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Die Pontinische Ebene italienisch Agro Pontino Romano oder historisch Paludi Pontine Pontinische Sumpfe ist ein ehemaliges Sumpfgebiet in der Region Latium Mittelitalien sudostlich von Rom Sie erstreckt sich entlang der Kuste des Tyrrhenischen Meers von dem sie durch Sanddunen abgegrenzt ist etwa von Anzio bis nach Terracina Nach Nordosten wird sie von den Monti Lepini und den Monti Ausoni begrenzt Die Flache betragt rund 775 km Die Via Appia durchquert die Ebene seit der Antike Der Suden der Pontischen Ebene bei Terracina Parco Nazionale del Circeo Inhaltsverzeichnis 1 Geologie 2 Die Versumpfung der Ebene seit der Antike 3 Die Trockenlegung 3 1 Erste Versuche der Trockenlegung 3 2 Fedor von Donat und die Pontinische Syndikats GmbH am Ende des 19 Jahrhunderts 3 3 Trockenlegung 1930 1940 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenGeologie BearbeitenDie Pontinische Ebene wird durch einen tektonischen Graben gebildet die zugehorigen Horste Hebungen sind die Bergkette im Osten und der Grund unter der Dunenkette die sie zum Meer hin abgrenzt Bis ins spate Pleistozan lag das Gebiet unter Wasser im Tyrrhenischen Meer Durch vulkanische Aktivitat und mehrfache Veranderungen der Hohe des Meeresspiegels Regression und Transgression bildete sich eine flache Lagune die vom Meer durch neu entstandene Dunen getrennt wurde und durch den Sedimenteintrag aus den Bergen allmahlich verlandete Die Ebene weist ein nur sehr schwaches Gefalle vom Nordwesten nach Sudosten hin auf fallt also zu den Bergen hin etwas ab Teile der Flache liegen heute knapp unter dem Meeresspiegel Die Versumpfung der Ebene seit der Antike Bearbeiten nbsp Sonnenuntergang uber den Pontinischen Sumpfen Gemalde von August Kopisch Die Pontinische Ebene wurde ursprunglich wohl von lateinischen Stammen besiedelt die gegen 500 v Chr vom Volksstamm der Volsker verdrangt wurden Plinius berichtet dass die Pontinische Ebene im 5 Jahrhundert v Chr eine bluhende Kulturlandschaft gewesen sei Titus Livius uberliefert die Namen von 33 Stadten darunter Suesse Pometia die reiche sagenumwobene Hauptstadt deren genaue Lage bis heute nicht geklart werden konnte Handelsbeziehungen mit Rom aus dieser Zeit belegen dass die Volsker auch Getreide anbauten und dabei Uberschusse fur den Verkauf produzierten sie konnten also die dafur notwendige durch die Topographie schwierige Entwasserung des Gebietes in grosserem Massstab bewerkstelligen In der Mitte des 4 Jahrhunderts v Chr wurde die Gegend von den Romern nach langen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Volskern unterworfen 357 v Chr entstand die Tribus Pomptina der Name ist von Pometia abgeleitet es wurden Kolonisten angesiedelt und 321 v Chr die Via Appia als direkte Verbindung nach Rom gebaut 1 In den folgenden Jahrhunderten versumpfte die Pontinische Ebene zunehmend vermutlich kamen dabei mehrere Faktoren zusammen Zu den Zerstorungen durch die kriegerischen Auseinandersetzungen durch die Teile der Ebene verlassen wurden und brach lagen kam die Unerfahrenheit der neuen Siedler die nicht mehr das Wissen besassen die Entwasserungsanlagen der Volsker weiter zu betreiben Hinzu kam sehr wahrscheinlich auch der Kahlschlag und Raubbau an den Waldern auf den Bergen im Osten Wegen ihres enormen Holzbedarfs fur den Schiffbau und die romische Warmwasserheizung holzten die Romer den Waldbestand auf den Berghangen systematisch ab mit der Folge dass jeden Winter und Fruhling der Humusboden durch die Bodenerosion von zahllosen Bachen in die Ebene gespult wurde Die Bergkette besteht aus Kalkstein der bis zur Zerstorung der Vegetationsschicht durch seine zahlreichen Klufte und Spalten grosse Wassermassen absorbieren und