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Als Selbsttotungsklausel auch Suizidklausel veraltet Selbstmordklausel wird die Klausel eines Lebensversicherungs Vertrags bezeichnet mit der die Auszahlung bzw Nichtauszahlung der Versicherungssumme bei Suizid des Versicherten geregelt ist Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Zweck 3 Vertragliche und gesetzliche Regelung 3 1 Deutschland 3 2 Osterreich 3 3 Schweiz 3 4 Andere Lander 4 Geschichte 5 Literatur 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenHaufig wird mit der Suizidklausel eine Karenzzeit ab Vertragsabschluss festgelegt Wenn der Versicherte innerhalb der Karenzzeit Suizid begeht wird nur der Ruckkaufswert der Versicherung ausgezahlt also im Wesentlichen die bis dato eingezahlten Pramien abzuglich der Vertriebs und Verwaltungskosten Erst nach Ablauf der Karenzzeit wird die volle Versicherungssumme ausgezahlt Neben der Lange der Karenzzeit unterscheiden sich Suizidklauseln im Umgang mit dem Suizid in einem Geisteszustand der die freie Willensbestimmung einschrankt Die nachtragliche Feststellung des Vorliegens einer solchen Einschrankung ist eine schwierige Aufgabe fur die Forensik Psychiatrie 1 und Versicherungsmedizin die bei einem Rechtsstreit regelmassig durch Gutachten gelost wird 2 Wenn ein sterbender oder schwerstkranker Versicherter von der Sterbehilfe Gebrauch macht ist die Anwendbarkeit einer Suizidklausel rechtlich zumindest umstritten Einerseits liegt bei der Bestimmung eines Dritten zum aktiven Sterbehelfer Vorsatz vor soweit der Versicherte noch im Besitz der geistigen Krafte ist Dies wurde im Ergebnis eine Wertung als Suizid erlauben Andererseits scheint es ethisch fragwurdig einen sterbenden Menschen dazu zu zwingen die letzten Wochen seines Lebens unter Schmerzen zu verbringen um nicht die Absicherung seiner Familie aufs Spiel zu setzen wenn im Ergebnis so oder so der Tod folgt Noch komplizierter wird die Bewertung wenn der Sterbehelfer selbst Nutzniesser der Lebensversicherung ist entweder direkt als Begunstigter oder indirekt als Erbe 3 In der Rechtsprechung wird die Beweislast fur das Vorliegen eines Suizids sowie fur die Einschrankung der freien Willensbestimmung entweder dem Versicherer oder dem Begunstigten auferlegt Zweck BearbeitenDurch eine Versicherungsklausel konnen Versicherer Personen von der Leistung ausschliessen deren Entschluss zum Suizid bei Abschluss des Versicherungsvertrages bereits feststeht und die auf Kosten der Versichertengemeinschaft fur ihre Hinterbliebenen sorgen wollen Eine entsprechende Moglichkeit ware eine Form des Moral Hazard Im Analogschluss wird auch eine Feuerversicherung nicht leisten wenn der Versicherungsnehmer das versicherte Haus nach Vertragsabschluss vorsatzlich anzundet Zudem wird argumentiert dass eine entsprechend leicht und sofort verfugbare Absicherung der Hinterbliebenen die Neigung zum Suizid noch bestarken wurde was nicht im Sinne der Rechtsordnung sein kann 4 Vertragliche und gesetzliche Regelung BearbeitenDie Suizidklausel findet sich meist in den Versicherungsbedingungen bzw in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen AVB in vielen Landern ist sie auch gesetzlich geregelt Deutschland Bearbeiten In Deutschland ist die Suizidklausel in 161 VVG 2008 gesetzlich bestimmt die Karenzzeit wird darin seit der Gesetzesnovelle von 2008 auf drei Jahre festgelegt 5 Vor 2008 war mit 169 VVG alte Fassung der Leistungsausschluss ohne Karenzzeit geregelt Fur Versicherungsvertrage die vor Inkrafttreten der VVG Novelle am 1 Januar 2008 abgeschlossen wurden gelten die alten gesetzlichen Bestimmungen in diesem Punkt fort Jedoch hatten auch vor 2008 die meisten deutschen Versicherer entsprechende Karenzzeiten in ihre Bedingungen aufgenommen Die Allgemeinen Bedingungen fur die Risikolebensversicherung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV mit Stand vom 25 Oktober 2012 setzen die Vorgaben des reformierten 161 VVG 2008 