila das erstmals 1368 in einem Handelsprivileg fur Kronstadter Kaufleute urkundlich erwahnt wurde 10 Silistra Ruscuk Nikopolis Widin wo die Kronstadter erstmals wahrend der Regierungszeit Zar Iwan Strazimirs Handelsprivilegien erhalten hatten oder Smederevo Walachische oder siebenburgische Handler brachten die Waren weiter uber die Karpaten nach Kronstadt und daruber hinaus Die siebenburgische Stadt entwickelte sich im 15 Jahrhundert zu einem bedeutenden Umschlagplatz im Orienthandel Schon gegen Ende des 15 Jahrhunderts wurde dort der zu verzollende Wert der Handelswaren nicht nur in venezianischen Florin sondern auch in osmanischen Akce registriert was die Bedeutung des Fernhandels mit Anatolien fur die siebenburgische Wirtschaft deutlich macht 9 Importguter aus dem Osmanischen Reich wie beispielsweise Pfeffer oder Seide wurden unter Angabe ihrer osmanischen Gewichte registriert Zwei bedeutende Handelsrouten mit dem Osten kreuzten sich im 16 Jahrhundert in Siebenburgen Die Route von Venedig nach Wien und Krakau sowie die Uberlandroute durch den Balkan 11 nbsp Blick ins Mittelschiff der Schwarzen Kirche in Kronstadt nbsp Robert Feke Familienportrat des Isaac Royall Boston 1741Wert der in Kronstadt verzollten Handelsguter in Florin 1484 1600 12 Jahr insgesamt Export und Transitguter Transitguter aus dem Osten1484 85 65 000 1503 167 000 60 000 85 0001515 100 0000 1542 80 000 23 000 41 0001550 70 000 19 000 20 0001554 82 000 23 000 32 0001600 60 000 Teppiche aus Kleinasien sind seit der Renaissancezeit in Europa bekannt Ihre Abbildungen finden sich seit dem 14 Jahrhundert auf westeuropaischen Gemalden 13 Ein Zollregister aus Caffa auf der Krim fur den Zeitraum von 1487 bis 1491 erwahnt Teppiche aus Usak als Handelsware 14 Ein Istanbuler Preisregister narh defter von 1640 listet bereits zehn verschiedene Typen von Teppichen aus Usak auf 15 Ein Teppich mit charakteristischer Bordure auf Robert Fekes 1741 in Boston entstandenem Gemalde Familienportrat des Isaac Royall zeigt dass zumindest einzelne Stucke im 18 Jahrhundert bis nach Nordamerika gelangten 16 Das erste bekannte Dokument aus Kronstadt das sich auf den Teppichhandel bezieht wurde zwischen 1462 und 1464 erstellt 17 Zollregister sind in verschiedenen Stadten Siebenburgens erhalten und belegen welch grosse Zahl von Teppichen allein uber diese Region nach Europa gelangte Das Zollregister von Brasov aus dem Jahr 1503 dokumentiert dass uber 500 Teppiche aus dem Osmanischen Reich in diesem Jahr allein durch diese Stadt befordert wurden 18 M Pakucs Willcocks wies 2014 darauf hin dass das Handelsvolumen in diesem Jahr ausnahmsweise so hoch gewesen sei weil die ubliche Handelsroute uber Venedig wahrend des dritten Osmanisch Venezianischen Kriegs von 1499 1503 unterbrochen gewesen sei 19 Islamische Teppiche in der Kultur Siebenburgens Bearbeiten nbsp Siebenburger Doppelnischenteppich mit gestickter Inschrift Ev Luth Kirche von Rosenau nbsp Inschrift Tinte auf einem Teppich in der Schassburger Klosterkirche TESTAMENTVM Anatolische Teppiche waren auch in Siebenburgen selbst als Objekte von hohem Wert geschatzt und wurden von den Gemeinden Gilden und einzelnen wohlhabenden Burgern gesammelt Erhaltene Aufzeichnungen belegen dass sie zu Festen oder zu Ehren ihrer Empfanger verschenkt wurden Inschriften auf manchen Teppichen zeigen dass diese den Kirchen testamentarisch oder zu Lebzeiten der Stifter zugeeignet worden waren Dort kennzeichneten sie als Auflage der