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Der Begriff Holbein Teppich bezeichnet in der Kunstgeschichte einen besonderen Typ antiker anatolischer Knupfteppiche die sich durch eine gemeinsame Farb und Mustergestaltung auszeichnen Hergestellt wurden sie seit dem 15 und bis ins 17 Jahrhundert in Westanatolien Charakteristisch fur diese Gruppe ist ein geometrisches Muster aus Reihen von Achtecken mit nach innen verflochtener Kontur Diese wechseln sich mit versetzten Reihen von rautenformigen Figuren ab deren Kontur von Arabeskblattern gebildet wird Letztere gehen von einem kreuzformigen Mittelmotiv aus Das komplizierte Muster erlaubt bei manchen Teppichen auch die folgende Lesart Es ist aus kleinen rhythmisch die Farbe wechselnden Quadraten mit Achteckfullungen und Eckabschragungen aufgebaut 1 Verrocchio Madonna mit Johannes dem Taufer und Donatus entstanden zw 1475 und 1483 Kleinmustriger Holbein Teppich Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft des Begriffs 2 Herkunft des Musters 3 Typen 3 1 Typ I kleinmustrig 3 2 Typ II 3 3 Typ III grossmustrig 3 4 Typ IV grossmustrig 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHerkunft des Begriffs BearbeitenDer Begriff wurde von europaischen Kunsthistorikern des 19 Jahrhunderts gepragt Reich gestaltete islamische Teppiche gelangten seit dem 14 Jahrhundert in grosser Zahl als Handelsware nach Westeuropa und ubten auf die Maler der Renaissance grossen Einfluss aus 1 Als europaische Kunstwissenschaftler wie Wilhelm von Bode gegen Ende des 19 Jahrhunderts anfingen sich mit Orientteppichen als bedeutenden Erzeugnissen der islamischen Kunst auseinanderzusetzen waren nur wenige erhaltene antike Teppiche bekannt Daher konzentrierte sich die Forschung anfanglich auf die in Gemalden der Renaissancezeit abgebildeten Teppiche Zur Klassifizierung der verschiedenen Teppichstile und zur leichteren Verstandigung bedienten sich Bode und seine Nachfolger Friedrich Sarre Ernst Kuhnel sowie vor allem Kurt Erdmann der Namen der Renaissancemaler auf deren Gemalden man die Teppiche abgebildet fand Da das Entstehungsdatum der Gemalde bekannt war bieten sie einen Terminus ante quem zur Datierung der auf ihnen abgebildeten islamischen Teppiche 1 Da Teppiche mit dem oben beschriebenen Muster auf einigen Gemalden Hans Holbeins des Jungeren abgebildet sind erhielt die Teppichgattung den Namen dieses Malers 2 Holbein Teppiche finden sich schon auf Gemalden die Jahrzehnte vor Holbein gemalt wurden Die wohl alteste Darstellung findet sich auf einem Fresco von Piero della Francesca in der Kathedrale von Rimini von 1451 Aus dem Jahr 1460 stammt eine ahnliche Darstellung auf dem San Zeno Altar in Verona von Andrea Mantegna Die spatesten bekannten Darstellungen sind die auf der Konferenz im Somerset House von 1608 sowie ein 1655 datiertes Frauenportrat von Justus Sustermans Holbein Teppiche wurden somit fast 200 Jahre lang nach Europa exportiert und auf Gemalden dargestellt 1 Herkunft des Musters BearbeitenDie wenigen aus der Zeit vor dem 14 Jahrhundert erhaltenen anatolischen Teppiche aus der Zeit der Rum Seldschuken unterscheiden sich so deutlich vom Muster der Holbein Teppiche 3 4 5 dass diese nicht als Weiterentwicklung der fruheren Muster angesehen werden konnen 1940 leitete Amy Briggs das Holbein Muster anhand von Buchillustrationen und persischen Miniaturmalereien aus der kunstlerischen Tradition der Timuridenzeit ab Die Malereien zeigen Teppiche mit farbenprachtigen Muster aus gleich grossen geometrischen Ornamenten oft in Kassettenform angeordnet und von kufischen Borduren gerahmt die aus der Islamischen Kalligraphie stammen Timuridische Muster haben demnach sowohl in persischen als auch in anatolischen Teppichen der fruhen Safaviden und Osmanenzeit uberdauert 6 Typen Bearbeiten nbsp nbsp Linkes Bild Kleinmustriger Holbeinteppich 16 Jh Rechtes Bild Unbekannter Maler Die Somerset House Konferenz 19 August 1604 nbsp nbsp Linkes Bild Grossmustriger Holbein Teppich 16 Jh Rechtes