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Die unter dem Decknamen Pydna errichtete militarische Anlage ist eine ehemalige Raketenstation der NATO im Hunsruck Sie befindet sich etwa drei Kilometer sudlich der Stadt Kastellaun zwischen Bell Hasselbach und Hundheim Die GLCM Alert and Maintenance Area GAMA auf der Wuschheim Air Station mit den sechs Ready Storage Shelter RSS fur 96 BGM 109G Marschflugkorper Aufnahme 1989 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Die Pydna 2 1 Auftrag 2 2 Aufbau 2 3 Durchfuhrung 2 4 Friedensbewegung 2 5 Ende der Pydna 3 Gegenwart 4 Nachbarorte der Pydna 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Rekonstruktion des Wagengrabes von BellIn den Jahren der deutschen Wiederaufrustung in den 1930er Jahren und dem Bau der Hunsruckhohenstrasse der heutigen Bundesstrasse 327 wurde 1938 im Bereich des Pydnagelandes ein Feldflugplatz eingerichtet und es gab auch Plane fur den Ausbau des Flughafens Dieser Erweiterung sollte das Dorf Hundheim weichen und zum Schutz der Flugzeuge der Gossberg als Hangar ausgebaut werden Baubaracken wurden aufgebaut und Grabungen durchgefuhrt Dabei wurden viele Hugelgraber entdeckt jedoch die meisten zerstort Dazu gehorte auch das Wagengrab von Bell das Grabmal eines Keltenfursten Nach Ende des Westfeldzuges wurde der Flughafen nicht mehr benotigt Er diente verschiedenen Waffengattungen und der Hitlerjugend noch als Ubungsgelande Das Lager wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von Bomben zerstort Bei dem Angriff kamen jedoch keine Menschen zu Schaden Nach dem Krieg begann man das Gelande wieder aufzuforsten Am 18 Juni 1958 wurde im Kalten Krieg die US amerikanische 38th Bombardment Wing als Tactical Missile Wing neu aufgestellt und auf der Hahn Air Base stationiert Diese Einheit operierte als vorgesetzte Einheit der 586th Tactical Missile Group die ihre Matador Raketen TM 61 auf dem Pydnagelande aufstellte Es waren acht Raketenstartanlagen zwei Leitstande und andere Bedarfsgebaude Am 15 November 1959 begann die Umstellung auf das MACE Missile System TM 76 Die 38th Tactical Missile Wing wurde am 25 September 1966 ausser Dienst gestellt und das Gelande von der U S Air Force geraumt Die Bundeswehr ubernahm das Gelande fur kurze Zeit und nutzte es zusammen mit dem angrenzenden Standortubungsplatz 1967 bezog die U S Army unter dem Namen B Battery das Pydnagelande und stationierte Nike Hercules Raketen Diese waren als Luftabwehrraketen konzipiert und wurden spater fur den atomaren Einsatz umgerustet Die Gefechtskopfe besassen eine Sprengkraft von 20 kT TNT die Raketen hatten eine Reichweite von 150 km Die B Battery bestand aus Verwaltungs und Unterkunftsgebauden sowie einem weiteren abgeschlossenen Bereich Richtung Hasselbach In diesem Hochsicherheitsbereich befand sich ein Beobachtungsturm drei Startanlagen und die entsprechenden Schutz und Wartungsbauten 1981 wurde mit der Auflosung der B Battery begonnen die Raketen abgezogen und die gesamte Anlage Anfang August 1982 geschlossen Die Pydna BearbeitenDer Name Pydna geht auf die Schlacht von Pydna am 22 Juni im Jahr 168 v Chr zuruck Diese Schlacht wird auch als klassisches Beispiel fur die Gegenuberstellung einer makedonischen Phalanx und den romischen Legionen dargestellt wobei sich die altere Taktik angeblich als unterlegen herausstellte Auftrag Bearbeiten Unter dem Decknamen Pydna US militarische Bezeichnung Wuschheim