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Der archaologische Fundplatz Salzgitter Lebenstedt ist eine mittelpalaolithische Fundstelle in Salzgitter Lebenstedt im ostlichen Niedersachsen Es handelte sich um eine Freilandstation saisonal sesshafter Jager und Sammler an der 1952 rund 840 Feuersteinartefakte und etwa 50 000 Jahre altes Knochenmaterial ausgegraben wurde Darunter waren Reste von mindestens 16 Mammutindividuen Mammuthus primigenius dazu Uberreste von mindestens 86 Rentieren sowie die beiden bis dahin nordlichsten Knochenstucke von Neandertalern 1977 fand eine zweite Grabung statt Die Neandertaler waren weitgehend auf Rentierjagd in einer tundrenhaften Umgebung spezialisiert wobei sie deren saisonale Zuge von den borealen Waldern der Gebirgszonen sudwestlich ihres Lagers in die Steppen Tundra der Tiefebene ausnutzten Die Jager folgten demnach ihrer Jagdbeute saisonal in die Tiefebene Die Micoquien Fundstelle Lichtenberg Landkreis Luchow Dannenberg etwa 90 km weiter nordlich bestand zur gleichen Zeit und konnte in dasselbe Territorium gehoren 1 Ausstellung von Fundstucken im Niedersachsischen Landesmuseum Hannover 2011 Inhaltsverzeichnis 1 Datierung 2 Beschreibung 3 Ausgrabungen 4 Fundprasentation 5 Literatur 6 Weblinks 7 AnmerkungenDatierung BearbeitenAlfred Tode der erste Ausgraber datierte die Statte 1953 in die Weichsel Kaltzeit Anhand von Vergleichen wurde sie spater auch sehr viel fruher namlich in die Saale Kaltzeit datiert Untersuchungen der 1990er Jahre kamen mittels Radiokohlenstoffdatierung auf ein Mindestalter von 50 000 Jahren heute wird die Statte meist auf 58 000 bis 54 000 Jahre datiert Beschreibung BearbeitenDie Freilandfundstelle gilt als eine der nordlichsten Erscheinungen des Micoquien in Deutschland Sie liegt am sudlichsten Rand der nordeuropaischen Tiefebene in knapp 82 m Hohe uber dem Meeresspiegel und wurde in Terrassen Sedimenten der Fuhse entdeckt dort wo sich das Flusstal einer weiten Aue offnet 2 Dabei durfte die Gruppe im Spatsommer bis Herbst gejagt haben ihr Lager fand sich an einer Windung der Krahenriede unmittelbar an deren Einmundung in das Tal der Fuhse Vor 60 000 Jahren befand sich hier das tief eingeschnittene Urstromtal der Fuhse Ob die Mammute von Neandertalern erlegt wurden ist nicht bekannt sie gelten jedenfalls nicht als Tiere die an dieser Stelle regelmassig gejagt wurden Da hier das Ren Rangifer tarandus mit mindestens 86 meist erwachsenen Individuen dominiert an denen sich nur selten Spuren von Raubtierfrass fanden handelt es sich wohl um eine Gruppe spezialisierter Rentierjager 3 Lebenstedt ist diejenige Fundstatte im Norden Deutschlands an der am besten die Systematik der Jagd und der Beutezerlegung rekonstruiert werden konnte Dabei zeigte sich dass keineswegs entsprechend dem Bedarf jeweils wenige Tiere gejagt wurden sondern dass eine Reihe von Grosssaugern wahrend eines einzigen Jagdzuges erbeutet wurde 4 Auch bevorzugte man Tiere die etwa acht bis neun Jahre alt waren denn sie reprasentierten allein mehr als ein Drittel der Tiere die zwischen einem und dreizehn Jahren alt waren als sie getotet wurden Etwa neun Rentiere waren junger als zweieinhalb Jahre drei zwischen drei und sechs Monaten alt Da die Rentiere im Mai oder Juni gekalbt haben durften erfolgte die Jagd wohl zwischen August und Oktober Die Knochen wurden auf der Suche nach Knochenmark zerlegt Dabei wurden erwachsene Tiere bevorzugt wohingegen die Jungtiere in dieser Hinsicht gemieden wurden Die Jager verschmahten ausserdem weniger markreiche Knochen wie Zehen oder Kieferknochen Hingegen wurden die meisten Mittelfussknochen aufgebrochen Die Technik um an das Mark