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Ein Phytotelma plur Phytotelmata seltener auch Phytotelmen von altgriechisch fyton Pflanze und telma Pfutze ist ein Kleinstgewasser das sich in einer Vertiefung einer lebenden Landpflanze bildet Das Wasser stammt meist vom Regen seltener wird es aktiv von der Pflanze ausgeschieden DendrotelmeDer Begriff Phytotelma wurde 1928 durch den ungarischen Zoologen Lajos Varga in die Fachsprache eingefuhrt 1 Er geriet weitgehend wieder in Vergessenheit seine heutige Verwendung geht wesentlich auf eine Arbeit des US amerikanischen Botanikers Bassett Maguire im Jahr 1971 zuruck 2 Inhaltsverzeichnis 1 Typen von Phytotelmata 2 Lebensbedingungen in Phytotelmata 3 Die Bewohner der Phytotelmata 4 Okologie des Phytotelmas 5 Phytotelmata als Modellsystem der Okologie 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseTypen von Phytotelmata Bearbeiten nbsp Wassergefullter Bromelientrichter mit fruhem Stadium des BlutenstandsMan unterscheidet die folgenden Typen von Phytotelmata Astlocher in Baumen verschiedener Arten Dendrotelme Bambusstangel die hohl sind und in denen sich Regenwasser sammeln kann wenn der Spross abbricht oder abgeschnitten wird Blattachseln konnen manchmal auch betrachtliche Mengen Regenwasser enthalten Beispiele sind die in Mitteleuropa heimischen Karden oder die mittelamerikanischen Helikonien Bromelientrichter viele Bromeliengewachse Bromeliaceae bilden trichterformige Blattrosetten in denen sich Wasser sammelt Kesselfallen in fleischfressenden Pflanzen Nepenthes Cephalotus Sarracenia etc bilden krugformige Blatter in die Beutetiere hineinfallen und nicht mehr herausklettern konnen Der Kessel enthalt eine Flussigkeit die im Gegensatz zu den anderen Phytotelma Typen meist von der Pflanze selbst produziert wird Ausnahme Sarracenia und verwandte Gattungen und vielfach Verdauungsenzyme enthalt Lebensbedingungen in Phytotelmata BearbeitenPhytotelmata sind grundsatzlich weltweit verbreitet allerdings nur in Regionen mit ausreichend hohen Niederschlagen In Mitteleuropa kann man vor allem wassergefullte Astlocher finden Das Lebensalter von Phytotelmata kann sehr stark variieren Astlocher wurden schon uber mehr als zehn Jahre durchgehend beobachtet Auch der Wasserkorper in Bromelientrichtern besteht wahrscheinlich so lange wie die Pflanze lebt Blattachsel und Kannen karnivorer Pflanzen uberdauern hingegen nur etwa eine Vegetationsperiode manchmal trocknen sie aber auch schon sehr viel fruher aus Die Grosse von Phytotelmata schwankt extrem Blattachseln oder die Fallen kleiner fleischfressender Pflanzen enthalten oft kaum 1 Milliliter Wasser grosse Kannen der fleischfressenden Kannenpflanzen Nepenthes oft mehrere Liter grosse Astlocher bis zu 100 Liter Das Wasser in Phytotelmata ist anfangs meist nahrstoffarm da es aus Regen stammt Im Lauf der Zeit fallen Staub oder abgestorbenes Laub hinein beziehungsweise ertrinken Tiere in den Kannen fleischfressender Pflanzen Das Wasser wird daher im Lauf der Zeit immer nahrstoffreicher Die Temperatur des Wassers unterliegt extremen Schwankungen da die geringe Wassermenge Warme schnell aufnimmt oder abgibt Bei starker Erwarmung kann das Wasser auch sehr sauerstoffarm werden In Baumlochern und Bambusstangeln nimmt die Pflanze keinen erkennbaren Einfluss auf die Zusammensetzung des Wassers Bromelien und fleischfressende Kesselfallenpflanzen hingegen entziehen dem Wasser aktiv Nahrstoffe fur die Ernahrung der Pflanze Dafur scheiden fleischfressende Pflanzen haufig Enzyme Detergenzien Sauren oder Radikale in ihre Kannenflussigkeit ab um ihre Beute schneller zu verdauen In Blattachseln finden sich bisweilen geloste Schleime Die Bewohner der Phytotelmata BearbeitenPhytotelmata werden von einer Vielzahl an Organismen besiedelt das Spektrum reicht von Bakterien und Pilzen uber Insekten Milben und Kleinkrebsen bis zu Kaulquappen Wirklich gut erforscht sind heute nur