zeitverzogert uber einen langeren Zeitraum durch die Quellen am Fuss des Gebirges wieder abgeben konnte Die drei Flusse Sisto Uffente und Amazone mussten nun zu Hochwasserzeiten sehr viel mehr Wasser aufnehmen sie wechselten haufig ihr Bett und uberfluteten grossere Flachen Da es aus der Ebene nur bei Terracina einen einzigen Abfluss ins Meer gibt stauten sich bei Hochwasser und bei sturmischer See die Wassermassen in das Landesinnere zuruck Ausserdem werden ein Anstieg des Meeresspiegels und eine allgemeine Zunahme der Niederschlage im Rahmen von Klimaveranderungen als Ursachen fur die zunehmende Versumpfung genannt 2 Die tropische Anopheles Mucke Ubertragerin der Malaria breitete sich aus Da sie die ganze Ebene verseuchte machte die todliche Krankheit die Ebene weit uber das eigentliche Sumpfgebiet hinaus unbewohnbar Um das Jahr 1900 war die Ebene weitgehend entvolkert Die Trockenlegung BearbeitenErste Versuche der Trockenlegung Bearbeiten nbsp In den pontinischen Sumpfen Gemalde von Arnold Bocklin 1851Bereits Caesar einige Kaiser nach ihm sowie mehrere Papste Landesherren des Kirchenstaats und auch Napoleon versuchten die Sumpfe trockenzulegen Alle Versuche scheiterten Keinem gelang es die Bodengewasser und die zustromenden Wassermassen abzuleiten Alle Plane gingen davon aus dass alles Wasser in der tiefsten Rinne der Ebene gesammelt werden musse um es ins Meer abfliessen zu lassen Da damals keine ausreichenden Pumpkapazitaten zur Verfugung standen erwiesen sich die Plane als technisch undurchfuhrbar Am 17 Februar 1787 besuchte Goethe mit seinem Malerfreund Tischbein die Sumpfe und berichtet in seinem Buch Italienische Reise dass sie kein so ubles Aussehen haben als man sie gemeiniglich in Rom beschreibt Er interessiert sich fur die Trockenlegungsversuche nach seiner Beobachtung ein grosses und weitlaufiges Unternehmen Wahrscheinlich gewann er wie der Germanist Dieter Richter schrieb 3 hier die Anregung zu der Szene Grosser Vorhof des Palasts in seinem Faust II Ein Sumpf zieht am Gebirge hin verpestet alles schon errungene den faulen Pfuhl auch abzuziehn das Letzte war das Hochsterrungene Eroffn ich Raume vielen Millionen Verse 11559 62 Fedor von Donat und die Pontinische Syndikats GmbH am Ende des 19 Jahrhunderts Bearbeiten Ende des 19 Jahrhunderts hatte ein preussischer Offizier Major Fedor Maria von Donat 1847 1919 die entscheidende Idee Er entwickelte den Plan einen Ringkanal anzulegen der am Fuss des Gebirges bis zu einem Dunendurchstich in der Hohe von Terracina fuhren und die Zuflusse aus den Bergen auffangen sollte bevor sie die Ebene erreichten Danach wollte er innerhalb von funf Jahren die Sumpfe austrocknen indem er das Bodenwasser uber ein Kanalsystem durch Pumpwerke hoch ins Meer druckte Die dafur notige Elektrizitat plante er durch Talsperren im Gebirge mit Wasserkraftwerken zu gewinnen Das Deutsche Patentamt patentierte das Projekt unter der Nummer 17 120 Donat publizierte in Rom und Berlin seine Idee 4 Es gelang ihm Emil Rathenau fur sein Vorhaben zu gewinnen der als Generaldirektor der AEG in Berlin ein Interesse an dem Marktpotential fur elektrische Investitionsguter hatte Rathenau und einige Berliner Industrielle und Finanziers grundeten 1900 die Pontinische Syndikats GmbH 70 Millionen Goldmark wurden fur das Entwicklungsprojekt der Trockenlegung bereitgestellt Voraussetzung war dass von italienischer Seite ein ahnlich hoher Betrag aufgewendet werden wurde 5 1898 hatte Fedor von Donat seinen Abschied als Bataillonskommandeur genommen und war mit seiner Familie nach Rom umgezogen Dort warb er fur sein Vorhaben bei der Regierung den vier Grossgrundbesitzern den Finanzkreisen und im Vatikan Er pachtete in Terracina 240 Hektar Sumpf und legte in der Tenuta