vollstandig um gehen aber auch nicht daruber hinaus 6 Osterreich Bearbeiten In Osterreich stellt 169 VersVG zwar den Versicherer bei Suizid grundsatzlich von der Leistung frei 7 jedoch hat sich in der Praxis der Versicherungsbedingungen auch dort die dreijahrige Karenzzeit durchgesetzt Die Musterbedingungen Personenversicherung des Verbands der Versicherungsunternehmen Osterreichs VVO legen eine Frist von drei Jahren nach Abschluss Wiederherstellung oder einer die Leistungspflicht des Versicherers erweiternden Anderung des Vertrages fest binnen derer bei Suizid nur der Ruckkaufswert oder der Wert der Deckungsruckstellung ausgezahlt wird Danach wird voll geleistet Wenn der Suizid innerhalb der Karenzzeit in einem die freie Willensbestimmung ausschliessenden Zustand krankhafter Storung der Geistestatigkeit begangen wurde greift diese Selbsttotungsklausel nicht d h die Versicherungssumme wird voll ausgezahlt Allerdings liegt die Beweislast dafur beim Begunstigten 8 Schweiz Bearbeiten In der Schweiz ist die Karenzzeit auf drei Jahre festgelegt 4 Eine 1979 veroffentlichte Vergleichsstudie der Suizidalitat von Lebensversicherten und Gesamtbevolkerung ging der Frage nach warum von 1970 bis 1974 in der Schweiz ungefahr 2 aller Todesfalle in der Gesamtbevolkerung auf Suizid zuruckging wahrend im Kollektiv der Lebensversicherten dieser Anteil dreimal hoher lag 9 Andere Lander Bearbeiten In einer Reihe von Landern mit islamischer Bevolkerungsmehrheit werden im Sinne des islamischen Finanzwesens Versicherungen nach den Gesetzen der Schari a nicht nur angeboten sondern auch in grosser Zahl abgeschlossen und staatlich reguliert Insbesondere ist das im Sudan in Pakistan Iran Saudi Arabien und in Malaysia der Fall Die islamische Form der Lebensversicherung wird als Takaful bezeichnet und ist praktisch eine Form der Versicherung auf Gegenseitigkeit Es gibt nach den islamischen Regeln fur Takaful kein generelles Verbot der Auszahlung bei Suizid Jedoch schliessen einige Takaful Anbieter die Auszahlung in diesem Fall ganz aus oder verlangen eine Karenzzeit von einem Jahr nach Abschluss 10 Geschichte BearbeitenDie Risikolebensversicherung im heutigen Sinn entstand gegen Ende des 16 Jahrhunderts in England Die erste urkundlich erhaltene Lebensversicherung wurde 1583 in London auf das Leben von William s Gybbon s mit einer Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen Gybbons verstarb 364 Tage spater und die Versicherung verweigerte die Auszahlung Durch den folgenden Zivilprozess ist der Vertrag uberliefert 11 Diese fruhen Lebensversicherungen wurden zwischen personlich miteinander bekannten Geschaftsleuten oder Handwerkern abgeschlossen Gilden Handler usw deren Geschaftsbeziehungen auf Reputation und Vertrauen beruhten 12 Das anderte sich mit der Anfang des 18 Jahrhunderts sprunghaft wachsenden Anzahl von Versicherungen gegen Feuer und Tod Londons damals grosste Versicherung Hand in Hand hielt in den 1720er Jahren mehr als zehntausend Feuer Policen Unter solchen Umstanden war es den Direktoren und Underwritern einer Versicherung nicht moglich jeden Versicherten und dessen Reputation personlich zu kennen Die daraus resultierende Form des Moral Hazard wurde schnell erkannt adverse Selektion Kranke schliessen eher Lebensversicherungen ab als Gesunde und dezidierter Betrug Die Antwort der Versicherer war neben der Untersuchung des Antragstellers durch Arzte und der Rucksprache mit vertrauenswurdigen Personen aus dem Umfeld des Antragstellers z B Pfarrer oder Notare die Ruckversicherung sowie die Verscharfung der Auszahlungsbedingungen 12 Bald setzten sich Suizidklauseln durch mit denen die Auszahlung bei Tod durch die eigene Hand oder bei Hinrichtung ausgeschlossen wurde Diese Klauseln schlossen teilweise auch die Zahlung bei Todesfall infolge eines Duelles aus das wie ein Verbrechen mit Todesstrafe als Folge eigenen Handelns galt Die London Assurance fuhrte 1769 nach langer Debatte eine Suizidklausel fur