die Insekten Die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft wird von mehreren Faktoren bestimmt Besiedlung Die Bewohner mussen das Phytotelma erreichen konnen Bakterien Pilze Algen Urtierchen und andere sehr kleine Organismen gelangen wahrscheinlich nur durch Zufall in das Phytotelma indem Sporen vom Wind verweht werden oder an Blattern haften die in das Phytotelma fallen Flugfahige Insekten oder Frosche deren Larven sich im Phytotelma entwickeln suchen dagegen ihren Lebensraum aktiv auf Manchmal verschleppen sie dabei ungewollt flugunfahige Phytotelma Bewohner von einem Phytotelma ins nachste Uberleben Die Bewohner mussen in der Lage sein im nahrstoffarmen aber oft enzymhaltigen Wasser des Phytotelmas zu uberleben sie mussen starke Temperaturschwankungen ertragen und die eingeschrankten Nahrstoffquellen nutzen konnen Bakterienfresser konnen etwa erst erfolgreich einwandern wenn sich genug organisches Material im Phytotelma angesammelt hat um Bakterienwachstum zu ermoglichen Rauber konnen erst dann uberleben wenn es bereits eine ausreichende Population an Beutetieren gibt etc Konkurrenzfahigkeit In jungen Phytotelmata uberleben meist alle Organismen welche die obige Bedingung erfullen Mit zunehmendem Alter des Lebensraums kommt es aber immer mehr zu Konkurrenz zwischen den verschiedenen Arten welche einige wieder zum Aussterben bringen kann So zeigte sich etwa dass Fliegenlarven die von Wissenschaftlern in Kannenfallen gesetzt wurden fast alle innerhalb kurzester Zeit von den Alteingesessenen getotet und gefressen wurden Auch innerartliche Konkurrenz ist beschrieben unter anderem beim Pfeilgiftfrosch Ranitomeya reticulata wurde innerartliches Territorialverhalten beobachtet Es dient der Monopolisierung von Phytotelmen als Fortpflanzungsressourcen in welchen die Kaulquappen heranwachsen 3 Verbreitung eine erfolgreiche Phytotelma Art muss schliesslich in der Lage sein ein Phytotelma wieder zu verlassen und ein neues zu besiedeln Insgesamt wurden mehrere hundert Arten als Bewohner von Phytotelmata beschrieben Von besonderer Bedeutung sind die folgenden Organismengruppen nbsp Baumsteigerfrosche wie das giftige Erdbeerfroschchen nutzen die Wasseransammlung in Phytotelmata als Kinderstube fur ihre KaulquappenBakterien Bakterien leben in jedem Phytotelma sie ernahren sich nicht nur von organischer Substanz die hineinfallt sondern betreiben zum Teil auch Photosynthese Einige von ihnen konnen Stickstoff aus der Atmosphare binden dieser kommt dann der Wirtspflanze die das Phytotelma gebildet hat zugute In gut nahrstoffversorgten Phytotelmata kommen mindestens 100 Millionen Bakterien pro Milliliter vor Pilze In den Kannen fleischfressender Pflanzen sind Hefen allgegenwartig zusammen mit Bakterien sind sie am Abbau der Beute beteiligt Hohere fadenformige Pilze sind seltener Vielfach befallen sie auch die Pflanze die das Phytotelma gebildet hat und wirken dann als Krankheitserreger Manche Pilze leben auch als Parasiten auf Tieren die das Phytotelma bewohnen Viele Pilzarten vermogen zwar in einem Phytotelma zu wachsen konnen aber unter Wasser keine Sporen bilden und sich somit nicht fortpflanzen Protozoen kommen auch in den meisten Phytotelmata vor ausgenommen vielleicht die Kannen mancher fleischfressender Pflanzen die allzu aggressive Verdauungsenzyme bilden Es handelt sich meist um haufige Arten die auch verschmutztes Wasser besiedeln besonders haufig sind die Gattungen Bodo Cercomonas Colpoda und Peranema Radertiere neben vielen Arten die nur durch Zufall in Phytotelmata geraten gibt es auch einige die an diesen speziellen Lebensraum angepasst sind etwa Habrotrocha rosa in der fleischfressenden Pflanze Sarracenia purpurea Fliegenlarven sind wahrscheinlich die grosste Gruppe der Phytotelma Bewohner Viele Arten sind ganz auf diesen Lebensraum spezialisiert In der Regel entwickeln sich die Larven im Phytotelma die erwachsenen Tiere leben