Ponte Maggiore ein Mustergut an Mit Hilfe von drei durch Ochsen getriebenen altagyptischen Gopelwerken bonifizierte er das Land das eine hohe Bodenqualitat von uber 70 Punkten aufwies und fuhrte den Nachweis dass drei Ernten im Jahr moglich waren Seine 80 Arbeiter schutzte er durch eine tagliche Dosis Chinin vor der Malaria Er lud die romischen Korrespondenten zu Pressebesuchen auf sein Gut ein 1902 erschienen in den grossen uberregionalen deutschen Zeitungen aber auch im Ausland lange Artikel uber dieses Entwicklungsprojekt oft getragen von nationalem Stolz 6 Donat argumentierte vor allem mit der Ausrottung der Malaria im Umland der Hauptstadt da die Malaria die Ausdehnung Roms nach Suden verhinderte und mit dem Zugewinn einer neuen Provinz fur Italien ohne einen Kolonialkrieg fuhren zu mussen Die Urbanisierung der Sumpfe konne 200 000 Italiener vor der Auswanderung bewahren Donats Plan scheiterte Diesmal war es nicht die technische Unzulanglichkeit wie bei den Vorgangern sondern politische Erwagungen standen der Realisierung entgegen Die liberale Regierung zogerte und gab dem Norden den Vorzug wo in der Po Ebene grosse Sumpfgebiete trockengelegt werden mussten Der heftige Widerstand der vier Grossgrundbesitzer ergab sich aus der notigen Enteignung und Verpachtung eines Grossteils ihres Sumpflandes an das deutsche Syndikat Wahrscheinlich machten auch die Deutschen uberzogene Erwartungen an der Gewinnbeteiligung geltend Jedenfalls verschleppte der Ko Finanzier die von dem deutschen Bankier Otto Joel geleitete Banca Commerciale in Mailand standig die Aufnahme der Arbeiten Donat der seine Lobby Arbeit und das Gut auf eigene Rechnung betrieb hatte 1903 das Vermogen seiner Frau in Hohe von 75 000 Goldmark aufgebraucht und kehrte mittellos nach Deutschland zuruck Das Pontinische Syndikat wurde am 4 September 1914 aufgelost Damit endete ein vorzeitiger aber kuhner Versuch einer transnationalen Gemeinschaftsinvestition um neues Land zu erschliessen Trockenlegung 1930 1940 Bearbeiten 1930 liess der faschistische Diktator Benito Mussolini die Arbeiten zur Trockenlegung des Gebiets nach Donats Planen wiederaufnehmen in knapp 10 Jahren wurden etwa 840 Quadratkilometer Land landwirtschaftlich nutzbar gemacht Mussolini instrumentalisierte das Arbeitsbeschaffungsprogramm ahnlich wie Adolf Hitler ab 1933 den Autobahnbau fur propagandistische Zwecke so liess er sich haufig zwischen den Arbeitern mit nacktem Oberkorper und Schaufel in der Hand fotografieren Im Zuge der Urbarmachung entstanden auch die citta nuove neue Stadte Littoria heute Latina 1932 Sabaudia 1933 34 Pontinia 1934 35 Aprilia 1936 37 und Pomezia 1938 39 als neue regionale Verwaltungszentren Centri comunali agricoli In Pontinia liess Mussolini in Anerkennung seiner Leistungen eine Strasse nach Donat benennen Besiedelt wurde das damals nahezu menschenleere Gebiet durch arme in der Landwirtschaft zumeist unerfahrene Familien aus der Emilia Romagna woraus sich viele der wirtschaftlichen Fehlschlage der ersten Jahre erklaren Ein Ruckschlag war die erneute Flutung eines Teiles der Ebene durch die deutsche Wehrmacht im Spatsommer 1943 die damit nach der Landung der Alliierten in Sizilien deren Vormarsch auf Rom behindern wollte Eine Bewertung dieser Massnahme als einzigem Fall von biologischer Kriegsfuhrung im Zweiten Weltkrieg durch eine geplante Auslosung von Malaria Epidemien konnte durch neuere Untersuchungen entkraftet werden 7 Schon bald nach Kriegsende wurden die Entwasserungsanlagen wieder instand gesetzt Heute durchzieht ein Kanalsystem das trockengelegte Gebiet Angebaut werden hauptsachlich Weizen Obst und Wein In der Provinz Latina die in etwa die damals trockengelegten und zuvor weitgehend unbewohnten Gebiete