Kirchenbanke die Platze bedeutender Gemeindemitglieder oder wurden als Wandschmuck verwendet Ihre Aufbewahrung in den Kirchen sorgte fur ihre Erhaltung uber Jahrhunderte hinweg 1 Teppiche wurden als Kirchenschmuck verwendet selten als Bodenbelag eher als Schmuck fur Emporen Wande und das Chorgestuhl 20 In der Forschung hat die Tatsache besonderes Interesse gefunden dass die Gruppe der Siebenburger Teppiche mit einer einzelnen Nische das klassische Muster eines Gebetsteppichs aufweisen Teils sind in die Teppiche islamische religiose Inschriften in arabischer Kalligrafie eingeknupft die sie eindeutig einem muslimischen Kontext zuordnen Auf osmanischer Seite zeigt das 1610 von Sultan Ahmed I an den Ort Kutahya erlassene Edikt welches unter Berufung auf eine fatwa des Seyhulislam den Verkauf von Teppichen mit Darstellungen von Mihrab Kaaba und Hat Kalligraphie an Nicht Muslime untersagte dass man sich des kulturellen Kontextes bewusst war Demgegenuber konnte in den siebenburgischen Quellen der Begriff Gebetsteppich oder ein Bezug auf die religios kulturelle Bedeutung der Teppiche in ihrem Ursprungsland bisher nicht nachgewiesen werden Als sicher gilt nur dass ihr materieller Wert als Luxusgut und ihre rein ornamentale Gestaltung die Teppiche als geeigneten Schmuck vor allem fur die reformierten Kirchen erscheinen liessen 21 Ein Bericht vom grossen Brand der Schwarzen Kirche von Kronstadt 1689 erwahnt unter den dabei verloren gegangenen Gegenstanden auch einen grossen Teppich der nach der Sage von Apostel Paulus der von Beruf Teppichweber war selbst angefertigt worden sei 22 Vieles spricht dafur dass die Aussage Kurt Erdmanns dass der orientalische Knupfteppich in der europaischen Kultur ein exotischer Fremdkorper geblieben sei 23 auch auf die in Siebenburgen erhalten gebliebenen Kunstschatze zutrifft 2019 zeigten die Kronstadter Forscher A und F Ziegler anhand neuer Quellenstudien auf dass osmanische Teppiche in Siebenburgen nicht standig im Kirchenraum sichtbar waren um wie bisher gelegentlich vermutet 24 den durch den Reformatorischen Bildersturm im 16 Jahrhundert entstandenen horror vacui der ihres ornamentalen und figurlichen Schmucks beraubten Sakralraume auszugleichen Bis ins 19 Jahrhundert hinein hielten sich die Gemeinden der Siebenburger Sachsen an die gemassigte Bildertheologie Martin Luthers und fuhrten keine radikalen Bildersturme durch 25 Dieser Arbeit zufolge waren die Kirchenteppiche nicht als standig sichtbare Schmuckelemente im Kirchenraum gegenwartig Sie wurden eher zu besonderen Gelegenheiten wie beispielsweise dem Sonntagsgottesdienst hervorgeholt um den Kirchenraum zu schmucken Beispielsweise konnte ein Teppich hinter der Predigtkanzel aufgehangt werden um der im evangelischen Gottesdienst zentralen Predigt einen feierlichen Hintergrund zu verleihen 25 Aus zeitgenossischen Testamenten und anhand von Inschriften auf den Teppichen selbst geht ebenfalls hervor dass die Handwerkszunfte gemeinschaftlich eigene Teppiche angeschafft haben An Sonn und Festtagen wurde die der Zunft zugehorige Kirchenbank damit geschmuckt Die Teppiche unterstrichen somit den gesellschaftlichen Status ihrer Besitzer 25 Vielfach belegt ist auch die Nutzung der Teppiche im Rahmen gesellschaftlicher Ereignisse wie Taufen Hochzeiten und Begrabnissen Zumindest fur die Kronstadter Schwarze Kirche ist nachgewiesen dass ein sachkundiger Kleriker der Warner darauf achtete dass sich die Ausstattung der Feier streng nach dem