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Richard Friedrich Ernst Theodor Lebkuchner 2 Marz 1902 in Neuenstadt am Kocher 10 August 1981 in Furstenfeldbruck war ein deutscher Geologe und als Gestapobeamter in Breslau sowie ab April 1942 in Munchen eingesetzt wo er als SS Sturmbannfuhrer und Kriminalrat das Referat II E Wirtschaft Auslander Fuhrerschutzdienst der Gestapoleitstelle fuhrte das sich vornehmlich mit den in Deutschland eingesetzten Fremd und Ostarbeitern in polizeilicher Hinsicht befasste Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Studium 2 Bei der Gestapo 3 Leiter des Referates II E der Gestapoleitstelle Munchen 4 Nach dem Krieg 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHerkunft und Studium BearbeitenLebkuchner wuchs in Neuenstadt am Kocher auf wo sein Vater Friedrich als Medizinalrat tatig war Seine Mutter Helene war eine geborene Rasch Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Ulm nahm Lebkuchner ein naturwissenschaftliches Studium mit dem Schwerpunkt Geologie an der Universitat Tubingen auf das er an den Universitaten Gottingen und Munchen fortsetzte Wahrend seines Studiums in Gottingen wurde er 1922 Mitglied der Schwarzburgbund Verbindung Burschenschaft Germania 1 Nach seiner Promotion in Tubingen im November 1928 vertrat er vom 1 Juni bis 30 September 1929 den ersten Assistenten und Konservator Prof Dr Otto Pratje am Geologisch palaontologischen Institut der Universitat Konigsberg und fand dort anschliessend eine Anstellung Gepragt durch seine Beruhrung mit den Ideen der volkischen Studentenbewegung trat Lebkuchner am 1 Oktober 1930 der NSDAP Mitgliedsnummer 341 939 und am 15 Dezember 1930 der SA aus innerer Uberzeugung bei Als sein Arbeitsverhaltnis am Geologisch palaontologischen Institut der Universitat Konigsberg am 31 Juli 1931 endete und sich fur Lebkuchner keine neue Arbeitsstelle fand betatigte er sich vornehmlich als Zellenleiter und Kreisgeschaftsfuhrer Konigsberg Stadt fur die Partei Konflikte mit dem ostpreussischen Gauleiter Erich Koch veranlassten Lebkuchner sich der Allgemeinen SS SS Nr 4 175 zuzuwenden in der er zunachst als einfacher SS Mann und Schreiber im Buro des I Sturmbanns tatig war Bei der Gestapo BearbeitenDa auch nach der Machtubernahme der Nationalsozialisten eine Stelle als Geologe nicht zu finden war bewarb er sich bei der neu gegrundeten Preussischen Geheimen Staatspolizei bei der er am 2 Dezember 1933 als Angestellter der Kriminalpolizei den Dienst bei der Staatspolizeistelle Elbing aufnahm Im Fruhjahr 1935 wurde Lebkuchner nach Absolvierung eines siebenmonatigen Lehrgangs im Rang eines Kriminalkommissars bei der Grenzpolizei Marienburg als Leiter des Grenzdienstes eingesetzt Versetzt zur Staatspolizei Breslau ubernahm er ab 1 Oktober 1936 dort das Referat II B Kirchen und Sekten Ab April 1938 war er an der Grenzpolizeischule Pretzsch als Ausbilder fur Grenzpolizeikunde tatig In dieser Schule wurde auch das Personal fur die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD aufgestellt und ausgebildet Lebkuchner selbst wurde weder zur Wehrmacht noch zum Dienst in den Einsatzgruppen beim Uberfall auf Polen herangezogen Er empfand dies als Zurucksetzung und die Begrundung dass er nicht die militarische Vorbildung und vor allem nicht die genugende Harte fur den Einsatz habe als Krankung seines Selbstwertgefuhls Wahrscheinlich zwei Sicherheitspolizeieinsatze in Polen und Jugoslawien wurden allerdings mit dem Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern am 30 Januar 1942 honoriert also fur besondere Verdienste Lebkuchners im ruckwartigen Frontgebiet Aufgrund seiner SS Mitgliedsnummer unter 5000 war er Trager des Totenkopfringes Seine SS Laufbahn verlief im Ubrigen reibungslos Am 9 November 1936 wurde er zum SS Obersturmfuhrer befordert am 9 November 1940 zum SS Hauptsturmfuhrer und am 30 Januar 1944 zum SS Sturmbannfuhrer Lebkuchner blieb auch nach Verlegung der Polizeischule zur Sicherheitspolizeischule Drogen in Furstenberg Havel im Oktober 1941 bis zu seiner Versetzung zur Gestapoleitstelle Munchen im April 1942 dort