umfasst lebten 2012 etwa 550 000 Menschen Literatur BearbeitenFedor Maria von Donat Uber die Pontinischen Sumpfe In Verhandlungen Gesellschaft fur Erdkunde zu Berlin Bd 19 1892 S 186 202 online verfugbar Steen Bo Frandsen Syd for Rom Kampen mod De pontinske sumpe Forlaget Tidsskriftet Sfinx Aarhus 2006 ISBN 87 89632 38 9 Ester Van Joolen Archaeological land evaluation a reconstruction of the suitability of ancient landscapes for various land uses in Italy focused on the first millennium BC Dissertation Universitat von Groningen 2003 englisch online verfugbar Anatolio Linoli Twenty six Centuries of Reclamation amp Agricultural Improvement on the Pontine Marshes In Christof Ohleg Hrsg Integrated Land and Water Resources Management in History Schriften der Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft DWhG Sonderband 2 Siegburg 2005 englisch S 27 56 online verfugbar Memento vom 16 Juli 2011 im Internet Archive Luigi Monzo Croci e fasci Der italienische Kirchenbau in der Zeit des Faschismus 1919 1945 2 Bde Karlsruhe 2017 Dissertation Karlsruher Institut fur Technologie 2017 S 894 900 Kirchenbau in den Neustadtgrundungen der Pontinischen Ebene Graf von Rossi Wanderung in den Pontinischen Sumpfen In Westermanns Illustrirte Deutsche Monatshefte Bd 30 2 Nr 82 Juli 1871 S 399 405 mit Abb online verfugbar Daniela Spiegel Die neuen Stadte in den Pontinischen Sumpfen In Aram Mattioli Gerald Steinacher Fur den Faschismus bauen Architektur und Stadtebau im Italien Mussolinis Orell Fussli 2009 S 111 139 ISBN 9783280061152 Hugo Webinger Ninfa das Pompeji der Pontinischen Sumpfe Mit drei Illustrationen nach photographischen Aufnahmen In Reclams Universum Moderne illustrierte Wochenschrift Bd 27 2 1911 S 1149 1152 Weblinks BearbeitenJohann Wolfgang von Goethe Italienische Reise 23 Februar 1787 Von Velletri durch die pontinischen Sumpfe nach Fondi abgerufen am 5 Februar 2011 Eintrag in Meyers Konversations Lexikon Pontinische Sumpfe 6 Auflage 1908 bei Zeno org abgerufen am 4 Februar 2011 Pometia und der ager Pomtinus Beitrag auf der Basis des Kleinen Pauly abgerufen am 4 Februar 2011 Jutta Asse Georg Jager Pontinische Sumpfe Bilder und Texte auf dem Portal Italiensehnsucht in der Goethezeit Anmerkungen Bearbeiten Ager Pomptinus In Der Neue Pauly Band 1 1996 Pomptinus ager In Der Kleine Pauly Band 4 1972 O A W Dilke Margaret S Dilke Terracina and the Pomptine Marshes In Greece amp Rome Second Series Band 8 Nummer 2 1961 S 172 173 Antonio Linoli Twenty six Centuries of Reclamation amp Agricultural Improvement on the Pontine Marshes 1991 S 30 Dieter Richter Goethe in Neapel Wagenbach Berlin 2012 S 21f Fedor Maria von Donat Le Paludi Pontine Rom 1886 Deutsch Die Pontinischen Sumpfe Berlin 1892 Cassel 1898 Fedor Maria von Donat Uber die Pontinischen Sumpfe In Verhandlungen der Gesellschaft fur Erdkunde zu Berlin Band 19 1892 S 186 202 Universitatsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main 2009 DNB 1147330239 Der Grosse Brockhaus Leipzig 1908 Band 13 S 270 Bogdan von Hutten Czapski Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft Mittler Berlin 1936 DNB 560589832 Otto Julius Bierbaum Eine empfindsame Reise im Automobil im Projekt Gutenberg DE Berlin 1903 S 194 Frank Martin Snowden The Conquest of Malaria Italy 1900 1992 Yale University Press New Haven London 2006 ISBN 0 300 25646 9 Erhard Geissler Jeanne Guillemin German flooding of the Pontine Marshes in World War II Biological warfare or total war tactic In Politics and the Life Sciences Band 29 Nummer 2 2010 S 2 23 41 4344 12 9933 0 Koordinaten 41 26 N 13 0 O Normdaten Geografikum GND 4046764 8 lobid OGND AKS VIAF 315526877 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pontinische Ebene amp oldid 238108264