Air Station WAS sollten auf dem Gelande der ehemaligen B Battery als Folge des NATO Doppelbeschlusses 96 abschussbereite Marschflugkorper englisch Cruise Missiles stationiert werden die mit Atomsprengkopfen ausgerustet waren Der Stationierungsbereich im Hunsruck wurde in Abstimmung mit der NATO 1978 79 durch die damalige Bundesregierung festgelegt Grunde fur die Auswahl des Gelandes waren dass hier schon zuvor Mittelstreckenraketen stationiert waren dass das Gelande weitgehend im Besitz des Landes war und Enteignungen vermieden werden konnten schliesslich die nahe gelegene US amerikanische Hahn Air Base die gute Moglichkeiten zur Versorgung mit Feuerwehr und Rettungsdienst bot Aufbau Bearbeiten nbsp Wuschheim Air Station WAS Bild vom 25 Januar 1989Die militarische Anlage wurde in drei Bereiche aufgegliedert Verwaltung Unterstutzung Schutzbauten Es betraf insbesondere die Zusammenarbeit der US Feuerwehren mit den umliegenden deutschen Feuerwehren im Falle einer Gefahr Fur die Schutzbereiche die aber in der Hauptsache militarisches Gebiet beruhrten gab es besondere Vorschriften Fur die BGM 109G Gryphon Block I Marschflugkorper mussten sechs gehartete atomsichere Bunker sogenannte Ready Storage Shelter RSS gebaut werden In jedem Bunker sollten zwei Feuerleitstellen und vier Transporter Erector Launcher TEL auf M 1014 MAN untergebracht werden Alle Bedarfsgebaude zur Versorgung und Lagerung der Atomwaffen befanden sich im Hochsicherheitsbereich Die verschiedenen Batterien ubten laufend den Ernstfall das heisst sie fuhren mit Ubungsfahrzeugen zu den uber ganz Rheinland Pfalz verstreuten Abschussstellungen der sogenannten GLCM Alert and Maintenance Area GAMA um sich mit dem Gelande vertraut zu machen Zeitgleich wurde im Rahmen der Stationierung der Bau einer unterirdischen Bunkeranlage als Feuerleitstelle fur die Marschflugkorper auf dem Gossberg sowie dem Ausbau einer ehemaligen Nike Hercules Stellung auf dem Kandrich bei Dichtelbach als MIM 104 Patriot Flugabwehrraketenstellung und dem Neubau einer solchen Stellung bei Grenderich begonnen Durchfuhrung Bearbeiten 1984 begannen die Arbeiten zum Bau der Bunkeranlagen im Gelande der ehemaligen B Battery Vor der Bevolkerung wurden die Plane geheim gehalten Erst Eingaben der Burger ins deutsche Verteidigungsministerium bewegten deutsche Politiker zu handeln und die Stationierung wenn schon nicht aufzuhalten dann doch zu verzogern Die amerikanischen Streitkrafte als Betreiber der Anlage begnugten sich vorerst mit dem Bau der Bunkeranlagen und der Lafetten und verlegten neu aufgestellte Einheiten fur den Betrieb und Schutz der Raketenstation dorthin Der Baufertigstellungstermin wurde verzogert Zusatzliche aufwandige vorher nicht geplante Sicherheitsmassnahmen waren notwendig Der geplante Fertigstellungstermin fur die Pydna Ende 1986 konnte nicht eingehalten werden eine Zwischenlosung wurde geplant 1987 trafen die ersten BGM 109G Gryphon Marschflugkorper in Westdeutschland ein Die Lafetten zum Transport und Abschuss der Marschflugkorper wurden im Bundeswehrdepot bei Kappel zwischengelagert Notwendige bauliche und organisatorische Massnahmen waren dort inzwischen ausgefuhrt worden Die eigentlichen Raketen wurden vorerst im Gelande der US amerikanischen Hahn Air Base stationiert weil dort die Moglichkeit zur Lagerung atomarer Sprengkopfe bestand Friedensbewegung Bearbeiten Die BGM 109G Gryphon Marschflugkorper hatten eine