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Die polizeirechtliche bzw polizei und ordnungsrechtliche Generalklausel ist im deutschen Polizeirecht ein Auffangtatbestand der Massnahmen der Gefahrenabwehr ermoglicht wo keine spezielleren Eingriffsermachtigungen z B Standardmassnahmen wie Platzverweisung Gewahrsam Identitatsfeststellung bestehen Inhaltsverzeichnis 1 Terminologie und Geschichtliches 2 Inhalt 3 Die Generalklausel im System der Gefahrenabwehr 4 Bedeutung 5 Schweiz 6 Einzelnachweise 7 WeblinksTerminologie und Geschichtliches BearbeitenWeil in Deutschland die Gesetzgebungskompetenz fur das Gefahrenabwehrrecht nach Art 70 GG bei den Landern liegt finden sich polizeiliche Generalklauseln vor allem im Landesrecht Wegen des unterschiedlichen Polizeibegriffs sind verschiedene Bezeichnungen ublich In manchen Landern bezeichnet man einer alteren Terminologie folgend die gesamte Gefahrenabwehr als Polizei Polizeivollzugsdienst und Polizeibehorden in anderen versteht man darunter nur die uniformierte Polizei Demnach spricht das Landesrecht teils von der polizeilichen Generalklausel teils von der polizei und ordnungsrechtlichen Generalklausel ohne dass damit sachliche Unterschiede verbunden waren Die Generalklauseln finden sich mit leicht abweichendem Wortlaut in den Polizei bzw Sicherheits und Ordnungsgesetzen der Lander z B 1 3 PolG BW 8 PolG NRW 11 NdsSOG 9 Abs 1 S 1 PolG RLP 14 OBG NRW 14 BPolG Sie gehen zuruck auf 14 des Preussischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931 Die Polizeibehorden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemassem Ermessen notwendigen Massnahmen zu treffen um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren durch die die offentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird Diese Norm wiederum beruht auf Paragraph 10 II 17 ALR in der Beschrankung auf die Gefahrenabwehr die er durch das wegweisende Kreuzbergurteil des Preussischen Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1882 erhalten hat Nach Paragraph 10 II 17 ALR gehorte auch die Erhaltung der offentlichen Ruhe zu den polizeilichen Aufgaben die heute nicht mehr ausdrucklich erwahnt wird Die Generalermachtigung zum Zweck der Gefahrenabwehr wurde nicht nur in Preussen sondern daruber hinaus in ganz Norddeutschland pragend fur die allgemeine Handlungsvollmacht der Polizei Hingegen war in Suddeutschland Bayern Baden und Wurttemberg das Polizeirecht gekennzeichnet durch eine enge Verbindung zum Strafrecht Hier waren etwa seit der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts Polizeistrafgesetzbucher massgebend wonach die Polizei nur auf der Grundlage von Spezialdelegationen tatig werden konnte sogenanntes suddeutsches System 1 Im Nationalsozialismus wurde die polizeiliche Generalklausel 14 Preussisches Polizeiverwaltungsgesetz durch Lehre und Rechtsprechung vielfach ideologisch umgedeutet so dass sich der exekutive Handlungsspielraum der Sicherheitsbehorden auf ein weites gesellschaftliches Betatigungsfeld erstreckte Dabei wurde insbesondere das unbestimmte Schutzgut offentliche Ordnung als Einbruchstelle fur antiliberale Zielsetzungen missbraucht Die Folge war eine Verpolizeilichung von immer mehr Lebensbereichen auf Kosten der Freiheit des einzelnen und des Rechtsschutzes Fur den Staatsschutzsektor Politische Polizei war allerdings nicht die Generalklausel sondern nur die Notverordnung vom 28 Februar 1933 massgeblich 2 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Westdeutschland und West Berlin an die rechtsstaatliche Tradition vor 1933 wieder angeknupft Dabei orientierten sich die Landespolizeigesetze auffallig am Preussischen Polizeiverwaltungsgesetz von 1931 dessen System der Generalklausel nunmehr auch in den suddeutschen Landern nach und nach Eingang fand 3 In das allgemeine Polizeirecht der DDR wurde eine allerdings modifizierte Generalklausel ubernommen die uber die Gefahrenabwehr hinaus als weitere Aufgabe explizit den Schutz der sozialistischen Staats und Gesellschaftsordnung festlegte 1 des Gesetzes uber die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei von 1968 Damit stand der Volkspolizei ein umfassender Raum fur Eingriffsmoglichkeiten offen Erst nach dem Zusammenbruch des SED Regimes konnte eine an rechtsstaatlichen