gesellschaftlichen Rang der Familie richtete 25 Aus dieser Studie ergibt sich das Bild eines aus dem kulturellen Kontext seiner Ursprungsregion herausgelosten Kunstgegenstandes der in dynamischer Nutzung Eingang in eine andere Kultur fand und in diesem neuen Kontext identitatsstiftend werden konnte Forschungsgeschichte BearbeitenIm 19 Jahrhundert erkannte der osterreichische Kunsthistoriker Alois Riegl den geschichtlichen und kunstlerischen Wert der in den Kirchen Siebenburgens erhaltenen Teppiche Ernst Kuhlbrandt beschrieb sie 1898 als erster 26 Auf den Rat Riegls hin wurde eine erste Bestandsaufnahme der Teppiche erstellt diese wurden gereinigt und wieder ausgestellt 27 Der Begriff Siebenburger Teppiche wurde in der Literatur erstmals 1906 von Neugebauer und Orendi verwendet 28 Zu dieser Zeit war nicht klar dass die Teppiche anatolischer Herkunft waren eine ortliche Produktion stand zur Diskussion 7 Eine grosse Ausstellung zeigte 1914 in Budapest 354 anatolische Teppiche von denen 228 als Leihgabe Siebenburger Gemeinden in die Ausstellung gelangten 29 1925 veroffentlichten Vegh und Layer in Paris ein Album unter dem Titel Tapis turcs provenants des eglises et collections de Transylvanie 30 Lange Zeit war die Arbeit des Siebenburgers Emil Schmutzler die umfangreichste Beschreibung 31 Das wiedererwachende Interesse an unseren Kirchenteppichen Kuhlbrandt stand im grosseren Zusammenhang einer allgemeinen Wiederentdeckung des eigenen kulturellen Erbes durch die Siebenburger Sachsen um die Wende zum 20 Jahrhundert Das Kulturerbe diente in dieser Zeit zur Starkung der eigenen Identitat in der historisch durch ethnische Vielfalt gepragten aber seit 1918 durch rumanisches Nationalisierungsstreben beeinflussten Region Siebenburgen Sammlungen BearbeitenBedeutende Kirchen wie die Schwarze Kirche in Kronstadt 32 die Margarethenkirche in Mediaș 33 die Kirchenburgen von Heldsdorf oder Biertan aber auch Museen wie das Brukenthal Museum 34 in Hermannstadt bewahren heute Siebenburger Teppiche auf Zum Schutz vor Diebstahlen wurden Teppiche und andere kunsthistorisch bedeutsame Gegenstande aus kleineren teils heute verlassenen Dorfkirchen in grossere Kirchen verbracht So befinden sich beispielsweise die Teppiche aus Tobsdorf seit 2005 in der Mediascher Margarethenkirche Bei der Evakuierung der sachsischen Gemeinde von Bistritz im Herbst 1944 hatten Gemeindemitglieder auch die mehr als 50 Kirchenteppiche mitgenommen und 1952 dem Germanischen Nationalmuseum in Nurnberg als Leihgabe uberlassen Dort befinden sie sich heute offentlich nicht zuganglich im Depot 35 Seit Oktober 2017 untersucht das Museum im Rahmen des DFG Schwerpunktprogramms Transottomanica Osteuropaisch osmanisch persische Mobilitatsdynamiken die Teppiche im Hinblick auf Herstellungsort Handelswege und ihre Rolle in der siebenburgisch sachsischen Kultur 36 nbsp Brukenthal Museum in Hermannstadt nbsp Schwarze Kirche in Kronstadt nbsp Margarethenkirche in MediaschLiteratur BearbeitenEmil Schmutzler Altorientalische Teppiche in Siebenburgen Anton Hiersemann Verlag Stuttgart 2010 Nachdruck der 1 Auflage von 1933 ISBN 978 3 7772 1015 5 Ferenc Batari Ottoman Turkish Carpets The Collections of the Museum of Applied Arts Budapest and the Helikon Castle Museum Keszthely Dabasi Nyomda Rt Budapest 1994 ISBN 96304 9212 4 Alberto Boralevi Stefano Ionescu Hrsg Andrei Kertesz Osmanische Teppiche in Siebenburgen Museum fur Islamische Kunst Staatliche Museen zu Berlin und Brukenthal