zu gelangen war deutlich standardisiert Lebenstedt zahlt zu den wichtigen Platzen fur Keilmesser und Knochenspitzen Dabei stellte sich heraus dass die etwa 30 Knochenwerkzeuge aus Mammutknochen hergestellt worden waren vor allem aus den Rippen und den Wadenbeinen Darunter befand sich eine Knochenklinge bone point ein fur das Mittelpalaolithikum uberaus seltener Fund Zudem zeigte sich dass Schnitzen zu dieser Zeit bereits eine gangige Bearbeitungstechnik war Wichtige Fundplatze mit Keilmessern in Deutschland die vereinzelt bereits in der Riss Kaltzeit vorkommen sind neben den fur die Subtypen namengebenden Fundstellen die Balver Hohle Lichtenberg Landkreis Luchow Dannenberg Buhlen Konigsaue bei Aschersleben oder die Sesselfelsgrotte bei Essing Lokale Vorkommen von baltischem Flint wurden ebenfalls intensiv bearbeitet wobei alle Phasen der Operationskette der Levallois Abschlagproduktion nachweisbar sind ebenso wie die Formuberarbeitung nach dem Muster des Micoquien Der ganz uberwiegende Teil des Flintinventars wurde am Ort produziert was auf eine langere Besiedlungsdauer hindeutet eben eines Jagdlagers wahrend der Herbstmonate Die beiden Fundstucke eines Neandertalers Fragmente eines Schadels werden als das Fossil Lebenstedt 1 bezeichnet 5 Ausgrabungen Bearbeiten nbsp Alfred Tode 1986Die Fundstatte wurde beim Bau einer Klaranlage 52 174964879309 10 327253298304 82 5 entdeckt Ein Truppfuhrer auf der Baustelle hatte im Dezember 1951 Knochen mitgebracht seine Tochter nahm einige Stucke in die Schule mit Ihr Biologielehrer erkannte dass dieses Knochenmaterial nicht der jungeren Vergangenheit angehorte Die Statte wurde zunachst 1952 vom Braunschweiger Archaologen Alfred Tode ausgegraben 6 Die Ausgrabungsflache umfasste etwa 150 m 1977 erfolgte eine zweite Grabung auf einer Flache von etwa 220 m Nach ersten Publikationen Todes und eines interdisziplinaren Teams folgte 1991 eine Publikation zur Geologie der Fundstatte ab 1996 archaozoologische Untersuchungen Es zeigte sich dass bei der ersten Ausgrabung kleine Knochenstucke kaum beachtet worden waren wahrend sie in der Grabung von 1977 dominierten Das Gleiche gilt fur die Steinartefakte Wahrend das Verhaltnis zwischen kleinen weniger als 2 cm messenden zu grossen Artefakten 1952 bei 27 813 lag lag dieser Wert 1977 bei 1576 1780 7 Die Fundstucke fanden sich in einer Tiefe von 4 5 bis 5 5 Meter der uberwiegende Teil lag zwischen 4 8 und 5 1 Meter tief Es liessen sich drei insgesamt zwei Meter dicke Sedimentschichten erkennen in deren unteren beiden die Artefakte entdeckt wurden Grosse Mengen an Pollen Pilze grossere Pflanzenuberreste und Saugetier und Molluskenuberreste wurden bestimmt Typische Bewohner der Arktis wie Eisbaren oder Moschusochsen fehlten Die Neandertaler lebten in einer Tundrenlandschaft mit Pflanzen wie Zwerg Birken Betula nana Weisse Silberwurz Polar Weide oder Kraut Weide Demzufolge sind Baumpollen sehr selten Fundprasentation BearbeitenIn der archaologischen Ausstellung des Braunschweigischen Landesmuseums in der Neuen Kanzlei in Wolfenbuttel wird die Fundstelle mit originalgetreuen Grabungsschnitten als Installation der naturraumlichen Situation dargestellt Dort befinden sich auch die Knochenfunde Die Fundstelle wird in weiteren Museen prasentiert wie dem Naturhistorischen Museum Braunschweig und im historischen Museum im Schloss Gifhorn Bis zum Jahre 2011 wurden im Niedersachsischen Landesmuseum Hannover Artefakte aus Salzgitter Lebenstedt ausgestellt Im Stadtischen Museum Schloss Salder in Salzgitter knupft ein Ausstellungsbereich an die fruheren subarktischen Umweltbedingungen der Fundstelle an Dabei wird im Aussenbereich in