Massstaben orientierte Generalklausel in den Polizeigesetzen der neuen Bundeslander zum Wirken kommen 4 Inhalt BearbeitenEine typische polizeiliche Generalklausel findet sich in den 1 3 PolG Baden Wurttemberg 1 Allgemeines 1 Die Polizei hat die Aufgabe von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren durch die die offentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird und Storungen der offentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen soweit es im offentlichen Interesse geboten ist Sie hat insbesondere die verfassungsmassige Ordnung und die ungehinderte Ausubung der staatsburgerlichen Rechte zu gewahrleisten 3 Polizeiliche Massnahmen Die Polizei hat innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Massnahmen zu treffen die ihr nach pflichtmassigem Ermessen erforderlich erscheinen Deutlich wird hier die Trennung von Aufgabenzuweisungs 1 PolG BW und Befugnisnorm 3 PolG BW Zunachst wird der Polizei die Polizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr und Storungsbeseitigung zugewiesen Gefahr ist jede Sachlage die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Schutzguter fuhrt Schutzguter sind die Offentliche Sicherheit Unverbruchlichkeit der Rechtsordnung Schutz der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und der Rechte Dritter und die offentliche Ordnung Soweit es zur Erfullung dieser Aufgabe des Eingriffs in Grundrechte bedarf genugt diese Aufgabenzuweisung dafur nicht Es bedarf vielmehr nach dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes einer gesetzlichen Eingriffsermachtigung Diese ist 3 PolG BW Demnach hat die Polizei bei der Gefahrenabwehr nach pflichtgemassem Ermessen vorzugehen Opportunitatsprinzip anders bei der Strafverfolgung vgl Legalitatsprinzip Das Ermessen wird insbesondere durch das Ubermassverbot determiniert und ist gerichtlich nachprufbar Die Generalklausel im System der Gefahrenabwehr BearbeitenExistiert eine spezielle Eingriffsbefugnis etwa nach dem Versammlungsgesetz verbietet sich der Ruckgriff auf die Generalklausel nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali soweit der Anwendungsbereich der Spezialbefugnis reicht Ausserhalb ihres Anwendungsbereiches soll die Spezialbefugnis ebenfalls Sperrwirkung entfalten konnen Dabei ist umstritten unter welchen Voraussetzungen das der Fall sein kann Nach einer Ansicht kommt es auf die Intensitat des Eingriffs an nach anderer Ansicht auf die Typizitat bzw Atypizitat der Massnahme 5 Speziellere Normen sind auch die Generalklauseln des Sonderpolizeirechts etwa solche des Bauordnungsrechts Baupolizeirechts Nur wenn alle diese Eingriffsbefugnisse nicht einschlagig sind kommt die polizeiliche Generalklausel zur Anwendung Bedeutung BearbeitenDie gesetzliche Bindung der polizeilichen Gewalt war ein bedeutender Schritt zum Rechtsstaat denn die Massnahmen der Gefahrenabwehr belasten den Storer teils erheblich Wunschenswert ware es die Voraussetzungen moglichst genau zu bezeichnen Fur typische Standardmassnahmen ist das geschehen Der Gesetzgeber kann aber nicht alle Konstellationen voraussehen die sich stellen und zur effektiven Gefahrenabwehr bewaltigt werden mussen Dafur stellt die Generalklausel einen Kompromiss dar Bis in die 1980er Jahre erfolgte z B ein grosser Teil der Datenerhebung Datenspeicherung und des Datenabgleichs auf Grundlage der polizei und ordnungsrechtlichen Generalklauseln Mit Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszahlung wurden hier aber spezialrechtliche Normen eingefordert und inzwischen in allen Landern auch erlassen Damit ist ein Ruckgriff auf die Generalklausel jedenfalls jetzt versperrt Aus diesem Grund und weil die Regelungsdichte der Eingriffsbefugnisse in Deutschland sehr tief geht stellt eine Berufung auf die polizei und ordnungsrechtlichen Generalklauseln eine Ausnahme dar Im Alltag der Polizei und Ordnungsbehorden bleiben die auf die Generalklausel gestutzten Massnahmen gleichwohl vielgestaltig insbesondere weil immer wieder neue Gefahrenlagen auftreten In der Literatur werden als Massnahmen die auf die polizei und ordnungsrechtlichen Generalklauseln gestutzt werden etwa genannt 6 Abschalten von Kernkraftwerken bei drohendem terroristischem Angriff Anordnung der Durchfuhrung eines Fussballspiels