Leiter des Referates II E der Gestapoleitstelle Munchen BearbeitenIn Munchen wurde Lebkuchner mit der Leitung des Referates II E der Gestapoleitstelle betraut Diese wurde von dem etwa zeitgleich mit Lebkuchner nach Munchen versetzten Oswald Schafer geleitet und war im Wittelsbacher Palais in der Brienner Strasse 50 heute 20 untergebracht 2 Dieses in die Unterabteilungen II E A Auslander II E R Ostarbeiter II E P Polen und Protektoratsangehorige und II E K Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen gegliederte Referat befasste sich schwerpunktmassig mit der Bekampfung von Disziplinwidrigkeiten der Fremd und Ostarbeiter und deren repressiven Uberwachung zur Erhaltung der Staatssicherheit Das Spektrum reichte von Arbeitsvertragsbruchen bis zur Arbeitssabotage Angesichts von sechs Millionen auslandischer Arbeiter in der deutschen Industrie und Landwirtschaft Stand September 1944 setzte die fur eine umfassende Kontrolle personell vollig unterbesetzte Gestapo auf das Prinzip Abschreckung durch drakonische Strafen Sanktionierungsmassnahmen fur Polen und Ostarbeiter die auf der untersten Stufe der vom Reichssicherheitshauptamt RSHA festgelegten rassistischen Hierarchie standen wurden durch zwei Erlasse vom 23 Oktober und 5 November 1942 mit Wirkung vom 1 Januar 1943 der Polizeiexekutive ubertragen Den Gestapobeamten war damit weitgehende Handlungsfreiheit eingeraumt von der je nach Naturell der Befugten extensiv oder restriktiv Gebrauch gemacht werden konnte Lebkuchner gehorte zu den Gestapobeamten die ihre Kompetenzen weitgehend zum Nachteil der Beschuldigten ausnutzten Nach Aussagen ehemaliger Gestapobeamter fiel er durch besondere Grausamkeit auf so dass er als Tyrann der Gestapo Munchen bekannt wurde und den Beinamen Munchner Nero erhielt 3 Zitat eines Haftlings Der Gesamteindruck den ich von Dr Lebkuchner hatte war der dass er ein in jeder Hinsicht gemeiner sadistischer Mensch war 4 In den Augen seiner Kollegen galt er als ehrgeiziger Streber In den Aufgabenbereich Lebkuchners fiel auch die sogenannte Sonderbehandlung also die Exekution von polnischen oder sowjetischen Straftatern Die Entscheidung hieruber wurde vom RSHA getroffen die ortlichen Gestapobeamten hatten jedoch die Straftaten dem RSHA zu melden und eine Strafe vorzuschlagen Die Staatsanwaltschaft Munchen konnte Lebkuchner nach dem Krieg 36 Falle von Sonderbehandlungen in seiner Amtszeit nachweisen der 53 Menschen zum Opfer fielen 13 Exekutionen leitete Lebkuchner personlich Auf eine Initiative Lebkuchners ging die als Kurzbehandlung bezeichnete Zuchtigung der Delinquenten durch Schlage mit einem Ochsenziemer zuruck Diese Art der Bestrafung kam fur kleinere Verfehlungen gegen die Arbeitsdisziplin gestuft bis zu 75 Hieben zur Anwendung wenn der Beschuldigte dringend an seinem Arbeitsplatz gebraucht wurde und damit eine Polizei oder Arbeitserziehungslagerhaft nicht in Betracht kam Nach dem Krieg BearbeitenAm 14 Mai 1945 wurde Lebkuchner von den Amerikanern verhaftet und bis zum 13 Juli 1948 in verschiedenen Lagern interniert Von der Spruchkammer Munchen wurde er im Rahmen der Entnazifizierung am 12 Juli 1948 als Hauptschuldiger in die Gruppe I eingestuft weil er Auslander volkerrechtswidrig behandelt hat und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch seine Tatigkeit als Kriminalrat ausserordentliche Unterstutzung gewahrte und bei der Gestapo fur die nationalsozialistische Gewaltherrschaft aktiv tatig war 5 Die Strafe von drei Jahren Arbeitslager galt allerdings durch seine Internierungshaft als verbusst Eine Berufung seiner Anwalte Joseph Weisgerber und Hermann Orth welche forderten ihn in die Gruppe III Minderbelasteter einzustufen 6 zog Lebkuchner wieder zuruck Eine erneute Anklage mit Untersuchungshaft im August 1949 wegen gemeinschaftlich begangener Verbrechen der Beihilfe zum Todschlag und gemeinschaftlich begangener Vergehen der Korperverletzung endete vor dem Schwurgericht Munchen I mit einem Freispruch Lebkuchners sowie seines ehemaligen Vorgesetzten Oswald Schafer Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft des Oberlandesgerichts