einem Eiszeitgarten die damalige Flora und Fauna gezeigt Literatur BearbeitenAlfred Tode Der altsteinzeitliche Fundplatz Salzgitter Lebenstedt Bohlau Koln 1982 Willfried Baumann Dietrich Mania Ein mittelpalaolithisches Rentierlager bei Salzgitter Lebenstedt In Manfred Boetzkes Ingeborg Schweitzer Jurgen Vespermann Hrsg Die palaolithischen Neufunde von Markkleeberg bei Leipzig mit Beitragen von L Eissmann und V Toepfer Veroffentlichungen des Landesmuseums fur Vorgeschichte Dresden 16 Berlin 1983 Jean Jacques Hublin The fossil man from Salzgitter Lebenstedt and his place in human evolution during the Pleistocene in Europe in Zeitschrift fur Morphologie und Anthropologie 1984 S 45 56 Andreas Pastoors Die Steinartefakte von Salzgitter Lebenstedt Dissertation Universitat zu Koln 1996 Sabine Gaudzinski Knochen und Knochengerate der mittelpalaolithischen Fundstelle Salzgitter Lebenstedt Deutschland in Jahrbuch des Romisch Germanischen Zentral Museums Mainz 45 1 1998 S 163 220 Sabine Gaudzinski Ein mittelpalaolithisches Rentierlager bei Salzgitter Lebenstedt In Manfred Boetzkes Ingeborg Schweitzer Jurgen Vespermann Hrsg EisZeit Das grosse Abenteuer der Naturbeherrschung Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung Hildesheim 1999 S 121 136 Hans Jurgen Hassler Hrsg Ur und Fruhgeschichte in Niedersachsen Theiss Stuttgart 1991 S 509 511 Christine Kellner Depner Die Freilandstation von Salzgitter Lebenstedt in Archaologie in Niedersachsen Band 15 Isensee Verlag Oldenburg 2012 S 42 45 Felix Hillgruber Die mittelpalaolithische Fundstelle Salzgitter Lebenstedt in Programm zur 56 Tagung der Hugo Obermaier Gesellschaft in Braunschweig und Schoningen vom 22 26 April 2014 S 85 pdf Online Weblinks BearbeitenMittelpalaolithische Freilandstation im Denkmalatlas Niedersachsen Beschreibung der Fundstelle auf der Seite der Stadt Salzgitter Beschreibung bei Braunschweigische Landschaft auf denkmalpflege bsl ag de Beschreibung des Eiszeitgartens beim Stadtischen Museum Schloss Salder Beschreibung der Museumsausstellung zur Fundstelle auf der Website von Robert SlawskiAnmerkungen Bearbeiten Stephan Veil Klaus Breest Hans Christoph Hofle Hans Heinrich Meyer Hugues Plisson Brigitte Urban Kuttel Gunther A Wagner Ludwig Zoller Ein mittelpalaolithischer Fundplatz aus der Weichsel Kaltzeit bei Lichtenberg Kr Luchow Dannenberg Zwischenbericht uder die archaologischen und geobotanischen Untersuchungen 1987 1992 in Germania 72 1 1994 1 66 Jurgen Richter Altsteinzeit Kohlhammer Stuttgart 2018 S 156 Sabine Gaudzinski Ein mittelpalaolithisches Rentierlager bei Salzgitter Lebenstedt In Manfred Boetzkes Ingeborg Schweitzer Jurgen Vespermann Hrsg EisZeit Das grosse Abenteuer der Naturbeherrschung Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung Hildesheim 1999 S 121 136 Sabine Gaudzinski Wil Roebroeks Adults only Reindeer hunting at the Middle Palaeolithic site Salzgitter Lebenstedt Northern Germany in Journal of Human Evolution 38 2000 497 521 hier S 498 Eintrag Salzgitter Lebenstedt in Bernard Wood Hrsg Wiley Blackwell Encyclopedia of Human Evolution 2 Bande Wiley Blackwell Chichester u a 2011 ISBN 978 1 4051 5510 6 Alfred Tode Mammutjager vor 100000 Jahren Natur und Mensch in Nordwestdeutschland zur letzten Eiszeit auf Grund der Ausgrabungen bei Salzgitter Lebenstedt Appelhans Braunschweig 1954 DNB 455081182 Sabine Gaudzinski Wil Roebroeks Adults only Reindeer hunting at the Middle Palaeolithic site Salzgitter Lebenstedt Northern Germany in Journal of Human Evolution 38 2000 497 521 hier S 501 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Salzgitter Lebenstedt archaologischer Fundplatz amp oldid 233411563