Bild Detail aus Hans Holbein d J Die Gesandten 1533 Die Teppichmuster wurden von Kurt Erdmann nach vier Typen eingeteilt Holbein selbst malte nur die grossmustrigen Typen III und IV beispielsweise in der Darmstadter Madonna 1526 im Portrait des Kaufmanns Georg Giese 1532 und in Die Gesandten 1533 2 Trotzdem wurde der Begriff Holbein Teppich unter Sammlern und Kunsthistorikern aus Bequemlichkeit und zur leichteren Verstandigung beibehalten Tatsachlich zahlen Holbein Muster zu den haufigsten auf Renaissance Gemalden dargestellten Teppichmustern Die Typen von Holbein Teppichen sind 7 8 Typ I kleinmustrig Bearbeiten Die Motive dieses Teppichtyps sind klein und setzen sich aus regelmassigen Reihen von aus Achtecken abgeleiteten Flechtmotiven mit innerem Stern in Viereckfassung sowie stilisiertem Rankenwerk an den Schnittpunkten zusammen Die Borte hat meist ein zierlich verschlungenes Bandwerk in Weiss auf farbigem Grund anfangs in Nachahmung kufischer Buchstaben spater als reines Stabwerk Die Farben sind kraftig meist auf dunkelrotem Grund Ein Beispiel fur einen kleinmustrigen Holbein Teppich findet sich auf dem Gruppenportrat der Somerset House Konferenz 9 Typ II Bearbeiten Heute werden diese Teppiche als Lotto Teppiche bezeichnet 10 Typ III grossmustrig Bearbeiten Die Motive im Feld sind denen des kleinmustrigen Typs ahnlich aber grosser proportioniert so dass das Feld von wenigen Sternen in Achteckfassung gefullt ist Die grossen Sterne oder Rauten sind in regelmassigen Abstanden angeordnet und von schmalen Streifen getrennt 9 Die quadratischen Abteilungen haben kein Medaillon Gul Der Teppich in Holbeins Bild Die Gesandten zeigt diesen Typ Typ IV grossmustrig Bearbeiten Die quadratischen Abteilungen enthalten ahnliche Oktogone oder Gul Motive wie auf den kleinmustrigen Holbein Teppichen Im Gegensatz zu den anderen drei Typen deren Ornamente gleichrangig und gleich gross nebeneinander angeordnet sind besteht das Typ IV Muster aus einem deutlich grosseren und vier kleineren Ornamenten 11 Diese Musteranordnung wird auch als Quincunx Muster bezeichnet Literatur BearbeitenWilhelm von Bode Ernst Kuhnel Vorderasiatische Knupfteppiche aus alter Zeit 5 Auflage Klinkhardt amp Biermann Munchen 1985 ISBN 3 7814 0247 9 Gordon Campbell Carpets Abschnitt History In The Grove Encyclopedia of Decorative Arts Volume 1 Oxford University Press 2006 ISBN 978 0 19 518948 3 S 187 193 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Kurt Erdmann Siebenhundert Jahre Orientteppich Busse Herford 1966 Donald King David Sylvester Hrsg The Eastern Carpet in the Western World From the 15th to the 17th century Arts Council of Great Britain London 1983 ISBN 0 7287 0362 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Holbein Teppich Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten a b c d Erdmann 1966 S 130 136 a b Bodo Brinkmann Holbein Bode und die Teppiche In Hans Holbeins Madonna im Stadel Petersberg 2004 ISBN 978 3 937251 24 0 S 79 91 Frederic Robert Martin A History of Oriental Carpets before 1800 Printed for the author in the I and R State and Court Print Wien 1908 Rudolf Meyer Riefstahl Primitive Rugs of the Konya type in the Mosque of Beyshehir In The Art Bulletin 13 Jahrgang Nr 4 Dezember 1931 S 177 220 C J Lamm Carpet fragments The Marby rug and some fragments of carpets found in Egypt Nationalmuseums skriftserie 1937 Neudruck Auflage Schwedisches Nationalmuseum 1985 ISBN 978 91 7100 291 4 Amy Briggs Timurid Carpets I Geometric carpets In Ars Islamica Band 7 1940 S 20 54 King amp Sylvester S 26 27 52 57 Campbell S 189 a b Bode Kuhnel 1985 S 29 30 Walter B Denny Lotto Carpets In Walter B Denny Thomas J Farnham Hrsg The carpet and the connoisseur The James F Ballard Collection of Oriental Rugs Hali Publications Ltd London 2016 ISBN 978 0 89178 072 4 S 73 75 Kurt Erdmann Der Orientalische Knupfteppich 3 Auflage Ernst Wasmuth Tubingen 1955 S 26 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Holbein Teppich amp oldid 238798102