Munchen fuhrte dann allerdings am 29 Mai 1951 zu einer Verurteilung Lebkuchners zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefangnis Der Haftbefehl wurde nach Anrechnung der vorherigen Haftstrafen aufgehoben Die Generalstaatsanwaltschaft ging erneut in Revision woraufhin der 1 Strafsenat des Bundesgerichtshofes das Urteil am 14 Oktober 1952 aufhob Das Landgericht Munchen I sprach Lebkuchner am 30 September 1954 von der Anklage der Beihilfe zum Totschlag aus Mangel an Beweisen frei Im April 1952 hatte Lebkuchner wieder eine Arbeit als Geologe gefunden so dass er nach Zeiten der Erwerbslosenunterstutzung nunmehr seine Frau und seine sieben Kinder selbst unterhalten konnte Im folgenden Jahr bewarb er sich bei der Generaldirektion der Maden Tetkik ve Arama Enstitusu in Ankara fur die geologisch kartografische Erfassung des turkischen Staatsgebietes Im Sommer 1953 reiste Lebkuchner mit Erlaubnis der Justizbehorden in die Turkei aus Seine Familie folgte ihm 1955 Der noch verbliebene Strafrest von sechs Monaten wurde entsprechend seinem Gnadengesuch am 3 November 1955 bis zum 31 Dezember 1958 ausgesetzt Erst am 15 Mai 1970 kehrte Lebkuchner wieder nach Deutschland zuruck wo er am 10 August 1981 in Furstenfeldbruck verstarb Zu keiner Zeit fand Lebkuchner sich zu einer kritischen Reflexion seiner Gestapotatigkeit bereit Ein brutales oder verwerfliches Verhalten habe ich nie an den Tag gelegt Ich habe mich auch niemals eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht in der Behandlung von auslandischen Arbeitern 7 Literatur BearbeitenJenny Ranft Dr Richard Lebkuchner der Tyrann der Munchner Gestapo In Marita Krauss Rechte Karrieren in Munchen Von der Weimarer Zeit bis in die Nachkriegsjahre Volk Verlag Munchen 2010 ISBN 978 3 937200 53 8 Gerhard Paul und Klaus Michael Mallmann Hrsg Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg Heimatfront und besetztes Europa Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2000 amp Primus Darmstadt 2000 ISBN 3 89678 188 X LG Munchen I 30 September 1954 In Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Bd XII bearbeitet von Adelheid L Ruter Ehlermann H H Fuchs und Christiaan F Ruter Amsterdam University Press Amsterdam 1974 Nr 404 S 603 633 Laura Eckl Der Nero von Munchen wurde freigesprochen Offentliche Reaktionen auf den Prozess gegen die ehemaligen Munchner Gestapoleiter Oswald Schafer und Richard Lebkuchner 1950 In Zeitschrift fur bayerische Landesgeschichte Bd 84 2021 Heft 1 S 239 275 Weblinks BearbeitenAndreas Heusler Ausbeutung und Disziplinierung Zur Rolle des Munchner Sondergerichts und der Stapoleitstelle Munchen im Kontext der nationalsozialistischen FremdarbeiterpolitikEinzelnachweise Bearbeiten Hermann Goebel Hrsg Mitgliederverzeichnis des Schwarzburgbundes 8 Aufl Frankfurt am Main 1930 S 100 Nr 1839 Andreas Heusler Ausbeutung und Disziplinierung Zur Rolle des Munchner Sondergerichts und der Stapoleitstelle Munchen im Kontext der nationalsozialistischen Fremdarbeiterpolitik Memento vom 26 Februar 2002 im Internet Archive in forum historiae iuris 15 Januar 1998 Staatsarchiv Munchen Staatsanwaltschaften 17439 1 Aussage Fritz Franz vom 15 Oktober 1947 Staatsarchiv Munchen Staatsanwaltschaften 17439 1 Aussage Josef Eberl vom 26 Oktober 1947 Staatsarchiv Munchen Spruchkammer Akte K 1022 Lebkuchner Richard Spruch der Spruchkammer vom 12 Juli 1948 Marita Krauss Rechte Karrieren in Munchen von der Weimarer Zeit bis in die Nachkriegsjahre Volk Verlag 2010 ISBN 978 3 937200 53 8 S 274 Staatsarchiv Munchen Spruchkammer Akte K 1022 Lebkuchner Richard Aussage Richard Lebkuchner vom 14 Juni 1948Normdaten Person GND 143202650 lobid OGND AKS VIAF 275266477 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lebkuchner RichardALTERNATIVNAMEN Lebkuchner Richard Friedrich Ernst Theodor vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher SS Fuhrer und KriminalratGEBURTSDATUM 2 Marz 1902GEBURTSORT Neuenstadt am KocherSTERBEDATUM 10 August 1981STERBEORT Furstenfeldbruck Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Richard Lebkuchner amp oldid 233837340