alle Vertrage ein 12 Die Definition des Suizids hing allerdings von der offiziellen Erklarung der Todesursache ab Wenn ein Tod aus eigener Hand als felo de se Verbrechen gegen sich selbst galt so verfiel nicht nur die Lebensversicherung sondern der Verstorbene verlor das Recht auf ein christliches Begrabnis und sein Erbe ging in Staatsbesitz uber Diese Regeln glichen dem Vorgehen bei hingerichteten Verbrechern 13 Im Amerika vor der Unabhangigkeitserklarung begann der Verkauf von Lebensversicherungen durch die Presbyterianische Kirche die 1759 die Corporation for Relief of Poor and Distressed Widows and Children of Presbyterian Ministers grundete welche Lebensversicherungen fur presbyterianische Pastoren anbot Dieses Datum gilt als der Beginn der Lebensversicherungsbranche in den USA 14 Ende der 1760er Jahre waren Lebensversicherungen auch ausserhalb der Kirche verfugbar Zwischen 1787 und 1837 wurden mehr als zwanzig Lebensversicherungsunternehmen gegrundet von denen jedoch nur funf uberlebten Die Vertragsbedingungen der amerikanischen Versicherungen glichen anfangs den englischen Vorbildern bis aufs Wort So enthielten die Standardvertragsbedingungen der 1823 gegrundeten Massachusetts Hospital Life Insurance Company folgenden Passus 15 in case he shall die by his own hand in or in consequence of a duel or by the hands of justice this Policy shall be void null and of no effect sollte die versicherte Person durch eigene Hand sterben in oder in Folge eines Duells oder durch Hinrichtung in Folge eines Gerichtsurteils dann ist diese Police nichtig Proposals of the Massachusetts Hospital Life Insurance Company to Make Insurance on Lives 1823 16 Obwohl die Policen anderer Lebensversicherer ahnliche Klauseln enthielten war die Abweisung von Anspruchen der Hinterbliebenen auf Basis einer solchen Suizidklausel schwierig durchzusetzen 15 Literatur BearbeitenKultur und wirtschaftshistorische Veroffentlichungen Sharon Ann Murphy Security in an uncertain world Life insurance and the emergence of modern America University of Virginia Charlottesville 2005 UMI Nr 3161249 Dissertationsschrift Sharon Ann Murphy Investing in Life Insurance in Antebellum America Johns Hopkins University Press Baltimore 2010 ISBN 978 0 8018 9624 8 Uberarbeitete und gekurzte Version der Dissertation Zum Thema insbesondere Kapitel 3 Preventing Moral Hazard and Insurance Fraud S 92 Wirtschaftswissenschaftliche Veroffentlichungen zur Wechselwirkung zwischen Lebensversicherung und Suizidalitat Joe Chen Yun Jeong Choi Yasuyuki Sawada Suicide and Life Insurance PDF 371 kB Center for International Research on the Japanese Economy University of Tokyo April 2008 Discussion paper CIRJE F 558 Monetary Incentives PDF In Joe Chen Yun Jeong Choi Kohta Mori Yasuyuki Sawada Saki Sugano Socio Economic Studies on Suicide A Survey Center for International Research on the Japanese Economy University of Tokyo Juli 2009 S 18 19 Survey article CIRJE F 629 Hsin yu Tseng The Effect of Life Insurance Policy Provisions on Suidide Rates In Ders Three Essays on Empirical Applications of Contract Theory University of Chicago 2006 UMI 3219594 S 45 70 Dissertationsschrift Betreuer Steven Levitt und Alvin H Baum Versicherungsmedizinische Veroffentlichungen S Akermann Der Suizid in der Lebensversicherung Auswertung von Suizidfallen In Versicherungsmedizin Dezember 1997 Jg 49 Nr 6 S 195 202 PMID 9490517 Kommentare zum 161 VVG Marko Brambach 161 Selbsttotung In Ruffer Halbach Schimikowski Versicherungsvertragsgesetz Handkommentar 2 Auflage Nomos Baden Baden 2011 ISBN 978 3 8329 6533 4 S 821 831 Helmut Heiss 161 Selbsttotung In Langheid Wandt Munchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz Band 2 C H Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 58202 8 S 1455 1468 Andreas Peters 161 Selbsttotung In Looschelders Pohlmann VVG Kommentar Heymann Koln 2010 ISBN 978 3 452 26904 1 S 1301 1307 Wolfgang Romer 161 Selbsttotung In Romer Langheid Rixecker