Nationalmuseum in Hermannstadt Rom 2006 Stefano Ionescu Antique Ottoman Rugs in Transylvania 2 Auflage Verduci Editore Rom 2005 Stefano Ionescu Hrsg Die Osmanischen Teppiche in Siebenburgen Aus Anlass der Ausstellung in Berlin Museum fur Islamische Kunst 26 Oktober 2006 7 Januar 2007 Rom 2006 ISBN 88 7620 753 8 Stefano Ionescu Hrsg Kobierce anatolijskie z kolekcji muzeum narodowego Brukenthala W Sibiu Anatolian carpets from the collection of the Brukenthal Nationalmuseum national museum in Sibiu Gdansk 2013 Stefano Ionescu Hrsg Die Margarethenkirche in Mediasch Verduci Editore Rom 2018 ISBN 978 88 7620 928 4 mit einer Beschreibung der Sammlung Emese Pasztor Hrsg Transylvanian Turkish rugs Tracing the Ottoman Rugs from the 1914 Exhibition in the Budapest Museum of Applied Arts Ungarisches Museum fur Kunstgewerbe Budapest ISBN 978 6 15521740 1 Stefan Rohdewald Stephan Conermann Albrecht Fuess Hrsg Transottomanica Osteuropaisch osmanisch persische Mobilitatsdynamiken Band 1 V amp R Unipress Gottingen ISBN 978 3 8471 0886 3 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Agnes Ziegler Frank Thomas Ziegler Gott zu Ehren und der loblichen Zunft zur Zierde und Gebrauch Die osmanischen Teppiche der Schwarzen Kirche Foton Kronstadt 2019 ISBN 978 6 06858255 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Siebenburger Teppiche Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i Stefano Ionescu Antique Ottoman Rugs in Transylvania 2 Auflage Verduci Editore Rom 2005 Halil Inalcik Donald Quataert An Economic and Social History of the Ottoman Empire 1300 1914 Cambridge University Press Cambridge UK 1994 ISBN 978 0 521 34315 2 S 1 7 Ernst Kuhlbrandt Unsere alten Kirchenteppiche In Die Karpathen 10 Jahrgang Nr 17 1907 S 521 531 Wilhelm Bode Vorderasiatische Knupfteppiche aus alterer Zeit In Jean Louis Sponsel Hrsg Monographien des Kunstgewerbes Hermann Seemann Nachfolger Leipzig 1902 S 1 wahrend die im Handel in Spanien Suddeutschland und namentlich Italien um ganz geringe Preise vorkommenden Teppiche waren sie doch regelmassig wegen ihrer mehr oder minder schadhaften Erhaltung aus den Kirchen oder Palasten ausgeschlossen worden vereinzelt in einigen Museen willige Kaufer fanden Stefano Ionescu Beata Biedronska Slota Hrsg Kobierce anatolijskie z kolekcji Muzeum Narodowego Brukenthala w Sibiu Anatolian carpets from the collection of the Brukenthal National Museum in Sibiu Muzeum Narodowe Gdansk 2013 ISBN 978 83 63185 64 0 a b Onno Ydema Carpets and their datings in Netherlandish paintings 1540 1700 Antique Collectors Club Woodbridge 1991 ISBN 1 85149 151 1 S 48 51 a b Wilhelm von Bode Ernst Kuhnel Vorderasiatische Knupfteppiche 5 Auflage Klinkhardt amp Biermann Munchen 1985 ISBN 3 7814 0247 9 S 48 51 Stefano Ionescu Early single and double niche Transylvanian rugs In Carpet Collector Nr 3 SN Verlag Michael Steinert Hamburg 2014 S 76 a b Halil Inalcik Donald Quataert An Economic and Social History of the Ottoman Empire 1300 1914 Cambridge University Press Cambridge UK 1994 ISBN 978 0 521 34315 2 S 295 304 Geschichte Brăilas auf der Website der Prafektur abgerufen am 2 Januar 2018 rumanisch Maria Pakucs Willcocks Economic relations between the Ottoman Empire and Transylvania in the sixteenth century Oriental trade and merchants In Forschungen zur Geschichte und Kultur des ostlichen Mitteleuropa Band 48 Franz Steiner Verlag Stuttgart 2014 S 214 Halil Inalcik Donald Quataert An Economic and Social History of the Ottoman