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Vorbehalt des Gesetzes bedeutet dass belastende Hoheitsakte nur aufgrund einer gesetzlichen Rechtsgrundlage ergehen durfen Soweit ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschrankt werden kann muss das Gesetz allgemein und nicht nur fur den Einzelfall gelten Verbot des Einzelfallgesetzes Art 19 Abs 1 Satz 1 GG Der Vorbehalt des Gesetzes geht uber die Rechtsbindungswirkung der Rechtsstaatlichkeit hinaus denn es geht darum ob die Verwaltung in einer bisher ungeregelten Rechtsmaterie von sich aus tatig werden darf oder abwarten muss bis die Materie gesetzlich geregelt ist Der Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes wird zumeist aus Art 20 Abs 3 GG hergeleitet Das Bundesverfassungsgericht hat zur Reichweite des parlamentarischen Vorbehaltes die Wesentlichkeitstheorie geschaffen Der Vorbehalt des Gesetzes ist nicht mit dem Gesetzesvorbehalt zu verwechseln Analoge Grundsatze gibt es im osterreichischen und dem Schweizer Recht mit dem Legalitatsprinzip Inhaltsverzeichnis 1 Funktionen 2 Entwicklung in Deutschland Wesentlichkeitsgrundsatz 3 Abgrenzung zum Gesetzesvorbehalt 4 Anwendbarkeit auf die Judikative 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseFunktionen BearbeitenEiner der wohl altesten Vorbehalte stammt aus dem 19 Jahrhundert Nulla poena sine lege Keine Strafe ohne Gesetz Zunachst stand die Fixierung und Verlasslichkeit solcher Regeln im Vordergrund materieller Gesetzesbegriff und dieser Rechtssatz wurde vielfach sprachlich und normativ erweitert und spezifiziert nulla poena sine lege scripta Strafandrohung durch geschriebenes Gesetz nulla poena sine lege praevia gesetzliche Strafandrohung vor Begehung der Tat Ruckwirkungsverbot nulla poena sine lege certa Bestimmtheit des Strafgesetzes nulla poena sine lege stricta Verbot von Analogien uber den Wortlaut des Gesetzes hinaus Der Vorbehalt des Gesetzes ist ein zentrales Instrument zur Sicherung von Grundrechten Gerade die Idee von dauerhaften und besonders abgesicherten Rechtspositionen wie den Burger und Grundrechten kann funktional nur umgesetzt werden mit einem solchen Vorbehalt Dies betrifft sowohl die Modifizierung von Grundrechten als auch die Regelung zulassiger Eingriffe in diese Rechtspositionen und ihre Rechtfertigung In der modernen Gesetzgebung ist der Vorbehalt auch auf den formellen Gesetzesbegriff erweitert und bewirkt in einer komplexen Staatsorganisation vielfaltige Effekte funktionale Kompetenzzuweisung Durch das Prinzip der Gewaltenteilung kann nur der Gesetzgeber bestimmte Fragen regeln die Exekutive und die Justiz werden zu blossen Rechtsanwendern ohne weitere materielle Kompetenz In einer Demokratie bedeutet Vorbehalt des Gesetzes zugleich Parlamentsvorbehalt Demokratieprinzip Nur das Volk kann die Reichweite von Grundrechten bestimmen die Obrigkeit ist davon ausgeschlossen Kodifizierung in der Verfassung Einmal in den Verfassungstext aufgenommen wird die Dauerhaftigkeit von Grundrechtspositionen erhoht da nur der Verfassungsgesetzgeber mit qualifizierten Mehrheiten weitere Anderungen vornehmen kann Kopplung mit dem Rechtsstaatsprinzip In einer Demokratie ist jede Frage der demokratischen Mehrheitsentscheidung zuganglich und so kann eine Gruppe essenzielle Positionen verlieren wenn andere sich daruber einigen Diese Macht wird beschrankt durch die Bindung an bestimmte ihrerseits unveranderliche Prinzipien Mit dem Vorbehalt des Gesetzes darf nicht das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes verwechselt werden Der Vorrang des Gesetzes regelt nicht wann ein Gesetz erforderlich ist sondern bestimmt nur dass ein bestehendes Gesetz anderen Normen wie Verordnungen Satzungen Verwaltungsvorschriften sowie weiteren Regelungen wie Erlass Verwaltungsakt Beschluss Urteil vorgeht und Exekutive bzw Justiz bindet Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes bilden den Grundsatz der Gesetzmassigkeit von Verwaltung und Justiz Entwicklung in Deutschland Wesentlichkeitsgrundsatz BearbeitenIn Deutschland ist der Vorbehalt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes um einen weiteren Aspekt erweitert worden Die Gefahr fur den Burger geht im sozialen Rechtsstaat weniger von einer Verwaltung aus die in seine Rechte eingreift status negativus Mehr als den Polizisten der ihn grundlos in Gewahrsam nimmt furchtet er nicht die staatlichen Leistungen zu erhalten deren er bedarf wie Arbeitslosengeld Rente BAFoG Kindergeld o a generell also um seine Leistungsrechte status positivus Dies sichern aber die klassischen Gesetzesvorbehalte gegen Eingriffe nicht Es stellte sich also die Frage ob es ausreichend ist dass nur die Eingriffsverwaltung einer gesetzlichen Grundlage bedarf Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee hatte ursprunglich