Reichweite von 2 500 km und konnten somit die sowjetische Hauptstadt Moskau erreichen Militarisches Kalkul zog daher die Abschussanlagen fur den Warschauer Pakt als mogliche Ziele Targets heran Aus dieser Befurchtung heraus formierte sich eine Friedensbewegung an deren Spitze neben anderen der evangelische Pfarrer August Dahl Raketen August stand Ab Mai 1985 wurde eine Dauermahnwache an der Hunsruckhohenstrasse bei der Abfahrt zur Pydna eingerichtet Taglich von 16 00 bis 17 30 Uhr demonstrierten Aktivisten mit einem Transparent Hier wird Krieg vorbereitet Der damalige Hasselbacher Ortsburgermeister Hartmut Pomrehn stimmte gegen die Bauarbeiten weil er durch Informationen der Friedensbewegung die fur ihn einzig verlasslichen Fakten uber das Stationierungsprojekt erhalten habe wahrend sich die zustandigen Stellen der Verwaltung ausschwiegen Die Gemeinde Spesenroth lehnte in einer Gemeindeversammlung einen Antrag der Bauleitung ab den dortigen stillgelegten Steinbruch zum Materialabbau wiedereroffnen zu durfen Durch diese Ablehnung verzichtete die Gemeinde auf rund 200 000 DM Einnahmen In Reckershausen wurde ein Frauenwiderstandscamp errichtet das durch verschiedene Protestaktionen gegen die Stationierung der Cruise Missiles Raketen auf sich aufmerksam machte Besonders spektakular war die eintagige Besetzung eines Baukrans der Firma Hochtief auf der im Bau befindlichen Raketenstation Pydna durch 18 Frauen am 27 August 1984 nbsp Drei Kreuze als mahnender Rest auf dem Friedensacker nbsp Schild zwischen den Kreuzen nbsp Feldscheune mit Wandmalerei bei BellAuf dem Beller Marktplatzgelande fand am 11 Oktober 1986 die wohl grosste bekannte Demonstration der Hunsrucker Geschichte statt Rund 200 000 Menschen davon etwa 10 000 aus dem Hunsruck protestierten gegen die Stationierung der Raketen Bei der Abschlusskundgebung waren neben zahlreichen Rednern auch bekannte Kunstler wie Udo Lindenberg und Hannes Wader zu horen Zum Ende des Tages wurde die Hunsrucker Erklarung verlesen die sich fur eine Umkehr in der Sicherheitspolitik aussprach Die Demonstrationsteilnehmer wiesen eine besondere Friedfertigkeit auf so dass es keine Krawalle Verletzten oder Festnahmen gab Die mit Sonderzugen angereisten Demonstranten mussten den Hunsruck allerdings vor Einbruch der Dunkelheit wieder verlassen Die Bahnstrecke Simmern Kastellaun Boppard sollte stillgelegt werden Die Signalanlagen waren schon abgebaut so dass die letzten Bahnen so wie diese Sonderzuge nur noch tagsuber verkehren konnten Noch heute stehen drei mahnende Holzkreuze als Rest der ehemals 96 dort aufgestellten Kreuze eines fur jede Rakete westlich des Gelandes auf dem so genannten Friedensacker der zur Gemeinde Bell gehort Auch eine grosse Wandmalerei Raketen Kuh an einer Beller Feldscheune eine Kuh stellvertretend fur den landlichen Hunsruck die eine Cruise Missile auf die Horner nimmt Ausfuhrende Wandmalgruppe Dusseldorf 1 erinnert noch heute weithin sichtbar an diese bewegte Zeit Das Kunstwerk nahm 2013 als Unbequemes Denkmal am Tag des offenen Denkmals teil 2 Das 1986 entstandene Symbol des Hunsrucker Widerstands wurde im Juli 2014 von Schulern der Kastellauner IGS und ihrer Kunstlehrerin aus Spendenmitteln restauriert 3 Ende der Pydna Bearbeiten Am 1 Dezember 1987 unterzeichneten US Prasident Ronald Reagan und der sowjetische Staatsprasident Michail Gorbatschow den INF Vertrag in dem sich die USA und die UdSSR verpflichteten