Empire 1300 1914 Cambridge University Press Cambridge UK 1994 ISBN 978 0 521 34315 2 S 297 Kurt Erdmann Geschichte des fruhen turkischen Teppichs 1 Auflage Oguz Press London 1977 ISBN 978 0 905820 02 6 Inalcik Oriental Carpet and Textile Studies 2 Carpets of the Mediterranean countries 1400 1600 London 1986 S 39 66 Kutukoglu M S Osmanlilarda Narh Muessesessi ve 1640 Tarihli Narh Defteri Enderun kitabevi Istanbul 1983 S 178 9 Christie s Hrsg The Bernheimer Family Collection of Carpets Auktionskatalog London 14 Februar 1990 S 110 Ion Bogdan Documente privitoare la relaţiile Ţării Romanesti cu Brasovul si Ţara Ungurească in sec XV XVI Bukarest 1905 Stefano Ionescu Antique Ottoman Rugs in Transylvania Verduci Editore Rom 2005 Maria Pakucs Willcocks Economic relations between the Ottoman Empire and Transylvania in the sixteenth century Oriental trade and merchants In Forschungen zur Geschichte und Kultur des ostlichen Mitteleuropa Band 48 Franz Steiner Verlag Stuttgart 2014 S 207 227 Stefano Ionescu Hrsg Die Margarethenkirche in Mediasch Verduci Editore Rom 2018 ISBN 978 88 7620 928 4 S 88 Stefano Ionescu Fruhe Siebenburger Nischen und Doppelnischenteppiche In Carpet Collector SN Verlag Michael Steinert Hamburg 2014 S 71 Ernst Kuhlbrandt Unsere alten Kirchenteppiche In Die Karpathen Halbmonatschrift fur Kultur und Leben 10 17 1907 S 42 Kurt Erdmann Der orientalische Knupfteppich Versuch einer Darstellung seiner Geschichte Verlag Ernst Wasmuth Tubingen 1955 Stefano Ionescu Hrsg Kobierce anatolijskie z kolekcji muzeum narodowego Brukenthala W Sibiu Anatolian carpets from the collection of the Brukenthal Nationalmuseum national museum in Sibiu Gdansk 2013 S 36 a b c d Agnes Ziegler Frank Thomas Ziegler Gott zu Ehren und der loblichen Zunft zur Zierde und Gebrauch Die osmanischen Teppiche der Schwarzen Kirche Foton Kronstadt 2019 ISBN 978 6 06858255 9 S 14 22 Ernst Kuhlbrandt Die alten orientalischen Teppiche der Kronstadter ev Stadtpfarrkirche In Korrespondenzblatt des Vereins fur siebenburgische Landeskunde 21 Jahrgang Nr 8 9 1898 S 101 3 Ernst Kuhlbrandt Unsere alten orientalischen Teppiche In Die Karpathen 1 Jahrgang Nr 1 1907 S 40 43 R Neugebauer J Orendi Handbuch der Orientalischen Teppichkunde 2012 Auflage Karl W Hiersemann Leipzig 1920 ISBN 978 3 86444 955 0 S 81 82 Karoly Csanyi Sandor Csermelyi Karoly Layer Erdelyi torok szonyegeck kiallitasanak leiro lajstroma Turkische Teppiche aus Siebenburgen Budapest 1914 Neuauflage 1977 Marino Dall Oglio Clara Dall Oglio Turkish rugs in Transylvania Gyula Vegh and Karoly Charles Layer Crosby Pr Fishguard 1977 ISBN 978 0 903580 20 5 Emil Schmutzler Altorientalische Teppiche in Siebenburgen Anton Hiersemann Neuauflage 2010 Leipzig 1933 ISBN 978 3 7772 1015 5 Agnes Ziegler Frank Thomas Ziegler Gott zu Ehren und der loblichen Zunft zur Zierde und Gebrauch Die osmanischen Teppiche der Schwarzen Kirche Foton Kronstadt 2019 ISBN 978 6 06858255 9 Stefano Ionescu Hrsg Die Margarethenkirche in Mediasch Verduci Editore Rom 2018 ISBN 978 88 7620 928 4 Stefano Ionescu Hrsg Kobierce anatolijskie z kolekcji muzeum narodowego Brukenthala W Sibiu Anatolian carpets from the collection of the Brukenthal Nationalmuseum national museum in Sibiu Gdansk 2013 Stefano Ionescu The Ottoman rugs of Bistrița In HALI 160 2009 S 36 37 Projektbeschreibung auf der Website des GNM abgerufen am 2 Januar 2018 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Siebenburger Teppiche amp oldid 235531861