terrestrisch Da Fliegen in der Regel gute Flieger sind konnen trachtige Weibchen problemlos ein neues Phytotelma suchen und dort ihre Eier ablegen Wenn die Fliegenweibchen nach dem Schlupfen ihr Heimat Phytotelma verlassen bleiben oft Sporen von Bakterien und Pilzen oder Eier von Radertieren oder Milben an ihnen hangen die bei der Eiablage im nachsten Phytotelma wieder abgesetzt werden Kaulquappen Viele tropische Baumsteigerfrosche wie z B das Erdbeerfroschchen 4 platzieren ihre Kaulquappen einzeln in Phytotelmata haufig in die Trichter von Bromelien Damit vermeiden sie jemals die Baumkronen verlassen zu mussen In den Fallen der fleischfressenden Pflanze Nepenthes ampullaria wurden in weniger als 100 ml Flussigkeit mehr als 100 Kaulquappen des erbsengrossen Frosches Microhyla nepenthicola aus der Gattung der Microhyla gefunden 5 Ostrakoden Muschelkrebse der Gattung Elpidium wurden schon 1880 von Fritz Muller von epiphytischen Bromeliaceen aus Brasilien beschrieben Daneben kommen noch Algen Fadenwurmer Ringelwurmer andere Kleinkrebse Milben Libellenlarven Schmetterlingsraupen amphibische Ameisen und viele andere Gruppen vor Von diesen vielen Arten sind in jedem einzelnen Phytotelma aber stets nur einige wenige vertreten Ein Phytotelma mit mehr als sechs Insektenarten gilt bereits als sehr artenreich fur andere Tiergruppen durften ahnliche Zahlen gelten Die Zahl der Individuen kann aber sehr hoch sein So sind etwa 400 Radertiere in einer einzigen Falle von Sarracenia keine Seltenheit Okologie des Phytotelmas BearbeitenSo klein die meisten Phytotelmata auch sind bieten sie doch Platz fur verschiedene Organismen mit unterschiedlichen Anspruchen sie enthalten somit mehrere okologische Nischen Die wesentlichen Lebensweisen sind hier aufgezahlt Autotrophie Phytotelmata enthalten kaum je grune Pflanzen es findet also nur wenig Photosynthese statt Ihr Anteil an der gesamten Energieversorgung eines Phytotelmas betragt wahrscheinlich hochstens einige Prozent Wenn doch Pflanzen vorkommen sind es meist Algen v a Grunalgen und Blaualgen ausnahmsweise konnen auch hohere Wasserpflanzen oder Moose vorkommen Herbivorie Da es nur wenige Pflanzen gibt spielen auch Pflanzenfresser keine besondere Rolle Manchmal allerdings ernahren sich etwa Amoeben von Algen die in einem Phytotelma wachsen eigene Beobachtung Daneben gibt es auch Organismen welche die Wande des Phytotelmas anfressen also die Pflanze in der sich das Phytotelma befindet Diese Organismen zerstoren jedoch fruher oder spater ihren eigenen Lebensraum da die Flussigkeit dann auslauft Saprophagie Die Mehrzahl der Phytotelma Bewohner lebt entweder von organischer Substanz totes Laub Flugstaub ertrunkene Tiere etc die in das Phytotelma fallt oder von Bakterien welche diese Substanz abbauen Innerhalb dieser Gruppe unterscheidet man Filtrierer die feinste Partikel aus der Flussigkeit filtern Mikro Detritus Saprophage die etwas grossere Partikel fressen und Makro Detritus Saprophage die etwa ganze Kadaver anfressen Pradatoren Beutegreifer ernahren sich vorwiegend von den Detrivoren sie konnen also nur in Phytotelmata leben die schon eine grossere Anzahl an Tieren beherbergen Je nach Jagdstrategie unterscheidet man detritusbewohnende Pradatoren die am Grund des Phytotelmas in toter organischer Substanz herumkriechen oder lauern sessile Pradatoren die an der Wand des Phytotelmas festsitzen und auf Beute warten die vorbeischwimmt Oberflachen Pradatoren die unter der Flussigkeitsoberflache auf Tiere lauern die in das Phytotelma fallen und freischwimmende Pradatoren die aktiv herumschwimmen Top Pradatoren stehen am Ende der Nahrungskette und fressen Saprophage und kleinere Pradatoren sie sind daher meist die grossten Organismen im Phytotelma Man unterscheidet hier freischwimmende Top Pradatoren Lauerjager und semiterrestrische Top Pradatoren die amphibisch leben und das Phytotelma nur zur Jagd aufsuchen Eifresser Frosch