Versicherungsvertragsgesetz VVG Kommentar 3 Auflage C H Beck Munchen 2012 ISBN 978 3 406 58071 0 S 1023 1031 Winfried Thomas Schneider 161 Selbsttotung In Prolss Martin Versicherungsvertragsgesetz 28 Auflage C H Beck Munchen 2012 ISBN 978 3 406 58900 3 S 884 890 Beck sche Kurz Kommentare Band 14 Einzelnachweise Bearbeiten C Cording H Sass Begutachtung der freien Willensbestimmung bei Suizid in der Lebensversicherung In Der Nervenarzt Jg 80 September 2009 Nr 9 S 1070 1077 doi 10 1007 s00115 009 2796 z H Mittmeyer N Filip Kriterien zur Beurteilung der freien Willensbestimmung bei Suizid In Versicherungsmedizin Nr 49 1997 S 109 11 ISSN 0933 4548 James Davey John Coggon Life Assurance and Consensual Death Law Making for the Rationally Suicidal In The Cambridge Law Journal Jahrgang 65 Nr 3 November 2006 S 521 548 doi 10 1017 S0008197306007215 JSTOR 4509239 englisch a b Joe Chen Yun Jeong Choi Yasuyuki Sawada Suicide and Life Insurance PDF 1 2 Vorlage Toter Link www2 e u tokyo ac jp Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Mai 2019 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis PDF Datei 371 kB Center for International Research on the Japanese Economy University of Tokyo April 2008 Discussion paper CIRJE F 558 161 Selbsttotung In Theo Langheid Manfred Wandt Hrsg Munchener Kommentar Versicherungsvertragsgesetz VVG Band 2 Kommentierung der 100 191 VVG C H Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 58202 8 S 1455 1467 5 Was gilt bei Selbsttotung der versicherten Person In Allgemeine Bedingungen fur die Risikolebensversicherung PDF 1 2 Vorlage Toter Link www gdv de Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Mai 2019 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis PDF Datei 304 kB GDV vom 25 Oktober 2012 Attila Fenyves Martin Schauer Franz Kronsteiner Kommentar zu den Novellen zum VersVG Versicherungsvertragsgesetznovellen 1992 1994 und 1996 Springer Wien 1998 ISBN 3 211 83189 4 S 236f Umfang des Versicherungsschutzes 3 Versicherungsbedingungen der Er und Ablebensversicherung 2008 Memento des Originals vom 22 August 2012 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www vvo at des Verbands der Versicherungsunternehmen Osterreichs VVO S 4 M Humbert H P Hartmann Lebensversicherung und Suizid Schweizerische Vergleichsstudie von Einzelkapitalversicherten und Gesamtbevolkerung In Zeitschrift fur die gesamte Versicherungswissenschaft Jg 68 Nr 3 September 1979 ISSN 0044 2585 S 399 407 Renat I Bekkin Islamic Insurance National Features and Legal Regulation In Arab Law Quarterly Vol 21 Nr 2 2007 S 109 134 JSTOR 27650580 englisch Speziell zu Suizidklauseln in der Takaful S 117 Anne Julia Zwierlein Shipwrecks in the City Commercial Risk as Romance in the Early modern City Comedy In D Mehl A Zwierlein Hrsg Plotting early modern London Ashgate Aldershot 2004 ISBN 0 7546 4097 3 S 75 76 Der Name der versicherten Person wird in der Literatur verschieden als William Williams bzw Gybbon Gybbons angegeben a b c Robin Pearson Moral Hazard and the Assessment of Insurance Risk in Eighteenth and Early Nineteenth Century Britain In The Business History Review Jahrgang 76 Nr 1 2002 S 1 35 doi 10 2307 4127750 JSTOR 4127750 englisch Victor Bailey This Rash Act Suicide Across the Life Cycle in the Victorian City Stanford University Press Stanford 1998 ISBN 0 8047 3123 3 S 67 69 The Historical Society of Pennsylvania Hrsg Collection 3101 Presbyterian Ministers Fund PDF 228 kB Philadelphia 2008 S 2 5 Background note a b Sharon Ann Murphy Investing in Life Baltimore 2010 S 92 Proposals of the Massachusetts Hospital Life Insurance Company to Make Insurance on Lives J Loring 1823 OCLC 62622453 S 44 No 5 Policy of Insurance OCLC 62622453Dieser Artikel behandelt das Thema Suizid Hilfe kann in Notfallen unter dem Euronotruf 112 oder bei einer Telefonseelsorge gerufen werden Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de 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