um weitere todliche Ausschreitungen zu verhindern so geschehen 1985 im Heysel Stadion zu Brussel Abschleppen von behindernden Kraftwagen Vorgehen gegen Drogen und Alkoholmissbrauch Obdachlosigkeit aggressives Betteln und provozierende Nacktheit im offentlichen Raum Meldeauflagen fur gewalttatige Extremisten und Fussballfans Verbot kommerzieller Sterbehilfe Gefahrderanschreiben bzw GefahrderansprachenZur Durchsetzung derartiger Massnahmen ist die Polizei zur Ausubung des unmittelbaren Zwanges berechtigt Dem Wesen der Generalklausel entsprechend muss offenbleiben welche Handlung Duldung oder Unterlassung von dem Betroffenen genau verlangt werden kann Damit soll die staatliche Vorsorge gewahrt werden dass die Polizei oder die sonstigen Ordnungsbehorden wie Gesundheitsamter Bauaufsicht Jugendamter auch auf neue Gefahrentatbestande die einen ganz neuen Eingriff erfordern adaquat reagieren konnen Das Bundesverfassungsgericht entschied dass d ie Verwendung der polizeirechtlichen Generalklausel unter diesem verfassungsrechtlichen Aspekt dem Bestimmtheitsgebot unbedenklich ist weil sie in jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt Zweck und Ausmass hinreichend prazisiert in ihrer Bedeutung geklart und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist BVerfGE 54 143 144 f 7 Schweiz BearbeitenDie Polizeiliche Generalklausel ist im Schweizer Recht in Artikel 36 Absatz 1 der Bundesverfassung geregelt Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel erfordert die folgenden Voraussetzungen Es darf keine andere Rechtsgrundlage vorliegen Grundsatz der Subsidiaritat Es muss eine unmittelbare und schwere Gefahr fur Leib Leben Gesundheit oder Sachen vorliegen Die Gefahr darf nicht anders abwehrbar sein Es durfen nur so lange Massnahmen darauf gestutzt werden als dies zwingend notwendig ist zur Abwehr der Gefahr Die Gefahr darf nicht vorhersehbar sein da der Gesetzgeber ansonsten gezwungen ware eine entsprechende Regelung zu treffen wenn er dieser Gefahr begegnen mochte In einem neuen nicht unumstrittenen Urteil Vor Publikation am 15 Juli 2011 hat das schweizerische Bundesgericht den Kriterienkatalog um den Begriff gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht erweitert Damit wird einer Massnahme der Bankenaufsicht Finma Rechnung getragen welche es auf Druck der US Steuerbehorden und gestutzt auf das Einverstandnis der Schweizer Regierung zuliess entgegen der Zielsetzung des Bankgeheimnisses Daten einer grossen Anzahl potenzieller amerikanischer Steuerhinterzieher mit Konten Depots bei der Schweizer Grossbank UBS an die US Behorden zu ubermitteln Das Bundesgericht sieht entgegen der Vorinstanz eine Anwendbarkeit der Klausel aufgrund der sehr grossen volkswirtschaftlichen Bedeutung der UBS fur die Schweiz im Sinne der Problematik des Too big to fail Der UBS hatte so die Argumentation bei der von den USA im Falle einer Auslieferungs Verweigerung angedrohten Anklageerhebung der Konkurs gedroht was aufgrund der Bedeutung der UBS einer Bedrohung der schweizerischen Volkswirtschaft gleichgekommen ware 8 9 Einzelnachweise Bearbeiten Franz Ludwig Knemeyer Polizei und Ordnungsrecht 8 Aufl Munchen 2000 1 Rn 5 6 mit weiteren Hinweisen Andreas Schwegel 70 Jahre Preussisches Polizeiverwaltungsgesetz Anmerkungen zur Genesis und Wirkungsgeschichte der Generalklausel 14 PVG unter besonderer Berucksichtigung der NS Zeit in Archiv fur Polizeigeschichte 2001 S 79 89 Volkmar Gotz Die Sorge fur die offentliche Sicherheit und Ordnung in Jeserich Pohl von Unruh Hrsg Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd 5 Stuttgart 1987 S 447 450 Franz Ludwig Knemeyer Polizei und Ordnungsrecht 8 Aufl Munchen 2000 1 Rn 16 17 Bodo Pieroth Bernhard Schlink Michael Kniesel Polizei und Ordnungsrecht 3 Aufl 2005 C H Beck Munchen 7 Rn 16 21 mit naheren Erlauterungen ISBN 3 406 53891 6 Vgl Bodo Pieroth Bernhard Schlink Michael Kniesel Polizei und Ordnungsrecht 3 Auflage C H Beck Munchen 2005 7 Rn 13 ISBN 3 406 53891 6 BVerfGE 54 143 144 f 23 Mai 1980 Berner Zeitung vom 16 Juli 2011 Echo der Zeit von Schweizer Radio DRS vom 15 Juli 2011Weblinks Bearbeitenhttp www polizeirecht sachsen deBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Polizei und ordnungsrechtliche Generalklausel amp oldid 228153763