geplant Im Hinblick auf die Erfahrungen der jungsten Vergangenheit an den Anfang des Abschnitts uber die Gesetzgebung einen ausfuhrlichen Vorbehalt des Gesetzes zu stellen Der erste Artikel dieses Abschnitts beginnt daher mit den Worten Jede Ausubung der Staatsgewalt bedarf der Grundlage im Gesetz Entgegen diesem ersten Entwurf enthalt das Grundgesetz aber keinen ausdrucklichen Vorbehalt des Gesetzes Nicht durchgesetzt hat sich deshalb die Ansicht die fur alles Handeln der Leistungsverwaltung eine Gesetzesgrundlage fordert Totalvorbehalt 1 Das Verfassungsgericht geht vielmehr mit dem Wesentlichkeitsgrundsatz einen Mittelweg Der Vorbehalt des Gesetzes umfasst demnach nicht nur die herkommlichen Vorbehalte sondern daruber hinaus mussten alle wesentlichen Fragen vom Gesetzgeber selbst geregelt werden 2 Als entscheidender Fortschritt dieser Rechtsauffassung ist es anzusehen dass der Vorbehalt des Gesetzes von seiner Bindung an uberholte Formeln Eingriff in Freiheit und Eigentum gelost und von seiner demokratisch rechtsstaatlichen Funktion her auf ein neues Fundament gestellt wird auf dem aufbauend Umfang und Reichweite dieses Rechtsinstituts neu bestimmt werden konnen Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet somit wesentlich in der Regel wesentlich fur die Verwirklichung der Grundrechte BVerfGE 47 46 78f Diese Konzeption findet Vorlaufer bereits in der rechtswissenschaftlichen Literatur des 19 Jahrhunderts 3 Obgleich sie einer gewissen Unbestimmtheit nicht entbehrt Wesentlich ist was das Gericht dafur halt ist sie heute herrschend und wird in der Praxis nicht mehr in Frage gestellt Der Vorbehalt des Gesetzes erschopft sich damit nicht in der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage fur Grundrechtseingriffe Gesetzesvorbehalt sondern verlangt daruber hinaus dass alle wesentlichen Fragen vom Parlament selbst entschieden und nicht anderen Normgebern uberlassen werden 4 Daraus ergibt sich ein Verbot in diesen Fragen die Rechtsetzung an andere Organe zu delegieren Auf diese Weise soll in funktionaler Hinsicht sichergestellt werden dass derartige Regelungen aus einem Verfahren hervorgehen das sich durch Transparenz auszeichnet die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewahrleistet und auch den Betroffenen und dem Publikum Gelegenheit bietet ihre Auffassungen zu bilden und zu vertreten 5 Als wesentlich sind dabei Regelungen zu verstehen die fur die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben 6 Abgrenzung zum Gesetzesvorbehalt BearbeitenDer Vorbehalt des Gesetzes ist nicht deckungsgleich mit dem Gesetzesvorbehalt Gesetzesvorbehalt ist eine Technik zur materiellen Einschrankung von Grundrechten durch eine gesetzliche Klausel die zugleich die Ermachtigungsgrundlage fur den einfachen Gesetzgeber ist Eingriffstatbestande selbst zu regeln ohne dass etwa eine Verfassungsanderung notwendig ist Dies kann in allgemeiner Form erfolgen In diese Rechte darf eingegriffen werden Art 2 Abs 2 Satz 3 Grundgesetz Oder in qualifizierter Form Dieses Recht darf nur fur die Falle eingeschrankt werden in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen wurden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr fur den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes zur Bekampfung von Seuchengefahr Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglucksfallen zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen erforderlich ist Art 11 Abs 2 GrundgesetzAnwendbarkeit auf die Judikative BearbeitenAuf die dritte Gewalt findet der Vorbehalt des Gesetzes keine Anwendung denn er ist auf das Verhaltnis von Gesetzgebung und Verwaltung zugeschnitten Die Rechtsprechung folgt dagegen einer eigenen genuin juristischen Logik Gerichte konnen daher auch dort wesentliche Entscheidungen treffen wo eine parlamentsgesetzliche Grundlage nicht vorhanden ist 7 Siehe auch BearbeitenStruktur der Rechtsordnung Einschrankung von Grundrechten Vorrang des GesetzesWeblinks BearbeitenDer Vorbehalt des Gesetzes im Europarecht PDF Datei 197 kB Einzelnachweise Bearbeiten Dietrich Jesch Gesetz und Verwaltung Eine Problemstudie zum Wandel des Gesetzmassigkeitsprinzips 2 Auflage Tubingen 1968 ISBN 978 3 16 623002 3 S 175 ff 205 BVerfGE 47 46 78f Vgl Ernst Wolfgang Bockenforde Gesetz und gesetzgebende Gewalt Von den Anfangen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Hohe des staatsrechtlichen Positivismus 1 Auflage Berlin 1958 S 65 ff vgl BVerfGE 83 130 142 152 standige Rechtsprechung vgl BVerfGE 85 386 403 95 267 307 308 vgl BVerfGE 61 260 275 Philipp Lassahn Rechtsprechung und Parlamentsgesetz Tubingen 2017 ISBN 978 3 16 155384 4 S 241 ff Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4020676 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vorbehalt des Gesetzes amp oldid 235173911