alle europaischen nuklearen Mittelstreckensysteme zu verschrotten Ende der 1980er Jahre wurde auch das Gelande der Pydna aufgegeben auf Grund der allgemeinen Entspannung und des abgeschlossenen INF Vertrages zwischen den Machtblocken Kalter Krieg und der damit verbundenen Abrustung und Abzug der alliierten Truppen wobei auch fast zeitgleich die Hahn Air Base geraumt wurde Am 22 August 1990 wurde die 38 taktische Flugkorperstaffel offiziell aufgelost Die Raketenzeit auf dem Hunsruck endete am 31 August 1993 mit der Ubernahme der Liegenschaften durch die Bundeswehr Standortverwaltung Kastellaun Gegenwart BearbeitenEin Zweckverband zur Konversion des Objektes an dem sich die Verbandsgemeinde Kastellaun mit 10 000 beteiligt hatte konnte Ende 2004 aufgelost werden Das gesamte Gelande wurde 2005 vom dicht angrenzenden Bundeswehrstandort ubernommen und wird zum grossten Teil somit weiterhin militarisch genutzt Ausbildungsbereich Telekommunikation Die zivile Nutzung des Gelandes beschrankt sich auf ein Festival der Elektronischen Tanzmusik die Nature One das seit 1996 Ende Juli Anfang August auf dem Gelande stattfindet und bei dem sich jedes Jahr 60 000 bis 70 000 Besucher einfinden sowie fur gelegentliche Filmaufnahmen In der neu aufgebauten Unterburg in Kastellaun wurde am 9 September 2007 ein Dokumentationszentrum eingeweiht Im Obergeschoss befinden sich Modellnachbauten und Informationen uber die ehemalige Raketenstation Pydna die heutige Nutzung und die Hunsrucker Friedensbewegung Eine Sonderausstellung uber die Blockaden der Raketenstation und ihre Folgen wurde am 3 September 2010 eroffnet Nachbarorte der Pydna BearbeitenBell Kastellaun Spesenroth und LaubachVolkenroth und Leideneck nbsp HasselbachHundheim der Gossberg und Wuschheim Michelbach und Reich AlterkulzSiehe auch BearbeitenNuklearwaffen in DeutschlandWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Pydna Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Pydna George Mindling Wuscheim Missile Ghost Town In mace b com Abgerufen am 22 Juni 2018 englisch deutsch George Mindling Site VI Hundheim 405th Tactical Missile Squadron In mace b com Abgerufen am 22 Juni 2018 englisch deutsch Friedensgebet Cruise Missile Station Bell Hasselbach Video auf YouTube 6 42 Minuten In Wenn die Raketen kommen ZDF 1986 abgerufen am 22 Juni 2018 Frieden braucht Bewegung 1986 Grossdemo im Hunsruck Video auf YouTube 7 18 Minuten JUZ Bingen abgerufen am 22 Juni 2018 Udo Leuschner Demonstrationen gegen die Nachrustung Hasselbach 11 Oktober 1986 In udo leuschner de 24 Januar 2005 abgerufen am 22 Juni 2018 Bilder der Demo 1986 Mobilisierung durch Information Wie gelang es der Friedensbewegung im Hunsruck Offentlichkeit fur ihre Belange herzustellen In pydna de 29 Juni 2016 abgerufen am 22 Juni 2018 Blockaden Friedens Initiative Hunsruck abgerufen am 22 Juni 2018 Einzelnachweise Bearbeiten Weitere Abbildungen in Anne Aumann Thomas Giese Klaus Klinger Dusseldorf Eine feine Adresse Schone Bescherung II Teil Wandmalgruppe Dusseldorf Eigenverlag 1991 S 39 Frische Farbe fur die Beller Raketenkuh In Rhein Zeitung Ausgabe Boppard Simmern 17 Juli 2014 abgerufen am 22 Juni 2018 Beller Raketenkuh Scheune strahlt wieder In volksfreund de 11 September 2014 abgerufen am 22 Juni 2018 50 043888888889 7 4255555555556 Koordinaten 50 2 38 N 7 25 32 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pydna Raketenbasis amp oldid 236644463