Kaulquappen die sich in Phytotelmata entwickeln wurden hier oft zu wenig Futter finden Das Muttertier der danach benannten Gattung Oophaga legt daher in regelmassigen Abstanden weitere unbefruchtete Eier die den Kaulquappen als Futter dienen Die Nahrungsketten in Phytotelmata sind also in der Regel relativ kurz und umfassen hochstens drei Glieder Sarcophage Pradatoren Top Pradatoren in jungen oder artenarmen Phytotelmata findet man sogar meist nur ein oder zweigliedrige Nahrungsketten Trotz der geringen Grosse der Phytotelmata konnen oft zwei oder mehr Arten mit ahnlichen Bedurfnissen koexistieren indem sie sich die Ressourcen raffiniert aufteilen In den Kesseln der fleischfressenden Pflanze Sarracenia purpurea etwa leben drei Arten von Fliegenlarven von Tieren welche in die Falle sturzen Die erste Blaesoxipha fletcheri frisst an der Beute solange sie noch an der Oberflache der Flussigkeit schwimmt Die zweite Metriocnemus knabi frisst weiter sobald das tote Tier bis zum Grund der Falle abgesunken ist Beim Fressen losen sich jedoch viele kleine Partikel von der Leiche die von der dritten Fliegenlarve Wyeomyia smithii aus der Flussigkeit filtriert werden Letztere frisst daneben noch Bakterien und Protozoen Phytotelmata als Modellsystem der Okologie BearbeitenPhytotelmata sind scharf abgegrenzte Mikrobiotope von oft nur wenigen Zentimetern Grosse und einer Lebenserwartung von oft nur einigen Wochen Anders als normale Okosysteme kann man daher ihre gesamte Entwicklung bequem studieren Ebenso kann man sehr einfach Experimente durchfuhren etwa Arten hinzufugen oder herausfangen Ausserdem ist die Zahl der vorkommenden Arten recht uberschaubar Deswegen benutzen Okologen zunehmend Phytotelmata als Modellsysteme um Theorien zur Einwanderung von Arten Konkurrenz Nahrungsketten und netzen etc zu testen Siehe auch BearbeitenZootelmaLiteratur BearbeitenR L Kitching Food webs and container habitats The natural history and ecology of phytotelmata In Cambridge University Press Cambridge 2000 S 431 J H Frank L P Lounibos Phytotelmata Terrestrial plants as hosts for aquatic insect communities Plexus Publishing New Jersey 1983 S 293 D S Srivastava J Kolasa J Bengtsson A Gonzalez S P Lawler T E Miller P Munguia T Romanuk D C Schneider M K Trzcinski Are natural microcosms useful model systems for ecology In Trends in Ecology amp Evolution Band 19 2004 S 379 384 H T W Tan P K L Ng Digestion and early succession in the pitcher fluid In H T W Tan Hrsg A guide to the carnivorous plants of Singapore In Singapore Science Centre Singapore 1997 S 132 138 Fritz Muller Wasserthiere in Baumwipfeln Elpidium bromeliarum In Kosmos Band 4 Leipzig 1880 S 386 388 PDF Fritz Muller Descripcao do Elpidium bromeliarum crustaceo da familia dos Cytherideos In Archivos do Museu Nacional do Rio de Janeiro Band 4 Rio de Janeiro 1881 S 27 34 Tafel 2 PDF T J Little P D N Hebert Endemism and ecological islands the ostracods from Jamaican bromeliads In Freshwater Biology Band 36 Nr 2 1996 S 327 338 Einzelnachweise Bearbeiten L Varga Ein interessanter Biotop der Bioconose von Wasserorganismen In Biologisches Zentralblatt Band 48 1928 S 143 162 Bassett Maguire 1971 Phytotelmata biota and community structure determination in plant held water Annual Review of Ecology and Systematics 2 439 464 P Werner Habitatnutzung bei Pfeilgiftfroschen im amazonischen Tieflandregenwald in Peru In elaphe Band 18 Nr 4 2010 S 15 19 J Stynoski Y Torres Mendoza et al 2014 Evidence of maternal provisioning of alkaloid based chemical defenses in the strawberry poison frog Oophaga pumilio Ecology 95 3 587 593 doi 10 1890 13 0927 1 Indraneil Das Alexander Haas New species of Microhyla from Sarawak Old World s smallest frogs crawl out of miniature pitcher plants on Borneo Amphibia Anura Microhylidae PDF In Zootaxa Band 2571 2010 S 37 52 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Phytotelma amp oldid 235373137